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Arbeitsvertragsrichtlinien und Betriebsübergang
27.11.2017. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahre 2013 ein umstrittenes Urteil gefällt hatte (Urteil vom 18.07.2013, Rs. C-426/11 - Alemo-Herron), war einige Jahre lang nicht ganz klar, wie weit bei einem Betriebsübergang die Bindung des Betriebserwerbers an arbeitsvertragliche Ansprüche auf Bezahlung nach bestimmten Tarifverträgen gehen kann.
Mittlerweile ist diese Frage geklärt, denn der EuGH hat die strenge Bindung des Betriebserwerbers an arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln gemäß der deutschen Rechtsprechung abgesegnet (EuGH, Urteil vom 27.04.2017, C-680/15 und C-681/15 - Asklepios).
Am Donnerstag letzter Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass auch nicht-kirchliche Erwerber vormals kirchlicher Betriebe an arbeitsvertragliche Zusagen gebunden sind, denen zufolge sich die Bezahlung nach kirchenrechtlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) richten soll: BAG, Urteil vom 23.11.2017, 6 AZR 683/16 (Pressemitteilung des BAG).
- Keine dynamische Weitergeltung arbeitsvertraglicher Bezugnahmen auf kirchliche AVR nach Betriebsübergang auf nicht-kirchlichen Betriebserwerber?
- Im Streit: Rettungssanitäter möchte auch nach Betriebsübergang auf nicht-kirchlichen Erwerber weiter nach den AVR des diakonischen Werks bezahlt werden
- BAG: Arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) sind auch von nicht-kirchlichen Betriebserwerbern zu beachten
Keine dynamische Weitergeltung arbeitsvertraglicher Bezugnahmen auf kirchliche AVR nach Betriebsübergang auf nicht-kirchlichen Betriebserwerber?
Bei einem Betriebsübergang tritt der Betriebserwerber gemäß § 613a Abs.1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in die Arbeitsverhältnisse der übernommenen Belegschaft als neuer Arbeitgeber ein, und zwar mit allen Rechten und Pflichten. Ist der Erwerber im Unterschied zu seinem Vorgänger an keinen Tarifvertrag gebunden, werden die für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer bisher geltenden Tarifverträge zum Inhalt der Arbeitsverträge und dürfen (als Arbeitsvertragsinhalte) frühestens ein Jahr nach dem Betriebsübergang zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden (§ 613a Abs.1 Satz 2 BGB).
Diese zeitlich beschränkte Weitergeltung gilt allerdings nur für Tarifverträge, die aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten, d.h. aufgrund von § 4 Abs.1 Tarifvertragsgesetz (TVG) in Verb. mit § 3 Abs.1 TVG. Nach der Rechtsprechung des BAG führen arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf Tarifverträge im Normalfall zu einem dauerhaften arbeitsvertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Anwendung der in der Bezugnahmeklausel genannten Tarifverträge, d.h. zu einem arbeitsvertraglichen Anspruch, der eins zu eins auf den Betriebserwerber übergeht.
Diese BAG-Rechtsprechung war durch ein Urteil des EuGH aus dem Jahre 2013 vorübergehend infrage gestellt worden (EuGH, Urteil vom 18.07.2013, Rs. C-426/11 - Alemo-Herron, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/218 Betriebsübergang und arbeitsvertraglich in Bezug genommener Tarifvertrag), denn in diesem Urteil hatte der EuGH eine unabänderliche Bindung des Betriebserwerbers an „eingekaufte“ arbeitsvertragliche Tarifanbindungen als europarechtswidrig beanstandet. Im Jahre 2017 allerdings segnete der EuGH die arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung des BAG dann ausdrücklich ab (EuGH, Urteil vom 27.04.2017, C-680/15 und C-681/15 - Asklepios, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/119 Anspruch auf Tariflohnerhöhung nach Betriebsübergang).
Damit steht fest, dass der Betriebserwerber arbeitsvertragliche Ansprüche auf Bezahlung nach bestimmten, in den Arbeitsverträgen der übernommenen Belegschaft genannten Tarifverträgen dauerhaft erfüllen muss, und zwar so, wie sich dies aus den Bezugnahmeklauseln ergibt. In aller Regel führt dies zu einer sog. dynamischen Tarifgeltung, d.h. der Betriebserwerber muss tarifvertragliche Lohnerhöhungen an die Belegschaft weitergeben.
Fraglich ist, ob die Bindung des Betriebserwerbers an kollektivvertragliche Lohnerhöhungen, die er selbst nicht beeinflussen kann, auch zugunsten von Arbeitnehmern kirchlicher Einrichtungen gilt, deren Arbeitsverträge typischerweise Bezugnahmen auf AVR enthalten. Anders gesagt: Müssen nicht-kirchliche Erwerber von Betrieben, die zuvor von einem kirchlichen Träger geführt wurden, die in den Arbeitsverträgen der übernommenen Belegschaft enthaltenen Bezugnahmen auf kirchenrechtliche AVR beachten, d.h. Lohnerhöhungen gemäß den jeweiligen Aktualisierungen der AVR an die Belegschaft weitergeben?
Dafür spricht der Arbeitnehmerschutz in Fällen eines Betriebsübergangs sowie der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind („pacta sunt servanda“). Dagegen könnte die fehlende Einflussmöglichkeit nicht-kirchlicher Betriebserwerber auf den Inhalt bzw. die Weiterentwicklung von AVR sprechen.
Im Streit: Rettungssanitäter möchte auch nach Betriebsübergang auf nicht-kirchlichen Erwerber weiter nach den AVR des diakonischen Werks bezahlt werden
Geklagt hatte ein Rettungssanitäter, der seit 1991 in einer Einrichtung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Sachsen beschäftigt war. In seinem Arbeitsvertrag war vereinbart, dass die AVR des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung gelten sollten.
Zum 01.01.2014 ging das Arbeitsverhältnis durch ein Betriebsübergang auf eine gemeinnützige GmbH über, die nicht Mitglied des Diakonischen Werks ist. Die GmbH wollte die AVR nur noch statisch anwenden, d.h. mit dem am 31.12.2013 geltenden Stand. Ihr Argument: Sie kann als nicht-kirchlicher Arbeitgeber auf den Inhalt der AVR weder direkt noch mittelbar Einfluss nehmen. Daher sei sie an Änderungen der AVR nach dem Betriebsübergang nicht gebunden. Daher weigerte sie sich, dem Kläger die aus den AVR folgenden Lohnerhöhungen des Jahres 2014 an den Sanitäter weiterzugeben.
Der verklagte die GmbH daraufhin vor dem Arbeitsgericht Dresden auf Zahlung der einbehaltenen Lohndifferenz. Das Arbeitsgericht Dresden gab ihm Recht (Urteil vom 30.10.2015, 1 Ca 924/15), ebenso das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) mit Urteil vom 17.03. 2016 (6 Sa 631/15).
BAG: Arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) sind auch von nicht-kirchlichen Betriebserwerbern zu beachten
Auch in Erfurt hatte der Arbeitgeber kein Glück. Das BAG gab zwar zunächst seiner Nichtzulassungsbeschwerde statt, d.h. es ließ die Revision zu, die das LAG dem Arbeitgeber zunächst nicht gestatten wollte. Die Revision selbst aber hatte keinen Erfolg, sondern wurde zurückgewiesen. In der Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Wird der Betrieb eines kirchlichen Arbeitgebers im Wege eines Betriebsübergangs von einem weltlichen Erwerber übernommen, tritt der Erwerber gemäß § 613a Abs.1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Ein Teil der weitergeltenden Pflichten ist nach Ansicht des BAG die arbeitsvertraglich vereinbarte Bindung an das in AVR geregelte kirchliche Arbeitsrecht.
Wird daher im Arbeitsvertrag auf die AVR in der „jeweils geltenden Fassung“ verwiesen, verpflichtet diese dynamische Bezugnahme den nicht-kirchlichen Betriebserwerber dazu, Änderungen der AVR wie z.B. Lohnerhöhungen umzusetzen, so die Erfurter Richter.
Mit der vorliegenden Entscheidung bestätigt das BAG seine Rechtsprechung zur dynamischen Weitergeltung arbeitsvertraglicher Bezugnahmen auf AVR im Falle der Betriebsübernahme durch einen nicht-kirchlichen Arbeitgeber. So hat das BAG bereits 2012 klargestellt, dass sich der Betriebserwerber in einem solchen Fall nicht auf die ver.di-Tarifverträge berufen kann, an die er gebunden ist, sondern dass auch bei beiderseitiger Tarifbindung an ver.di-Tarifverträge die arbeitsvertraglich vereinbarte Anwendung der AVR als arbeitsvertraglicher Anspruch vorrangig ist (BAG, Urteil vom 22.02.2012, 4 AZR 24/10 wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/088 Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) und Tarifvertrag). Grundlage dieser Rechtsprechung ist die Bewertung von AVR als Arbeitsvertragsinhalt, d.h. AVR sind nach ständiger BAG-Rechtsprechung keine Tarifverträge, sondern Bestandteil der Individualarbeitsverträge.
Fazit: Mit dem vorliegenden Urteil hat das BAG klargestellt, dass sich auch weltliche Erwerber von vormals kirchlichen Betrieben nicht auf das Alemo-Herron- Urteil des EuGH vom 18.07.2013 (Rs. C-426/11) berufen können. Das ist konsequent, denn eine solche dynamische Weitergeltung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln gilt ja auch in der Privatwirtschaft, d.h. für arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf Tarifverträge (BAG, Urteile vom 30.08.2017, 4 AZR 95/14 und 4 AZR 61/14, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/230 Pacta sunt servanda - auch im Arbeitsrecht).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.11.2017, 6 AZR 683/16 (Pressemitteilung des BAG)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.11.2017, 6 AZR 683/16
- Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.03. 2016, 6 Sa 631/15
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18.07.2013, Rs. C-426/11 (Alemo-Herron)
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Bezugnahmeklausel
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 18/127 Arbeitsvertragsrichtlinien sind nicht zwingend
- Arbeitsrecht aktuell: 17/230 Pacta sunt servanda - auch im Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 17/119 Anspruch auf Tariflohnerhöhung nach Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 15/159 Dynamische Tarifanbindung und Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 13/218 Betriebsübergang und arbeitsvertraglich in Bezug genommener Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 12/088 Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) und Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 08/119 Abschied von der Gleichstellungsabrede - Teil III
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 31. Mai 2018
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