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Kündigung - Rücknahme der Kündigung
Lesen Sie hier, was man unter der Rücknahme einer Kündigung versteht, d.h. welche rechtlichen Wirkungen eine Kündigungsrücknahme haben soll und was dazu erforderlich ist, damit diese Rechtswirkungen eintreten.
Im Einzelnen finden Sie Informationen dazu, warum das Einverständnis des gekündigten Vertragspartners zur Kündigungsrücknahme erforderlich ist, unter welchen Umständen eine Kündigungsrücknahme den Annahmeverzug des Arbeitgebers beendet und in welchen Situationen die Rücknahme einer Kündigung sinnvoll ist.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Was versteht man unter der Rücknahme einer Kündigung?
- Führt die Rücknahme einer schriftlichen Kündigung ohne das Einverständnis des gekündigten Vertragspartners zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses?
- Können nicht schriftlich erklärte Kündigungen zurückgenommen werden?
- Hat die Rücknahme einer Kündigung gar keine rechtlichen Wirkungen?
- Wie kann der kündigende Vertragspartner die Rücknahme der schriftlichen Kündigung erklären?
- Wie kann der gekündigte Vertragspartner die Rücknahme der schriftlichen Kündigung annehmen?
- Können gekündigte Arbeitnehmer eine Rücknahme der Kündigung auch ablehnen, wenn sie bereits eine Kündigungsschutzklage erhoben haben?
- Wann lohnt sich für Arbeitgeber die Rücknahme der Kündigung im Kündigungsschutzprozess?
- Was sollten Arbeitnehmer beachten, wenn der Arbeitgeber im Gerichtssaal die Rücknahme der Kündigung zu Protokoll gibt?
- Wann beendet die Rücknahme einer Kündigung durch den Arbeitgeber den Annahmeverzug?
- Können Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern, ohne die Kündigung zurückzunehmen?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Kündigung - Rücknahme der Kündigung?
- Was können wir für Sie tun?
Was versteht man unter der Rücknahme einer Kündigung?
Wer als Arbeitgeber oder als Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt, führt damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbei, ohne dass es auf das Einverständnis des gekündigten Vertragspartners ankommt.
Weil Kündigungen als sog. einseitige Willenserklärungen „schnell geschrieben“ sind, werden sie manchmal übereilt ausgesprochen. Dann hätte der kündigende Vertragspartner seine Kündigung im Nachhinein lieber nicht ausgesprochen. Davor schützt auch die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform der Kündigung (§ 623 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) nicht wirklich.
Mit der Rücknahme der Kündigung will der kündigende Vertragspartner, den seine Kündigung reut, das Vertragsverhältnis in die Lage zurückversetzen, in der es sich ohne die Kündigung befinden würde.
Die Rücknahme einer Kündigung ist nicht zu verwechseln mit der Zurückweisung einer Kündigung. Denn die Zurückweisung einer Kündigung ist eine Erklärung, die der gekündigte Vertragspartner abgibt, weil der Kündigende seiner Kündigungserklärung keine ordnungsgemäße schriftliche Vollmacht beigefügt hat. Nähere Informationen hierzu finden Sie unter Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Zurückweisung der Kündigung.
Führt die Rücknahme einer schriftlichen Kündigung ohne das Einverständnis des gekündigten Vertragspartners zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses?
Nein, und das unterscheidet die Rücknahme einer Kündigung von der Kündigung selbst.
Denn eine schriftliche Kündigungserklärung beendet das Arbeitsverhältnis automatisch, sobald sie dem gekündigten Vertragspartner ausgehändigt wird oder ihm, falls er nicht anwesend ist, zugeht, z.B. durch Einwurf des Kündigungsschreibens in seinen Briefkasten (§ 130 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
Will der kündigende Vertragspartner diese Rechtsfolge, d.h. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge seiner Kündigung, wieder aus der Welt schaffen, muss er mit dem gekündigten Vertragspartner darüber eine vertragliche Vereinbarung treffen. Das bedeutet: Der gekündigte Vertragspartner muss mit der Vertragsfortsetzung einverstanden sein.
Das gilt auch für schriftliche Kündigungen des Arbeitgebers, die unwirksam sind, weil sie gegen Vorschriften des Kündigungsschutzes verstoßen haben. Denn auch bei Unwirksamkeit einer schriftlichen Arbeitgeberkündigung hat der Arbeitgeber die Rechtslage durch den Ausspruch der Kündigung verändert.
Der Arbeitnehmer hat in einem solchen Fall nämlich die Möglichkeit, die gesetzliche dreiwöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage verstreichen zu lassen, d.h. er kann entscheiden, innerhalb von drei Wochen nach Erhalt bzw. nach Zugang der schriftlichen Kündigung keine Klage zu erheben. Das hat nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) die Folge, dass die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gilt (§ 7 KSchG in Verb. mit § 4 KSchG). Diese rechtliche Möglichkeit hat der Arbeitgeber mit einer schriftlichen Kündigung ausgelöst, und er kann sie dem Arbeitnehmer durch eine einseitige Rücknahme der Kündigung nicht wieder nehmen.
Daraus folgt: Die einseitige Rücknahme einer schriftlichen Kündigung ist rechtlich wirkungslos, wenn der gekündigte Vertragspartner mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einverstanden ist.
Können nicht schriftlich erklärte Kündigungen zurückgenommen werden?
Ja, denn die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses muss gemäß § 623 BGB zwingend schriftlich erklärt werden.
Das bedeutet, dass der kündigende Vertragspartner die Kündigungserklärung auf einem Blatt Papier ("Urkunde") schriftlich festhalten und die Erklärung eigenhändig unterschreiben muss (§ 126 Abs.1 Fall 1 BGB). Wer nicht schreiben kann, kann auf dem Kündigungsschreiben unterhalb des Textes ein notariell beglaubigtes Handzeichen notieren (§ 126 Abs.1 Fall 2 BGB).
Eine Kündigungserklärung, die in anderer Weise ausgesprochen wird, also zum Beispiel in Textform gemäß § 126b BGB, d.h. per E-Mail, SMS, WhatsApp-Nachricht oder Fax, ist nichtig, d.h. sie hat von vornherein keine rechtlich Wirkung (§ 125 Satz 1 BGB). Das gilt natürlich auch für eine mündlich erklärte Kündigung.
Dementsprechend müssen Arbeitnehmer gegen nicht-schriftliche Kündigungen auch nicht innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage einreichen, denn die dreiwöchige Klagefrist gilt nur "nach Zugang der schriftlichen Kündigung" (§ 4 Satz 1 KSchG).
Daher ändert der Ausspruch einer nicht-schriftlichen Kündigung die Rechtslage nicht. Daher bedeutet die Rücknahme einer nicht schriftlich erklärten Kündigung nur, dass der kündigende Vertragspartner die ohnehin bestehende Rechtslage (= Nichtigkeit der Kündigung) bestätigt. Er gesteht zu, einen rechtlich folgenlosen Fehler gemacht zu haben.
Hat die Rücknahme einer Kündigung gar keine rechtlichen Wirkungen?
Auch wenn die einseitige Rücknahme einer schriftlichen Kündigung das Vertragsverhältnis nicht automatisch wieder in Gang setzt, hat die Rücknahmeerklärung eine wichtige Rechtswirkung:
Sie ist nämlich als Vertragsangebot zu interpretieren, dem zufolge das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung und zu den bisher gültigen Bedingungen weiter fortgesetzt werden soll.
Dieses Vertragsangebot ist weiterhin so zu verstehen, dass es auf die Wirksamkeit der Kündigung nicht ankommen soll: Falls die Kündigung wirksam ist, soll die Vertragsbeendigung einvernehmlich beseitigt werden, und falls die Kündigung unwirksam ist, soll dies durch die einvernehmliche Vertragsfortsetzung bestätigt werden.
Dieses Fortsetzungsangebot, das in der Rücknahme der Kündigung liegt, kann der gekündigte Vertragspartner annehmen oder ausschlagen.
Wie kann der kündigende Vertragspartner die Rücknahme der schriftlichen Kündigung erklären?
Obwohl die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 623 BGB nur schriftlich möglich ist, kann die Rücknahme formfrei erklärt werden.
Denn sie beinhaltet das Angebot, das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung zu den bisherigen Bedingungen fortzusetzen. Damit entspricht sie einem Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags. Arbeitsverträge können aber formfrei geschlossen werden, z.B. mündlich per Handschlag.
Einen Formulierungsvorschlag für eine Kündigungsrücknahme finden Sie hier.
Wie kann der gekündigte Vertragspartner die Rücknahme der schriftlichen Kündigung annehmen?
Auch der gekündigte Vertragspartner kann sein Einverständnis mit der Kündigungsrücknahme bzw. Vertragsfortsetzung in jeder beliebigen Form erklären, also z.B. ausdrücklich
- durch mündliche Erklärung,
- schriftlich "mit Stift und Papier",
- per E-Mail oder auch
- durch eine Erklärung zu Protokoll in einer Gerichtsverhandlung.
Es genügt aber auch ein Verhalten, das nur indirekt den Schluss darauf zulässt, dass der gekündigte Vertragspartner das Arbeitsverhältnis entsprechend der Kündigungsrücknahme fortsetzen möchte.
Ein typisches Beispiel für eine solche stillschweigende ("konkludente") Annahme des Fortsetzungsangebots ist die Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer als Reaktion auf die Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber.
BEISPIEL: Der Arbeitgeber kündigt den Arbeitnehmer, der daraufhin Kündigungsschutzklage erhebt. Im Gütetermin ist die Kündigungsfrist schon abgelaufen, so dass der Arbeitnehmer bereits arbeitslos gemeldet ist und Arbeitslosengeld bezieht. Der mit dem Fall befasste Richter deutet im Gütetermin an, dass die Kündigung wahrscheinlich unwirksam ist. Daher nimmt der Arbeitgeber kurz darauf - an einem Freitag - die Kündigung per E-Mail zurück. Am nächsten Montag erscheint der Arbeitnehmer wieder bei der Arbeit.
In diesem Beispiel ist die Kündigung vom Tisch, so dass der gekündigte Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage zurücknehmen kann. Denn durch die Rücknahme der Kündigung hat der Arbeitgeber angeboten, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen, und dieses Angebot hat der Arbeitnehmer durch schlüssiges Verhalten angenommen, indem er am Montag darauf bei der Arbeit erschienen ist.
TIP: Auch wenn eine Kündigungsrücknahme rein rechtlich gesehen auch stillschweigend durch Rückkehr an den alten Arbeitsplatz angenommen werden kann, sollten Arbeitnehmer aus Gründen der Rechtssicherheit darauf bestehen, dass die Kündigungsrücknahme in einer vertraglichen Vereinbarung ausdrücklich festgehalten wird.
Können gekündigte Arbeitnehmer eine Rücknahme der Kündigung auch ablehnen, wenn sie bereits eine Kündigungsschutzklage erhoben haben?
Ja, das ist möglich.
Das Ziel einer Kündigungsschutzklage besteht zwar darin, dass das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung feststellt. Nimmt der beklagte Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess die Kündigung zurück, sieht es daher auf den ersten Blick so aus, als hätte der Arbeitnehmer sein Klageziel vollständig erreicht.
Daher könnte man die Ansicht vertreten, dass Arbeitnehmer mit Erhebung der Kündigungsschutzklage bereits vorab ihr Einverständnis zur Vertragsfortsetzung erklären, falls die Kündigung im Prozess zurückgenommen werden sollte.
So sehen es die Arbeitsgerichte aber nicht. Arbeitnehmer können auch im Kündigungsschutzprozess frei entscheiden, ob sie eine Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber annehmen oder ablehnen möchten.
Der Grund liegt darin, dass § 9 KSchG dem Arbeitnehmer die rechtliche Möglichkeit gibt, die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zu beantragen. § 9 Abs.1 Satz 1 KSchG lautet:
„Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.“
Da Arbeitnehmer dieses spezielle Klageziel im Kündigungsschutzprozess nach einer Kündigungsrücknahme durch den Arbeitgeber nur erreichen können, wenn sie das in der Rücknahmeerklärung liegende Fortsetzungsangebot des Arbeitgebers ablehnen, können sie sich auch im Kündigungsschutzverfahren frei zwischen Annahme oder Ablehnung entscheiden.
Umgekehrt gilt dann aber auch für Arbeitgeber: Die Rücknahme der Kündigung im Kündigungsschutzprozess heißt nicht, dass man als Arbeitgeber den Klageantrag, d.h. den Kündigungsschutzantrag, anerkennt. Auf der Grundlage einer Kündigungsrücknahme durch den Arbeitgeber kann daher kein Anerkenntnisurteil zulasten des Arbeitgebers ergehen.
TIP: Auflösungsanträge auf der Grundlage von § 9 Abs.1 Satz 1 KSchG haben nur in sehr seltenen Ausnahmefällen Erfolg. Arbeitnehmer, die mit einer Kündigungsschutzklage (auch) das Ziel verfolgen, eine attraktive Abfindung zu erhalten, sollten darüber mit dem Arbeitgeber verhandeln mit dem Ziel eines Abfindungsvergleichs. Der Weg über einen Auflösungsantrag ist in den meisten Fällen keine aussichtsreiche Alternative zu einer einvernehmlichen Abfindungsregelung.
Nimmt der Arbeitgeber im Prozess die Kündigung zurück und gibt der Arbeitnehmer dazu erst einmal keine Erklärung ab, stellt später aber auch keinen Auflösungsantrag, so kann es sein, dass das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abweist, weil kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht.
Mit einer solchen Entscheidung ist zu rechnen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nicht nur zurücknimmt, sondern dabei ausdrücklich erklärt, er nehme sie zurück, „weil sie rechtlich unwirksam war“. Denn dann hat der Arbeitnehmer, falls er keinen Auflösungsantrag stellen will, mit der Kündigungsrücknahme das Klageziel seines Kündigungsschutzantrags tatsächlich vollständig erreicht.
Einen Mustertext für eine Kündigungsrücknahme finden Sie hier.
Wann lohnt sich für Arbeitgeber die Rücknahme der Kündigung im Kündigungsschutzprozess?
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob Arbeitgeber mit einer Kündigungsrücknahme im Kündigungsschutzprozess klein beigeben, d.h. ihr Ziel (die Entlassung des Arbeitnehmers) aufgeben.
Das stimmt allerdings in den meisten Fällen nicht, oder es ist nicht die ganze Wahrheit.
Denn oft liegen zwischen Ausspruch der Kündigung und Kündigungsrücknahme einige Wochen oder Monate, so dass sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die neue Situation eingestellt hat. Er hat Bewerbungsgespräche geführt und vielleicht schon einige interessante Angebote erhalten, und er hat sich aufgrund des zunehmenden Zeitabstands zur Kündigung darauf eingestellt, dass er wahrscheinlich nicht mehr zu seinem alten Arbeitgeber zurückkehren wird. Möglicherweise kann es das auch gar nicht mehr, weil er schon bei einem anderen Arbeitgeber unterschrieben hat.
Dadurch ändern sich die Ziele: Geht es vielen Arbeitnehmern unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung vor allem um den Erhalt des Arbeitsplatzes, ist einige Wochen oder Monate später eine möglichst hohe Abfindung oft das wichtigste Ziel.
In einer solchen Situation kann ein Kündigungsrücknahme durch den Arbeitgeber ein kluger Schachzug sein, vor allem wenn sie verbunden ist mit der Aufforderung, sehr kurzfristig wieder bei der Arbeit zu erscheinen. In vielen Fällen sind Arbeitnehmer dann dazu bereit, auch geringere Abfindungen zu akzeptieren.
Was sollten Arbeitnehmer beachten, wenn der Arbeitgeber im Gerichtssaal die Rücknahme der Kündigung zu Protokoll gibt?
Entscheiden sich Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess dazu, die umstrittene Kündigung zurückzunehmen, wird die Kündigungsrücknahme manchmal im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt.
Denn wenn die Kündigung nach Einschätzung des Gerichts wahrscheinlich unwirksam ist, stellt sich das oft erst in der Gerichtsverhandlung heraus. Auch Abfindungsverhandlungen, die im Verhandlungstermin scheitern, können dazu führen, dass dem Arbeitgeber die Sache zu bunt wird und er die Kündigung kurz entschlossen im Gerichtssaal zurücknimmt.
Dann wird es brenzlig für den Arbeitnehmer. Denn die Rücknahme einer Kündigung ist, wie bereits gesagt, das Angebot, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich ohne Unterbrechung fortzusetzen. Da beide Parteien persönlich anwesend sind, kann ein solches Angebot gemäß § 147 Abs.1 Satz 1 BGB nur sofort angenommen werden. Diese Vorschrift lautet:
„Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden.“
Die Rücknahme einer Kündigung im Verhandlungstermin vor Gericht zwingt den Arbeitnehmer daher zu einer sofortigen Reaktion.
Sie sollte im Normalfall darin bestehen, das Fortsetzungsangebot des Arbeitgebers anzunehmen. Denn Auflösungsanträge gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 KSchG haben nur selten Erfolg und sind daher keine gute Alternative dazu, entweder eine Abfindungsvereinbarung zu treffen oder das Arbeitsverhältnis fortzusetzen
Auf der Grundlage einer Kündigungsrücknahme durch den Arbeitgeber können die Parteien folgende übereinstimmende Erklärung zu Protokoll nehmen:
„Der/die Beklagte (= Arbeitgeber/in) erklärt: Ich nehme die Kündigung zurück, weil sie rechtswidrig war, und leite aus ihr keine Rechte mehr her.
Der/die Kläger/in (= Arbeitnehmer/in) erklärt: Ich nehme das Angebot einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an.
Die Parteien sind darüber einig, dass das durch die streitgegenständliche Kündigung gekündigte Arbeitsverhältnis ohne rechtliche Unterbrechung und zu unveränderten Bedingungen über den XX.XX.20XX (= Endtermin gemäß Kündigung) hinaus fortbesteht.“
Wann beendet die Rücknahme einer Kündigung durch den Arbeitgeber den Annahmeverzug?
Mit Ausspruch einer Kündigung erklärt der Arbeitgeber, dass er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach dem Endtermin, der sich aus der Kündigung ergibt, nicht mehr annehmen will.
Ist die Kündigung unwirksam, setzt sich der Arbeitgeber damit ins Unrecht. Denn das Arbeitsverhältnis besteht ja rechtlich weiter fort, so dass der Arbeitgeber auch zur Entgegennahme der Arbeitsleistung verpflichtet bleibt.
Daher führt eine unwirksame Kündigung dazu, dass der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Verzug gerät.
Der Annahmeverzug des Arbeitgebers tritt automatisch ein. Gekündigte Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre weitere Arbeitsleistung ausdrücklich anzubieten, sei es durch ein
- tatsächliches Angebot, d.h. durch das Erscheinen im Betrieb gemäß § 294 BGB, oder auch „nur“ durch ein
- wörtliches Angebot, also z.B. durch einen Telefonanruf gemäß § 295 BGB.
Denn der Arbeitgeber ist ja dazu verpflichtet, dem Arbeitnehmer von sich aus an jedem Arbeitstag vertragsgemäße Aufgaben an einem funktionierenden Arbeitsplatz zuzuweisen, was er aber wegen seiner unwirksamen Kündigung nicht tut. Daher ist gemäß § 296 Satz 1 BGB kein Arbeitsangebot des Arbeitnehmers erforderlich. Diese Vorschrift lautet:
„Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt.“
Unter die vom Gläubiger (= Arbeitgeber) "vorzunehmende Handlung" fällt nach der Rechtsprechung die Zuweisung von Arbeit bzw. eines vertragsgerechten Arbeitsplatzes, und diese Mitwirkungshandlung ist zeitlich "nach dem Kalender bestimmt", denn sie ist unaufgefordert an jedem Arbeitstag vorzunehmen.
Die wesentliche Folge des Annahmeverzugs des Arbeitgebers besteht darin, dass er gemäß § 615 Satz 1 BGB den Lohn auch für die Zeit nach entrichten muss, während der der Arbeitnehmer infolge der Kündigung nicht gearbeitet hat. In § 615 Satz 1 BGB heißt es:
„Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.“
An dieser Stelle fragt sich, ob die Rücknahme einer Kündigung im Kündigungsschutzprozess auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers den Annahmeverzug des Arbeitgebers beendet.
Die Antwort lautet ja: Die Kündigungsrücknahme beendet den Annahmeverzug, jedenfalls im Prinzip. Denn nun hat es der Arbeitnehmer in der Hand, den Arbeitsausfall zu beenden.
Allerdings müssen Arbeitgeber darauf achten, mit der Rücknahme der Kündigung auch zu erklären, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit sie den Arbeitnehmer wieder im Betrieb erwarten.
Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mehrfach entschieden (z.B. BAG, Urteil vom 24.05.2017, 5 AZR 251/16). Denn erst durch die Angabe, wann und wo sich der Arbeitnehmer zur Arbeit einfinden soll, nimmt der Arbeitgeber seine Mitwirkungshandlung gemäß § 296 Satz 1 BGB vor, erfüllt den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers wieder und beendet damit den Annahmeverzug.
Da die Rücknahme der Kündigung den Annahmeverzug beenden soll, müssen Arbeitgeber immer Angaben dazu machen, wann und wo der Arbeitnehmer seine Arbeit wieder aufnehmen soll. Eine solche Kündigungsrücknahme mit konkreter Arbeitsaufforderung könnte etwa lauten:
„Der/die Beklagte (= Arbeitgeber/in) nimmt die streitgegenständliche Kündigung hiermit zurück, weil sie rechtswidrig war, und leitet aus ihr keine Rechte mehr her. Der/die Kläger/in (= Arbeitnehmer/in) wird dazu aufgefordert, am nächsten Montag zum Schichtbeginn um 07:00 Uhr im Betrieb in der XX-Straße Nr.XX zur Arbeit zu erscheinen.“
Einen Mustertext für eine Kündigungsrücknahme außerhalb eines Gerichtsverfahrens finden Sie hier.
Können Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern, ohne die Kündigung zurückzunehmen?
Rein rechtlich ja, aber eine solche Vorgehensweise ist aus Arbeitgebersicht im Allgemeinen nicht zu empfehlen.
Denn wer als Arbeitgeber gleichzeitig an der Wirksamkeit der Kündigung festhält und den gekündigten Arbeitnehmer wieder zur Arbeitsleistung auffordert, macht damit deutlich, dass ihm die weitere Fortsetzung Arbeitsverhältnis zuzumuten ist. Dadurch sinken die Chancen, den Kündigungsschutzprozess zu gewinnen.
Die Aufforderung, wieder bei der Arbeit zu erscheinen, ist daher nur sinnvoll, wenn sie mit einer ausdrücklichen Rücknahme der Kündigung verbunden wird.
Ohne eine ausdrückliche Rücknahme der Kündigung und/oder einen ausdrücklichen Rechtsmittelverzicht (falls der Arbeitgeber bereits eine Instanz verloren hat) gehen die Arbeitsgerichte davon aus, dass der Arbeitgeber an der Rechtswirksamkeit seiner Kündigung weiter festhalten möchte.
Dann können Arbeitgeber aber vom Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung verlangen, denn sonst würden sie sich widersprüchlich verhalten (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.11.2009, 26 Sa 1840/09, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/062 Vor Rücknahme der Kündigung muss Arbeitnehmer nicht arbeiten). Das Weisungsrecht steht dem Arbeitgeber erst dann wieder zu, wenn er ausdrücklich erklärt, dass er an der Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr festhalten will.
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Letzte Überarbeitung: 12. Juni 2024
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