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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/333

Un­zu­läs­si­ger Wett­be­werb wäh­rend ei­ner Frei­stel­lung

Wird der Ar­beit­neh­mer bis zum Aus­schei­den frei­ge­stellt und ar­bei­tet rechts­wid­rig bei der Kon­kur­renz, muss er das er­ziel­te Ge­halt nicht her­aus­ge­ben: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.10.2012, 10 AZR 809/11
Ge­gen Ar­beit beim Wett­be­wer­ber hel­fen meist nur Ab­mah­nung und Kün­di­gung

18.10.2012. Ver­ein­bart der Ar­beit­neh­mer nach ei­ner Kün­di­gung mit sei­nem Ar­beit­ge­ber die Frei­stel­lung von der Ar­beit bis zum Aus­schei­den aus dem Ar­beits­ver­hält­nis und ar­bei­tet er dann wäh­rend der Frei­stel­lung in ver­bo­te­ner Wei­se bei ei­nem Kon­kur­renz­un­ter­neh­men, muss er den dort er­ziel­ten Ver­dienst dem (Noch-)Ar­beit­ge­ber nicht her­aus­ge­ben.

Denn der Her­aus­ga­be­an­spruch ge­mäß § 61 Abs. 1 Han­dels­ge­setz­buch (HGB) ist auf sol­che Fäl­le nicht an­zu­wen­den.

Im Er­geb­nis heißt das, dass der Ar­beit­neh­mer trotz sei­ner rechts­wid­ri­gen Kon­kur­renz­tä­tig­keit dop­pelt kas­sie­ren kann, näm­lich ein­mal die letz­ten Ge­halts­zah­lun­gen sei­nes bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­bers und zum an­de­ren den Lohn, den ihm das Kon­kur­renz­un­ter­neh­men zahlt. Das hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­nem Ur­teil vom gest­ri­gen Ta­ge ent­schie­den: BAG, Ur­teil vom 17.10.2012, 10 AZR 809/11.

Kann man bei der Kon­kur­renz ar­bei­ten, wenn man während der Rest­lauf­zeit des Ar­beits­verhält­nis­ses frei­ge­stellt ist?

Wer­den sich Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge oder bei der Ver­ein­ba­rung ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges darüber ei­nig, dass der Ar­beit­neh­mer (mit oder oh­ne Ab­fin­dung) aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­den soll, liegt der frist­gemäße Be­en­di­gungs­zeit­punkt oft noch in der Zu­kunft.

Dann wird der Ar­beit­neh­mer meist frei­ge­stellt, d.h. er braucht nicht mehr bei der Ar­beit zu er­schei­nen. Denn der Ar­beit­neh­mer ist nicht mehr mo­ti­viert und der Ar­beit­ge­ber möch­te ihn da­her auch nicht mehr so ger­ne im Be­trieb se­hen. Aber natürlich be­kommt der Ar­beit­neh­mer sei­nen Lohn bzw. sein Ge­halt für die Dau­er der Frei­stel­lung.

Vie­le Ar­beit­neh­mer su­chen dann in­ten­siv nach ei­ner neu­en Beschäfti­gung und ma­che fin­den auch schnell et­was, wo­mit sich die Fra­ge stellt, ob sie denn viel­leicht schon vor dem En­de des al­ten Ar­beits­verhält­nis­ses beim neu­en Ar­beit­ge­ber an­fan­gen dürfen.

Das ist oft nicht der Fall, denn der neue Ar­beit­ge­ber ist meist in der­sel­ben Bran­che wie der al­te tätig, d.h. es ist ein Kon­kur­renz­un­ter­neh­men, und auch bei ei­ner Frei­stel­lung während der Rest­lauf­zeit des Ar­beits­verhält­nis­ses ist Kon­kur­renz ver­bo­ten. Ei­ne Aus­nah­me gilt nur dann, wenn der ge­richt­li­che Ver­gleich oder der Auf­he­bungs­ver­trag aus­drück­lich die Ver­ein­ba­rung enthält, dass der Ar­beit­neh­mer "in der Ver­wer­tung sei­ner Ar­beits­kraft frei ist", denn dann ist klar, dass es dem Ar­beit­ge­ber egal, ob und wo der Ar­beit­neh­mer während der Rest­lauf­zeit des Ar­beits­verhält­nis­ses ar­bei­tet.

In al­len an­de­ren Fällen ist das hei­kel, denn die meis­ten Ar­beit­ge­ber fühlen sich hin­ter­gan­gen, wenn sie er­fah­ren, dass sie dem frei­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mer brav den Lohn be­zah­len, während die­ser schon für ei­nen Wett­be­wer­ber ar­bei­tet - und da­mit "dop­pelt kas­siert".

Der Fall des BAG: Ar­beit­neh­mer wird vier Mo­na­te lang frei­ge­stellt und ar­bei­tet während der letz­ten zwei Mo­na­te schon beim Wett­be­wer­ber

Im Streit­fall ging es um ei­nen Pro­dukt­ma­na­ger und tech­ni­schen Lei­ter, der von sei­nem Ar­beit­ge­ber gekündigt wor­den war und sich mit ihm im Rah­men ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge auf ei­nen Ab­fin­dungs­ver­gleich ge­ei­nigt hat­te. Dem Ver­gleich zu­fol­ge soll­te das Ar­beits­verhält­nis per En­de Ja­nu­ar 2010 aus be­trieb­li­chen Gründen en­den, und zwar auf­grund ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung vom 02.10.2009. Außer­dem ent­hielt der Ver­gleich ne­ben ei­ner Ab­fin­dung von 18.000,00 EUR fol­gen­de Re­ge­lung:

"2. Der Kläger wird bis zum En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses von der Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt un­ter Fort­zah­lung der ver­trags­gemäßen Vergütung und un­ter An­rech­nung rest­li­cher oder noch ent­ste­hen­der Ur­laubs­ansprüche und even­tu­el­ler Frei­zeit­aus­gleichs­ansprüche. Die Be­klag­te be­zahlt an den Kläger ei­ne mo­nat­li­che Vergütung ab dem 01.10.2009 bis zum En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses in Höhe von € 6.200,00 brut­to, so­weit die Ansprüche nicht auf die Kran­ken­kas­se über­ge­gan­gen sind."

Dem­ent­spre­chend kam der Ar­beit­neh­mer ei­ni­ge Mo­na­te lang nicht mehr zur Ar­beit, was er da­zu nutz­te, in den letz­ten bei­den Mo­na­ten, d.h. im De­zem­ber 2009 und im Ja­nu­ar 2010, bei ei­nem Kon­kur­renz­un­ter­neh­men zu ar­bei­ten. Dort ver­dien­te er 6.000,00 EUR brut­to.

Da­von er­fuhr der Ar­beit­ge­ber am 15.01.2010 und erklärte dar­auf­hin mit Schrei­ben vom 18.01.2010 die frist­lo­se Kündi­gung. Die al­ler­dings war un­wirk­sam, was der Pro­dukt­ma­na­ger in ei­nem zwei­ten Kündi­gungs­schutz­pro­zess rechts­kräftig fest­stel­len ließ.

Dar­auf­hin woll­te der Ar­beit­ge­ber zu­min­dest nicht mehr mit den vol­len Lohn­kos­ten für De­zem­ber und Ja­nu­ar be­las­tet sein und ver­klag­te den Ar­beit­neh­mer auf Aus­kunft über die Höhe des Ge­halts, das er beim Wett­be­wer­ber er­hal­ten hat­te. Nach ent­spre­chen­der Aus­kunft ver­lang­te er Zah­lung des Brut­to­ge­halts, das der Ar­beit­neh­mer beim Wett­be­wer­ber er­hal­ten hat­te, und zwar ein­sch­ließlich der Ar­beit­ge­ber­an­tei­le am So­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trag.

Mit die­ser Zah­lungs­kla­ge hat­te der Ar­beit­ge­ber al­ler­dings kei­nen Er­folg, d.h. das Ar­beits­ge­richt Frei­burg (Ur­teil vom 22.03.2011, 5 Ca 147/10) und das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg wie­sen sei­ne Kla­ge ab (LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 12.09.2011, 9 Sa 45/11).

BAG: Wird der Ar­beit­neh­mer bis zum Aus­schei­den frei­ge­stellt und ar­bei­tet rechts­wid­rig bei der Kon­kur­renz, muss er das er­ziel­te Ge­halt nicht her­aus­ge­ben

Auch das BAG war der Mei­nung, dass der Ar­beit­ge­ber kei­nen An­spruch auf Her­aus­ga­be des Ge­halts hat­te, das der Ar­beit­neh­mer beim Wett­be­wer­ber er­zielt hat­te.

Al­ler­dings war in al­len In­stan­zen klar, dass sich der Ar­beit­neh­mer durch die Ar­beit beim Kon­kur­ren­ten rechts­wid­rig ver­hal­ten hat­te, d.h. er hat­te ge­gen das während der (Rest-)Ver­trags­lauf­zeit gel­ten­de Wett­be­werbs­ver­bot ver­s­toßen. Das half dem Ar­beit­ge­ber hier aber nichts, denn aus die­sem Rechts­ver­s­toß konn­te er kei­ne fi­nan­zi­el­len Ansprüche her­lei­ten.

Der Ar­beit­ge­ber hat­te sich vor al­lem auf § 61 Abs.1 HGB be­ru­fen. Die­se Vor­schrift lau­tet:

"Ver­letzt der Hand­lungs­ge­hil­fe die ihm nach § 60 ob­lie­gen­de Ver­pflich­tung, so kann der Prin­zi­pal Scha­dens­er­satz for­dern; er kann statt des­sen ver­lan­gen, daß der Hand­lungs­ge­hil­fe die für ei­ge­ne Rech­nung ge­mach­ten Geschäfte als für Rech­nung des Prin­zi­pals ein­ge­gan­gen gel­ten las­se und die aus Geschäften für frem­de Rech­nung be­zo­ge­ne Vergütung her­aus­ge­be oder sei­nen An­spruch auf die Vergütung ab­tre­te."

Ent­ge­gen dem ers­ten An­schein passt die­ser Pa­ra­graph aber nicht auf den Streit­fall. Denn die "Geschäfte", von de­nen in § 61 Abs.1 HGB die Re­de ist, sind selbständi­ge Ver­kaufs­geschäfte, die ein kaufmänni­scher An­ge­stell­ter wett­be­werbs­wid­rig auf sei­ne Rech­nung tätigt und die der Ar­beit­ge­ber (der "Prin­zi­pal") da­her an sich zie­hen kann. Die abhängi­ge Beschäfti­gung ge­gen Lohn bzw. Ge­halt beim Wett­be­wer­ber fällt da­ge­gen nicht un­ter § 61 Abs.1 HGB.

Auch auf an­de­re An­spruchs­grund­la­gen konn­te sich der düpier­te Ar­beit­ge­ber nicht be­ru­fen. Ins­be­son­de­re passt § 615 Satz 2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) nicht. Da­nach muss sich der Ar­beit­neh­mer während ei­nes An­nah­me­ver­zugs den bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber er­wor­be­nen Zwi­schen­ver­dienst auf sei­nen Lohn­an­spruch an­rech­nen las­sen. Aber hier im Streit­fall wur­de ja ei­ne Frei­stel­lung ver­trag­lich ver­ein­bart, wo­mit und da­her lag kein An­nah­me­ver­zug vor.

Und auch ei­nen An­spruch auf Scha­den­s­ers­satz konn­te der Ar­beit­ge­ber nicht gel­tend ma­chen, da ihm kein fi­nan­zi­el­ler Scha­den ent­stan­den war, den er kon­kret hätte be­zif­fern können. Denn den Lohn hat­te er so oder so zu zah­len, d.h. auf­grund der im Ver­gleich über­nom­me­nen Ver­pflich­tung. Mit der Lohn­zah­lung erfüll­te er mit an­de­ren Wor­ten nur den Ar­beits­ver­trag und den Ver­gleich und zahl­te nicht et­wa dafür, dass der Ar­beit­neh­mer nicht "fremd ging".

Fa­zit: Ar­beit­ge­bern ist zu ra­ten, ei­ne mehr­mo­na­ti­ge Frei­stel­lung nur mit der Maßga­be zu ver­ein­ba­ren,

  • dass der Ar­beit­neh­mer auch wei­ter­hin an das ver­trag­li­che Wett­be­werbs­ver­bot ge­bun­den ist,
  • dass er im Fal­le ei­nes Ver­s­toßes zur Aus­kunft über den bei ei­nem Wett­be­wer­ber er­ziel­ten Ver­dienst un­ter Vor­la­ge von Ge­halts­ab­rech­nun­gen ver­pflich­tet ist und
  • dass er sich ei­nen sol­chen (Brut­to-)Ver­dienst auf den Brut­to­lohn­an­spruch an­rech­nen las­sen muss, den er ge­genüber sei­nem al­ten Ar­beit­ge­ber hat.

Ar­beit­neh­mer da­ge­gen soll­ten aus der hier be­spro­che­nen BAG-Ent­schei­dung kei­nes­falls die fal­sche Schluss­fol­ge­rung zie­hen, dass sie nun ge­fahr­los während ei­ner Frei­stel­lung kurz vor Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses zur Kon­kur­renz ab­wan­dern dürf­ten. Denn in ei­nem sol­chen Fall droht ei­ne frist­lo­se Kündi­gung mit der Fol­ge, dass das Ar­beits­verhält­nis dann nicht mehr mit der ver­ein­bar­ten re­gulären Frist en­det, son­dern früher - eben in­fol­ge ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung.

Und dann ver­liert der Ar­beit­neh­mer sei­nen im Ver­gleich oder Auf­he­bungs­ver­trag ver­ein­bar­ten Ab­fin­dungs­an­spruch. Das kann für den Ar­beit­neh­mer ex­trem teu­er wer­den - und dem­ent­spre­chend ein Grund für den Ar­beit­ge­ber sein, sich die Hände zu rei­ben über so viel Dumm­heit sei­nes (Ex-)Ar­beit­neh­mers.

Hier im Streit­fall hat­te der Ar­beit­ge­ber wohl nur des­halb mit sei­ner frist­lo­sen Kündi­gung vom 18.01.2010 kei­nen Er­folg, weil er die­ser Kündi­gung kei­ne Ab­mah­nung hat­te vor­aus­ge­hen las­sen oder weil er ei­ne zu kur­ze Frist zur Auf­ga­be der Kon­kur­renztätig­keit ge­setzt hat­te. Bei kor­rek­ter Ab­mah­nung mit ei­ner aus­rei­chen­den Frist zur Auf­ga­be der Kon­kur­renztätig­keit kann ei­ne an­sch­ließen­de frist­lo­se Kündi­gung aber wirk­sam sein und dann den Ab­fin­dungs­an­spruch zu­nich­te ma­chen.

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Letzte Überarbeitung: 10. April 2017

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