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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/090

Frist­lo­se Kün­di­gung we­gen Lö­schung von Da­ten

Da­ten ge­löscht - Ver­trau­en zer­stört: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 05.08.2013, 7 Sa 1060/10
Bildschirmarbeit Wer Da­ten zer­stört, fliegt.

15.03.2014. Ar­beit­neh­mer, die durch ei­nen schwe­ren Pflicht­ver­stoß das Ver­trau­en ih­res Ar­beit­ge­bers in ih­re Red­lich­keit und Zu­ver­läs­sig­keit zer­stört ha­ben, kön­nen au­ßer­or­dent­lich und frist­los ge­kün­digt wer­den. Ob es frü­her ein­mal ei­nen ähn­li­chen Pflicht­ver­stoß gab und ob die­ser ab­ge­mahnt wor­den war, ist dann un­er­heb­lich.

Seit dem Em­me­ly-Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) vom Ju­ni 2010 (BAG, Ur­teil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09) sind die Ge­rich­te bei ge­ring­fü­gi­gen Ver­mö­gen­de­lik­ten nicht mehr so schnell wie frü­her da­zu be­reit, ei­nen to­ta­len Ver­trau­ens­ver­lust des Ar­beit­ge­bers zu un­ter­schrei­ben. Fäl­le die­ser Art ge­hen heu­te oft zu Guns­ten des ge­kün­dig­ten Ar­beit­neh­mers aus.

Im Er­geb­nis nä­hert die­se neue Recht­spre­chung klei­ne­re Un­red­lich­kei­ten in fi­nan­zi­el­le Din­gen Ar­beits­zeit­ver­stö­ßen und an­de­ren Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten im Ar­beits­ver­hal­ten an.

Nach wie vor sehr ernst neh­men die Ar­beits­ge­rich­te da­ge­gen die Ent­wen­dung von Fir­men­un­ter­la­gen, von Kun­den­da­ten oder auch die nicht an­ge­ord­ne­te Ver­nich­tung von dienst­li­chen E-Mails.

So hat­te die Sieb­te Kam­mer des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) im Som­mer 2011 die Ent­wen­dung ei­ner grö­ße­ren Zahl von Kun­den­da­ten durch ei­nen Bank­an­ge­stell­ten als aus­rei­chen­den Grund für ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung be­wer­tet (Ur­teil vom 29.08.2011, 7 Sa 248/11 - wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 12/060 Frist­lo­se Kün­di­gung trotz un­wi­der­ruf­li­cher Frei­stel­lung).

Zwei Jah­re dar­auf hat­te die­sel­be Kam­mer er­neut über ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung we­gen ei­ner un­be­fug­ten Da­ten­ma­ni­pu­la­ti­on zu ent­schei­den. Dies­mal hat­te der ge­kün­dig­te Ar­beit­neh­mer die Da­ten nicht ge­stoh­len, son­dern "nur" ver­nich­tet: Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 05.08.2013, 7 Sa 1060/10.

Kon­kret hat­te der Ar­beit­neh­mer in dem ak­tu­el­len Fall ge­gen En­de sei­ner sechs­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit im Ju­ni 2009 mit sei­nem Ar­beit­ge­ber über ei­ne Pro­be­zeit­ver­län­ge­rung ver­han­delt. Die Ver­hand­lun­gen schei­ter­ten und der Ar­beit­ge­ber woll­te ei­ne kurz­fris­ti­ge Ver­trags­auf­he­bung, die der Ar­beit­neh­mer ab­lehn­te. Statt des­sen lösch­te er am 29. und am 30. Ju­ni 2009 von sei­nem be­trieb­li­chen Ac­count aus et­wa 80 ei­ge­ne Da­tei­en, 144 Kon­tak­te, 51 E-Mails, 167 Auf­ga­ben und 12 Ter­mi­ne.

Der Ar­beit­ge­ber ent­deck­te die Lö­schun­gen am 01. Ju­li 2009 und kün­dig­te dem Ar­beit­neh­mer frist­los, hilfs­wei­se or­dent­lich per En­de Au­gust 2009.

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main hielt die frist­lo­se Kün­di­gung für un­wirk­sam, da der Ar­beit­ge­ber sie nur we­gen der aus sei­ner Sicht er­wie­se­nen Tat aus­ge­spro­chen hat­te (Tat­kün­di­gung), nicht da­ge­gen auch als Ver­dachts­kün­di­gung. Und da nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kön­ne, dass die Da­ten auch noch spä­ter ge­löscht wor­den sei­en, kam der Ar­beit­ge­ber mit sei­ner frist­lo­sen Kün­di­gung nicht durch (Ur­teil vom 14.04.2010, 22 Ca 7129/09). Das war aber letzt­lich für den Ar­beit­ge­ber zu ver­schmer­zen, weil er nur ei­nen Klein­be­trieb un­ter­hielt und die or­dent­li­che Kün­di­gung per En­de Au­gust da­her in je­dem Fall wirk­sam war.

Das LAG da­ge­gen kam auf der Grund­la­ge ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens zu dem Er­geb­nis, dass der Ar­beit­neh­mer am 29. und 30. Ju­ni 2009 tat­säch­li­che ei­ne um­fang­rei­che Da­ten­lö­schung vor­ge­nom­men und da­mit das Ver­trau­en des Ar­beit­ge­bers in sei­ne In­te­gri­tät voll­stän­dig zer­stört hat­te.

Die Da­ten ste­hen, so das LAG, in der Ver­fü­gungs­macht des Ar­beit­ge­bers. Ei­ne ei­gen­mäch­ti­ge Lö­schung durch ei­nen Ar­beit­neh­mer mit den sich dar­aus er­ge­ben­den in­ter­nen Pro­ble­men und Schwie­rig­kei­ten ge­gen­über Kun­den ist ein so er­heb­li­cher Ver­stoß ge­gen ar­beits­ver­trag­li­che Pflich­ten, dass die so­for­ti­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses aus Sicht der Rich­ter ge­recht­fer­tigt war.

Ei­ne Ab­mah­nung, die in der Re­gel ei­ner Kün­di­gung aus ver­hal­tens­be­ding­ten Grün­den vor­an­ge­hen muss, war hier nach An­sicht des LAG nicht not­wen­dig. Denn der Ar­beit­neh­mer wuss­te auch oh­ne Ab­mah­nung, dass die Lö­schung der Da­ten von sei­nem Ar­beit­ge­ber auf kei­nen Fall hin­ge­nom­men wer­den wür­de.

Fa­zit: Wer Da­ten­sät­ze, E-Mail-Ver­kehr, Kun­den­da­ten oder in Pa­pier do­ku­men­tier­te Un­ter­la­gen sei­nes Ar­beit­ge­bers un­be­fugt ver­nich­tet, stiehlt oder trotz Auf­for­de­rung zur Her­aus­ga­be bei sich be­hält, ris­kiert ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung aus ver­hal­tens­be­ding­ten Grün­den. Die Ar­beits­ge­rich­te prak­ti­zier­ten ge­gen­über Pflicht­ver­stö­ßen in die­sem Be­reich ei­ne ziem­lich har­te Null-To­le­ranz-Recht­spre­chung.

Das geht so weit, dass Ar­beit­neh­mer so­gar in Kün­di­gungs­schutz- oder Lohn­pro­zes­sen bes­ser nicht mit ih­nen vor­lie­gen­den fir­men­in­ter­nen Da­ten oder Un­ter­la­gen ar­gu­men­tie­ren soll­ten, sie je­den­falls bes­ser nicht zum Be­weis vor­le­gen soll­ten, da ih­nen dar­aus leicht ein Strick ge­dreht wer­den könn­te.

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Letzte Überarbeitung: 4. Oktober 2018

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