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ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/005

Er­pres­se­ri­sche Ver­hand­lun­gen über Ab­fin­dung sind Kün­di­gungs­grund

Der Ton macht die Mu­sik: Ar­beits­ge­richt Dort­mund, Ur­teil vom 16.06.2010, 10 Ca 19/10
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Ab­fin­dun­gen soll­ten aus­ge­han­delt, nicht er­presst wer­den
07.01.2011. Hart­nä­ckig hält sich bei Ar­beit­neh­mern die Vor­stel­lung, am En­de Ih­res Ar­beits­ver­hält­nis­ses in ir­gend­ei­ner Form ei­nen An­spruch auf ei­ne Ab­fin­dung zu ha­ben. Das ist in al­ler Re­gel aber nicht der Fall. Aus­nah­men fin­den sich ins­be­son­de­re in So­zi­al­plä­nen. Un­ter be­stimm­ten, en­gen Vor­aus­set­zun­gen sieht auch das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) An­sprü­che auf Ab­fin­dung vor.

So hat der Ar­beit­ge­ber bei­spiels­wei­se die Mög­lich­keit, dem Ar­beit­neh­mer bei ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kün­di­gung ein Ab­fin­dungs­an­ge­bot nach Maß­ga­be des § 1a KSchG zu un­ter­brei­ten. Er muss da­bei aus­drück­lich in der Kün­di­gungs­er­klä­rung dar­auf hin­wei­sen, dass die Kün­di­gung auf drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se ge­stützt ist und der Ar­beit­neh­mer ei­ne Ab­fin­dung be­an­spru­chen kann, wenn er die für Kün­di­gungs­schutz­kla­gen gel­ten­de Drei­wo­chen­frist (§ 4 Satz 1 KSchG) un­ge­nutzt ver­strei­chen lässt, d.h. kei­ne Kla­ge er­hebt. Die Hö­he der Ab­fin­dung be­trägt da­bei 0,5 Mo­nats­ver­diens­te für je­des Jahr des Be­ste­hens des Ar­beits­ver­hält­nis­ses (§ 1a Abs. 2 KSchG).

Dar­über hin­aus re­gelt das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz auch den Fall, dass ei­ne Kün­di­gung un­wirk­sam ist, aber ei­ne der bei­den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en die Fort­set­zung des Ar­beits­ver­tra­ges nicht mehr zu­ge­mu­tet wer­den kann (ver­glei­che §§ 9, 13 KSchG). In die­sen Fäl­len kann der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer bei Ge­richt je nach Fall­ge­stal­tung den An­trag stel­len, das Ar­beits­ver­hält­nis auf­zu­lö­sen und den Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Ab­fin­dung zu ver­ur­tei­len. Auch hier ori­en­tiert sich die Recht­spre­chung an dem in § 1a Abs. 2 KSchG ge­nann­ten Richt­wert und den wei­te­ren Vor­ga­ben in § 10 KSchG. Dort wird als Ober­gren­ze im Re­gel­fall ei­nen Be­trag von zwölf Brut­to­mo­nats­ge­häl­tern an­ge­se­hen.

Ab­ge­se­hen von die­sen aus­drück­lich ge­re­gel­ten Fäl­len hängt es aber letzt­lich von der Zah­lungs­be­reit­schaft des Ar­beit­ge­bers und dem Ver­hand­lungs­ge­schick der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ab, ob und in wel­cher Hö­he tat­säch­lich ei­ne Ab­fin­dung ge­zahlt wird. Je nach be­ruf­li­cher Qua­li­fi­ka­ti­on, Län­ge des Ar­beits­ver­hält­nis­ses und wei­te­ren As­pek­ten wie den Er­fol­g­aus­sich­ten ei­nes sonst mög­li­cher­wei­se dro­hen­den Rechts­streits kann die Hö­he der Ab­fin­dung sehr un­ter­schied­lich aus­fal­len.

Im Er­geb­nis läuft es dar­auf hin­aus, dass wie so oft im Le­ben "der Ton die Mu­sik macht". Ein sach­lich ge­führ­ter Aus­tausch zwi­schen ver­nünf­ti­gen Ge­sprächs­part­nern ist hier na­tür­lich der Ide­al­fall. Tat­säch­lich ist es aber oft so, dass emo­tio­nal be­ding­te Fehl­ein­schät­zun­gen kon­struk­ti­ve Ver­hand­lun­gen er­schwe­ren oder so­gar un­mög­lich ma­chen. Wo­hin das füh­ren kann, zeigt an­schau­lich ein im Ju­ni 2010 vor dem Ar­beits­ge­richt Dort­mund ver­han­del­ter Fall.

Der Klä­ger war seit Ok­to­ber 2008 bei dem be­klag­ten Un­ter­neh­men auf Ba­sis ei­nes auf zwei Jah­re be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges als Soft­ware­ent­wick­ler be­schäf­tigt. Mit­te De­zem­ber 2009 be­män­gel­te der Ar­beit­ge­ber des­sen häu­fi­ge Er­kran­kun­gen und ver­mu­te­te ei­ne chro­ni­sche Krank­heit. Dar­auf­hin leg­te der Klä­ger Ko­pi­en der den Ar­beits­un­fä­hig­keits­zei­ten zu Grun­de lie­gen­den Ar­beits­be­schei­ni­gun­gen mit je­weils ver­merk­ten, un­ter­schied­li­chen Dia­gno­se­schlüs­seln vor. Au­ßer­dem mut­maß­te er über ei­ne mög­li­che In­fek­ti­on durch die Kli­ma­an­la­ge und bat dar­um, die von ge­wis­sen Si­cher­heits­richt­li­ni­en vor­ge­schrie­be­nen Un­ter­la­gen ein­se­hen zu dür­fen.

Der Ge­schäfts­füh­rer des Un­ter­neh­mens zi­tier­te den Klä­ger dar­auf­hin zu ei­nem Ge­spräch. Am Mor­gen des be­vor­ste­hen­den Ter­mins über­sand­te der Klä­ger ein Schrei­ben, in dem er im We­sent­li­chen di­ver­se Si­cher­heits­ver­stö­ße rüg­te, Mob­bing un­ter­stell­te und in for­dern­dem Ton­fall min­des­tens 70.000 Eu­ro Ent­schä­di­gung ver­lang­te.

Dar­auf­hin wur­de er kurz­zei­tig wi­der­ruf­lich frei­ge­stellt und des Hau­ses ver­wie­sen. Er nutz­te die ihm da­mit zur Ver­fü­gung ste­hen­de Zeit, um sei­nen Ar­beit­ge­ber er­neut ein Schrei­ben zu­kom­men zu las­sen, in dem er ins­ge­samt 170.000 Eu­ro for­der­te und ein Ul­ti­ma­tum zum Jah­res­en­de setz­te. Für des­sen er­folg­lo­sen Ab­lauf kün­dig­te er an, die Be­rufs­ge­nos­sen­schaft und das Ge­wer­be­auf­sichts­amt zu in­for­mie­ren. Dar­auf­hin kün­dig­te der be­klag­te Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­ver­hält­nis or­dent­lich zum nächst­mög­li­chen Ter­min.

Er­war­tungs­ge­mäß blieb die dar­auf­hin von dem Soft­ware­ent­wick­ler er­ho­be­ne Kün­di­gungs­schutz­kla­ge er­folg­los. Der Klä­ger kön­ne nicht gel­tend ma­chen, er ha­be nur für die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen sor­gen wol­len, mein­te das Ge­richt. Er kön­ne sich auch nicht dar­auf be­ru­fen, dass sei­ne Schrei­ben kei­ne aus­drück­li­che Er­pres­sung be­inhal­ten. Ent­schei­dend war al­lein, dass sein ge­sam­tes Ver­hal­ten er­kenn­bar nur dar­auf ab­ziel­te, sei­nen Ar­beit­ge­ber zu ei­ner mög­lichst ho­hen Zah­lung zu ver­an­las­sen. Da er zu­dem sehr plan­voll vor­ge­gan­gen war, nahm das Ge­richt an, dass das für je­des Ar­beits­ver­hält­nis nö­ti­ge Ver­trau­ens­ver­hält­nis zwi­schen den Par­tei­en un­wie­der­bring­lich zer­stört wor­den war.

Fa­zit: Es ist zwei­fel­haft, ob der Ar­beit­neh­mer hier über­haupt ei­ne rea­lis­ti­sche Chan­ce auf ei­ne Ab­fin­dung ge­habt hat. Mit sei­nen völ­lig un­rea­lis­ti­schen Vor­stel­lun­gen und sei­nem ag­gres­si­ven, an Er­pres­sung gren­zen­den Stil hat er sich je­den­falls kei­nen Ge­fal­len ge­tan und die Fron­ten schnell un­nö­tig ver­här­tet.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den hier:

Letzte Überarbeitung: 10. Juni 2017

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