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LAG Mün­chen, Ur­teil vom 13.10.2011, 3 Sa 1187/10

   
Schlagworte: Auflösungsantrag, Kündigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 3 Sa 1187/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 13.10.2011
   
Leitsätze: 1. Es besteht keine materiellrechtliche oder prozessuale Pflicht oder Obliegenheit des Arbeitnehmer zur Annahme eines Fortsetzungsangebots, das in einer Erklärung des Arbeitgebers enthalten ist, die Kündigung sie gegenstandslos, aus ihr würden keinerlei Rechtsfolgen abgeleitet. Auf die Verletzung der Pflicht zur Erklärung über ein solches Fortsetzungsangebot kann somit eine erneute Kündigung nicht gestützt werden.

2. Der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes stellt für sich genommen keinen Grund für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG dar.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Urteil vom 18.09.2008, 23 Ca 6803/06
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 10.02.2009, 8 Sa 892/08
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.11.2010, 2 AZR 323/09
   

3 Sa 1187/10
23 Ca 6803/06
(ArbG München)

Verkündet am: 13.10.2011

Kübler
Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

Lan­des­ar­beits­ge­richt München

Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

V.

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

ge­gen

Al. GmbH

- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

- 2 -

hat die 3. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 29. Sep­tem­ber 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­de­sar­beits­ge­richt Dr. Ro­sen­fel­der und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Roß und Onig­ban­jo

für Recht er­kannt:

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 18.09.2008 - 23 Ca 6803/06 - un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung im Übri­gen geändert und ins­ge­samt neu ge­fasst:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 25.02.2003 nicht auf­gelöst ist.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Ab­mah­nun­gen vom 110.01.2003 und 13.02.2003 aus der Per­so­nal­ak­te des Klägers zu ent­fer­nen.

3. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

4. Der Auflösungs­an­trag der Be­klag­ten wird zurück­ge­wie­sen.

5. Von den Kos­ten des Rechts­streits ha­ben der Kläger 1/7 und die Be­klag­te 6/7 zu tra­gen.

6. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

1 geändert gemäß Be­rich­ti­gungs­be­schluss vom 24.11.2011 in „10.02.2003“

 

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Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über die Rechts­wirk­sam­keit ei­ner frist­lo­sen, hilfs­wei­se or­dent­li­chen Ar­beit­ge­berkündi­gung vom 25.02.2003, ei­nen vom Kläger gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Wei­ter­beschäfti­gung so­wie um den An­spruch auf Ent­fer­nung zwei­er Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te.
Der am 00.00.0000 ge­bo­re­ne Kläger war bei der Be­klag­ten, die da­mals un­ter Ag. GmbH fir­mier­te und zum Al.-Kon­zern gehörte, seit 01.04.2000 ge­gen ein Jah­res­ge­halt in Höhe von zu­letzt ca. 0,- € brut­to als Lei­ter Rech­nungs­we­sen beschäftigt, lt. Ziff. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 29.11.2000 in ei­nem „außer­ta­rif­li­chen An­stel­lungs­verhält­nis“.

In ei­ner E-Mail des Klägers vom 11.04.2002 teil­te die­ser „in ei­ge­ner Sa­che“ mit, er freue sich, Frau S. und Frau L. be­grüßen zu können, die als wei­te­re Re­fe­ren­tin­nen im Be­reich Bi­lan­zen und Fi­nan­zen/De­bi­to­ren ei­ne we­sent­li­che Ent­las­tung für das Rech­nungs­we­sen brin­gen wer­de. Für ihn - den Kläger - wer­de nach fast 2 1/2 Jah­ren Ag. Mit­te des Jah­res der Zeit­punkt sei­nes Aus­tritts aus der Ag. kom­men, um plan­gemäß in die Al.-Haupt­ver­wal­tung zurück­zu­keh­ren. Ab 01.05. wer­de Herr K. das Con­trol­ling führen; als Nach­fol­ger im Be­reich Rech­nungs­we­sen/Fi­nan­zen sei Herr E. be­stellt wor­den, der zum 01.05. in die Ag. ein­tre­ten wer­de und sich, so­lan­ge der Kläger noch da sei, in sein zukünf­ti­ges Auf­ga­ben­feld ein­ar­bei­te. Er - der Kläger - dan­ke den lie­ben Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen be­reits heu­te für die gu­te Zu­sam­men­ar­beit.

Mit Schrei­ben vom 28.11.2002 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich be­triebs­be­dingt zum 31.12.2002. Der Kläger er­hob hier­ge­gen am 19.12.2002 Kündi­gungs­schutz­kla­ge und mach­te für den Fall des Ob­sie­gens An­spruch auf Wei­ter­beschäfti­gung gel­tend. Das Ar­beits­ge­richt (München) be­stimm­te Ter­min zur Güte­ver­hand­lung auf 11.03.2003.

Seit An­fang Au­gust 2002 war der Kläger frei­ge­stellt. Er be­gründe­te zum 01.01.2003 ein an­der­wei­ti­ges Ar­beits­verhält­nis, das bis zum 30.06.2008 be­stand.

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Mit Schrei­ben vom 10.02.2003 er­teil­te die Be­klag­te dem Kläger ei­ne Ab­mah­nung, weil er sich ent­ge­gen der Auf­for­de­rung des An­walts der Be­klag­ten nicht da­zu geäußert ha­be, ob und ggf. wann - un­ter Ein­hal­tung der Pro­be­zeitkündi­gungs­frist bei sei­nem neu­en Ar­beit­ge­ber - er das An­stel­lungs­verhält­nis bei Ag. wie­der auf­neh­men wol­le. Die Be­klag­te for­der­te den Kläger in die­sem Schrei­ben dann auf, spätes­tens am Mitt­woch, den 12.02.2003, 9.00 Uhr bei Herrn R. zur Ar­beit zu er­schei­nen. Im Wie­der­ho­lungs­fal­le ha­be er mit ar­beits­recht­li­chen Kon­se­quen­zen bis hin zur Kündi­gung sei­nes An­stel­lungs­ver­tra­ges zu rech­nen.

Mit Schrei­ben vom 13.02.2003 er­teil­te die Be­klag­te dem Kläger er­neut ei­ne Ab­mah­nung, weil er der Auf­for­de­rung, spätes­tens am Mitt­woch, den 12.02.2003, 9.00 Uhr zur Ar­beit zu er­schei­nen, nicht ge­folgt sei. Die un­ent­schul­dig­te Miss­ach­tung die­ser Auf­for­de­rung stel­le ei­nen schwer­wie­gen­den Ver­s­toß sei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen dar. Die Be­klag­te mah­ne ihn des­halb ab und for­de­re ihn auf, spätes­tens am Mon­tag, den 17.02.2003, 9.00 Uhr bei Herrn R. zur Ar­beit zu er­schei­nen. Soll­te er die­ser Auf­for­de­rung nicht nach­kom­men, ha­be er mit ar­beits­recht­li­chen Kon­se­quen­zen bis hin zur Kündi­gung sei­nes An­stel­lungs­ver­tra­ges zu rech­nen.

Den bei­den Ab­mah­nun­gen ging ein Schrei­ben des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten vom 22.01.2003 an den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers vor­aus, in dem mit­ge­teilt wur­de, die Kündi­gung zum 28.11.2002 wer­de ver­bind­lich für ge­gen­stands­los erklärt und es würden kei­ner­lei Rechts­fol­gen dar­aus ab­ge­lei­tet; der Kläger wer­de auf­ge­for­dert, am Mon­tag, den 27.01.2003 um 9.00 Uhr persönlich bei Herrn R. zur Ar­beits­auf­nah­me zu er­schei­nen. Hier­auf hat­te der Kläger mit An­walts­schrei­ben vom 24.01.2003 er­wi­dern las­sen, es wer­de zunächst um Vor­la­ge ei­ner Voll­machts­ur­kun­de ge­be­ten. Ei­ne ein­sei­ti­ge Zurück­nah­me ei­ner Ar­beit­ge­berkündi­gung sei nicht möglich. Zu dem in der ent­spre­chen­den Ar­beit­ge­ber­erklärung lie­gen­den An­ge­bot zur Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses wer­de sich der Kläger ent­spre­chend in der nächs­ten Wo­che erklären. Be­reits jetzt sei al­ler­dings dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Erklärung der bloßen Ge­gen­stands­lo­sig­keit der Kündi­gung nicht aus­rei­chend sei. Die Be­klag­te möge da­her im anhängi­gen ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ein An­er­kennt­nis des hie­si­gen Kla­ge­an­spruchs zu Pro­to­koll ge­ben. Ins­be­son­de­re müsse der Kläger sei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch in ti­tu­lier­ter Form ge­si­chert ha­ben. Ei­ne kurz­fris­ti­ge Ar­beits­auf­nah­me be­reits am Mor­gen des 27.01.2003 müsse be- 

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reits aus tatsächli­chen und recht­li­chen Gründen aus­schei­den. Der Kläger un­ter­lie­ge im zwi­schen­zeit­lich ein­ge­gan­ge­nen an­der­wei­ti­gen Ar­beits­verhält­nis der ver­trag­li­chen Kündi­gungs­frist.

Hier­auf ent­geg­ne­te der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten (u. a.), es sei je­den­falls fest­zu­hal­ten, dass der Kläger das An­ge­bot zur Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht an­ge­nom­men ha­be. Es dränge sich des­halb der Ein­druck auf, dass er nicht ernst­haft an ei­ner Fort­set­zung des An­stel­lungs­verhält­nis­ses in­ter­es­siert sei. Ihm wer­de letzt­ma­lig Ge­le­gen­heit ge­ge­ben, sich bis Diens­tag, den 04.02.2003, 20.00 Uhr ab­sch­ließend da­hin­ge­hend zu erklären, ob und ggf. ab wann er un­ter Ein­hal­tung der Pro­be­zeit-Kündi­gungs­frist bei sei­nem neu­en Ar­beit­ge­ber das An­stel­lungs­verhält­nis bei der Be­klag­ten wie­der auf­neh­men wol­le.

Hier­auf er­folg­te kei­ne wei­te­re Erklärung des Klägers oder sei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten mehr, auch nicht mehr nach Er­halt der Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003.

Die Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers er­neut mit Schrei­ben vom 25.02.2003 außer­or­dent­lich frist­los, hilfs­wei­se frist­ge­recht zum 31.03.2003. Nur noch die¬se Kündi­gung ist Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Rechts­streits.

Am 11.03.2003 fand vor dem Ar­beits­ge­richt München ei­ne Güte­ver­hand­lung statt, in dem lt. Pro­to­koll der Vor­sit­zen­de „im Ein­verständ­nis mit den Par­tei­en“ den Be­schluss verkünde­te, neu­er Ter­min wer­de auf An­trag ei­ner Par­tei be­stimmt wer­den. Ein An­er­kennt­nis des Kla­ge­an­spruchs in Be­zug auf die ge­gen die Kündi­gung vom 28.11.2002 er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge gab die Be­klag­te lt. Pro­to­koll in die­ser Güte­ver­hand­lung nicht ab.
Am Tag der Güte­ver­hand­lung, dem 11.03.2003, ging beim Ar­beits­ge­richt München um 16.28 Uhr - al­so nach Schluss der Güte­ver­hand­lung, der auf 15.48 Uhr pro­to­kol­liert wur­de -, per Te­le­fax ein auf den 10.03.2003 da­tier­ter Kla­ge­er­wei­te­rungs­schrift­satz ein, in dem sich der Kläger nun­mehr auch ge­gen die Kündi­gung vom 25.02.2003 so­wie die Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003 wand­te. 

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Mit Schrift­satz vom 21.10.2003 reg­te die Be­klag­te beim Ar­beits­ge­richt an, beim Kläger nach­zu­fra­gen, ob er die Kla­ge auf­recht er­hal­ten wol­le. Er ha­be in der Güte­ver­hand­lung erklärt, dass er bei er­folg­rei­chem Über­ste­hen sei­ner Pro­be­zeit die Kla­ge zurück­neh­men wer­de.

Auf die Bit­te des Ar­beits­ge­richts zur Stel­lung­nah­me stell­te der Kläger mit Schrift­satz vom 14.03.2006 ei­nen Ter­mins­an­trag. Dar­auf­hin fand am 16.11.2006 ein Ter­min zur Ver­hand­lung vor der Kam­mer statt, in des­sen An­schluss das Ar­beits­ge­richt am 14.12.2006 ei­nen Be­schluss verkünde­te, dem­zu­fol­ge der Kläger die Kos­ten des Rechts­streits tra­ge. Zur Be­gründung führ­te das Ar­beits­ge­richt aus, das Ver­fah­ren sei durch ei­ne fin­gier­te Kla­gerück­nah­me ana­log § 54 Abs. 5 Satz 4 ArbGG be­en­det, so­dass der Kläger nach § 269 Abs. 3 ZPO die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen ha­be. Auf die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Klägers hob das Lan­des­ar­beits­ge­richt München mit Be­schluss vom 23.04.2008 - 8 Ta 435/06 - die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts auf und wies die­ses an, das Ver­fah­ren über die im Kla­ge­er­wei­te­rungs­schrift­satz vom 10.03.2003, Ziffn. 2 bis 4 ge­stell­ten Anträge fort­zu­set­zen. Die Erklärung des Klägers, sein Kla­ge­an­trag aus dem Schrift­satz vom 19.12.2002 sei er­le­digt, sei als teil­wei­se Kla­gerück­nah­me im Hin­blick auf die ursprüng­li­che Kla­ge und der dar­auf­hin ge­stell­te An­trag der Be­klag­ten als ein ent­spre­chen­des Ein­verständ­nis aus­zu­le­gen. All dies ände­re je­doch nichts dar­an, dass wei­ter­hin die Kla­ge anhängig sei, so­weit sie Ge­genstände des Kla­ge­er­wei­te­rungs­schrift­sat­zes vom 10.03.2003 ent­hal­te, der nach Schluss der Güte­ver­hand­lung am 11.03.2003 per Te­le­fax beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen sei. Über die Kla­ge mit dem In­halt des Kla­ge­er­wei­te­rungs­schrift­sat­zes vom 10.03.2003 ha­be das Ar­beits­ge­richt noch zu ent­schei­den.

Die Be­klag­te hat das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 29.09.2008 er­neut vor­sorg­lich außer­or­dent­lich frist­los, hilfs­wei­se frist­ge­recht zum 31.12.2008 gekündigt. Hierüber ist beim Ar­beits­ge­richt München ein Rechts­streit (19a Ca 12414/08) anhängig.

Der Kläger hat im ers­ten Rechts­zug gel­tend ge­macht, die Kündi­gung vom 25.02.2003 sei rechts­un­wirk­sam, weil we­der für die außer­or­dent­li­che noch für die vor­sorg­li­che or­dent­li­che Kündi­gung ein Kündi­gungs­grund be­ste­he. Auch wer­de die ord­nungs­gemäße Anhörung des Be­triebs­rats be­strit­ten. Die Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003 sei­en rechts­un­wirk­sam.
 

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Der Kläger hat be­an­tragt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 25.02.2003 nicht auf­gelöst ist, son­dern un­verändert fort­be­steht.

2. Hilfs­wei­se für den Fall des Ob­sie­gens:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen als Lei­ter Rech­nungs­we­sen wei­ter­zu­beschäfti­gen.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Ab­mah­nung vom 10.02.2003 aus der Per­so­nal­ak­te des Klägers zu ent­fer­nen.

4. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Ab­mah­nung vom 13.02.2003 aus der Per­so­nal­ak­te des Klägers zu ent­fer­nen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Kläger ha­be durch das Nicht­be­trei­ben des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses über ei­nen Zeit­raum von mehr als drei Jah­ren sein Kla­ge­recht ver­wirkt. Der Be­triebs­rat sei zur Kündi­gung ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit En­dur­teil vom 18.09.2008, auf das hin­sicht­lich des im Tat­be­stand in Be­zug ge­nom­me­nen Vor­trags der Par­tei­en und der Ent­schei­dungs­gründe ver­wie­sen wird, der Kla­ge statt­ge­ge­ben, weil so­wohl die Kündi­gung vom 25.02.2003 als auch die zu­vor aus­ge­spro­che­nen Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003 man­gels Be­ste­hens ei­ner Ar­beits­pflicht und da­mit auch man­gels Vor­lie­gens ei­ner Ar­beits­ver­wei­ge­rung des Klägers un­wirk­sam sei­en. Auch sei ei­ne Ver­wir­kung des Kla­ge­rechts noch nicht ein­ge­tre­ten, weil zwar das Zeit­mo­ment, nicht je­doch das Um­stands­mo­ment erfüllt sei. 

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Ge­gen das ihr am 01.10.2008 zu­ge­stell­te En­dur­teil vom 18.09.2008 hat die Be­klag­te am 25.09.2008 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit ei­nem am 01.12.2008 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Sie hat dar­an fest­ge­hal­ten, dass der Kläger sein Kla­ge­recht ver­wirkt ha­be. Die Be­klag­te hat fer­ner aus­geführt, die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts sei auch kündi­gungs­recht­lich zu be­an­stan­den. Nach­dem sie ih­re be­triebs­be­ding­te Kündi­gung vom 28.11.2002 ver­bind­lich für ge­gen­stands­los erklärt ha­be, ha­be sie er­war­ten dürfen, dass sich der Kläger in­ner­halb an­ge­mes­se­ner Frist, wie von ihm selbst in Aus­sicht ge­stellt, äußere. Statt­des­sen ha­be er den Ab­lauf sei­ner Be­denk­zeit, die Auf­for­de­rung vom 31.01.2003 so­wie die an­sch­ließen­de Ab­mah­nung vom 10.02.2003 igno­riert und sich durch sein be­harr­li­ches Schwei­gen grob il­loy­al ver­hal­ten. Selbst wenn zu die­sem Zeit­punkt for­mal­recht­lich kei­ne Ar­beits­pflicht be­stan­den ha­ben soll­te, sei er zu­min­dest ver­pflich­tet ge­we­sen, die Be­klag­te nicht un­an­ge­mes­sen lan­ge im Un­kla­ren zu las­sen, ob er auf den Ar­beits­platz zurück­keh­re oder nicht.

Die Be­klag­te hat da­her be­an­tragt:

1. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 18.09.2008 - Az.: 23 Ca 6803/06 - wird auf­ge­ho­ben.

2. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er hat sei­nen erst­in­stanz­li­chen Vor­trag in­so­weit wie­der­holt und ergänzt.

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Das Lan­des­ar­beits­ge­richt München hat mit Ur­teil vom 10.02.2009 - 8 Sa 892/08 - auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 18.09.2008 geändert, die Kla­ge ab­ge­wie­sen und dem Kläger die Kos­ten des Rechts­streits bei­der In­stan­zen auf­er­legt. Fer­ner hat es für ihn die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 25.11.2010 - 2 AZR 323/09 - auf die Re­vi­si­on des Klägers das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts München vom 10.02.2009 auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on, an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Es hat zur Be­gründung aus­geführt, die Kla­ge sei im noch in­ter­es­sie­ren­den Um­fang ord­nungs­gemäß er­ho­ben. Ei­ne Kla­gerück­nah­me lie­ge nicht vor. Der Kläger ha­be we­der sein Kla­ge­recht noch ein ma­te­ri­el­les „Recht“, sich auf die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung zu be­ru­fen, ver­wirkt. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten des Tat­be­stands und der Ent­schei­dungs­gründe wird auf das ge­nann­te Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 25.11.2010 ver­wie­sen.
Die Par­tei­en be­zie­hen sich im vor­lie­gen­den (zwei­ten) Be­ru­fungs­ver­fah­ren - 3 Sa 1187/10 - auf die be­reits im Be­ru­fungs­ver­fah­ren 8 Sa 892/08 ge­stell­ten Anträge.

Die Be­klag­te be­an­tragt darüber hin­aus,

das Ar­beits­verhält­nis ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, aber ei­nen Be­trag von 25.000,- € nicht über­schrei­ten soll­te, gem. §§ 9, 10 KSchG zum Ab­lauf des 31.03.2003 auf­zulösen.

Der Kläger be­an­tragt,

den Auflösungs­an­trag zurück­zu­wei­sen.
 

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Die Be­klag­te be­gründet den Auflösungs­an­trag mit ei­nem il­loya­lem Ver­hal­ten des Klägers ihr ge­genüber. Sein ge­sam­tes Vor­ge­hen sei im Er­geb­nis als un­zulässi­ge, weil rein fi­nan­zi­ell mo­ti­vier­te und da­mit miss­bräuch­li­che Rechts­ausübung an­zu­se­hen, wo­bei ihm selbst­verständ­lich auch be­wusst sei, dass sein Ar­beits­platz bei ihr auf­grund zwi­schen­zeit­lich längst er­folg­ter Dis­po­si­tio­nen be­reits seit Jah­ren nicht mehr vor­han­den sei und schon aus fak­ti­schen wie auch aus Rechts­gründen gar nicht wie­der ein­ge­rich­tet wer­den könne. Ei­ne solch ein­sei­ti­ge Ver­fol­gung ei­ge­ner In­ter­es­sen auf Kos­ten und oh­ne je­de Berück­sich­ti­gung der Be­lan­ge des Ver­trags­part­ners schließe je­de wei­te­re ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit der Par­tei­en für die Zu­kunft aus. Be­son­ders gra­vie­rend aber wir­ke für sie der Um­stand, dass er zur Er­rei­chung sei­ner ver­meint­li­chen Rech­te nicht nur die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der Be­klag­ten außer Acht las­se, son­dern nicht ein­mal da­vor zurück­schre­cke, das Ge­richt mit nach­weis­lich fal­schen Be­haup­tun­gen zu ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Tat­sa­chen zu be­die­nen. So sei sei­ne Ein­las­sung, im Güte­ter­min vom 11.03.2003 sei über­haupt nicht über das Be­ste­hen der Pro­be­zeit beim neu­en Ar­beit­ge­ber ge­spro­chen wor­den, schlicht ge­lo­gen. Viel­mehr ha­be er in die­sem Ter­min aus­drück­lich in Aus­sicht ge­stellt, er wer­de die Kündi­gungs­schutz­kla­ge bei er­folg­rei­chem Be­ste­hen der Pro­be­zeit sei­nes neu­en Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zurück­neh­men.

Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten der von der Be­klag­ten vor­ge­brach­ten Auflösungs­gründe wird auf den Schrift­satz vom 26.09.2011 ver­wie­sen.
Der Kläger bleibt da­bei, dass sein pro­zes­sua­les Ver­hal­ten an­ge­sichts der be­rech­tig­ten For­de­rung nach Rechts­si­cher­heit im An­walts­schrei­ben vom 24.01.2003 völlig nach­voll­zieh­bar sei.

Hin­sicht­lich des sons­ti­gen Vor­trags der Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren 3 Sa 1187/10 wird auf die Schriftsätze der Be­klag­ten vom 08.12.2010 und 26.09.2011 so­wie des Klägers vom 28.09.2011, fer­ner auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 29.09.2011 ver­wie­sen.

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Ent­schei­dungs­gründe:

Die zulässi­ge Be­ru­fung der Be­klag­ten ist über­wie­gend un­be­gründet.

Die Kündi­gung vom 25.02.2003 ist so­wohl als außer­or­dent­li­che frist­lo­se als auch als or­dent­li­che Kündi­gung rechts­un­wirk­sam, weil es an ei­ner Pflicht­ver­let­zung des Klägers und da­mit an ei­nem wich­ti­gen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB bzw. ei­nem so­zi­al recht­fer­ti­gen­den Grund gem. § 1 Abs. 2 KSchG fehlt. Aus dem nämli­chen Grun­de sind die Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003 un­wirk­sam. Der Auflösungs­an­trag der Be­klag­ten ist un­be­gründet. Da­ge­gen ist die Be­ru­fung der Be­klag­ten in­so­weit be­gründet, als der vom Kläger gel­tend ge­mach­te Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch auf­grund der zwi­schen­zeit­lich aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung vom 29.09.2008 nicht (mehr) be­steht.

1. Die Kündi­gung vom 25.02.2003 ist so­wohl als außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung als auch als or­dent­li­che ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung rechts­un­wirk­sam, weil dem Kläger we­der ei­ne Ver­let­zung der Ar­beits­pflicht bzw. ei­ne Ar­beits­ver­wei­ge­rung noch ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Pflicht zur Erklärung über die An­nah­me des Fort­set­zungs­an­ge­bots der Be­klag­ten und da­mit ei­ne Loya­litäts­pflicht­ver­let­zung (§ 241 Abs. 2 BGB) an­zu­las­ten ist. So­wohl ein wich­ti­ger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB als auch ein die Kündi­gung so­zi­al recht­fer­ti­gen­der ver­hal­tens­be­ding­ter Grund i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG schei­den da­mit aus.

a) Den Kläger traf im Zeit­punkt der Kündi­gung vom 25.02.2003 auf­grund der zu­vor mit Schrei­ben vom 28.11.2002 zum 31.12.2002 aus­ge­spro­che­nen or­dent­li­chen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung kei­ne Pflicht, die ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen. Denn die Be­klag­te hat ihn durch Aus­spruch der ge­nann­ten or­dent­li­chen Kündi­gung vom 28.11.2002 von der Pflicht zur Ar­beits­leis­tung sus­pen­diert. Deut­li­cher als durch ei­ne Kündi­gung konn­te sie nicht erklären, dass sie nicht mehr be­reit sei, nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist sei­ne Ar­beits­leis­tung ent­ge­gen­zu­neh­men und das Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen. So­lan­ge sie an der ge­nann­ten Kündi­gung fest­hielt und den auf Fest­stel­lung der Rechts­un­wirk­sam­keit der Kündi­gung ge­rich­te­ten Kla­ge­an­spruch nicht an­er­kann­te, durf­te der Kläger da­von aus­ge­hen, die ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung nicht er­brin­gen zu müssen. Selbst wenn er er­kann­te, dass die Kündi­gung vom 28.11.2002 un­wirk­sam war -
 

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und wenn sie ob­jek­tiv un­wirk­sam war -, lag im Zeit­punkt der Kündi­gung vom 25.02.2003 ei­ne schuld­haf­te Ar­beits­pflicht­ver­let­zung nicht vor, weil er zu Recht da­von aus­ge­hen durf­te, zur Ar­beits­leis­tung nicht ver­pflich­tet zu sein.

Dar­an ändern auch die mit der Auf­for­de­rung zur Ar­beits­auf­nah­me ver­bun­de­ne „ver­bind­li­che Ge­gen­stands­lo­serklärung“ der Be­klag­ten bzw. ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 22.01.2003, die er­neu­te schrift­li­che Ar­beits­auf­for­de­rung vom 31.01.2003 so­wie die Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003 nichts.

Die Rück­nah­me oder Ge­gen­stands­lo­serklärung der Kündi­gung durch den Kündi­gen­den lässt die Kündi­gung oder ih­re Rechts­wir­kun­gen für sich ge­nom­men nicht ent­fal­len; die Wir­kun­gen der Kündi­gung als rechts­ge­stal­ten­de Wil­lens­erklärung wer­den da­durch nicht be­sei­tigt. Viel­mehr stellt ei­ne sol­che Rück­nah­me oder Ge­gen­stands­lo­serklärung le­dig­lich ein An­ge­bot des Kündi­gen­den dar, das Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen (ständi­ge höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung, z. B. BAG 19.08.1982, AP Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969; BAG 16.03.2000, AP Nr. 114 zu § 102 Be­trVG 1972).
Die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist nicht als an­ti­zi­pier­te An­nah­me die­ses Fort­set­zungs­an­ge­bots zu wer­ten (vgl. BAG 19.08.1982, aaO; ErfK/Müller-Glöge, 7. Aufl., § 620 BGB Rn. 69, 70). Der Grund hierfür liegt dar­in, dass dem Ar­beit­neh­mer die Möglich­keit auf­recht­er­hal­ten blei­ben muss, auch noch nach ei­nem An­er­kennt­nis der Rechts­un­wirk­sam­keit der Kündi­gung bis zum Schluss der letz­ten Tat­sa­chen­in­stanz (Lan­des­ar­beits­ge­richt) den Auflösungs­an­trag nach § 9 KSchG zu stel­len.

Auch die Fort­set­zung des Rechts­streits durch den Kläger nach Ge­gen­stands­lo­serklärung der or­dent­li­chen Kündi­gung vom 28.11.2002 durch die Be­klag­te, oh­ne dass die­ser ei­nen Auflösungs­an­trag ge­stellt hat­te, ist hier nicht als kon­klu­den­te An­nah­me des Fort­set­zungs­an­ge­bots zu wer­ten, da sie die Kündi­gung nicht we­gen ih­rer Un­wirk­sam­keit für ge­gen­stands­los erklärt hat. Der Kläger hat­te aber ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der Klärung der Fra­ge, ob die Kündi­gung rechts­wirk­sam oder rechts­un­wirk­sam sei. Denn er muss­te sonst befürch­ten, dass die für ge­gen­stands­los erklärte Kündi­gung bzw. der Kündi­gungs­sach­ver­halt zur Stützung ei­ner späte­ren Kündi­gung her­an­ge­zo­gen würden (vgl. ErfK/Müller-Glöge, aaO, § 620 BGB Rn. 70).
 

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Es be­stand auch kei­ne ma­te­ri­ell­recht­li­che oder pro­zes­sua­le Pflicht oder Ob­lie­gen­heit des Klägers zur An­nah­me des Fort­set­zungs­an­ge­bots, so­lan­ge nicht die Kündi­gung ge­ra­de we­gen ih­rer Rechts­un­wirk­sam­keit für ge­gen­stands­los erklärt wur­de, was hier nicht der Fall war. Auch in­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ihm nicht die Möglich­keit ge­nom­men wer­den durf­te, den Auflösungs­an­trag zu stel­len und dass er ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der ge­richt­li­chen Fest­stel­lung der Rechts­un­wirk­sam­keit der Kündi­gung hat­te.

Ein An­er­kennt­nis des auf die Kündi­gung vom 28.11.2002 be­zo­ge­nen Fest­stel­lungs­an­spruchs des Klägers durch die Be­klag­te ist nicht er­folgt, ins­be­son­de­re - lt. ge­richt­li­cher Sit­zungs­nie­der­schrift - nicht in der Güte­ver­hand­lung vom 11.03.2003.

War der Kläger so­mit im Zeit­punkt der Kündi­gung vom 25.02.2003 nicht zur Er­brin­gung der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ar­beits­leis­tung ver­pflich­tet, schei­den so­wohl die außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung als auch die vor­sorg­lich aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung man­gels ei­nes sie tra­gen­den wich­ti­gen bzw. so­zi­al recht­fer­ti­gen­den Grun­des aus.

So­weit die Be­klag­te gel­tend macht, der Kündi­gungs­grund be­ste­he (auch) dar­in, dass der Kläger nach der Ar­beits­auf­for­de­rung vom 22.01.2003 so­wie den Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003 ent­ge­gen der Ankündi­gung sei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten im Schrei­ben vom 24.01.2003 sie darüber im Un­kla­ren ge­las­sen ha­be, ob er an den Ar­beits­platz zurück­keh­re, kann letz­ten En­des da­hin­ge­stellt blei­ben, ob ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Pflicht zur Erklärung über die An­nah­me des Fort­set­zungs­an­ge­bots be­stand und ob die Nich­terfüllung ei­ner sol­chen Pflicht zwi­schen dem 22.01.2003 und dem Aus­spruch der Kündi­gung vom 25.02.2003 an sich ge­eig­net war, ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te or­dent­li­che oder gar ei­ne außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Denn es fehlt je­den­falls an ei­ner auf die­ses - be­haup­te­te - Fehl­ver­hal­ten be­zo­ge­nen, al­so ein­schlägi­gen, Ab­mah­nung, de­rer es aber ge­ra­de hier be­durft hätte, weil die Fra­ge, ob ei­ne sol­che Pflicht über­haupt be­stand, al­les an­de­re als klar zu be­ant­wor­ten ist.

Die Kündi­gung aus die­sem Grun­de ist so­mit un­verhält­nismäßig. Die Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003 sind in­so­weit nicht ein­schlägig, weil sie sich nur mit der Ver­let­zung der Ar­beits­pflicht be­fas­sen.
 

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b) Der Kläger hat we­der sein Kla­ge­recht noch ein ma­te­ri­el­les „Recht“, sich auf die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung zu be­ru­fen, ver­wirkt. In­so­weit wird auf das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 25.11.2010 - 2 AZR 323/09 - im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren (zu II. der Ent­schei­dungs­gründe) ver­wie­sen.

2. Der Auflösungs­an­trag der Be­klag­ten ist man­gels ei­nes Auflösungs­grun­des i. S. v. § 9 Satz 2 KSchG un­be­gründet.

a) So­weit sich die Be­klag­te auf ein il­loya­les Ver­hal­ten des Klägers ihr ge­genüber be­ruf, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass er mit dem ihm vor­ge­wor­fe­nen Tak­tie­ren, was die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­trifft, le­dig­lich sei­ne In­ter­es­sen im Ver­lauf des Rechts­streits - wenn auch in zu­wei­len wi­dersprüchlich er­schei­nen­der und auf die Be­lan­ge der Be­klag­ten we­nig Rück­sicht neh­men­der Wei­se - wahr­ge­nom­men hat. Die da­bei an den Tag ge­leg­ten tak­ti­schen Win­kelzüge recht­fer­ti­gen je­doch nicht die An­nah­me, er wer­de ge­ne­rell nicht mehr be­reit sein, das Sei­ne zu ei­ner den Be­triebs­zwe­cken dien­li­chen wei­te­ren Zu­sam­men­ar­beit mit ihr bei­zu­tra­gen. Sei­ne von ihr ver­mu­te­ten tak­ti­schen Spiel­chen mit dem Ziel, ei­nen ma­xi­ma­len fi­nan­zi­el­len Vor­teil aus der pro­zes­sua­len Si­tua­ti­on her­aus­zu­schla­gen, mögen dem un­be­fan­ge­nen Be­trach­ter be­fremd­lich er­schei­nen. Der Kläger hat da­mit aber die Gren­zen des be­rech­tig­ten In­ter­es­ses noch nicht ver­las­sen. Eben­so we­nig kann dar­aus - oh­ne kon­kre­te An­halts­punk­te - ab­ge­lei­tet wer­den, dass er auch außer­halb der per se span­nungs­rei­chen Si­tua­ti­on ei­nes Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens sei­ne In­ter­es­sen im „All­tag des Ar­beits­verhält­nis­ses“ ge­ne­rell und rück­sichts­los über die Be­lan­ge der Be­klag­ten stel­len würde.

b) In die­sem Zu­sam­men­hang sei auch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Kam­mer die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht we­gen der er­for­der­li­chen or­ga­ni­sa­to­ri­schen und per­so­nel­len Verände­run­gen so­wie der not­wen­di­gen Ein­ar­bei­tungs­zeit un­zu­mut­bar er­scheint. Zum ei­nen wer­den die vom Kläger aus­geübten Funk­tio­nen im Un­ter­neh­men nach wie vor aus­geübt, nur an an­de­rer Stel­le und in an­de­rer or­ga­ni­sa­to­ri­scher Zu­ord­nung. Zum an­de­ren er­scheint schon nicht nach­voll­zieh­bar, wes­we­gen die Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers bei Aus­nut­zung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ho­heit des Ar­beit­ge­bers - und ggf. der Möglich­keit, die ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen ein­ver­nehm­lich oder im We­ge der
 

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Ände­rungskündi­gung zu ändern - un­zu­mut­bar sein soll. Erst Recht nicht sind die­se be­trieb­li­chen bzw. or­ga­ni­sa­to­ri­schen Schwie­rig­kei­ten ein aus­rei­chen­der Grund für die An­nah­me, ein ge­deih­li­ches Zu­sam­men­wir­ken zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer sei nicht zu er­war­ten. Der Vor­trag der Be­klag­ten, we­gen der vollständi­gen Rück­ab­wick­lung der or­ga­ni­sa­to­ri­schen und in­halt­li­chen Stel­len­an­for­de­run­gen sei nicht vor­stell­bar, dass in ei­nem sol­chen Um­feld ge­deih­lich zu­sam­men­ge­ar­bei­tet wer­den könne, stellt ei­ne Pau­schal­be­haup­tung dar, die nicht hin­rei­chend durch kon­kre­te Tat­sa­chen un­ter­mau­ert ist.

3. Der Kläger kann von der Be­klag­ten die Ent­fer­nung der Ab­mah­nun­gen vom 10.02. und 13.02.2003 aus sei­ner Per­so­nal­ak­te ver­lan­gen. Denn man­gels Be­ste­hens ei­ner Ar­beits­pflicht im Zeit­punkt des Aus­spruchs die­ser Ab­mah­nun­gen ist der dar­in ent­hal­te­ne Vor­wurf un­be­rech­tigt. Die Ab­mah­nun­gen sind da­mit, wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt hat, un­wirk­sam.

4. Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag des Klägers ist un­be­gründet.

Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung nach den vom Bun­des­ar­beits­ge­richt (vgl. BAG GS 27.02.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäfti­gungs­pflicht) ent­wi­ckel­ten Grundsätzen. Denn er hat zwar ein noch nicht rechts­kräfti­ges po­si­ti­ves Kündi­gungs­schutz­ur­teil in Be­zug auf die Kündi­gung vom 25.02.2003 erstrit­ten, so­dass sein In­ter­es­se an der Wei­ter­beschäfti­gung das­je­ni­ge des Ar­beit­ge­bers an ei­ner Nicht­beschäfti­gung zunächst über­wo­gen hat. Die­se In­ter­es­sen­la­ge hat sich je­doch auf­grund des Aus­spruchs der er­neu­ten Kündi­gung vom 29.09.2008 um­ge­kehrt (vgl. BAG 19.12.1985 - 2 AZR 190/85). Dass die­se Kündi­gung of­fen­sicht­lich un­wirk­sam wäre, ver­moch­te die Kam­mer nicht zu er­ken­nen. Ins­be­son­de­re fehlt hier­zu jeg­li­cher Vor­trag des Klägers.

5. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
 

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6. Für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­steht kein An­lass. Auf die Möglich­keit, Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­zu­le­gen (§ 72a ArbGG), wird hin­ge­wie­sen.

Dr. Ro­sen­fel­der Roß Onig­ban­jo

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