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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/192

Für Leih­ar­beits­fir­men wer­den die CG­ZP-Ta­rif­ver­trä­ge teu­er

Leih­ar­beits­fir­men müs­sen bei An­wen­dung von CG­ZP-"Ta­rif­ver­trä­gen" rück­wir­kend hö­he­re So­zi­al­bei­trä­ge zah­len: Hes­si­sches Lan­des­so­zi­al­ge­richt, Be­schluss vom 23.04.2012, L 1 KR 95/12 B ER
Sanduhr mit rotem Sand Frü­her oder spä­ter wer­den CG­ZP-Ta­rif­ver­trä­ge teu­er für Leih­ar­beits­fir­men

14.05.2012. Wer­den Leih­ar­beit­neh­mer auf der Grund­la­ge von Ar­beits­ver­trä­gen be­schäf­tigt, die auf die Schein­ta­rif­ver­trä­ge der CG­ZP ver­wei­sen, ha­ben die­se ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­men kei­ne Rechts­wir­kung. Denn das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat En­de 2010 klar­ge­stellt, dass die CG­ZP ta­rif­un­fä­hig ist (BAG, Be­schluss vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10). Da­her sind die von der CG­ZP ver­ein­bar­ten „Ta­rif­ver­trä­ge“ un­wirk­sam.

Dann kommt der in § 9 Nr.2 Ar­beit­neh­mer­über­las­sungs­ge­setz (AÜG) fest­ge­leg­te Grund­satz des „Equal Pay“ zum Zug, d.h. Leih­ar­beit­neh­mer mit CG­ZP-Klau­seln im Ar­beits­ver­trag kön­nen den Lohn ver­lan­gen, den ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer im Ent­lei­her­be­trieb er­hal­ten. Das wie­der­um ruft die So­zi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger auf den Plan: Sie wol­len von Zeit­ar­beits­fir­men, die CG­ZP-"Ta­rif­ver­trä­ge" an­ge­wandt ha­ben, hö­he­re So­zi­al­bei­trä­ge.

Zeit­ar­beits­fir­men ver­tei­di­gen sich da­ge­gen mit dem Ar­gu­ment, dass die Un­wirk­sam­keit der An­wen­dung von CG­ZP-Ta­ri­fen für die Zeit vor dem BAG-Be­schluss (14.12.2010) noch gar nicht rechts­kräf­tig fest­ge­stellt wur­de. Und au­ßer­dem be­ru­fen sie sich auf Ver­trau­ens­schutz. Das hilft aber al­les nichts ge­gen die Bei­trags­be­schei­de der So­zi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger, mit de­nen die­se rück­wir­kend hö­he­re So­zi­al­bei­trä­ge ver­lan­gen: Hes­si­sches Lan­des­so­zi­al­ge­richt, Be­schluss vom 23.04.2012, L 1 KR 95/12 B ER.

Ver­trau­ens­schutz für Leih­ar­beits­fir­men, die CG­ZP-"Ta­rif­verträge" an­ge­wandt ha­ben?

Ar­beit­ge­ber können sich auf Ver­trau­ens­schutz be­ru­fen, wenn sich die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung ändert und nach der geänder­ten Recht­spre­chung auf ein­mal be­stimm­te Ar­beit­neh­mer­bezüge dem So­zi­al­ver­si­che­rungs­ab­zug un­ter­lie­gen, die in der Ver­gan­gen­heit bei­trags­frei wa­ren. Denn dann hat sich der Ar­beit­ge­ber auf die bis­her "gülti­ge" Recht­spre­chung ein­ge­stellt und er hat die­se Recht­spre­chung brav be­folgt. Dann soll er auch nur für die Zu­kunft den stren­ge­ren Re­geln un­ter­wor­fen wer­den, die sich aus der Recht­spre­chungsände­rung er­ge­ben.

Auf die­sen Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes be­ru­fen sich die Leih­ar­beits­fir­men, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren die Schein­ta­rif­verträge der CG­ZP an­ge­wandt ha­ben. Denn erst seit dem grund­le­gen­den Be­schluss des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) steht rechts­kräftig fest, dass die CG­ZP ta­rif­unfähig war, d.h. kei­ne wirk­sa­men Ta­rif­verträge ab­sch­ließen kann. Das gilt je­den­falls für die Zeit nach dem an dem 07.12.2009, denn an die­sem Tag fand die münd­li­che Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg als der letz­ten „Tat­sa­chen­in­stanz“ statt, und auf der Grund­la­ge die­ser Tat­sa­chen hat das BAG dann sei­ne Ent­schei­dung vom 14.12.2010 gefällt. 

Da­her ver­tei­di­gen sich Leih­ar­beits­fir­men, die von den So­zi­al­ver­si­che­rungs­trägern per Be­scheid zu SV-Nach­zah­lun­gen für ver­gan­ge­ne Jah­re ver­pflich­tet wer­den, mit zwei Ar­gu­men­ten: Ers­tens soll ih­nen Ver­trau­ens­schutz für die Zeit gewährt wer­den, die vor dem 14.12.2010 liegt, denn an die­sem Tag hat das BAG an­geb­lich ei­ne Recht­spre­chungsände­rung voll­zo­gen. Und je­den­falls kann man ih­nen kei­ne höhe­ren So­zi­al­beiträge auf­brum­men für die CG­ZP-Ta­rif­verträge, die vor dem 07.12.2009 ab­ge­schlos­sen wur­den, denn für die Zeit vor dem 07.12.2009 ist die Ta­rif­unfähig­keit der CG­ZP ja noch nicht rechts­kräftig fest­ge­stellt wor­den.

Hes­si­sches Lan­des­so­zi­al­ge­richt: Dass das BAG am 14.12.2010 nicht über die Ta­riffähig­keit der CG­ZP in der Ver­gan­gen­heit ent­schie­den hat, ist kein Hin­de­rungs­grund für die Nach­er­he­bung von So­zi­al­beiträgen

Im Streit­fall war ein Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men von der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund per Be­scheid da­zu ver­pflich­tet wor­den, für die Prüfzeiträume 2005 bis 2009 zunächst 300,08 EUR und dann wei­te­re 11.850,14 EUR So­zi­al­beiträge zu zah­len. Denn das Un­ter­neh­men hat­te sei­ne Ar­beit­neh­mer auf Ba­sis der CG­ZP-Ta­ri­fe be­zahlt. Die­se aber hätten mehr Lohn er­hal­ten müssen, wenn sie nach dem Prin­zip des Equal pay be­zahlt wor­den wären.

Das Un­ter­neh­men be­rief sich dar­auf, dass die BAG-Ent­schei­dung vom 14.12.2010 kei­ne Gel­tung für die da­vor lie­gen­den Jah­re ha­be und dass die Bei­trags­nach­for­de­rung mit dem Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes nicht ver­ein­bar sei. Trotz sei­nes Wi­der­spruchs ge­gen den Bei­trags­be­scheid ging die­ser in die Voll­stre­ckung, da der An­trag auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung des Wi­der­spruchs ab­ge­wie­sen wur­de.

Auch das So­zi­al­ge­richt Darm­stadt (Be­schluss vom 27.02.2012, S 13 KR 26/12 ER) und das Hes­si­sche LSG (Be­schluss vom 23.04.2012, L 1 KR 95/12 B ER) wie­sen den An­trag auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung zurück. Denn ob das BAG am 14.12.2010 nun for­mell auch über ver­gan­ge­ne Jah­re ent­schie­den hat oder nicht - die Träger der So­zi­al­ver­si­che­rung müssen sich an den Fak­ten ori­en­tie­ren, so das LSG. Und hier ist es so gut wie si­cher, dass die Ta­rif­unfähig­keit der CG­ZP demnächst auch für die Zeit fest­ge­stellt wer­den wird, die vor dem 14.12.2010 liegt (ent­spre­chen­de Ver­fah­ren lau­fen der­zeit).

Außer­dem stellt das LSG klar, dass Ver­trau­ens­schutz nur bei ei­ner Ände­rung der Recht­spre­chung gewährt wer­den kann. Das BAG hat­te aber mit sei­nem CG­ZP-Be­schluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) sei­ne bis­he­ri­ge Recht­spre­chung gar nicht geändert, weil es sich vor­her noch nie zur Ta­riffähig­keit der CG­ZP geäußert hat­te - ge­schwei­ge denn, dass es aus­drück­lich ent­schie­den hätte, dass die CG­ZP ta­riffähig sei.

Fa­zit: Leih­ar­beit­ge­ber, die ih­re Ar­beit­neh­mer in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auf der Grund­la­ge der un­wirk­sa­men CG­ZP-Ta­rif­verträge be­zahlt ha­ben, müssen in­fol­ge der An­wend­bar­keit des Equal-pay-Grund­sat­zes So­zi­al­beiträge na­ch­en­trich­ten.

Ge­genüber ent­spre­chen­den Bei­trags­be­schei­den hilft we­der das Ar­gu­ment, dass der CG­ZP-Be­schluss des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) kei­ne for­mel­le Gel­tung für die da­vor­lie­gen­den Jah­re hat, noch hilft das Ver­trau­ens­schutz­ar­gu­ment, weil es vor 2010 kei­ne ge­gen­tei­li­ge BAG-Recht­spre­chung gab, die mit dem Be­schluss vom De­zem­ber 2010 hätte ge­kippt wer­den können.

Zeit­ar­beits­fir­men, die sich in der CG­ZP-Fal­le be­fin­den, hilft da­her letzt­lich nur der Hin­weis, dass die von ih­nen ge­zahl­ten Löhne nicht ge­rin­ger wa­ren als die Löhne der Stamm­be­leg­schaft in den Ent­lei­her­be­trie­ben. Die­ses Ar­gu­ment ist um­so eher zug­kräftig, je klei­ner die Ent­lei­her­be­trie­be wa­ren und je öfter die Leih­ar­beit­neh­mer den Ein­satz­be­trieb ge­wech­selt ha­ben.

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Letzte Überarbeitung: 30. Oktober 2020

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