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Fristlose Kündigung wegen fortgesetzten Arbeitszeitbetrugs
13.01.2012. Möchte der Arbeitgeber eine außerordentliche fristlos Kündigung aussprechen, d.h. das Arbeitsverhältnis ohne Beachtung der an sich geltenden Kündigungsfrist beenden, braucht er dazu gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einen "wichtigen Grund". Ein solcher Grund liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten so massiv verletzt hat, dass einem "vernünftigen" Arbeitgeber der Ablauf der Kündigungsfrist im Allgemeinen nicht zugemutet werden kann, also z.B. wenn der Arbeitnehmer einen Diebstahl oder einen Betrug zu Lasten des Arbeitgebers begangen hat.
Seit dem Urteil des BAG in dem Fall der Berliner Kassiererin Barbara („Emmely“) Emme hat sich die Anwendung dieser Grundsätze durch die Gerichte geändert. Denn seit diesem Urteil (BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09 - wir berichteten zuletzt in Arbeitsrecht aktuell: 10/136 Emmely arbeitet wieder als Kassiererin) beachten die Arbeits- und Landesarbeitsgerichte stärker als bisher, dass ein im Allgemeinen zur fristlosen Kündigung ausreichender Pflichtverstoß eine solche harte Reaktion des Arbeitgebers nicht immer rechtfertigt. Dazu müssen die beiderseitigen Interessen im Einzelfall "ergebnisoffen" abgewogen werden.
Die Interessenabwägung und damit der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung können pro Arbeitnehmer ausgehen, wenn das Arbeitsverhältnis lange bestanden hat, wenn der Arbeitnehmer bislang keine einschlägigen Verfehlungen begangen, wenn die der Kündigung zugrundeliegende Verfehlung den Charakter eines "einmaligen Ausrutschers" hat und/oder wenn der Arbeitnehmer den von ihm begangenen Pflichtverstoß ehrlich zugegeben hat. Aber kann auch ein beharrliches Leugnen des Pflichtverstoßes zulasten des Arbeitnehmers ins Gewicht fallen?
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg meint "ja": Urteil vom 01.12.2011, 2 Sa 2015/11, 2 Sa 2300/11. Das ist seit dem Emmely-Urteil des BAG nicht mehr so ganz klar wie früher, weil das BAG in seiner für die Kassiererin Barbara Emme ergangenen Entscheidung betonte, dass die (mehrfach als unrichtig entlarvten) Äußerungen der Frau Emme im Kündigungsschutzprozess bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung keine Rolle spielen durften. So weit so richtig, denn zum Zeiptunkt des Kündigungsschutzprozesses ist die Kündigung ja bereits ausgesprochen.
Aber wenn der Arbeitnehmer im Vorfeld der Kündigung, d.h. während der Sachverhaltsaufklärung durch den Arbeitgeber, diesen mehrfach belügt und den Pflichtverstoß leugnet, kann diese Unehrlichkeit bei der Entscheidung über die Kündigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden. So jedenfalls das LAG Berlin-Brandenburg in seinem aktuellen Urteil. Dessen beiden Leitsätze lauten:
"1. Nach der langjährigen Rechtsprechung des 2. Senats des BAG (vgl. noch BAG vom 24.11.2005 - 2 AZR 39/05 - NZA 2006, 484) kann das Verhalten des Arbeitnehmers nach Begehung einer Pflichtwidrigkeit, aber vor Ausspruch der Kündigung ("Nach-Tat-Verhalten") in die Interessenabwägung einbezogen werden und sich ggf. zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken, wenn dieser beispielsweise die Pflichtwidrigkeit beharrlich leugnet und gegenüber dem Arbeitgeber mehrfach die Unwahrheit sagt.
2. An dieser - das Prognoseprinzip betonenden - Rechtsprechung ist ungeachtet der Entscheidung des 2. Senats vom 10.6.2010 2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227) festzuhalten, auch wenn der Senat dort alleine das "Prozess"-Verhalten der Arbeitnehmerin würdigt."
Geklagt hatte ein Kraftfahrer, der einen längeren Tankstellenaufenthalt auf seinem Arbeitszettel nicht als Pause vermerkt hatte, obwohl er zuvor einschlägig abgemahnt worden war. Bei der Bewertung der anschließenden fristlosen verhaltensbedingten Kündigung wegen Arbeitszeitbetruges wertete es das LAG als besonders schwerwiegend, dass der Kläger bei einem Personalgespräch die Pause zunächst geleugnet hatte. Erst nachdem er mit einem Zeugen konfrontiert worden war, räumte er sein Verhalten ein, versuchte sich aber selbst dann noch wenig glaubwürdig mit "Magenproblemen" herauszureden.
Auf der Grundlage dieser Entscheidung kommt es künftig entscheidend darauf an, wie sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Vorfeld einer fristlosen Kündigung, d.h. bei der Sachverhaltsaufklärung verhalten: Ermittelt der Arbeitgeber den Sachverhalt nicht richtig und spricht eine fristlose Verdachtskündigung auf der Grundlage unrichtiger Verdächtigungen aus, ist die Kündigung unwirksam. Gibt er sich aber Mühe bei der Sachverhaltsaufklärung und befragt den Arbeitnehmer gründlich, möglicherweise auch mehrfach, und tischt der Arbeitnehmer eine lügenhafte Ausrede nach der anderen auf, ist die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksam.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.12.2011, 2 Sa 2015/11 und 2 Sa 2300/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 17/192 Kündigung wegen falscher Angabe von Arbeitszeiten
- Arbeitsrecht aktuell: 16/014 Fristlose Kündigung wegen schwerer Pflichtverletzung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/276 Arbeitszeitbetrug oder Verdacht des Arbeitszeitbetrugs?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/116 LAG Berlin: Fristlose Kündigung wegen Diebstahls am Arbeitsplatz
- Arbeitsrecht aktuell: 10/136 Emmely arbeitet wieder als Kassiererin
Letzte Überarbeitung: 22. Juli 2017
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