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LAG Köln, Be­schluss vom 08.09.2011, 13 Ta 267/11

   
Schlagworte: Betriebsstilllegung, Europäischer Betriebsrat, Einstweilige Verfügung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 13 Ta 267/11
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 08.09.2011
   
Leitsätze:

1. Das Gesetz über Europäische Betriebsräte (EBRG), das auf einer EG-Richtlinie beruht, sieht in europaweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen Unterrichtungs- und Anhörungsrechte vor der Durchführung von Betriebsstilllegungen vor (§ 30 EBRG).

2. Eine Verletzung dieser Unterrichtungs- und Anhörungsrechte begründet keinen Unterlassungsanspruch bezüglich der Durchführung der beabsichtigten Betriebsstilllegung.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 04.08.2011, 8 BVGa 17/11
   

13 Ta 267/11

8 BV­Ga 17/11

Ar­beits­ge­richt Köln

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT KÖLN

 

BESCHLUSS

In dem Be­schwer­de­ver­fah­ren

 

hat die 13. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln
- oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung - am 08.09.2011 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr.A als Vor­sit­zen­de so­wie die
eh­ren­amt­li­chen Rich­ter R und K

b e s c h l o s s e n:

Die Be­schwer­de des An­trag­stel­lers ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 04.08.2011 – 8 BV­Ga 17/11 - wird zurück­ge­wie­sen.

 

G r ü n d e

I. Der nach dem Ge­setz über eu­ropäische Be­triebsräte (EBRG) ge­bil­de­te Eu­ro-Be­triebs­rat will den am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Un­ter­neh­men in G, B und K ei­nes welt­weit täti­gen Au­to­mo­bil­zu­lie­fe­rer­kon­zerns im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung auf­ge­ben las­sen, es zu un­ter­las­sen, Be­triebs­still­le­gun­gen in Be­trie­ben der An­trags­geg­ne­rin­nen in Ländern der Eu­ropäischen Uni­on durch­zuführen, oh­ne den Eu­ropäischen Be­triebs­rat zu­vor zu in­for­mie­ren und zu kon­sul­tie­ren. Der An­trag­stel­ler trägt un­ter Glaub­haft­ma­chung durch Vor­la­ge von Un­ter­la­gen vor:


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Am 22.06.2011 sei dem Vor­sit­zen­den des Eu­ropäischen Be­triebs­ra­tes von der zen­tra­len Lei­tung eröff­net wor­den, dass be­ab­sich­tigt sei, vor die Ar­beit­neh­mer des Wer­kes in C/S zu tre­ten, um die Pro­duk­ti­ons­still­le­gung die­ses Wer­kes an­zukündi­gen. Am 23.06.2011 sei­en al­le Mit­glie­der des Eu­ro­be­triebs­ra­tes in­for­miert wor­den. Es sei ei­ne Pres­se­erklärung in spa­ni­scher Spra­che (An­la­ge 7) zur be­ab­sich­tig­ten Be­triebs­still­le­gung er­schie­nen. Da­nach sei­en für 396 be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer Ver­hand­lun­gen mit den im Be­trieb ver­tre­te­nen Ge­werk­schaf­ten und in ei­nem Merk­blatt vom 14.07.2011 Vor­schläge für ei­nen So­zi­al­plan an­gekündigt wor­den. Trotz der Kri­tik des Eu­ropäischen Be­triebs­rats sei­en kei­ne Un­ter­la­gen für die Sit­zun­gen des Eu­ro­be­triebs­ra­tes vor­ab ver­sandt oder auf an­de­rem We­ge den Teil­neh­mern zu Verfügung ge­stellt wor­den. Der Eu­ropäische Be­triebs­rat ha­be zu der ge­plan­ten Be­triebs­still­le­gung am 12.07.2011 am Sitz der Be­tei­lig­ten zu 4. in K ei­ne Son­der­sit­zung durch­geführt. Die zen­tra­le Lei­tung ha­be im Rah­men ei­ner Power Point Präsen­ta­ti­on (An­la­ge 9, Bl. 36 - 89 d. A.), die ei­nen Über­blick über die wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on der Un­ter­neh­mens­grup­pe, ins­be­son­de­re der Eu­ropäischen Un­ter­neh­men und die dar­aus ab­ge­lei­te­te Un­ter­neh­mens­pla­nung bezüglich der Werks­sch­ließung in C/S zum Ge­gen­stand hat, in­for­miert. Vor­her sei­en dem Eu­ropäischen Be­triebs­rat kei­ne Un­ter­la­gen zur Verfügung ge­stellt wor­den. Ei­ne Kon­sul­ta­ti­ons­pha­se, in der der Eu­ropäische Be­triebs­rat selbst hätte Vor­schläge un­ter­brei­ten können, ha­be es nicht ge­ge­ben.

Der Eu­ropäische Be­triebs­rat ha­be so­dann be­schlos­sen, ei­nen Be­ra­ter zur Prüfung der Wirt­schafts­da­ten und Ent­wick­lung von Al­ter­na­ti­ven zur Sch­ließung des Wer­kes in C zu be­stel­len und ei­nen Rechts­an­walt zu be­auf­tra­gen, um die Ver­let­zung der Rech­te auf In­for­ma­tio­nen und Be­ra­tung des Eu­ropäischen Be­triebs­ra­tes fest­zu­stel­len und auf Ein­hal­tung zu kla­gen (TOP 7 und 8 des Pro­to­kolls der Sit­zung des Eu­ro­be­triebs­ra­tes am 12.07.2011 (An­la­ge 12)).

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten ein­sch­ließlich der Anträge wird auf die An­trags­schrift ver­wie­sen.


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Das Ar­beits­ge­richt hat den An­trag oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung durch Be­schluss der Kam­mer zurück­ge­wie­sen. Auf die Ent­schei­dung (Bl. 134 - 140 d. A.) wird ver­wie­sen. Ge­gen den dem An­trag­stel­ler am 08.08.2011 zu­ge­stell­ten Be­schluss hat die­ser am 22.08.2011 so­for­ti­ge Be­schwer­de ein­ge­legt. Er be­gründet die­se da­mit, dass das Ar­beits­ge­richt ört­lich zuständig sei, da die zen­tra­le Lei­tung, wie sich aus de­ren Zu­sam­men­set­zung und aus den Un­ter­schrif­ten zur Ver­ein­ba­rung zur Bil­dung ei­nes Eu­ropäischen Be­triebs­rats vom 07.03.2001 er­ge­be, in Eu­ro­pa deut­lich un­ter Deut­scher Vor­herr­schaft ste­he, so dass der letz­te Satz der Ver­ein­ba­rung, wo­nach der Ge­richts­stand Köln ist, als de­kla­ra­to­ri­sche Klar­stel­lung zu ver­ste­hen sei. So­weit das Ar­beits­ge­richt Be­den­ken ge­gen die Be­stimmt­heit der Anträge geäußert ha­be, wer­de dem durch die nun­mehr ge­stell­ten Hilfs­anträge Rech­nung ge­tra­gen. Der An­trag­stel­ler ist wei­ter der Auf­fas­sung, es be­ste­he ein Verfügungs­an­spruch so­wie Verfügungs­grund.

Der An­trag­stel­ler be­an­tragt,

den An­trags­geg­ne­rin­nen im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung, je­den­falls un­ter größtmögli­cher Abkürzung der La­dung, Schrift­satz und Ein­las­sungs­fris­ten auf­zu­ge­ben, es zu un­ter­las­sen,

- B e t r i e b s s t i l l l e g u n g e n i n B e t r i e b e n d e r An­trags­geg­ne­rin­nen in Ländern der Eu­ropäischen Uni­on durch­zuführen oh­ne den Eu­ropäischen Be­triebs­rat zu­vor zu in­for­mie­ren und zu kon­sul­tie­ren;

- hilfs­wei­se - das Werk C in S still­zu­le­gen;


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- hilfs­wei­se - be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen oder Ände­rungskündi­gun­gen ge­genüber den beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern im Werk C in S zu erklären;

- hilfs­wei­se - Gespräche mit Ar­beit­neh­mern in C in S über die Be­en­di­gung de­ren Ar­beits­verhält­nis­se oder künf­ti­ge Wei­ter­beschäfti­gung in an­de­ren Wer­ken der V-Grup­pe zu führen,

oh­ne den Eu­ropäischen Be­triebs­rat zu­vor zu in­for­mie­ren und zu kon­sul­tie­ren;

2. Den An­trags­geg­ne­rin­nen für den Fall der Zu­wi­der­hand­lung ein Ord­nungs­geld in ei­ner Höhe nach Er­mes­sen des Ge­richts an­zu­dro­hen.

II. Die Be­schwer­de des Eu­ropäischen Be­triebs­rats ist zulässig, hat in der
Sa­che je­doch kei­nen Er­folg.

1. Die Rechts­weg­zuständig­keit zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen er­gibt sich aus § 2 a Nr. 3 b ArbGG. Die ört­li­che Zuständig­keit des Ar­beits­ge­richts Köln ist nach § 82 Abs. 2 ArbGG ge­ge­ben, da nach dem Vor­trag des An­trag­stel­lers un­ter Berück­sich­ti­gung des Be­schwer­de­vor­brin­gens die zen­tra­le Lei­tung bei der Be­tei­lig­ten zu 4. in K liegt, wo auch der Eu­ropäische Be­triebs­rat sei­nen Sitz hat (§ 2 Abs. 2 EBRG).

2. Die in der Be­schwer­de ge­stell­ten Hilfs­anträge, die sich auf die Still­le­gung des Wer­kes C in S be­zie­hen, sind nach den auch im Be­schluss­ver­fah­ren gel­ten­den Be­stimmt­heits­an­for­de­run­gen (§§ 81 Abs. 1, 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG, 253 Abs. 2 S. 2 ZPO) aus­rei­chend be­stimmt und da­her zulässig. Mit Recht hat das Ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, dass der Haupt­an­trag, der oh­ne je­de


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Kon­kre­ti­sie­rung „Be­triebs­still­le­gun­gen in Be­trie­ben der An­trags­geg­ne­rin­nen in Ländern der Eu­ropäischen Uni­on“ zum Ge­gen­stand hat, nicht be­stimmt ge­nug ist. We­gen der wei­te­ren Be­gründung wird in­so­weit auf den an­ge­foch­te­nen Be­schluss ver­wie­sen.

3. Der Un­ter­las­sungs­an­trag ist je­doch un­be­gründet. Es fehlt an ei­nem Verfügungs­an­spruch. Zwar hat die zen­tra­le Lei­tung – nach Vor­trag des An­trag­stel­lers – ih­re ge­genüber dem Eu­ropäischen Be­triebs­rat be­ste­hen­den Un­ter­rich­tungs- und Anhörungs­pflich­ten ver­letzt. Der An­trag­stel­ler kann sich im Streit­fall zur Si­che­rung sei­ner Anhörungs- und Un­ter­rich­tungs­rech­te je­doch nicht auf ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch be­ru­fen.

a. Der Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung ist im Be­schluss­ver­fah­ren nach § 85 Abs. 2 S. 1 ArbGG grundsätz­lich zulässig. Für das Ver­fah­ren gel­ten die Vor­schrif­ten des 8. Bu­ches der Zi­vil­pro­zess­ord­nung (§ 85 Abs. 2 S. 2 ArbGG). Dem­nach sind auch im Be­schluss­ver­fah­ren einst­wei­li­ge Verfügun­gen in Form der Si­che­rungs­verfügung nach § 935 ZPO, der Re­ge­lungs­verfügung nach § 940 ZPO und der Leis­tungs- und Be­frie­dungs­verfügung zulässig. Vor­aus­set­zung für den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung ist in al­len Fällen, dass der An­trag­stel­ler ei­nen zu si­chern­den Verfügungs­an­spruch hat und ein Verfügungs­grund ge­ge­ben ist.

b. Dem Eu­ropäischen Be­triebs­rat steht nach § 30 Abs. 1 EBRG ein Un­ter­rich­tungs- und Anhörungs­recht zu, das die zen­tra­le Lei­tung – nach Vor­trag des An­trag­stel­lers – ver­letzt hat.

aa. Da­nach hat die zen­tra­le Lei­tung den Eu­ropäischen Be­triebs­rat über außer­gewöhn­li­che Umstände oder Ent­schei­dun­gen, die er­heb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer ha­ben, recht­zei­tig un­ter Vor­la­ge der er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen zu un­ter­rich­ten und auf Ver­lan­gen an­zuhören. Als außer­gewöhn­li­che Umstände gel­ten ins­be­son­de­re 1. die Ver­le­gung von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder we­sent­li­chen Be­triebs­tei­len, 2. die


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Still­le­gung von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder we­sent­li­chen Be­triebs­tei­len, 3. Mas­sen­ent­las­sun­gen.

bb. Im Streit­fall ist - nach glaub­haft ge­mach­tem Vor­trag des Eu­ropäischen Be­triebs­rats - be­ab­sich­tigt, dass Werk in C/S still­zu­le­gen. Darüber ist der Eu­ropäische Be­triebs­rat erst­mals am 22./23.06.2011 in­for­miert wor­den. Auf der von ihm ein­be­ru­fe­nen Son­der­sit­zung am 12.07.2011 sind von der zen­tra­len Lei­tung erst­mals schrift­li­che Un­ter­la­gen im Rah­men ei­ner Power Point Präsen­ta­ti­on vor­ge­legt wor­den.

cc. Die­se In­for­ma­tio­nen der zen­tra­len Lei­tung genügen nicht den An­for­de­run­gen an ei­ne Un­ter­rich­tung und Anhörung i.S.d. EBRG.

aaa. § 1 Abs. 4 EBRG be­zeich­net als Un­ter­rich­tung im Sin­ne die­ses Ge­set­zes die Über­mitt­lung von In­for­ma­tio­nen durch die zen­tra­le Lei­tung oder ei­ne an­de­re ge­eig­ne­te Lei­tungs­ebe­ne an die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter, um ih­nen Ge­le­gen­heit zur Kennt­nis­nah­me und Prüfung der be­han­del­ten Fra­ge zu ge­ben. Die Un­ter­rich­tung er­folgt zu ei­nem Zeit­punkt, in ei­ner Wei­se und in ei­ner in­halt­li­chen Aus­ge­stal­tung, die dem Zweck an­ge­mes­sen sind und es den Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern ermögli­chen, die mögli­chen Aus­wir­kun­gen ein­ge­hend zu be­wer­ten und ge­ge­be­nen­falls Anhörun­gen mit dem zuständi­gen Or­gan des ge­mein­schafts­weit täti­gen Un­ter­neh­mens oder der ge­mein­schafts­weit täti­gen Un­ter­neh­mens­grup­pe vor­zu­be­rei­ten.

bbb. Als Anhörung be­zeich­net ist im Sin­ne die­ses Ge­set­zes nach § 1 Abs. 5 EBRG der Mei­nungs­aus­tausch und die Ein­rich­tung ei­nes Dia­logs zwi­schen den Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern und der zen­tra­len Lei­tung oder ei­ner an­de­ren ge­eig­ne­ten Leis­tungs­ebe­ne zu ei­nem Zeit­punkt, in ei­ner Wei­se und in ei­ner in­halt­li­chen Aus­ge­stal­tung, die es den Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern auf der Grund­la­ge der er­hal­te­nen In­for­ma­tio­nen ermögli­chen, in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist zu den vor­ge­schla­ge­nen Maßnah­men, die Ge­gen­stand der Anhörung sind, ei­ne Stel­lung­nah­me ab­zu­ge­ben, die in­ner­halb des


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ge­mein­schafts­weit täti­gen Un­ter­neh­mens oder ge­mein­schafts­weit täti­gen Un­ter­neh­mens­grup­pe berück­sich­tigt wer­den kann.

ccc. Ei­ne Un­ter­rich­tung nach § 1 Abs. 4 EBRG über den außer­gewöhn­li­chen Um­stand ei­ner Be­triebs­still­le­gung nach § 30 EBRG er­for­dert dem­nach die Vor­la­ge von schrift­li­chen Un­ter­la­gen, da die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter nur so die mögli­chen Aus­wir­kun­gen ein­ge­hend be­wer­ten können und ge­ge­be­nen­falls in der La­ge sind, Anhörun­gen mit dem Un­ter­neh­men vor­zu­be­rei­ten.

ddd. Die Vor­la­ge schrift­li­cher Un­ter­la­gen er­folg­te - nach Vor­trag des An­trag­stel­lers - erst­mals im Rah­men der Power Point Präsen­ta­ti­on auf der vom Eu­ropäischen Be­triebs­rat ein­be­ru­fe­nen Son­der­sit­zung am 12.07.2011. Die­se außer­or­dent­li­che Sit­zung kann als Anhörung im Sin­ne des § 1 Abs. 5 EBRG an­ge­se­hen wer­den. Der Eu­ropäische Be­triebs­rat konn­te je­doch die­se Anhörung man­gels vor­her vor­ge­leg­ter schrift­li­cher Un­ter­la­gen zur Be­triebs­still­le­gung nicht vor­be­rei­ten. Dem­nach ist - nach Vor­trag des An­trag­stel­lers - die Un­ter­rich­tung nicht recht­zei­tig er­folgt. Darüber hin­aus kommt ei­ne ver­späte­te In­for­ma­ti­on auch un­ter dem Ge­sichts­punkt in Be­tracht, dass die zen­tra­le Lei­tung - nach Vor­trag des An­trag­stel­lers - mit der Um­set­zung der Be­triebs­still­le­gung be­reits vor aus­rei­chen­der Un­ter­rich­tung des Eu­ropäischen Be­triebs­rats durch schrift­li­che Un­ter­la­gen in der Son­der­sit­zung vom 12.07.2011 be­gon­nen hat. Auch dies ent­spricht nicht den An­for­de­run­gen an ei­ne Anhörung nach § 1 Abs. 5 EBRG, wo­nach im Sin­ne ei­nes Be­ra­tungs­rechts ei­ne Stel­lung­nah­me des Eu­ropäischen Be­triebs­rats vor­ge­se­hen ist. Ei­ne sol­che Stel­lung­nah­me des Eu­ropäischen Be­triebs­rats macht nur dann Sinn, wenn die frag­li­chen Ent­schei­dun­gen noch nicht ge­trof­fen sind, da an­sons­ten ei­ne Berück­sich­ti­gung der Vor­stel­lun­gen des Eu­ropäischen Be­triebs­rats nicht mehr möglich ist (so auch Däubler/Kitt­ner/Kle­be Be­trVG 11. Auf­la­ge § 33 EBRG Rn. 4).

c. Die -nach Vor­trag des An­trag­stel­lers- an­zu­neh­men­de Ver­let­zung des Un­ter­rich­tungs- und Anhörungs­rechts nach § 30 EBRG be­gründet je­doch


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kei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch bezüglich der Durchführung der be­ab­sich­tig­ten Be­triebs­still­le­gung.

aa. Das Eu­ropäische Be­triebsräte­ge­setz sieht als Sank­ti­on für den Ver­s­toß ge­gen die Un­ter­rich­tungs- und Anhörungs­rech­te des Eu­ropäischen Be­triebs­rats nach § 30 EBRG, le­dig­lich ei­ne Bußgeld­vor­schrift nach § 45 EBRG vor. Es fehlt ei­ne dem § 23 Abs. 3 Be­trVG ent­spre­chen­de Vor­schrift, wo­nach dem Be­triebs­rat bei gro­ben Verstößen des Ar­beit­ge­bers ein Un­ter­las­sungs­an­spruch zu­steht. Die Über­tra­gung der für das Be­triebs­ver­fas­sungs­recht ent­wi­ckel­ten Grundsätze zum Un­ter­las­sungs­an­spruch wird so­weit dies bis­her über­haupt the­ma­ti­siert wur­de, nur ver­ein­zelt ver­tre­ten (vgl. da­zu Däubler a.a.O. § 33 Rn 5).

bb. Für das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ei­nen all­ge­mei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch bei dro­hen­den Verstößen des Ar­beit­ge­bers ge­gen Mit­be­stim­mungs­rech­te aus § 87 Abs. 1 Be­trVG an­er­kannt (grund­le­gend 03.05.1994 - 1 ABR 24/93). Dies be­ruht dar­auf, dass im Rah­men der ge­nann­ten Mit­be­stim­mungs­tat­bestände jeg­li­ches Han­deln des Ar­beit­ge­bers der Zu­stim­mung des Be­triebs­rats be­darf. Die Be­rech­ti­gung, ei­ne Maßnah­me bei Ein­hal­tung ei­nes be­stimm­ten Ver­fah­rens un­be­scha­det ih­rer ma­te­ri­ell recht­li­chen Rechtmäßig­keit vorläufig durch­zuführen, be­steht in An­ge­le­gen­hei­ten des § 87 Abs. 1 Be­trVG, 95 Abs. 1 Be­trVG nicht. (BAG, 23.06.2009 - 1 ABR 23/08). Ei­nen all­ge­mei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch des Be­triebs­rats zur Ver­hin­de­rung ei­ner oh­ne sei­ne Zu­stim­mung be­ab­sich­tig­ten Ver­set­zung im Sin­ne des § 99 Abs. 1 S. 1, § 95 Abs. 3 S. 1 Be­trVG hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt da­ge­gen den Hin­weis auf die Son­der­vor­schrif­ten der §§ 100, Abs. 1, 101 Be­trVG ab­ge­lehnt (BAG, 23.06.2009 - 1 ABR 23/08 m.w.N.). Eben­falls hat es das Bun­des­ar­beits­ge­richt ab­ge­lehnt, ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch aus § 80 Abs. 1 Be­trVG her­zu­lei­ten, wo­nach der Be­triebs­rat darüber zu wa­chen hat, dass die zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Ge­set­ze, Ver­ord­nun­gen, Un­fall­verhütungs­vor­schrif­ten, Ta­rif­verträge und Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen durch­geführt wer­den. Denn die­ses


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Über­wa­chungs­recht des Be­triebs­rats ist dar­auf be­schränkt, den mit­be­stim­mungs­wid­ri­gen Zu­stand beim Ar­beit­ge­ber zu be­an­stan­den und auf Ab­hil­fe zu drängen (BAG 17.05.2011 - 1 ABR 121/09 - m.w.N.). Höchst­rich­ter­lich noch nicht ent­schie­den, in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur um­strit­ten, ist die Fra­ge, ob dem Be­triebs­rat ein im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren durch­setz­ba­rer An­spruch auf Un­ter­las­sung ei­ner Be­triebsände­rung bis zum Ab­schluss der Ver­hand­lun­gen über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich zu­steht oder ob im Rah­men des § 111 Be­trVG ein Un­ter­las­sungs­an­spruch be­reits vom Grund­satz her nicht in Be­tracht kommt (vgl. zum Mei­nungs­stand LAG Hamm, 28.08.2003 - 13 Ta BV 127/03).

cc. Es kann da­hin­ste­hen, ob die­se für das Be­triebs­ver­fas­sungs­recht ent­wi­ckel­ten Grundsätze auf das Ge­setz über Eu­ropäische Be­triebsräte über­haupt an­zu­wen­den sind. Denn selbst wenn man das be­jaht, be­gründet dies für die hier strei­ti­gen Anhörungs- und Un­ter­rich­tungs­pflich­ten – an­de­re Mit­wir­kungs­rech­te, erst recht Mit­be­stim­mungs­rech­te iSv § 87 Abs.1 Bert­VG sieht das EBRG gar nicht vor - ge­ra­de kei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch. Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht, wenn man der o.g. Auf­fas­sung folgt, dass dem Be­triebs­rat zur Durch­set­zung des An­spruchs aus § 111 Abs. 1 Be­trVG ein An­spruch auf Un­ter­las­sung ei­ner Be­triebsände­rung bis zum Ab­schluss der Ver­hand­lun­gen über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich zu­steht. Denn die­ses bei
Be­triebsände­run­gen vor­ge­se­he­ne Be­ra­tungs­recht steht im Zu­sam­men­hang mit den in §§ 112 - 113 Be­trVG ge­re­gel­ten Mit­wir­kungs­rech­ten im Rah­men ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs, So­zi­al­plans und Nach­teil­aus­gleichs. Dem­ent­spre­chend er­folgt, so­weit ein Un­ter­las­sungs­an­spruch im Fall des § 111 Be­trVG zu­ge­spro­chen wird, dies re­gelmäßig bis zum Ab­schluss der Ver­hand­lun­gen über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich (vgl. et­wa LAG Hamm, 28.06.2010 - 13 Ta 372/10). Ein dem In­ter­es­sen­aus­gleich ver­gleich­ba­res Mit­wir­kungs­recht sieht das Eu­ropäische Be­triebsräte­ge­setz je­doch nicht vor.

Der Be­schluss er­geht ge­richts­kos­ten­frei (§ 2 Abs. 2 GKG).


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G e g e n d i e s e E n t s c h e i d u n g f i n d e t k e i n R e c h t s m i t t e l s t a t t (§ 92 Abs. 1 S. 3 ArbGG).

 

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