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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 04.11.2011, 13 Sa 1549/11

   
Schlagworte: Betriebsratsmitglied, Befristung, Einstellungsanspruch
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 13 Sa 1549/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 04.11.2011
   
Leitsätze:

1) § 14 Abs. 2 TzBfG ist nicht unionsrechtskonform dahingehend einzuschränken, dass er auf befristete Arbeitsverträge von Betriebsräten keine Anwendung findet.

2) Aus dem Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG kann ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages folgen . Die Darlegungs- und Beweislast für eine derartige Benachteiligung wegen der Betriebsratsarbeit trägt der Arbeitnehmer.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 15.06.2011, 10 Ca 4964/11
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 4. No­vem­ber 2011

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

13 Sa 1549/11

10 Ca 4964/11
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

Z.
Ge­richts­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 13. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 4. No­vem­ber 2011
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. F. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Sch. und N.

für Recht er­kannt:

I. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 15.06.2011 – 10 Ca 4964/11 – wird auf sei­ne Kos­ten bei ei­nem Streit­wert von 7.334,40 Eu­ro zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.


Dr. F. Sch. N.

 

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Tat­be­stand

Der Kläger be­gehrt von der Be­klag­ten die Fort­set­zung sei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges über den 31.01.2011 hin­aus, die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung zum Ab­schluss ei­nes un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges so­wie sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen.

Der Kläger war bei der Be­klag­ten, die in Ber­lin ein Call Cen­ter mit re­gelmäßig über 500 Beschäftig­ten be­treibt, als Te­le­fo­na­gent auf­grund ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges vom 12.01.2010 gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG für die Zeit vom 01.02.2009 bis ein­sch­ließlich 31.10.2010 beschäftigt (vgl. den Ar­beits­ver­trag in Ko­pie, Bl. 5-14 d.A.). Die­ser Ver­trag wur­de durch die Par­tei­en am 02.11.2009 zunächst bis zum 31.07.2010 verlängert (vgl. die Verlänge­rung vom 02.11.2009 in Ko­pie, Bl. 14 d.A.) zu­letzt durch die Verlänge­rung vom 21.04.2010 zum 31.01.2011 (vgl. die Verlänge­rung vom 21.04.2010 in Ko­pie, Bl. 17 d.A.).

Im Mai 2010 wur­de der Kläger auf­grund der erst­ma­li­gen Be­triebs­rats­wahl in den Be­triebs­rat gewählt und wur­de des­sen Vor­sit­zen­der. Er und ein wei­te­res Be­triebs­rats­mit­glied wur­den frei­ge­stellt gemäß § 38 Abs. 1 Be­trVG. Im Zu­sam­men­hang mit die­ser Frei­stel­lung erhöhten die Par­tei­en die wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 32 auf 40 Std. pro Wo­che bei ei­ner mo­nat­li­chen Brut­to­vergütung von 1.466,88 Eu­ro (vgl. die Ver­ein­ba­rung vom 17.06.2010 in Ko­pie, Bl. 18 d.A.). Mit Schrei­ben vom 12.01.2011 teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit, dass mit Ab­lauf des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges am 31.01.2011 das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en en­den wer­de.

Die Be­klag­te hat sechs wei­te­re Be­triebs­rats­mit­glie­der, die eben­falls be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se hat­ten, nach dem Ab­lauf der Be­fris­tung un­be­fris­tet wei­ter­beschäftigt. An­de­rer­seits hat sie an­de­re Ar­beit­neh­mer, die wie der Kläger ein über­durch­schnitt­li­ches Zwi­schen­zeug­nis oder Ar­beits­zeug­nis er­hiel­ten, wie den Kläger nicht wei­ter über den Ab­lauf der be­fris­te­ten Verträge hin­aus beschäftigt. Vor der Be­en­di­gung des be­fris­te­ten Ver­tra­ges des Klägers gab es zwei frei­ge­stell­te Be­triebs­rats­mit­glie­der bei der Be­klag­ten, nach­her eben­falls.

Mit sei­ner beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin am 28.01.2011 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge meint der Kläger, dass er durch die Nicht­verlänge­rung des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges ent­ge­gen § 78 S. 2 Be­trVG we­gen sei­ner Tätig­keit im Be­triebs­rat be­nach­tei­ligt

 

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wor­den sei und da­her ei­nen An­spruch auf Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses ha­be.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat die Kla­ge ins­ge­samt ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, dass durch die Nicht­er­he­bung ei­ner ord­nungs­gemäßen Ent­fris­tungs­kla­ge nach § 17 Tz­B­fG nach Ab­lauf der Kla­ge­frist von drei Wo­chen die Be­fris­tung nach der zu­letzt zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten Ver­trags­verlänge­rung fik­tiv rechts­wirk­sam ge­wor­den sei gemäß §§ 17 S. 2 Tz­B­fG; 5 KSchG. Die wei­te­ren Ansprüche stütze der Kläger oh­ne Er­folg auf § 78 S. 2 Be­trVG. Zwar dürf­te der Kläger als Be­triebs­rats­mit­glied nach die­ser Vor­schrift we­der be­nach­tei­ligt noch begüns­tigt wer­den, dies gel­te auch für sei­ne be­ruf­li­che Ent­wick­lung. Ein Ver­s­toß ge­gen die­ses Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot lie­ge je­doch nicht vor, da der Kläger nach sei­nem Vor­trag nicht we­gen sei­ner Be­triebs­ratstätig­keit be­nach­tei­ligt wor­den sei. Viel­mehr sei un­strei­tig, dass bis auf den Kläger und ei­nen wei­te­ren Ar­beit­neh­mer, der in den Be­triebs­rat gewählt wor­den sei, sämt­li­che übri­gen Be­triebs­rats­mit­glie­der, die eben­falls im Rah­men be­fris­te­ter Ar­beits­verhält­nis­se ge­stan­den hätten, in ein un­be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis über­nom­men wor­den sei­en. Schon von da­her er­wei­se sich die Kla­ge als un­schlüssig. So­weit der Kläger in die­sem Zu­sam­men­hang gel­ten ma­che, durch die Re­ge­lung in § 78 S. 2 Be­trVG müsse es dem Ar­beit­ge­ber auch ver­wehrt wer­den können, in un­zulässi­ger Wei­se auf die Zu­sam­men­set­zung des Be­triebs­rats Ein­fluss neh­men zu können, könne dies zu­tref­fend sein. Der Kläger ha­be aber kei­ne (In­diz-)Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, aus de­nen der Schluss ge­zo­gen wer­den könn­te, dass die Be­klag­te we­gen der Art der Amts­auführung durch den Kläger des­sen Ar­beits­verhält­nis – im Ge­gen­satz zu den übri­gen, über­nom­me­nen Be­triebs­rats­mit­glie­dern – nicht ent­fris­tet ha­be.

Es kom­me hin­zu, dass der Kläger auch nicht sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen ha­be, in­wie­weit die Ar­beit­neh­mer, die un­strei­tig in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis über­nom­men wor­den sei­en, mit ihm ver­gleich­bar sei­en. Hier­zu feh­le es an aus­rei­chen­den Tat­sa­chen­vor­trag. Sch­ließlich ha­be die Be­klag­te vor­ge­tra­gen, dass die Ar­beit­neh­mer F., B., H. und J., die eben­so wie der Kläger über­durch­schnitt­lich gu­te Leis­tun­gen at­tes­tiert be­kom­men hätten, nicht über­nom­men wur­den. Dem sei der Kläger zwar in­so­weit ent­ge­gen­ge­tre­ten, als er gel­tend ge­macht ha­be, die ge­nann­ten Ar­beit­neh­mer sei­en von der Be­klag­ten – zu­letzt – schlecht be­ur­teilt wor­den bzw. hätten An­lass zu Be­an­stan­dun­gen ge­ge­ben. Das ent­spre­chen­de Vor­brin­gen des Klägers, der für das Vor­lie­gen der Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des

 

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§ 78 S. 2 Be­trVG dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet sei, sei aber weit­ge­hend un­sub­stan­ti­iert.

We­gen der wei­te­ren kon­kre­ten Be­gründung des Ar­beits­ge­richts und des Vor­trags der Par­tei­en in der ers­ten In­stanz wird auf das Ur­teil vom 15.06.2011 (Bl. 152-157 d.A.) ver­wie­sen.

Ge­gen die­ses ihm am 11.07.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg am 25.07.2011 ein­ge­gan­ge­ne und nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 22.09.2011 am 22.09.2011 be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers.

Er be­haup­tet, dass nach den von ihm erfüll­ten Kri­te­ri­en der Ar­beits­leis­tung die Be­klag­te ihn hätte über­neh­men müssen, ins­be­son­de­re des­halb, weil er vor sei­ner Be­triebs­ratstätig­keit ei­gent­lich für ei­ne Son­der­funk­ti­on (so ge­nann­ter Se­cond-Le­vel-Be­reich) vor­ge­se­hen ge­we­sen sei. Die Be­klag­te su­che seit An­fang 2011 im frühe­ren Ar­beits­be­reich des Klägers Per­so­nal. Der Kläger ha­be als Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der maßgeb­lich erst­mals zur In­stal­lie­rung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zu dem im Call Cen­ter der Be­klag­ten höchs­tak­tu­el­len The­ma der Bild­schirm­ar­beits­pau­se bei­ge­tra­gen. Die ers­te Sit­zung der Ei­ni­gungs­stel­le nach dem En­de der Be­fris­tung ha­be auf Sei­ten des Be­triebs­rats noch un­ter dem Ein­druck der bis da­hin er­folg­rei­chen Tätig­keit des Klägers ge­stan­den. Kurz da­nach ha­be dann der neue Vor­sit­zen­de samt ei­ner Mehr­heit des zum Teil neu zu­sam­men­ge­setz­ten Be­triebs­rats mit der Be­klag­ten ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung ab­ge­schlos­sen, die kei­ne be­zahl­ten Kurz­pau­sen vor­se­he und gleich­zei­tig mit­ge­teilt, dass das Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren sich da­mit er­le­digt ha­be.

Der Kläger be­an­tragt,

un­ter Auf­he­bung des Ur­teils ers­ter In­stanz – 10 Ca 4964/11 – dem Kla­ge­an­trag statt­zu­ge­ben und

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dass seit dem 01.02.2009 zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis gemäß den sons­ti­gen Be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 12.01.2009 ein­sch­ließlich der Ergänzung für die Zeit der Frei­stel­lung als Vor­sit­zen­der des Be­triebs­rats gemäß Ver­ein­ba­rung vom 17.06.2010 über den 31.01.2011 hin­aus fort­zu­set­zen;

 

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2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, das An­ge­bot des Klägers auf Ab­schluss ei­nes un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges ab dem 01.02.2011 zu den sons­ti­gen Be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 12.01.2011 ein­sch­ließlich der Ergänzung für die Zeit der Frei­stel­lung als Vor­sit­zen­der des Be­triebs­rats gemäß Ver­ein­ba­rung vom 17.06.2010 an­zu­neh­men;

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen als Cust­o­m­er Ser­vice Pro­fes­sio­nal wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te be­strei­tet ei­ne au­to­ma­ti­sche Über­nah­me von Mit­ar­bei­tern nach ei­nem be­stimm­ten Sys­tem in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis. Viel­mehr sei­en 2009 593 Ein­trit­te, aber 255 Aus­trit­te von Mit­ar­bei­tern zu ver­zeich­nen ge­we­sen, 2010 312 Ein­trit­te, aber 316 Aus­trit­te und 2011 bis En­de März 82 Ein­trit­te, aber 106 Aus­trit­te. Die Be­fris­tungsmöglich­keit des § 14 Abs. 2 Tz­B­fG die­ne an­ge­sichts des ständi­gen und schwan­ken­den Per­so­nal­wech­sels, der sich aus der schwan­ken­den Kun­den­nach­fra­ge er­ge­be, der Fle­xi­bi­li­sie­rung. Dass auf die­se Schwan­kun­gen des Per­so­nal­be­darfs re­agiert wer­de, zei­ge die Nichtüber­nah­me des Klägers trotz sei­ner über­durch­schnitt­li­chen Leis­tun­gen ge­nau­so wie die Nichtüber­nah­me von an­de­ren Kol­le­gen in sei­nem Be­reich, die ähn­lich gut be­ur­teilt wor­den sei­en.

Die vom Kläger be­haup­te­ten Aus­wer­tun­gen von Mit­ar­bei­ter­gesprächen mit den Kun­den die­ne nicht der Vor­be­rei­tung von be­ab­sich­tig­ten Ar­beits­ver­trags­verlänge­run­gen, son­dern der Stei­ge­rung der Kun­den­zu­frie­den­heit.

Dem Kläger sei auch kei­ne Beförde­rung vor sei­ner Frei­stel­lung für die Be­triebs­rats­ar­beit an­ge­bo­ten wor­den, son­dern le­dig­lich – wenn über­haupt – ei­ne Ver­set­zung in ei­ne Tätig­keit mit ei­nem an­de­ren Kun­den­stamm. Die da­mals be­ab­sich­tig­te Tätig­keit für den Kläger stel­le we­der ei­ne höher­wer­ti­ge noch ei­ne bes­ser vergüte­te Tätig­keit dar – in­so­fern un­strei­tig.

 

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We­gen des wei­te­ren kon­kre­ten Vor­trags der Par­tei­en in der zwei­ten In­stanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.09.2011 (Bl. 172 ff. d.A.) und der Be­klag­ten vom 20.10.2011 (Bl. 203 ff. d.A.) ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

I. Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buch­sta­be c, Abs. 6; 66 Abs. 1 S. 1 und S. 5 ArbGG; §§ 519, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässi­ge Be­ru­fung ist ins­be­son­de­re form­ge­recht und frist­gemäß ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II. In der Sa­che hat die Be­ru­fung des Klägers je­doch kei­nen Er­folg. So­wohl im Er­geb­nis als auch in der Be­gründung zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg folgt dem Ar­beits­ge­richt Ber­lin, sieht von ei­ner nur wie­der­ho­len­den ausführ­li­chen Be­gründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab und weist we­gen des zweit­in­stanz­li­chen Vor­trags der Par­tei­en nur auf Fol­gen­des hin:

1. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin die Kla­ge hin­sicht­lich der Anträge zu 1. und 3. schon des­halb ab­ge­wie­sen, weil das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Fik­ti­on des Ge­set­zes mit Frist­ab­lauf am 31.01.2011 ge­en­det hat. Da­durch dass der Kläger die Be­fris­tung nicht mit dem An­trag nach § 17 S. 1 Tz­B­fG („Fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­det ist.“) an­ge­grif­fen hat, wird gemäß § 17 S. 2 Tz­B­fG in Ver­bin­dung mit §§ 4; 7 KSchG die Be­fris­tung wirk­sam. Da­mit hat der Kläger auch kei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch bis zum rechts­kräfti­gen An­schluss des Rechts­streits.

2. Der Kläger hat aber auch kei­nen An­spruch auf Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung sei­tens der Ar­beit­ge­be­rin auf Ab­schluss ei­nes un­be­fris­te­ten Ver­tra­ges, der gemäß § 894 ZPO voll­streckt wer­den könn­te. Ein sol­cher An­spruch könn­te sich al­len­falls aus § 78 S. 2 Be­trVG er­ge­ben. Des­sen Vor­aus­set­zun­gen lie­gen je­doch hier nicht vor.

a) Al­ler­dings kann grundsätz­lich ein An­spruch ei­nes Be­triebs­rats­mit­glie­des auf Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung sei­tens des Ar­beit­ge­bers auf Ab­schluss ei­nes

 

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un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges ge­ge­ben sein, wenn der Ar­beit­ge­ber ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 78 S. 2 Be­trVG, das auch für die be­ruf­li­che Ent­wick­lung des Be­triebs­rats­mit­glieds gilt, verstößt, da § 15 Abs. 6 AGG, wo­nach ein Ver­s­toß des Ar­beit­ge­bers ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 AGG kei­nen An­spruch auf Be­gründung ei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses be­gründet, we­der di­rekt noch ana­log auf die vor­lie­gen­de Kon­stel­la­ti­on An­wen­dung fin­det, da es we­gen § 78 Be­trVG kei­ne Re­ge­lungslücke gibt.

Vor­aus­set­zung für ei­nen An­spruch aus § 78 S. 2 Be­trVG ist je­doch, dass die Nichtüber­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis we­gen der Be­triebs­ratstätig­keit er­folgt, ei­ne Nichtüber­nah­me ei­nes Be­triebs­rats oh­ne die­se kau­sa­le Ver­knüpfung ist zulässig, an­sons­ten wäre die Über­nah­me ei­nes Be­triebs­rat­mit­glieds, nur weil es die­se Funk­ti­on ausübt, ei­ne nach § 78 S. 2 Be­trVG ver­bo­te­ne Begüns­ti­gung des Be­triebs­rat­mit­glieds (vgl. Fit­ting, Be­trVG 25. Auf­la­ge, § 78 Rz. 19; GK-Be­trVG-Kreutz, 8. Auf­la­ge, § 78 Rz. 54; Ri­char­di/Thüsing, Be­trVG, 11. Auf­la­ge, § 78 Rz. 23, je­weils mit wei­te­ren Nach­wei­sen).

b) Dem steht auch nicht die eu­ropäische Richt­li­nie 2002/14/EG, ins­be­son­de­re nicht de­ren Art. 7, ent­ge­gen.

Dort heißt es:

„Die Mit­glied­staa­ten tra­gen dafür Sor­ge, dass die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter bei der Ausübung ih­rer Funk­ti­on ei­nen aus­rei­chen­den Schutz und aus­rei­chen­de Si­cher­hei­ten ge­nießen, die es ih­nen ermögli­chen, die ih­nen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben in an­ge­mes­se­ner Wei­se wahr­zu­neh­men.“

Zu­tref­fend hat der EuGH in der Ent­schei­dung vom 11.02.2010 – C 405/08 – NZA 2010, 286 ff. aus­geführt, dass nach Art. 7 der Richt­li­nie die Mit­glied­staa­ten dafür Sor­ge zu tra­gen ha­ben, dass die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter bei der Ausübung ih­rer Funk­ti­on ein aus­rei­chen­den Schutz und aus­rei­chen­de Si­cher­hei­ten ge­nießen müssen, die es ih­nen ermöglich­ten, die ih­nen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben in an­ge­mes­se­ner Wei­se wahr­zu­neh­men. We­der dem

 

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Wort­laut noch dem Sinn und Zweck des Ar­ti­kels sei je­doch zu ent­neh­men, dass den dar­in ge­nann­ten An­for­de­run­gen nur dann genügt wäre, wenn Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern ein verstärk­ter Kündi­gungs­schutz oder so wie vor­lie­gend ein verstärk­ter Be­en­di­gungs­schutz gewährt würde. Denn so­wohl aus dem Wort­laut von Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG als auch dar­aus, dass die­se nur ei­nen all­ge­mei­nen Rah­men mit Min­dest­vor­schrif­ten vor­se­he, fol­ge, dass der Uni­ons­ge­setz­ge­ber den Mit­glied­staa­ten und – vor­be­halt­lich der ih­nen ob­lie­gen­den Ver­pflich­tung, die in die­ser Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Er­geb­nis­se zu er­rei­chen den So­zi­al­part­nern in Be­zug auf die hin­sicht­lich der aus Sicht der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter zu tref­fen­den Schutz­maßnah­men und zu bie­ten­den Si­cher­hei­ten ein wei­tes Er­mes­sen ein­geräumt ha­be. Der von ei­ner Kündi­gung be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter müsse da­her im Rah­men ge­eig­ne­ter Ver­wal­tungs- oder Ge­richts­ver­fah­ren über­prüfen las­sen können, ob der Grund für die­se Ent­schei­dung nicht sei­ne Ei­gen­schaft oder die Ausübung sei­ner Funk­ti­on als Ver­tre­ter ist, und es müss­ten an­ge­mes­sen Sank­tio­nen für den Fall an­wend­bar sein, dass sich her­aus­stel­len soll­te, dass zwi­schen die­ser Ei­gen­schaft oder die­ser Funk­ti­on und der ge­genüber dem Ver­tre­ter aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung ein Zu­sam­men­hang be­ste­he (vgl. im Ein­zel­nen nur EuGH, aaO.; vgl. eben­falls Ar­beits­ge­richt Ber­lin 01.09.2011 – 33 Ca 5877/11 – demnächst LA­GE § 14 Tz­B­fG Nr. 65).

Dem­ent­spre­chend folgt aus Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG höchs­tens der­sel­be Schutz wie aus § 78 S. 2 Be­trVG: Das Be­triebs­rats­mit­glied darf nicht we­gen sei­ner Be­triebs­ratstätig­keit be­nach­tei­ligt, im kon­kre­ten Fall sein be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis nicht we­gen sei­ner Be­triebs­ratstätig­keit be­en­det wer­den.

c) Die­se vom Kläger dar­zu­le­gen­de kon­kre­te Be­nach­tei­li­gung ist von ihm vor­lie­gend nicht dar­ge­legt wor­den:

aa) Ei­ne ge­ne­rel­le Be­nach­tei­li­gung von Be­triebs­rats­mit­glie­dern bei der Be­klag­ten im Rah­men der Ent­fris­tung ist ge­ra­de nicht fest­zu­stel­len. Die Be­klag­te hat die be­fris­te­ten Ar­beits­verträge von sechs Be­triebs­rats­mit­glie­dern ent­fris­tet und sie un­be­fris­tet wei­ter­beschäftigt.

 

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bb) Ei­ne kon­kre­te Be­nach­tei­li­gung des Klägers in­ner­halb des Krei­ses der Be­triebs­rats­mit­glie­der we­gen sei­ner evtl. be­son­ders en­ga­gier­ten Tätig­keit als Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der ist eben­falls nicht dar­ge­legt wor­den. Dass der Kläger maßgeb­lich die Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zur Bild­schirm­ar­beit gefördert ha­ben soll, er­gibt kei­ne kon­kre­te Be­nach­tei­li­gung auf­grund sei­ner Tätig­keit. Denn die Ei­ni­gungs­stel­le ist auch durch an­de­re Be­triebs­rats­mit­glie­der nach sei­nem Aus­schei­den mit ei­ner ers­ten Sit­zung fort­geführt wor­den.

cc) Die Be­haup­tung, dass die Be­klag­te al­le Ar­beit­neh­mer über­nom­men bzw. de­ren Verträge ent­fris­tet ha­be, die ei­ne po­si­ti­ve Stel­lung­nah­me sei­tens der ein­zel­nen Team­lei­ter er­hal­ten hätten, reicht eben­falls nicht aus für ei­ne kon­kre­te Be­nach­tei­li­gungs­dar­le­gung we­gen der Be­triebs­ratstätig­keit des Klägers. Zwar hat der Kläger vor sei­ner Wahl zum Be­triebs­rat ein po­si­ti­ves Zwi­schen­zeug­nis er­hal­ten, dies ha­ben aber auch an­de­re Mit­ar­bei­ter er­hal­ten, die – oh­ne im Be­triebs­rat Mit­glied zu sein – eben­falls nicht über­nom­men wor­den sind (vgl. da­zu das Zwi­schen­zeug­nis des Klägers vom 16.03.2010, Bl. 16 d.A., ei­ner­seits und die Zwi­schen­zeug­nis­se der Ar­beit­neh­mer F. in Ko­pie, Bl. 93 d.A., B. in Ko­pie, Bl. 94 d.A., so­wie die Ar­beits­zeug­nis­se Bl. 95 d.A. in Ko­pie für Frau H. und Bl. 96 d.A. für Frau J. an­de­rer­seits).

III. Der Kläger trägt da­her die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Be­ru­fung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO bei ei­nem Streit­wert von 7.334,40 Eu­ro (drei Mo­nats­gehälter für den An­trag zu 2. so­wie je­weils ein Mo­nats­ge­halt für den An­trag zu 1. und 3.).

IV. Für ei­ne Zu­las­sung der Re­vi­si­on für den Kläger im vor­lie­gen­den Ein­zel­fall be­stand kein An­lass, da selbst bei grundsätz­li­cher abs­trak­ter Be­ja­hung des An­spruchs auf ei­ne Ent­fris­tung nach § 78 S. 2 Be­trVG die kon­kre­ten Vor­aus­set­zun­gen die­ses An­spruchs durch den Kläger nicht erfüllt wor­den sind.


Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel der Par­tei­en da­her nicht ge­ge­ben.

 

Dr. F.

Sch.

N.

 

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