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LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2011, L 12 AL 2879/09
Schlagworte: | Arbeitslosengeld, Kündigung: Fristlos, Aufhebungsvertrag, Sperrzeit | |
Gericht: | Landessozialgericht Baden-Württemberg | |
Aktenzeichen: | L 12 AL 2879/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 21.10.2011 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Sozialgericht Konstanz, Urteil vom 26.02.2009, S 2 AL 1444/07 | |
Landessozialgericht Baden-Württemberg
L 12 AL 2879/09
S 2 AL 1444/07
Im Namen des Volkes
Urteil
Der 12. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2011 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.02.2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
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Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind der Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. März bis zum 23. Mai 2007 und ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit bis zum 27. März 2007 streitig.
Der 1971 geborene Kläger war vom 1. August 1998 bis zum 28. Februar 2007 als Krankenpfleger bei der V.-Krankenhaus AG in K. beschäftigt, die aus einer kirchlichen Einrichtung hervorgegangen ist. In dem zugrundeliegen Dienstvertrag vom 27. Juli 1998 wurde darauf hingewiesen, dass die V.-Krankenhaus AG K. dem Deutschen Caritasverband angeschlossen ist und Caritas eine Lebens- und Wesensäußerung der katholischen Kirche ist. Der Dienstvertrag nimmt Bezug auf die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR). In § 6 des Dienstvertrages ist Folgendes bestimmt: „Die Parteien stimmen darin überein, dass ein Verstoß gegen Grundsätze der katholischen Glaubens-und Sittenlehre Grund für eine Kündigung sein kann.“
Am 7. Februar 2007 schloss der Kläger einen Aufhebungsvertrag, nach dem das Dienstverhältnis mit Ablauf des 28. Februar 2007 endet. Darin erklärte der Kläger, dass er durch die V.-Krankenhaus AG „über die Folgen dieser Vereinbarung - insbesondere bestehend aus Wegfall der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht, Verfügung einer Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit für den Bezug von Arbeitslosengeld - am 06.02.2007 und am 07.02.2007 vor Unterzeichnung dieser Vereinbarung informiert worden ist.“
Am 9. Februar 2007 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 1. März 2007 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Der Kläger nahm zur Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses dahingehend Stellung, dass es zu unüberbrückbaren Differenzen zu seinem Arbeitgeber gekommen sei. Dieser habe ihm Vertragsbruch vorgeworfen, weil er sich privat außerhalb des Betriebes gegen den Papst (satirisch) geäußert habe. Sein Arbeitgeber habe ihm die fristlose Kündigung sowie eine „Strafrechtsklage“ wegen Verstoßen gegen den religiösen Frieden angedroht. Er habe sich das Weihnachtsgeld gesichert und seine Ausgangslage bei Bewerbungen verbessert.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 14. Februar 2007 den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. März bis zum 23. Mai 2007, das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für diese Zeit und eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 90 Tage fest. Sie bewilligte dem Kläger ab
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1. März 2007 Arbeitslosengeld und setzte den Leistungsbetrag während der Sperrzeit mit 0 € fest (Bescheid vom 14. Februar 2007). Am 28. März 2007 nahm der Kläger eine Beschäftigung auf. Daraufhin hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld zum 28. März 2007 auf (Bescheid vom 28. März 2007).
Der Widerspruch des Klägers (Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 5. März 2007) gegen den Sperrzeitbescheid blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. April 2007).
Hiergegen hat der Kläger am 23. Mai 2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er habe den Aufhebungsvertrag nur abgeschlossen, weil ihm anderenfalls eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht worden sei. Grund hierfür sei gewesen, dass dem Arbeitgeber durch Hinweise seitens der Malteser, bei denen der Kläger ehrenamtlich als Pressesprecher tätig war, bekannt geworden sei, dass der Kläger in seiner Freizeit unter einem Pseudonym Satiren, die sich mit dem Papst kritisch beschäftigten, schreibe und im Internet publiziere. Die beiden Satiren bewegten sich im Bereich der Meinungsäußerungsfreiheit und wären kein Grund gewesen, der eine fristlose oder nur fristgemäße Kündigung gerechtfertigt hätte. Der Kläger sei massiv unter Druck gesetzt worden, den Aufhebungsvertag zu unterschreiben. Ihm sei auch mit einer Strafanzeige gedroht worden. Der Kläger legte die von ihm unter Pseudonym „W.“ im Internet-Magazin „Z.“, auf das der Kläger auf seiner Homepage durch einen Link verwiesen hat, veröffentlichten Beiträge „R. Reliquien“ und „Papst B. ...Stationen seines Lebens“ vor (Bl. 23/30 der SG-Akten).
Das SG hat durch Urteil vom 26. Februar 2009 den Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 14. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2007 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14. Februar 2007 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. März bis zum 27. März 2007 Arbeitslosengeld zu gewähren. Eine Sperrzeit sei nicht eingetreten. Für die Dauer der Arbeitslosigkeit sei Arbeitslosengeld zu zahlen. Der Kläger sei arbeitslos gewesen, habe sich arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt. Sein Anspruch ruhe auch nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit. Der Kläger habe sich nicht versicherungswidrig i.S. des § 144 Abs. 1 S. 1 SGB III verhalten. Zwar habe der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit ab 1. März 2007 herbeigeführt, jedoch habe er für sein Verhalten einen wichtigen Grund gehabt. Dem Kläger sei die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen. Die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers sei als frühere kirchliche Einrichtung weiterhin einem
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christlichen Leitbild verpflichtet und fordere von ihren Mitarbeitern Loyalität gegenüber der katholischen Kirche. Die sich hieraus ergebenden Loyalitätsobliegenheiten habe der Kläger mit seinen „satirischen“ Ausfällen gegen Papst Benedikt XVI. nicht verletzt. Zwar seien die Artikel grundsätzlich für jedermann zugänglich, ihre Verbreitungsform ausschließlich im Internet schränke den Kreis potentieller Leser aber von vornherein ein. Entscheidend sei aus Sicht der Kammer, dass die Artikel aufgrund der Verwendung eines Pseudonyms nur schwer dem Kläger als Beschäftigten einer Einrichtung mit christlichem Leitbild zugeordnet werden könnten. Wenn es, wie im vorliegenden Fall, geradezu detektivischer Anstrengungen bedürfe, den Kläger als Autor der inkriminierten Texte zu identifizieren, handele es sich um eine dem privaten Lebensbereich zuzuordnende Äußerung, die die Loyalitätsobliegenheiten des Klägers nicht tangiert habe. Die ehemalige Arbeitgeberin hätte dies berücksichtigen müssen. Die Androhung einer fristlosen Kündigung sowie die Androhung, den Kläger der Strafverfolgung auszusetzen, stelle aus Sicht der Kammer einen massiven Verstoß gegen die Pflichten eines Arbeitgebers dar. Dem Kläger sei die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses objektiv nicht zumutbar gewesen.
Gegen das ihr am 2. Juni 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. Juni 2009 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Arbeitgeberin des Klägers sei dem christlichen Leitbild verpflichtet und fordere von ihren Mitarbeitern Loyalität gegenüber der katholischen Kirche. Die sich daraus ergebenden Obliegenheitsverpflichtungen habe der Kläger mit seinen „satirischen“ Ausfällen gegen Papst Benedikt XVI. verletzt. Es gehöre zu den Loyalitätspflichten, öffentliche Schmähkritik gegenüber dem amtierenden Oberhaupt der katholischen Kirche zu unterlassen. Die im Internet verbreiteten Artikel seien für jedermann zugänglich. Die Identifikation des Klägers sei nach dem Vortrag des Klägers seitens der Malteser und der katholischen Kirche möglich gewesen. Durch den Link auf seiner Homepage zu den von ihm im Internet veröffentlichen Artikeln habe er sich mit dem Inhalt der Satireseiten identifiziert. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass aus Sicht der Arbeitgeberin das Vertrauensverhältnis zerstört gewesen sei und diese auf eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedrängt habe. Auch das Inaussichtstellen einer Strafanzeige wegen Störung des religiösen Friedens erscheine nachvollziehbar. Nicht dem Kläger, sondern seiner Arbeitgeberin sei es unzumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Februar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verweist zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,-- € übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist begründet. Der Sperrzeitbescheid des Beklagten vom 14. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2007 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. März bis zum 23. Mai 2007, das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für diese Zeit und eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 90 Tage festgestellt. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld hat für die Zeit seiner Arbeitslosigkeit vom 1. bis zum 27. März 2007 wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe geruht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III).
Eine Sperrzeit von 12 Wochen wegen Arbeitsaufgabe tritt nach § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB III ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Der Kläger, der keine konkreten Aussichten auf
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einen Anschlussarbeitsplatz hatte, hat durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 7. Februar 2007 sein Beschäftigungsverhältnis mit der V.-Krankenhaus AG gelöst und dadurch seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Arbeitslosigkeit auch unabhängig vom Abschluss des Aufhebungsvertrages auf Grund einer ansonsten ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung eingetreten wäre. Denn für die Beurteilung der Frage, ob eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Eintritt der Arbeitslosigkeit geführt hat, kommt es allein auf den tatsächlichen Geschehensablauf an (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 24; BSGE 77, 48/51; BSGE 89, 243/245). Keine Beachtung findet demgegenüber ein hypothetischer Geschehensablauf, zu der die angedrohte fristlose Kündigung gehört (vgl. BSGE 97, 1).
Dem Kläger stand für sein Verhalten nach Auffassung des Senats kein wichtiger Grund zur Seite. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt oder zu vertreten haben; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dabei genügt es für die Bejahung eines wichtigen Grundes nicht, dass der Arbeitslose annimmt, er habe im Hinblick auf eine ansonsten drohende rechtmäßige Arbeitgeberkündigung einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Vielmehr muss der wichtige Grund objektiv vorgelegen haben (stRspr, vgl. nur BSGE 66, 94/101 f.; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 11). Nach der Rechtsprechung des BSG kann sich ein Arbeitnehmer im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag auf einen wichtigen Grund berufen, wenn ihm der Arbeitgeber mit einer objektiv rechtmäßigen Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund (insbesondere aus betriebsbedingten Gründen) droht und ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten ist (vgl. BSGE 89, 243/246 ff; BSGE 92, 74/81; BSG, Urteil vom 17. November 2005 - B 11a/11 AL 69/04 R -; Urteil vom 2. September 2004 - B 7 AL 18/04 R -). In Einzelfällen kann auf Grund sonstiger Umstände, etwa des Verhaltens des Arbeitgebers, ein wichtiger Grund auch bei einer (drohenden oder feststehenden, aber noch nicht erfolgten) rechtswidrigen Kündigung vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2004 - B 7 AL 18/04 R -; Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 136/01 -). Vorliegend geht es um eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung, die die V.-Krankenhaus AG dem Kläger konkret in
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Aussicht gestellt hat, und nicht um eine vom Verhalten des Klägers unabhängige Kündigung. Hier kommt allein ein wichtiger Grund wegen des Verhaltens der Arbeitgeberin bei drohender rechtswidriger Kündigung in Betracht.
Die dem Kläger von der V.-Krankenhaus AG in Aussicht gestellte fristlose Kündigung wegen seines außerdienstlichen Verhaltens stellt sich jedoch als rechtmäßig dar. Ein Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). Dabei ist zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Frist zu rechtfertigen. Danach ist in einem weiteren Schritt zu überprüfen, ob die konkrete Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt ist (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 -). Ein außerdienstliches Verhalten kann nur dann ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein, wenn dadurch das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 21. Juni 2001 - 2 AZR 325/00 -; Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 -; Urteil vom 20. September 1984 - 2 AZR 233/83 -). Dies ist zum einen der Fall, wenn es sich bei dem außerdienstlichen Verhalten zugleich um ein vertragswidriges Verhalten handelt. Zum anderen kann aus einem außerdienstlichen Verhalten des Arbeitnehmers gegebenenfalls geschlossen werden, dass ihm die Eignung für die vertraglich geschuldete Tätigkeit fehlt (vgl. Belling in Erman, BGB, 13. Aufl. 2011, § 626 Rdnr. 59). Eine Kündigung wegen außerdienstlicher Verhaltensweisen kommt nur im Ausnahmefall in Betracht, weil die Privatsphäre vom betrieblichen Bereich zu trennen ist. Die Kündigung kann nur gerechtfertigt sein, wenn das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird (BAG, Urteil vom 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 -). Im Bereich der Kirchen und der Tendenzbetriebe gehen die Möglichkeiten zu einer außerordentlichen Kündigung wegen außerdienstlicher Verhaltensweisen weiter als bei anderen Arbeitsverhältnissen (vgl. Dütz, NZA 2006, 65 ff.). Den Tendenzträgern bzw. den kirchlichen Mitarbeitern obliegt die Pflicht, sich nicht tendenzwidrig bzw. im Gegensatz zu den tragenden Grundsätzen der kirchlichen Glaubens-und Sittenlehre zu verhalten. Die kündigungsrechtlichen Auswirkungen werden von der Tendenznähe des sich tendenzwidrig verhaltenden Arbeitnehmers mitbestimmt. Vorliegend hat der Kläger durch die Veröffentlichung der zwei Artikel in der Internet-Zeitschrift „Z.“, in denen er Papst Benedikt XVI. in extremer Weise herabwürdigt (bspw. Versteigerung eines Bildes von
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Maria mit Jesus-Kind, das Joseph Ratzinger als tägliche Onaniervorlage gedient habe, Versteigerung einer Audio-Tape-Sammlung mit diversen Tonbandaufnahmen aus dem Beichtstuhl sowie einiger von Joseph Ratzinger angeblich verfasster Erpresserbriefe), gegen die arbeitsvertraglich verankerte Loyalitätsobliegenheit verstoßen. Seine Loyalitätsobliegenheiten gegenüber seiner Arbeitgeberin sind in der Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst vom 22. September 1993 (sog. Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse) konkretisiert. Nach Art. 4 Abs. 4 haben alle Mitarbeiter, egal ob katholisch, nichtkatholisch oder nichtchristlich, kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen und dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden. Durch seine von ihm selbst als Satire angesehene Kritik an Papst Benedikt XVI. hat der Kläger das Oberhaupt der katholischen Kirche und damit auch die katholische Kirche selbst angegriffen und seine Loyalitätsobliegenheit offenkundig verletzt. Dass er die beiden Artikel nicht unter seinem Namen, sondern unter Pseudonym verfasst und auf der Homepage der Satire-Zeitschrift „Z.“ veröffentlich hat, steht einer Verletzung seiner Loyalitätsobliegenheit bereits deshalb nicht entgegen, weil der Kläger tatsächlich als Autor identifiziert wurde. Er hat diese Artikel gerade nicht - bspw. in sein Tagebuch - ausschließlich für sich geschrieben, sondern hat diese bewusst einer breiten Öffentlichkeit im Internet zugänglich gemacht und sich dem Risiko der Entschlüsselung seiner Autorenschaft ausgesetzt. Weiterhin ist zu beachten, dass der Kläger auf seiner eigenen Homepage durch einen Link auf die Homepage der Internet-Zeitschrift „Z.“ verwiesen und damit für die Inhalte der von seiner Seite aus aufrufbaren Seite verantwortlich ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. April 2006 - 1 Ss 449/05 -).
Nach Auffassung des Senats war eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich. Die verhaltensbedingte fristlose Kündigung setzt bei einem steuerbaren Verhalten in der Regel eine Abmahnung voraus (ultima-ratio-Prinzip), wobei keine Unterscheidung im Hinblick auf das Erfordernis einer Abmahnung als Kündigungsvoraussetzung zwischen Störungen im Leistungsbereich und Störungen im Vertrauensbereich gemacht wird (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 27. November 2003 - 2 AZR 692/02 -; Urteil vom 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 -). Die Abmahnung hat sowohl Rüge-, Warn- und Hinweisfunktion. Nach Erteilung einer Abmahnung muss dem Arbeitnehmer grundsätzlich noch ausreichend Zeit gegeben werden, das beanstandete Verhalten aufzugeben. Die erforderliche Abmahnung ist mit konstitutiv für den Kündigungsgrund; bei ihrem Fehlen ist die Kündigung unwirksam. Mit dem Erfordernis einer einschlägigen Abmahnung vor Kündigungsausspruch soll vor allem dem Einwand des
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Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, der Arbeitgeber werde sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 -). Auch wenn das Abmahnerfordernis stets zu prüfen ist, kann die Abmahnung in bestimmten Fällen - auch bei einmaligem Fehlverhalten - entbehrlich sein. Sie kann insbesondere dann entbehrlich sein, wenn eine grobe Pflichtverletzung Grund der Kündigung war, dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit erkennbar und die Hinnahme der groben Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist, also nicht erwartet werden kann, dass das Vertrauen zwischen den Parteien wiederhergestellt wird, oder wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte, so etwa, wenn auch im Falle einer Abmahnung keine Aussicht auf eine Rückkehr des Vertragspartners zum vertragskonformen Verhalten mehr besteht (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -; Urteil vom 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 -; Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 -). Bei Anwendung dieser Maßstäbe wäre vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung keine Abmahnung erforderlich gewesen. Denn der Kläger hat sich durch seine heftigen Angriffe grob arbeitsvertragswidrig verhalten und konnte unter keinen Umständen mit der Hinnahme seines Verhaltens durch die V.-Krankenhaus AG rechnen. Zwar berührte das monierte Verhalten des Klägers nicht seine Arbeitsleistung als Krankenpfleger, jedoch hat er durch Art und Inhalt seiner Anfeindungen gegen Papst Benedikt XVI., das Oberhaupt der katholischen Kirche, sich offensichtlich kirchenfeindlich verhalten und damit seine arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten, denen er sich mit Abschluss des Dienstvertrages mit der V.-Krankenhaus AG selbst unterworfen hat, gravierend verletzt. Das Verhalten des Klägers hatte zur Folge, dass das Vertrauensverhältnis zu seiner Arbeitgeberin dauerhaft zerstört war. Er selbst hat gegenüber der Beklagten in seiner Stellungnahme zur Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses eingeräumt, dass es wegen seiner Kritik am Papst zu unüberbrückbaren Differenzen gekommen ist. Auch konnte offensichtlich im Rahmen der am 6. und 7. Februar 2007 vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages geführten Personalgespräche das Vertrauensverhältnis nicht mehr hergestellt werden. Auf Grund dieser Umstände bestand für die Arbeitgeberin Anlass, dem Kläger - auch unter Berücksichtigung des in Art. 5 Abs. 1 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse enthaltenen abgestuftes Systems bei Verstößen gegen Loyalitätsobliegenheiten - eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung in Aussicht zu stellen. Die dem Kläger konkret in Aussicht gestellte verhaltensbedingte fristlose Kündigung erscheint dem Senat unter Berücksichtigung der
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besonderen Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen der Arbeitsvertragsparteien gerechtfertigt.
Dem Kläger war es somit zumutbar, die drohende fristlose verhaltensbedingte rechtmäßige Arbeitgeberkündigung abzuwarten. Der Kläger hat durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten den Anlass für den Abschluss des Aufhebungsvertrages gegeben. Die Drohung mit einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung, die sich in der Rechtmäßigkeitsprüfung durch den Senat als objektiv rechtmäßig darstellt, und mit einer Strafanzeige wegen Beschimpfung von Bekenntnissen und Religionsgemeinschaften (§ 166 StGB) stellte die Reaktion des Arbeitgeberin dar. Auch wenn der Kläger mit der Veröffentlichung der Artikel über Papst Benedikt XVI. die (objektiven und subjektiven) tatbestandlichen Voraussetzungen des § 166 StGB nicht erfüllt haben dürfte (vgl. Dippel in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. 2009, § 166 Rdnr. 33 ff. und 108 m.w.N.), so war ihm ein Abwarten zumutbar, ob die V.-Krankenhaus AG tatsächlich ihre Drohung mit einer Strafanzeige umsetzt. Der Senat lässt offen, ob der Kläger durch seine Äußerungen andere Straftatbestände erfüllt hat, weil es hierauf für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht ankommt.
Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt nach § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III zwölf Wochen. Sie verkürzt sich nach Satz 2 Nr. 2b der Vorschrift auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. Das Vorliegen einer besonderen Härte ist von Amts wegen zu prüfen, der Beklagten steht dabei weder Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum zu, es handelt sich vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. BSG, SozR 4100 § 119 Nrn. 32 und 33; SozR 3-4100 § 119 Nr. 11). Nach dem Gesetzeswortlaut beurteilt sich das Vorliegen einer besonderen Härte allein nach den Umständen, die für den Eintritt der Sperrzeit maßgeblich sind, außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegende Umstände können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (vgl. BSGE 77, 61, 63 = SozR 3-4100 § 119a Nr. 3). In Betracht kommen insoweit Umstände des Beschäftigungsverhältnisses, aber auch persönliche und sonstige Umstände, die zwar von ihrem Gewicht her den Eintritt einer Sperrzeit nicht verhindern, aber aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls den Eintritt der Regelsperrzeit als besonders hart erscheinen lassen (vgl. BSGE 54, 7, 14 = SozR 4100 § 119 Nrn. 19 und 32; Curkovic in NK-SGB III, 3. Aufl., § 144 Rdnr. 192). Die unmittelbaren Folgen der Sperrzeit, die nach dem SGB III bei allen Betroffenen eintreten wie Ruhen und Kürzung des Leistungsanspruchs sollen nach dem Willen des Gesetzgebers gerade keine Rolle spielen.
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Mittelbare Folgewirkungen sind nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots zu berücksichtigen (vgl. BSGE 77, 61, 63 = SozR 3-4100 § 119a Nr. 3).
Für den Senat sind keine Umstände ersichtlich, die von ihrem Gewicht her zwar den Eintritt einer Sperrzeit nicht verhindern, aber aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls den Eintritt der Regelsperrzeit als besonders hart erscheinen lassen. Der Kläger hat durch sein Verhalten Anlass für die Androhung einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung gegeben. Er wurde mithin nicht ohne Grund durch seine Arbeitgeberin aus dem Arbeitsverhältnis gedrängt (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 2000 - B 11 AL 115/99 R -). Auch ansonsten liegen keine Gründe vor, die das Verhalten des Klägers, ohne dass es als wichtiger Grund anerkannt werden kann, gleichwohl als verständlich und vertretbar erscheinen ließen.
Die Beklagte hat den Beginn der Sperrzeit zutreffend auf den 1. März 2007 und das Ende der Sperrzeit auf den 23. Mai 2007 festgesetzt (§ 144 Abs. 2 Satz 1 SGBIII) und die Anspruchsdauer um 90 Tage gemindert (§ 128 Abs.1 Nr. 4 SGBIII).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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