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Was sind die Folgen eines diskriminierenden Tarifvertrags?
24.02.2009. Im November letzten Jahres informierten wir über ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin, das damals nur über eine gerichtliche Pressemeldung bekannt war (Arbeitsrecht aktuell: 08/121 Ist ein nach dem Lebensalter gestaffelter Tariflohn diskriminierend?).
In dieser Entscheidugn hatte sich das LAG mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Lebensaltersstufen nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) eine verbotene Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer enthalten, da diese bei gleichen Arbeitsaufgaben und gleichem Dienstalter weniger Gehalt als ihre älteren Kollegen bekommen.
Außerdem ging es um die Frage, ob eine solche, vom LAG zurecht angenommen Diskriminierung durch eine "Angleichung nach oben" beseitigt werden kann, d.h. indem die Jüngeren besser gestellt werden können.
Zwischenzeitlich hat das LAG seine Entscheidungsgründe publiziert (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.09.2008, 20 Sa 2244/07).
- Der Streitfall: 39jähriger Geschäftsführer eines landeseigenen Pflegeheims möchte Bezahlung nach der höchsten Lebensaltersstufe
- LAG Berlin-Brandenburg: Kein Vertrauensschutz zugunsten des öffentlichen Arbeitgebers, der Altersstufen nach dem BAT anwendet, sondern "Anpassung nach oben"
- Fazit: Es stehen erhebliche Gehaltsnachzahlungen für jüngere BAT-Tarifangestellte bevor
Der Streitfall: 39jähriger Geschäftsführer eines landeseigenen Pflegeheims möchte Bezahlung nach der höchsten Lebensaltersstufe
Lohntarifverträge enthalten Tarifgruppen, nach denen sich die Höhe der Vergütung richtet. Meist wird die Art der Tätigkeit, die Berufserfahrung und/oder das Alter der Beschäftigten zugrunde gelegt.
Dabei sind die Tarifparteien zwar grundsätzlich in der Gestaltung der Kriterien frei, sie dürfen aber nicht gegen Gesetze verstoßen. Hier spielt immer öfter das am 18.08.2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Rolle, das Diskriminierungen - etwa aufgrund der Herkunft, des Geschlechts oder des Alters - verbietet.
Dabei ist der Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Alters in Deutschland neu. Dies hat gerade bei der altersbedingten Ungleichbehandlung zu Problemen geführt. Denn eine Ungleichbehandlung ist unzulässig, wenn es hierfür keinen legitimen Grund gibt.
Mit der Frage, ob es für eine tarifliche Regelung, die eine Gehaltsstaffelung nach dem Alter der Beschäftigten vorsieht, einen legitimen Grund gibt und was die Folge einer diskriminierenden Regelung in einem Tarifvertrag ist, musste sich das LAG Berlin-Brandenburg auseindersetzen.
In Streitfall ging es um einen 39jährigen Geschäftsführer eines landeseigenen Pflegeheimes. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der BAT Anwendung. Er sieht eine Staffelung der Grundvergütung vor, die sich nach dem Alter der Beschäftigten richtet. Danach erhielt der Kläger eine Vergütung nach der Lebensaltersstufe 39. Er begehrte eine Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe 47, d.h. etwa 450,00 EUR brutto mehr pro Monat.
Sowohl die Vorinstanz, das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin (Urteil vom 22.08.2007, 86 Ca 1696/07) als auch das LAG sahen in der Staffelung der Vergütung im BAT eine verbotene Diskriminierung wegen des Alters.
Allerdings entschied das Arbeitsgericht, dass dem Kläger im Ergebnis dennoch keine Vergütung nach Lebensalterstufe 47 zustünde. Es gewährte den Tarifvertragsparteien und damit im Ergebnis dem Land Berlin als Arbeitgeber nämlich Vertrauensschutz. Während einer Übergangsfrist von sechs Monaten so das Arbeitsgericht, müssten die Tarifparteien Zeit haben, den BAT diskriminierungsfrei zu gestalten.
Das sah das LAG anders und sprach dem Kläger die volle Vergütung nach der Lebensalterstufe 47 zu.
LAG Berlin-Brandenburg: Kein Vertrauensschutz zugunsten des öffentlichen Arbeitgebers, der Altersstufen nach dem BAT anwendet, sondern "Anpassung nach oben"
Ausgangspunkt für das LAG ist die Überlegung, dass die strittigen Lebensaltersstufen eine unzulässige Diskriminierung gemäß §§ 1 und 3 Abs. 1 AGG darstellen. Denn die Unterscheidung bei der Grundvergütung wird allein am Lebensalter festgemacht, so dass ältere Arbeitnehmer allein wegen ihres Alters bei gleicher Tätigkeit eine höhere Vergütung erhalten.
Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung folgt, so das LAG, nicht etwa daraus, dass die Grundvergütungsregelung entgegen ihrem Wortlaut eine typisierte Berufserfahrung bzw. ein fortschreitenden Dienstalter mit den erhöhten Vergütungsstufen honoriert. Das Lebensaltersstufensystem ist nämlich nach Ansicht des Gerichts kein geeignetes System ein solches Ziel zu verfolgen.
Dies folgt schon allein daraus, so das LAG, dass die Tarifvertragsparteien ein genauso einfaches und handhabbares System mit einer Anbindung der Vergütung an das Dienstalter hätten vereinbaren können, das eben nicht auf typisierende und damit nur im Regelfall zutreffende Fallgestaltungen zurückgreifen müsse.
Daraus ergibt sich im Grundsatz ein Anspruch des benachteiligten jüngeren Arbeitnehmers auf Gleichstellung nach dem Prinzip der „Anpassung nach oben“.
Anders als das Arbeitsgericht meint das LAG weiterhin, dass der Anspruch des Klägers nicht aufgrund von Vertrauensschutz letztlich wieder entfällt. Das AGG ergreift alle individuellen und kollektiven Vereinbarungen, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens gegolten hätten und damit auch zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossene Tarifverträge, so das LAG.
Bei Diskriminierungen gilt das AGG ab Inkrafttreten und damit auch für einen schon bestehenden Tarifvertrag wie hier den BAT. Der Gesetzgeber habe dabei für Teilbereiche, etwa das Versicherungsrecht, ausdrücklich Übergangsregelungen geschaffen, für das arbeitsrechtsrechtliche Benachteiligungsverbot jedoch gerade nicht.
Das LAG nahm hier eine sog. „unechte Rückwirkung“ eines Gesetzes bzw. des AGG an. Diese Wirkung ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Gesetzesvorschrift auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (und damit zugleich die vom Gesetz betroffenen Rechtspositionen entwerten kann). So lag es nach Ansicht des LAG auch im vorliegenden Fall.
Um den in Fällen der unechten Rückwirkung zu beachtenden Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht zu verletzen, nahm das Gericht eine Interessensabwägung vor, wobei es zunächst ausführlich begründet, warum die (durch das AGG bedingte) Entwicklung der Rechtslage vorhersehbar gewesen sei.
Das AGG beruht nämlich im wesentlichen auf einer Gesetzgebungspflicht, die aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf folgt. Daher musste das Land Berlin schon seit Ende 2000, d.h. ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie, mit deren Umsetzung und damit mit dem künftigen Verbot der Altersdiskriminierung rechnen.
Im übrigen meint das LAG bei der eigentlichen Abwägung, dass das AGG bedeutende, teilweise auch grundrechtlich abgesicherte Regeln enthält, die notwendig und erforderlich sind. Die Vorschriften und Verbote des AGG sind daher, so das Gericht, durch besondere legitimierende Gründe gerechtfertigt.
Fazit: Es stehen erhebliche Gehaltsnachzahlungen für jüngere BAT-Tarifangestellte bevor
Durch die Entscheidung, falls sie durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigt werden sollte, kommen erhebliche Gehaltsnachzahlungen auf öffentliche Arbeitgeber zu. Diese müssten allen Arbeitnehmern, für deren Arbeitsverhältnisse noch der BAT gilt, die jeweils höchste Vergütungsstufe zahlen.
Die Argumentation des LAG, die Rechtslage sei für das Land ab 2000 vorhersehbar gewesen, ist allerdings nicht ganz schlüssig. Denn das Gericht argumentiert, das Land habe von der Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EWG wissen müssen. Der Schutz vor Diskriminierungen aufgrund des Alters war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland jedoch neu, so dass zu diesem Zeitpunkt wohl nicht absehbar war, in welcher Weise dieser neue Rechtsgrundsatz der Richtlinie bzw. des AGG interpretiert werden würde.
Unklar war und ist insbesondere, welche überkommenen Regelungen des Arbeitsrechts denn nun tatsächlich im Einzelfall als unzulässige Ungleichbehandlung anzusehen sein würden und welche dagegen aufgrund legitimierender Zwecke Bestand haben.
Letztlich dürfte das LAG aber im Ergebnis recht haben. Denn die vom Arbeitsgericht Berlin getroffene, zugunsten des Dienstherrn gehende Entscheidung hat zur Folge, dass Arbeitnehmer eine mehr oder weniger offentliche Diskriminierung ohne Ausgleich noch zu einem Zeitpunkt hinnehmen müssten, an die das hiergegen schützende Gesetz schon längst in Kraft war.
Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.09.2008, 20 Sa 2244/07
- Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.08.2007, 86 Ca 1696/07
- Arbeitsgericht Marburg, Urteil vom 26.09.2008, 2 Ca 183/08
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 14/285 Altersdiskriminierung von Beamten bei der Besoldung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/355 Besoldungsdienstalter und Altersdiskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/011 BAT Altersstufen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/179 Diskriminierung wegen des Alters durch BAT-Lebensaltersstufen
- Arbeitsrecht aktuell: 10/126 Diskriminieren Lebensaltersstufen jüngere Arbeitnehmer?
- Arbeitsrecht aktuell: 08/121 Ist ein nach dem Lebensalter gestaffelter Tariflohn diskriminierend?
- Arbeitsrecht aktuell: 08/125 Nochmals zur Frage des diskriminierenden Charakters von Lebensaltersstufen
Letzte Überarbeitung: 22. September 2016
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