HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Mar­burg, Ur­teil vom 26.09.2008, 2 Ca 183/08

   
Schlagworte: Vergütung, Altersdiskriminierung
   
Gericht: Arbeitsgericht Marburg
Aktenzeichen: 2 Ca 183/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.09.2008
   
Leitsätze:

1. Die unterschiedliche Vergütungshöhe nach Lebensaltersstufen im BAT stellt eine Diskriminierung wegen Alters i.S.d. § 1 AGG dar.

2. Die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern durch die Lebensaltersstufen des BAT ist jedoch nach § 10 Satz 3 Ziff. 2 AGG gerechtfertigt. Es ist angemessen und legitim, dass die Tarifvertragsparteien die höhere Berufs- und Lebenserfahrung älterer Mitarbeiter zusätzlich finanziell abgelten wollten.

3. Außerdem fußen die Lebensaltersstufen des BAT auf sozialen Gründen. Ältere Mitarbeiter mit erhöhten familiären Verpflichtungen und Kosten sollen im Rahmen der Allimentationspflichten des öffentlichen Arbeitgebers mit einem erhöhten Vergütungsbetrag bedacht werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien ebenfalls ein legitimes und angemessenes Ziel i.S.d. § 10 AGG verfolgt.

Vorinstanzen:
   

 

Ar­beits­ge­richt Mar­burg
Urt. v. 26.09.2008, Az.: 2 Ca 183/08

 

Te­nor:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das be­klag­te Land nicht be­rech­tigt ist, vom Kläger et­wai­ge zu viel be­zahl­te So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge für die Zeit vom 01.08.2007 bis zum 31.01.2008 zurück zu for­dern.

2. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

3. Der Kläger hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

4. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird auf 4.148,46 € fest­ge­setzt.

 

Tat­be­stand:

Der Kläger be­gehrt mit sei­ner Kla­ge zum ei­nen die Fest­stel­lung, dass das be­klag­te Land nicht be­rech­tigt ist, ei­nen Ein­be­halt vom Lohn des Klägers zu ma­chen. Zum an­de­ren will er fest­ge­stellt wis­sen, dass sich die Grund­vergütung nach der Le­bens­al­ters­stu­fe des voll­ende­ten 45. Le­bens­jah­res be­misst. In­so­weit be­ruft er sich auf das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des AGG.

Der Kläger war beim be­klag­ten Land zunächst mit Ar­beits­ver­trag vom 27.07.2005 be­fris­tet beschäftigt. In die­sem Ar­beits­ver­trag war ver­ein­bart, dass der Kläger ab 01.08.2005 be­fris­tet bis zum 31.07.2007 in Teil­zeit­beschäfti­gung mit der Hälf­te der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit ei­nes

- 2 -

voll­beschäftig­ten An­ge­stell­ten beschäftigt wird. Nach § 4 des Ar­beits­ver­tra­ges war ver­ein­bart, dass der Kläger als An­ge­stell­ter in die Vergütungs­grup­pe II a der An­la­ge 1 a zum BAT ein­grup­piert wird.

Mit dem wei­te­ren Ar­beits­ver­trag vom 27.06.2007 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne wei­te­re Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses für die Zeit vom 01.08.2007 bis zum 31.12.2008. Nach die­sem zwei­ten Ar­beits­ver­trag blie­ben die Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen im Übri­gen un­verändert. Der Kläger wur­de wei­ter als teil­zeit­beschäftig­ter Mit­ar­bei­ter mit 50 vom Hun­dert der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit ei­nes voll­beschäftig­ten An­ge­stell­ten in der Vergütungs­grup­pe II a der An­la­ge 1 a zum BAT beschäftigt.

Durch ein Ver­se­hen der Bezüge­stel­le er­folg­te die Ab­rech­nung der Bezüge des Klägers ab Au­gust 2007 in der Le­bens­al­ters­stu­fe 45 Jah­re statt in der rich­ti­gen Le­bens­al­ters­stu­fe 31 Jah­re. Da­durch er­hielt der Kläger ei­nen zusätz­li­chen Zah­lungs­be­trag bzw. ei­ne Über­zah­lung von 173,18 € net­to mo­nat­lich. Statt der Zah­lung von 1.081,31 € net­to, wie im Ju­li 2007, er­hielt der Kläger ab Au­gust 2007 ei­ne Zah­lung von 1.254,49 € net­to.

Nach­dem beim be­klag­ten Land die­se fal­sche Be­rech­nung auf­fiel, for­der­te die Be­klag­ten­sei­te den Kläger mit Schrei­ben vom 25.02.2008 auf, die vom Au­gust 2007 bis ein­sch­ließlich Ja­nu­ar 2008 er­folg­te Über­zah­lung von 2.148,46 € net­to an die Be­klag­ten­sei­te zurück­zu­zah­len.

Seit April 2008 behält das be­klag­te Land je­weils 200,00 € net­to von der Vergütung des Klägers ein.

Der Kläger ist der An­sicht, dass dem be­klag­ten Land ein sol­cher Rück­for­de­rungs­an­spruch nicht zu­ste­he. Aus die­sem Grun­de sei­en die Ein­be­hal­te auch rechts­wid­rig. Außer­dem ver­s­toße die Ein­stu­fung in die nied­ri­ge­re Le­bens­al­ters­stu­fe ge­gen die Grundsätze des AGG und stel­le ei­ne rechts­wid­ri­ge Dis­kri­mi­nie­rung dar.

Der Kläger be­haup­tet, dass er sich nicht be­wusst ge­we­sen sei, dass er recht­lich zu­viel Vergütung er­hal­te. Viel­mehr ha­be er ge­dacht, dass ihm die höhe­re Vergütung we­gen des neu­en Ver­tra­ges zustünde.

Da der Kläger auf­grund der erhöhten Zah­lun­gen auch für die Zu­kunft mehr Geld er­war­te­te, als übli­cher­wei­se in der Ver­gan­gen­heit ge­zahlt wur­de und er von Au­gust 2007 bis Ja­nu­ar 2008 ca. 1.500,00 € mehr ein­ge­nom­men ha­be, ha­be er sich im Fe­bru­ar 2008 da­zu ent­schlos­sen, an sei­nem Pkw ein Au­to-Tu­ning durch­zuführen. Die­ses Au­to-Tu­ning kos­te­te nach der Rech­nung vom 19.02.2008 ei­nen Be­trag von 2.189,60 €. Der Kläger be­ruft sich des­halb auf Ent­rei­che­rung nach § 818 Abs. 3 BGB . Die Tu­ning-Maßnah­me stel­le ei­ne Lu­xus­aus­ga­be dar, die er sich oh­ne die Zu­viel­zah­lung nicht hätte leis­ten können.

An­de­rer­seits ha­be das Tu­ning den Wert des Fahr­zeu­ges nicht erhöht. Der Wie­der­ver­kaufs­wert des Pkws sei durch ei­ne zu er­war­ten­de höhe­re Be­an­spru­chung ge­rin­ger als vor­her.

Der Kläger be­haup­tet, dass er kei­ne po­si­ti­ve Kennt­nis vom Man­gel des recht­li­chen Grun­des ge­habt ha­be.

Hilfs­wei­se sei das be­klag­te Land nur be­rech­tigt, den tatsächli­chen Net­to­be­trag zurück­zu­for­dern, den der Kläger auch er­hal­ten ha­be. Bei der Kla­ge­for­de­rung han­de­le es sich um ei­nen Brut­to­be­trag mit Lohn­steu­er und So­li­da­ritäts­zu­schlag, den der Kläger nicht er­hal­ten ha­be.

Der Kläger ist im Übri­gen der An­sicht, dass die Le­bens­al­ters­stu­fen des BAT ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len. Aus die­sem Grun­de sei die dif­fe­ren­zier­te Be­zah­lung nach Le­bens­al­ters­stu­fen rechts­wid­rig und ver­s­toße ge­gen die Grundsätze des AGG.

Dar­aus fol­ge, dass zum ei­nen das be­klag­te Land nicht be­rech­tigt sei, von der Vergütung des Klägers Ein­be­hal­te zu ma­chen. Viel­mehr sei das be­klag­te Land we­gen der rechts­wid­ri­gen Le­bens­al­ters­stu­fen des BAG ver­pflich­tet, dem Kläger die höchs­te Le­bens­al­ters­stu­fe nach dem

- 3 -

voll­ende­ten 45. Le­bens­jahr zu zah­len.

Der Kläger be­an­tragt,

1. es wird fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te nicht be­rech­tigt ist, vom Lohn des Klägers 2.148,46 € ein­zu­be­hal­ten,

2. es wird fest­ge­stellt, dass sich die von der Be­klag­ten ge­schul­de­te Grund­vergütung des Klägers gemäß Vergütungs­grup­pe II a der An­la­ge 1a zu §§ 22 Abs. 1, 27 Ab­schn. A Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag für die Mo­na­te März bis De­zem­ber 2008 nach der „Le­bens­al­ters­stu­fe nach voll­ende­tem 45. Le­bens­jahr“ be­misst.

Das be­klag­te Land be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das be­klag­te Land ist der An­sicht, dass der Ein­be­halt zu Recht fol­ge. Der Kläger sei ver­pflich­tet, die ver­se­hent­lich ge­leis­te­te Über­zah­lung an das be­klag­te Land zurück­zu­zah­len.

Das Land ver­weist dar­auf, dass der Kläger in den ihm er­teil­ten Ab­rech­nun­gen die Ein­ord­nung in die fal­sche Le­bens­al­ters­stu­fe hätte se­hen können und müssen. Un­ter „persönli­che Da­ten“ sei die Le­bens­al­ters­stu­fe aus­ge­wie­sen. Der Kläger sei des­halb in ent­spre­chen­der Höhe oh­ne Rechts­grund be­rei­chert.

Das be­klag­te Land ist wei­ter der An­sicht, dass der Kläger den Weg­fall der Be­rei­che­rung nicht nach­ge­wie­sen ha­be. Ei­ne Wert­min­de­rung des Pkw durch das Tu­ning wer­de be­strit­ten.

Im Übri­gen ha­be der Kläger die Über­zah­lung ge­kannt und sei des­halb bösgläubig im Sin­ne der Ent­rei­che­rungs­vor­schrif­ten ge­we­sen.

Die vom be­klag­ten Land ge­for­der­te Rück­zah­lung ent­hal­te die Lohn­steu­er, da nur der Ar­beit­neh­mer die Rück­zah­lung der Lohn­steu­er im Rah­men des Lohn­steu­er­jah­res­aus­glei­ches ver­lan­gen könne bzw. da dem Kläger nach der Neu­be­rech­nung ab März 2008 ent­spre­chend ge­rin­ge­re Steu­er von der späte­ren Vergütung ab­ge­zo­gen wor­den sei.

Das be­klag­te Land ist im Übri­gen der An­sicht, dass die un­ter­schied­li­che Vergütung des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen rech­tens sei.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den münd­lich vor­ge­tra­ge­nen In­halt der von den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten vom 01. Ju­li 2008 (Bl. 26 d.A.) und vom 26. Sep­tem­ber 2008 (Bl. 44 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Es wird auch Be­zug ge­nom­men auf die Kla­ge­er­wei­te­rung im Schrift­satz vom 26. Sep­tem­ber 2008.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Kla­ge ist zulässig, aber nicht be­gründet. Sie war des­halb ab­zu­wei­sen.

Die Kla­ge­er­wei­te­rung im Schrift­satz vom 26. Sep­tem­ber 2008 war we­gen des Wi­der­spruchs der Be­klag­ten­sei­te so­wie we­gen feh­len­der Sach­dien­lich­keit nach § 263 ZPO nicht zu­zu­las­sen.

A.

Die Fest­stel­lungs­kla­ge ist zulässig.

- 4 -

Zum ei­nen hat der Kläger gem. § 256 Abs. 1 ZPO ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der Fest­stel­lung darüber, ob das be­klag­te Land be­rech­tigt ist, vom Lohn des Klägers 2.148,46 € ein­zu­be­hal­ten.

Zum an­de­ren spricht aus­nahms­wei­se die man­geln­de Voll­streck­bar­keit die­ses Fest­stel­lungs­an­tra­ges nicht ge­gen die Zulässig­keit der Kla­ge bzw. der Fest­stel­lungs­anträge. Nach ständi­ger Recht­spre­chung ist da­von aus­zu­ge­hen, dass das be­klag­te Land ei­ne ent­spre­chen­de Fest­stel­lung des Ge­richts be­fol­gen wird. Aus die­sem Grun­de ist aus­nahms­wei­se trotz feh­len­der Voll­streck­bar­keit auch die Fest­stel­lungs­kla­ge ge­gen den Ar­beit­ge­ber des öffent­li­chen Diens­tes zulässig.

B.

Der Kla­ge­an­trag zu 1. ist im We­sent­li­chen nicht be­gründet. Der Kla­ge­an­trag zu 2. war we­gen des Wi­der­spruchs der Be­klag­ten­sei­te und we­gen der feh­len­den Sach­dien­lich­keit gem. § 263 ZPO nicht zu­zu­las­sen.

I.

Der Kläger er­hielt von Au­gust 2007 bis ein­sch­ließlich Ja­nu­ar 2008 mo­nat­lich ei­ne erhöhte Zah­lung von 173,18 € net­to, oh­ne dass für die­se erhöhte Zah­lung ein Rechts­grund ge­ge­ben war.

1. Die erhöhte Zah­lung er­folg­te, weil die Hes­si­sche Bezüge­stel­le auf­grund ei­nes Ver­se­hens für den Kläger die Le­bens­al­ters­stu­fe 45 Jah­re an­nahm, ob­wohl er le­dig­lich in die Le­bens­al­ters­stu­fe 31 ein­zu­ord­nen ge­we­sen wäre.

Nach­dem Ta­rif­ver­trag be­steht des­halb für die erhöhte Zah­lung kein Rechts­grund.

2. Ent­ge­gen der An­sicht des Klägers muss das Ge­richt da­von aus­ge­hen, dass die un­ter­schied­li­che Vergütungs­zah­lung nach Le­bens­al­ters­stu­fen im BAT nicht dis­kri­mi­nie­rend und da­mit nicht rechts­wid­rig ist.

Der Kläger hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung zu Recht dar­auf ver­wie­sen, dass nach den Vor­schrif­ten des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes un­ter an­de­rem ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung und Be­nach­tei­li­gung we­gen Al­ters un­zulässig ist.

§ 1 des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) weist dar­auf­hin, dass es Ziel die­ses Ge­set­zes ist, un­ter an­de­rem Be­nach­tei­li­gun­gen aus Gründen des Al­ters zu ver­hin­dern oder zu be­sei­ti­gen.

Aus die­sem Grun­de ist ei­ne Be­nach­tei­li­gung aus ei­nem in § 1 ge­nann­ten Grund gem. § 2 AGG un­zulässig, so­weit es die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich Ar­beits­ent­gelt be­trifft.

Die Le­bens­al­ters­stu­fen des BAT be­han­deln Mit­ar­bei­ter in Vergütungs­fra­gen al­lei­ne we­gen des Al­ters un­ter­schied­lich und zah­len älte­ren Ar­beit­neh­mern ei­ne höhe­re Vergütung, als jünge­ren Ar­beit­neh­mern bei glei­cher Ar­beits­leis­tung. In­so­weit liegt ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne der §§ 1 und 2 AGG vor.

Die­se un­ter­schied­li­che Be­hand­lung ist je­doch nach § 10 AGG ge­recht­fer­tigt, da sie durch ein an­ge­mes­se­nes und le­gi­ti­mes Ziel der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­recht­fer­tigt ist.

§ 10 Abs. 1 AGG sieht vor, dass ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters dann ge­recht­fer­tigt und zulässig ist, wenn die­se un­ter­schied­li­che Be­hand­lung ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen so­wie durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist.

- 5 -

Ei­ne der­ar­ti­ge un­ter­schied­li­che Be­hand­lung kann nach § 10 Satz 3 Ziff. 2 AGG ins­be­son­de­re die Fest­le­gung be­son­de­rer An­for­de­run­gen an das Al­ter und die Be­rufs­er­fah­rung für die Ent­loh­nung be­inhal­ten.

Die Le­bens­al­ters­stu­fen des BAT sind von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit un­ter­schied­li­chen Vergütun­gen des­halb ge­bil­det und ver­se­hen wor­den, weil die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zum ei­nen die un­ter­schied­li­che Be­ru­fungs- und Le­bens­er­fah­rung der Mit­ar­bei­ter be­wer­ten woll­ten. Zum an­de­ren ha­ben die­se un­ter­schied­li­chen Le­bens­al­ters­stu­fen so­zia­le Gründe. Älte­re Mit­ar­bei­ter mit erhöhten fa­mi­liären Kos­ten und An­for­de­run­gen sol­len im Rah­men der Alli­men­ta­ti­ons­pflich­ten des öffent­li­chen Ar­beit­ge­bers mit ei­nem erhöhten Vergütungs­be­trag be­dacht wer­den.

Die­se sach­li­chen Gründe der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sind nach An­sicht des Ge­richts ob­jek­tiv ge­ge­ben und an­ge­mes­sen. Die durch die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in­so­weit ver­folg­ten Zie­le sind le­gi­tim und ge­recht­fer­tigt. Aus die­sem Grun­de ist die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Mit­ar­bei­ter auf­grund ih­res Le­bens­al­ters nach An­sicht des Ge­richts sach­lich ge­recht­fer­tigt und nicht zu be­an­stan­den.

Im Er­geb­nis steht des­halb fest, dass das be­klag­te Land dem Kläger tatsächlich oh­ne Rechts­grund in der Zeit von Au­gust 2007 bis Ja­nu­ar 2008 je­weils ei­nen erhöhten Vergütungs­be­trag ge­zahlt hat.

- 6 -

II.

Das be­klag­te Land ist und war be­rech­tigt, die­sen erhöhten Vergütungs­be­trag vom Kläger zurück zu ver­lan­gen. In­so­weit be­steht schon ein Scha­den­er­satz­an­spruch des Lan­des ge­gen den Kläger gem. § 280 BGB .

Der Kläger konn­te auf­grund des deut­lich erhöhten Zah­lungs­be­tra­ges von 16 % er­ken­nen, dass er ei­ne zusätz­li­che Vergütung er­hielt, oh­ne dass sich die ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen geändert ha­ben.

Der Kläger selbst hat aus­geführt, dass er den Erhöhungs­be­trag fest­ge­stellt hat, aber dach­te, dass ihm das Geld we­gen des neu­en Ver­tra­ges zustünde. Da er mehr als übli­cher­wei­se er­war­te­te, ent­schloss er sich zum Tu­ning sei­nes Pkws.

An­de­rer­seits aber wuss­te der Kläger auf­grund der Ver­trags­ge­stal­tung, dass sich sein Ar­beits­ver­trag in­halt­lich ge­genüber dem Vor­ar­beits­ver­trag nicht veränder­te. Er muss­te des­halb zu­min­dest Zwei­fel an der Rich­tig­keit der erhöhten Vergütungs­zah­lung ha­ben. Nach ständi­ger Recht­spre­chung hat der Ar­beit­neh­mer des öffent­li­chen Diens­tes des­halb die ver­trag­li­che Pflicht, we­gen die­ser Vergütungs­dif­fe­renz zu­min­dest beim Ar­beit­ge­ber ei­ne Rück­mel­dung durch­zuführen und auf die Vergütungs­dif­fe­renz auf­merk­sam zu ma­chen bzw. sich über die Rechtmäßig­keit die­ser Zah­lung zu in­for­mie­ren. Der Erhöhungs­be­trag von ca. 16 % oh­ne ei­nen er­kenn­ba­ren An­lass hat in je­dem Fal­le die ver­trag­li­che Ver­pflich­tung beim Kläger aus­gelöst, den Ar­beit­ge­ber zu in­for­mie­ren.

Da der Kläger die­ser ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung nicht nach­kam, hat er ei­ne ver­trag­li­che Ne­ben­pflicht ver­letzt. Die­se Ver­trags­ver­let­zung löste ei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch des be­klag­ten Lan­des gem. § 280 BGB aus.

We­gen die­ses Scha­den­er­satz­an­spru­ches kommt es auf die Pro­ble­ma­tik der Ent­rei­che­rung nach § 818 Abs. 3 BGB vor­lie­gend nicht mehr an.

Es kann des­halb da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Tu­ning-Maßnah­me des Klägers den Wert sei­nes Pkws erhöht hat oder nicht.

Den Kläger trifft in je­dem Fal­le ei­ne Rück­zah­lungs­pflicht we­gen Ver­trags­pflicht­ver­let­zung. Der Vergütungs­ein­be­halt durch das be­klag­te Land ist des­halb dem Grun­de nach be­rech­tigt. Der Fest­stel­lungs­an­trag zu 1. war des­halb ab­zu­wei­sen.

III.

Das Ge­richt folgt je­doch dem Kläger dar­in, dass ihm le­dig­lich der Be­trag ab­ge­zo­gen wer­den darf, den er er­hal­ten hat bzw. für den er Rück­zah­lungs­ansprüche ge­gen das Fi­nanz­amt be­sitzt.

Im Er­geb­nis ist das be­klag­te Land des­halb be­rech­tigt, vom Kläger den ei­gent­li­chen Aus­zah­lungs-Net­to­be­trag so­wie die für ihn ab­geführ­te Lohn­steu­er und den So­li­da­ritäts­bei­trag zurück­zu­ver­lan­gen. In­so­weit hat der Kläger zum ei­nen die Vergütungs­beträge oh­ne Rechts­grund er­hal­ten. Zum an­de­ren hat er oh­ne Rechts­grund ei­nen ent­spre­chen­den Er­stat­tungs­an­spruch ge­gen das Fi­nanz­amt.

Das be­klag­te ist je­doch nicht be­rech­tigt, vom Kläger auch die Rück­zah­lung der So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge zu ver­lan­gen, so­weit in dem Ge­samt­be­trag von 2.148,46 € auch So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge ent­hal­ten sein soll­ten.

Es konn­te im Pro­zess nicht geklärt wer­den, ob in dem ge­for­der­ten Rück­zah­lungs­be­trag auch So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge ent­hal­ten sind. Soll­te dies der Fall sein, so müss­te der Rück­for­de­rungs­be­trag von Sei­ten des be­klag­ten Lan­des neu be­rech­net wer­den un­ter Ab­zug der So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge.

In­so­weit hat der Kläger kei­nen Er­stat­tungs­an­spruch ge­gen die So­zi­al­ver­si­che­rung zum ei­nen. Zum an­de­ren kann das be­klag­te Land als Ar­beit­ge­ber über­zahl­te So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge mit neu zu zah­len­den So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen zu ver­rech­nen.

IV.

Wie be­reits aus­geführt, war der neu ge­stell­te An­trag zu 2. gem. § 263 ZPO nicht zu­zu­las­sen.

Gem. § 263 ZPO ist nach dem Ein­tritt der Rechthängig­keit ei­ne Kla­geände­rung nur dann zulässig, wenn die Be­klag­ten­sei­te ein­wil­ligt oder das Ge­richt die­se Kla­geände­rung für sach­dien­lich er­ach­tet.

Die Be­klag­ten­sei­te hat auf Nach­fra­ge des Ge­richts der Kla­ge­er­wei­te­rung aus­drück­lich nicht zu­ge­stimmt.

Das Ge­richt hält im Übri­gen die Kla­ge­er­wei­te­rung zum En­de des Ver­fah­rens nicht für sach­dien­lich.

Soll­te der Kläger sein An­lie­gen weiter­fol­gen, so steht es ihm frei, ge­gen das be­klag­te Land ei­ne ent­spre­chen­de Zah­lungs­kla­ge zu er­he­ben, so­weit nicht die Aus­schluss­fris­ten des § 70 BAT ei­nen An­spruch oh­ne­hin ha­ben un­ter­ge­hen las­sen.

Im Er­geb­nis war so­mit die Kla­ge ab­zu­wei­sen mit Aus­nah­me der Fest­stel­lung, dass das be­klag­te Land nicht be­rech­tigt ist vom Kläger et­wai­ge zu­viel be­zahl­te So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge für den frag­li­chen Zeit­raum zurück­zu­for­dern.

C.

Der Kläger hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen, da er je­den­falls im We­sent­li­chen un­ter­le­gen ist, §§ 91 , 92 Abs. 2 ZPO .

Die gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Ur­teil vor­zu­neh­men­de Fest­set­zung des Ge­gen­stands­werts folgt aus § 3 ZPO . Da­bei hat sich das Ge­richt zum ei­nen am Wert des An­tra­ges zu 1. in Höhe von 2.148,46 € ori­en­tiert. Den An­trag zu 2. hat das Ge­richt mit 2.000,00 € be­wer­tet.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 2 Ca 183/08