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Altersdiskriminierung von Beamten bei der Besoldung
18.08.2014. Bundesbeamte wurden bis Mitte 2009 und Berliner Beamte bis Ende Juli 2011 auf der Grundlage ihres Besoldungsdienstalters (BDA) bezahlt, d.h. ältere Beamte bekamen mehr Geld.
Das war eine europarechtlich unzulässige Altersdiskriminierung jüngerer Beamter.
Mit der Umstellung der Vergütung auf Erfahrungszeiten ist diese Diskriminierung aber noch nicht endgültig beseitigt, denn bei der Überleitung der Bezahlung wurde den Bestandsbeamten ihre zuletzt bezogene BDA-Vergütung als Besitzstand weitergezahlt.
Das ist europarechtlich zulässig, so der Europäische Gerichtshof (EuGH), d.h. eine Angleichung nach oben können jüngere Beamte nicht verlangen: EuGH, Urteil vom 19.06.2014, C-501/12 (Specht u.a.).
- Ist die Überleitung der Beamtenbezüge von dem altersdiskriminierenden System des Besoldungsdienstalters zum System der Erfahrungszeiten diskriminierungsfrei?
- Die Vorlagefälle des Verwaltungsgerichts Berlin: Specht, Schombera und andere
- EuGH: Die Überleitung der Beamtenbezüge vom Besoldungsdienstalter (BDA) zur Erfahrungszeit zementiert die altersdiskriminierende Bezahlung bei Bestandsbeamten, ist aber sachlich gerechtfertigt
Ist die Überleitung der Beamtenbezüge von dem altersdiskriminierenden System des Besoldungsdienstalters zum System der Erfahrungszeiten diskriminierungsfrei?
Für Bundesbeamte galt bis Ende Juni 2009 und bis Ende Juli 2011 für Berliner Landesbeamte folgende Regel:
Der Beginn des Besoldungsdienstalters (BDA) war der Beginn des Monats, in dem man 21 Jahre alt wurde, auch wenn man erst Jahre später verbeamtet wurde. Wer daher mit 30 Jahren zum Beamten ernannt wurde und ab diesem Zeitpunkt erste Erfahrungen in seinem Beamtenberuf sammeln konnte, erhielt sofort eine deutlich höhere Besoldungsdienstaltersstufe und damit mehr Geld als ein 21jähriger Kollege derselben Besoldungsgruppe.
Nachdem der EuGH vor drei Jahren entschieden hat, dass die ganz ähnliche Privilegierung älterer Angestellter im öffentlichen Dienst infolge der Dienstaltersstufen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) altersdiskriminierend ist (EuGH, Urteil vom 08.09.2011, C-297/10, Mai und Hennigs, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/179 Diskriminierung wegen des Alters durch BAT-Lebensaltersstufen), war ziemlich klar, dass auch die BDA-Vergütung europarechtswidrig bzw. altersdiskriminierend ist, und zwar aus denselben Gründen. Es gibt nämlich keine Sachgründe, Arbeitnehmern oder Beamten einfach deshalb mehr Geld als vergleichbaren Kollegen zu zahlen, weil sie älter sind.
Nun wurde dieses Vergütungssystem im Beamtenrecht zwar mittlerweile im Prinzip ebenso abgeschafft wie der BAT, aber eben nur im Prinzip.
Denn die Überleitungsgesetze sehen vor, dass die Bestandsbeamten ihre bisherige Vergütung als Besitzstand weiter erhalten. Erst im Laufe vieler Jahre wird sich die altersdiskriminierende Schlechterstellung jüngerer bzw. die Bevorzugung älterer Beamter irgendwann ausgewachsen haben.
Damit stellt sich die Frage, ob die Überführung der Beamtenbesoldung von dem ehemaligen System der BDAs in das neue leistungsorientierte System der Erfahrungszeiten nicht ihrerseits diskriminierend ist, weil sie infolge der Besitzstandswahrung zugunsten älterer Beamter deren diskriminierende Bevorzugung weiter aufrechterhält, d.h. zementiert. Genauer gesagt fragt sich, ob bzw. durch welche Sachgründe sich die Schlechterstellung jüngerer Beamter infolge der Besitzstandswahrung rechtfertigen lässt.
Die Vorlagefälle des Verwaltungsgerichts Berlin: Specht, Schombera und andere
Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat dem EuGH im Oktober 2012 in acht Fällen einige Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die die Vereinbarung der BDAs mit dem Europarecht, v.a. mit der Richtlinie 2000/78/EG betreffen.
In sechs dieser Fälle hatten Berliner Beamte auf höhere Bezahlung geklagt (Thomas Specht, Jens Schombera, Alexander Wieland, Uwe Schönefeld, Antje Wilke und Gerd Schini), in zwei weiteren Fällen ging es um Bundesbeamte (Rena Schmeel und Ralf Schuster).
In den Streitfällen, die Herrn Specht, Herrn Wieland und Frau Wilke betreffen (AZ: C-501/12, C-503/12 und C-505/12), verlangen die Kläger Bezahlung nach der höchsten BDA ihrer Besoldungsgruppe, und zwar für die die Zeit bis Ende Juli 2011, d.h. bis zur Einführung des neuen Besoldungssystems in Berlin. Für die Zeit danach verlangen sie Besoldung in der Höhe, wie sie ihnen zustehen würde, wenn sie bei der Überleitung in die höchste Stufe ihrer ehemaligen BDA eingestuft worden wären.
Herr Schombera und Herr Schini verlangen in ihren Klageverfahren (AZ: C-502/12 und C-506/12) eine Nachzahlung in Höhe der Differenz zwischen der ihnen gewährten Besoldungsstufe und der höchsten Besoldungsstufe, und zwar für die Zeit bis Ende Juli 2011.
In dem Prozess, der Herrn Schönefeld betrifft (AZ: C-504/12), geht es um die Einstufung in das neue Besoldungssystem und um eine Differenzzahlung, allerdings für die Zeit ab August 2011.
Schließlich klagen die beiden Bundesbeamten Frau Schmeel und Herr Schuster auf Zahlung der Differenz zwischen der tatsächlich gewährten Besoldungsstufe und der höchsten Besoldungsstufe, und zwar rückwirkend für die Zeit von Januar 2008 bis zur Überleitung in das neue Besoldungssystem Ende Juni 2009 (AZ: C-540/12 und C-541/12).
Das VG Berlin wollte vom EuGH im Wesentlichen wissen,
- ob die (ehemalige) Vergütung auf Grundlage der BDAs altersdiskriminierend ist,
- ob die Überleitungsregelungen bzw. die Auswirkungen der Besitzstandswahrung altersdiskriminierend sind,
- ob die jüngeren Beamten (im Falle einer Diskriminierung durch die alten BDAs und/oder durch die Überleitungsregelungen) Bezahlung gemäß der höchsten BDA, d.h. eine Angleichung nach oben verlangen können, und
- ob die verfahrensrechtlichen Vorgaben des deutschen Beamtenrechts, denen zufolge die diskriminierten Beamten ihre Ansprüche sehr rasch bzw. bis spätestens zum Ende des Kalenderjahres geltend machen müssen, mit dem Europarecht vereinbar sind.
Zu diesen Fragen hat sich der Generalanwalt beim EuGH Yves Bot im November 2013 geäußert und dabei dem Gerichtshof vorgeschlagen, im Wesentlichen zugunsten der Beamten zu entscheiden (Schlussanträge des Generalanwalts Y. Bot vom 28.11.2013, Rs. C-506/11 u.a. - Specht u.a., wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/355 Besoldungsdienstalter und Altersdiskriminierung).
EuGH: Die Überleitung der Beamtenbezüge vom Besoldungsdienstalter (BDA) zur Erfahrungszeit zementiert die altersdiskriminierende Bezahlung bei Bestandsbeamten, ist aber sachlich gerechtfertigt
Mit Urteil vom 19.06.2014, C-501/12 u.a. (Specht u.a.) stellte der EuGH zunächst (wenig überraschend) klar, dass die schlechtere Bezahlung von Beamten allein aufgrund ihres geringeren Lebensalters eine Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von Art.2 Abs.1 der Richtlinie 2000/78/EG darstellt, die nicht gemäß Art.6 Abs.1 der Richtlinie 2000/78/EG sachlich gerechtfertigt ist und daher eine verbotene Altersdiskriminierung darstellt.
Allerdings hielt der Gerichtshof die umstrittenen Überleitungsregelungen für rechtens und wich damit von den Entscheidungsvorschlägen des Generalanwalts Y. Bot ab. Denn obwohl auch hier eine altersbedingte Schlechterstellung der jüngeren Beamten vorliegt, hält der EuGH sie im Ergebnis für sachlich gerechtfertigt.
Mit der Besitzstandswahrung zugunsten der älteren Beamten verfolgt der deutsche Gesetzgeber nämlich ein wichtiges, im Allgemeininteresse liegendes Ziel, so der EuGH (Urteil, Rn.64). Dabei geht er nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, so dass die vorübergehende Beibehaltung der altersbedingten Ungleichbehandlung im Ergebnis rechtens ist.
Entscheidend für den EuGH waren dabei folgende Argumente der Bundesregierung:
- Hätte man bei der Überleitung der Bezüge in das neue System die beruflichen Vor-Erfahrungen der vielen betroffenen Beamten ermittelt, hätte man mehr als 65.000 Einzelfälle überprüfen müssen. Das hätte das zu einem Prüfaufwand von ungefähr 360.000 Stunden geführt.
- Dieser große Aufwand wäre vermutlich nutzlos gewesen, weil sich in vielen Fällen die vor der Verbeamtung vorhandenen Berufserfahrungen nicht mehr hätten ermitteln lassen. Eine Einzelfallprüfung hätte daher letztlich willkürliche und damit unakzeptable Ergebnissen zur Folge gehabt.
- Aufgrund der Altersgrenzen für die Einstellung von Beamten (35 Jahre) waren die altersbedingten Einkommensunterschiede in der Vergangenheit faktisch nicht so groß, wie sie theoretisch hätten sein können, d.h. das Einstellungsalter vieler Beamter lag nicht sehr weit auseinander.
Da die Bezahlung auf der Grundlage der alten BDAs altersdiskriminierend bzw. europarechtswidrig waren, stellte sich die Frage, ob die betroffenen jüngeren Beamten hier einen Anspruch auf Bezahlung nach der höchsten BDA haben, d.h. auf Angleichung nach oben. Auch diese Frage verneint der Gerichtshof hier im Streitfall, und zwar mit dem Argument (Urteil, Rn.96), die diskriminierenden Effekte des alten BDA-Systems beträfen "potenziell alle Beamten". Nach Auffassung des Gerichtshofs gibt es hier keine klar definierte "Kategorie bevorzugter Beamter" bzw. kein "Bezugssystem", das eine Angleichung nach oben erlauben würde.
Schließlich ist der EuGH (an dieser Stelle wie der Generalanwalt) der Meinung, dass den Beamten die Verfolgung ihrer Rechte nicht übermäßig erschwert wird, wenn sie nach deutschem Beamtenrecht ihre Ansprüche jeweils vor dem Ende des laufenden Haushaltsjahrs geltend machen müssen.
Mit diesem Urteil hat der EuGH bereits zum zweiten Mal die Zementierung einer altersdiskriminierenden Bezahlung durch besitzstandswahrende Überleitungsregelungen abgesegnet. Hatte der Gerichtshof dieses Ergebnis in seinem Urteil vom 08.09.2011 (C-297/10 - Mai und Hennigs) mit dem Argument gerechtfertigt, dass die Überleitungstarifverträge das Ergebnis von Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften sind (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/179 Diskriminierung wegen des Alters durch BAT-Lebensaltersstufen), folgt er diesmal den Praktikabilitätsargumenten der Bundesregierung.
Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass der Gerichtshof den Anwendungsbereich des Prinzips der Angleichung nach oben begrenzt. Diskriminierende Vergütungsregelungen müssen keineswegs immer in der Weise korrigiert werden, dass alle nach der günstigsten Regelung behandelt werden. Das hilft dem VG Berlin allerdings nicht wirklich, wenn es jetzt über die Klageforderungen für die Zeit bis zur Abschaffung der BDA-Vergütung entscheiden muss.
Fazit: Bund und Länder kommen aufgrund dieses EuGH-Urteils um millionenschwere Nachforderungen altersdiskriminierter Beamter herum. Die Haushaltspolitiker können sich freuen, die betroffenen jüngeren Beamten "sind Neese".
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 19.06.2014, C-501/12 u.a. (Specht u.a.)
- Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Yves Bot vom 28.11.2013, Rs. C-506/11 u.a. (Specht u.a.)
- Europäischer Gerichtshof soll Beamtenbesoldung prüfen, Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin Nr. 43/2012 vom 25.10.2012
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 148/09 (Mai)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.09.2011, C-297/10, Mai und Hennigs
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Arbeitsrecht aktuell: 13/355 Besoldungsdienstalter und Altersdiskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/011 BAT Altersstufen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/179 Diskriminierung wegen des Alters durch BAT-Lebensaltersstufen
- Arbeitsrecht aktuell: 10/126 Diskriminieren Lebensaltersstufen jüngere Arbeitnehmer?
- Arbeitsrecht aktuell: 09/027 Was sind die Folgen eines diskriminierenden Tarifvertrags?
- Arbeitsrecht aktuell: 08/121 Ist ein nach dem Lebensalter gestaffelter Tariflohn diskriminierend?
Letzte Überarbeitung: 2. April 2018
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