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Schultz-Hoff bekommt seine Urlaubsabgeltung
17.03.2009. Die Ereignisse im Urlaubsrecht überschlagen sich:
Vor knapp zwei Monaten hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2009 entschieden, dass der Verfall von Urlaubsansprüchen dauerhaft erkrankter Arbeitnehmer europrarechtswidrig ist (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff). Grundlage des EuGH-Urteils war eine EuGH-Vorlage des Landesarbeitsarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf.
Aus dem EuGH-Urteil vom Januar zog das LAG Düsseldorf ungewöhnlich rasch, nämlich nur zwei Wochen (!) später die rechtlichen Konsequenzen und entschied den Vorlagefall im wesentlichen für den klagenden Arbeitnehmer, Herrn Schultz-Hoff. Sage einer, die Justiz arbeite langsam: LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2009, 12 Sa 486/06.
- Der Fall Schultz-Hoff: Durchgehend von September 2004 bis zum Ausscheiden Ende September 2005 erkrankter Arbeitnehmer möchte Urlaubsabgeltung
- Das LAG Düsseldorf holt den EuGH ins Boot
- LAG Düsseldorf: Eine Auslegung des deutschen Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) im Sinne des EuGH ist möglich
- Rückkehr zur alten Urlaubs-Rechtsprechung des BAG vor 1982?
- Fazit: Das Ausscheiden langjährig erkrankter Arbeitnehmer wird künftig teuer, weshalb Arbeitgeber künftig öfter krankheitsbedingte Kündigungen aussprechen werden
Der Fall Schultz-Hoff: Durchgehend von September 2004 bis zum Ausscheiden Ende September 2005 erkrankter Arbeitnehmer möchte Urlaubsabgeltung
Das deutsche Urlaubsrecht sieht in Gestalt von § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) vor, dass der gesetzliche Mindesturlaub von vier Wochen pro Jahr spätestens zum 31. Dezember zu nehmen ist.
Eine Übertragung des Urlaubs auf das Folgejahr sieht das Gesetz nur vor, wenn der Urlaub wegen dringender betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe nicht genommen wurde (§ 7 Abs.3 Satz 2 BUrlG). In diesem Fall tritt allerdings endgültig ein ersatzloser Verfall des aus dem Vorjahr übertragenen Urlaubs zum 31. März ein.
Dies führte in der Vergangenheit nach weitgehend unangefochtener Rechtsüberzeugung in Deutschland dazu, dass der nicht genommene Urlaub länger erkrankter Arbeitnehmer zwar nicht schon zum Jahresende verfiel, da ja ein Übertragungsgrund in der Person des Arbeitnehmers bzw. in seiner Krankheit vorliegt, wohl aber - bei weiterer Krankheit - mit dem Ablauf des 31. März des Folgejahres.
Der Verfall des Anspruchs auf Urlaubsgewährung in Natur wirkt sich auch auf den aus § 7 Abs. 4 BUrlG folgenden Urlaubsabgeltungsanspruch aus: Auch dieser Anspruch besteht nur, wenn im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Urlaub in Natur noch bestanden hat.
Von diesen Regelungen betroffen war auch der Kläger des deutschen Ausgangsverfahrens, Herr Schultz-Hoff. Er war seit 1971 im Außendienst bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), der heutigen Deutschen Rentenversicherung Bund, beschäftigt und wegen eines schweren Bandscheibenleidens von September 2004 bis September 2005 durchgehend arbeitsunfähig krank. Sein Arbeitsverhältnis endete aufgrund von Berentung am 30.09.2005.
Herr Schultz-Hoff verlangte daraufhin Urlaubsabgeltung für 2004 und 2005 in Höhe von etwa 14.000 EUR für nicht genommenen Urlaub nach dem BUrlG, für nicht genommenen Zusatzurlaub, der ihm wegen seiner Schwerbehinderung gemäß § 125 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zustand, sowie außerdem für nicht genommenen tariflichen Mehrurlaub.
Diesen Anspruch lehnte der Arbeitgeber unter Verweis auf die oben geschilderte Rechtslage, d.h. den bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetretenen Verfall der Urlaubsansprüche ab, woraufhin Herr Schultz-Hoff zunächst Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhob und nach Abweisung seiner Klage Berufung bei dem LAG Düsseldorf einlegte.
Das LAG Düsseldorf holt den EuGH ins Boot
Das LAG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob urlaubsbeschränkende Regelungen, wie sie in § 7 BUrlG enthalten sind, mit dem vierwöchigen Mindesturlaubsanspruch von Arbeitnehmer, wie er in Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) festgelegt ist, zu vereinbaren ist oder nicht (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 02.08.2006, 12 Sa 486/06).
Wie erwähnt, kam der Europäische Gerichtshof im Januar 2009 zu der Entscheidung, dass Regelungen dieser Art mit der Richtlinie 2003/88/EG nicht zu vereinbaren sind (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06).
Offen ist nun aber die Frage, was die deutschen Arbeitsgerichte mit dieser Vorgabe des EuGH anfangen sollen. Immerhin sind die oben erwähnten gesetzlichen Regelungen des BUrlG recht eindeutig, so dass sich fragt, ob die Gerichte befugt sind, sich über sie hinwegzusetzen.
Möglich wäre auch, dass allein der Gesetzgeber befugt ist, das BUrlG zu ändern und damit seine Vereinbarkeit mit dem Europarecht herzustellen. Mit dieser Frage setzte sich das LAG Düsseldorf in seinem „Blitzurteil“ vom 20.01.2009 auseinander.
LAG Düsseldorf: Eine Auslegung des deutschen Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) im Sinne des EuGH ist möglich
Das LAG Düsseldorf vertritt die Auffassung, dass das BUrlG trotz seines recht klaren Regelungsgehaltes, der der Richtlinie bzw. dem EuGH-Urteil entgegensteht, so ausgelegt werden könne, dass es mit den Vorgaben des EuGH übereinstimme.
Das LAG hat deshalb entschieden, dass dem Kläger etwa 12.000 EUR von den eingeklagten 14.000 EUR als Urlaubsabgeltung zustehen (Urteil vom 02.02.2009, 12 Sa 486/06). Zur Begründung heißt es:
Der Kläger könne sich aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls unmittelbar auf Art. 7 der Richtlinie EG 2003/88 berufen, weil die Richtlinie im Verhältnis zwischen öffentlichen Arbeitgebern und ihren Arbeitnehmern unmittelbar zugunsten der Arbeitnehmer Rechte erzeuge.
Das BUrlG könne außerdem in richtlinienkonformer Weise ausgelegt werden.
Erstens stehe in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG gar nicht, dass der Urlaub unter den dort genannten Voraussetzungen „verfalle“, sondern nur dass er innerhalb des dort genannten Zeitraums „genommen und gewährt“ werden müsse. Auch die in § 7 Abs. 4 BUrlG geregelten Abgeltung setze nicht zwingend voraus, dass der Abgeltungsanspruch an die gleichen Voraussetzungen gebunden sei wie der Urlaubsanspruch und daher voraussetze, dass der Urlaubsanspruch noch erfüllt werden könne, falls das Arbeitsverhältnis noch bestünde.
Eine europarechtskonforme bzw. arbeitnehmerfreundliche Auslegung bewege sich deshalb innerhalb des Gesetzeswortlautes.
Zweitens sei aber Im vorliegenden Fall ausnahmsweise auch eine Auslegung gegen den Wortlaut zulässig. Dem Erlöschen des Urlaubs stehe der gesetzliche Normzweck entgegen. Das LAG führt in diesem Zusammenhang länger aus, dass es sachgerecht und zweckdienlich sei, dem Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch ohne Befristung zu belassen und eine andere Auslegung weder der gesetzgebereichen Absichten noch verfassungsrechtlichen Anforderungen entspreche.
Diese Überlegungen führten das Gericht im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass der Kläger einen Anspruch auf Abgeltung eines gesetzlichen Mindesturlaubsanspruches von 24 Tagen pro Jahr für die Jahre 2004 und 2005 habe, und zwar in Höhe des Urlaubsentgelts, das bei Gewährung des Urlaubs in Natur zu zahlen gewesen wäre. Dieser Anspruch bestehe auch für den Zusatzurlaub des schwerbehinderten Klägers nach § 125 SGB IX, da er den Regelungen des BUrlG folge und deshalb genauso zu behandeln sei.
Allerdings folgerte das Gericht aus dem Urteil des EuGH nicht, dass der Kläger auch einen Anspruch auf Abgeltung des krankheitsbedingt nicht genommenen tariflichen Mehrurlaubs habe. Denn die Vorgaben des EuGH gälten nur für den vierwöchigen Mindesturlaub. Für darüber hinaus gehende, z.B. tarifliche oder einzelvertragliche Ansprüche dürfe auch dann ein Verfall des Urlaubs eintreten, wenn der Arbeitnehmer dies krankheitsbedingt nicht habe verhindern können.
Im vorliegenden Fall sah die tarifliche Regelung vor, dass Urlaub, der im laufenden Jahr wegen Krankheit nicht genommen werden konnte, bis zum 30. Juni des Folgejahres genommen werden musste. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger nur für das Jahr 2005, so dass er Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2004 nicht verlangen konnte.
Zudem entschied das LAG Düsseldorf, dass der Kläger der Höhe nach nur das Urlaubsentgelt, das bei tatsächlicher Gewährung des Urlaubs zu zahlen gewesen wäre, beanspruchen könne, nicht aber darüber hinausgehendes tarifliches Urlaubsgeld, da diese finanziellen Zusatzansprüche nicht die europarechtlich geschützten und deshalb nicht einschränkbaren Mindestansprüche beträfen.
Rückkehr zur alten Urlaubs-Rechtsprechung des BAG vor 1982?
Das Urteil des LAG Düsseldorf ist im Ergebnis richtig, aber in der Begründung fragwürdig.
Einerseits hat das Gericht in der Sache selbst die Entscheidung des EuGH konsequent umgesetzt und dabei zutreffend berücksichtigt, dass die Vorgaben des EuGH nur für den europarechtlich garantierten Mindesturlaubsanspruch gelten.
Folgerichtig ist es dann auch, diese Kriterien erweiternd auf den Anspruch auf Zusatzurlaub für Schwerbehinderte zu erstrecken, da dieser Zusatzurlaub dem Umstand Rechnung trägt, dass der Bedarf an (Mindest-)Erholungsurlaub bei Schwerbehinderten höher ist, so dass die Regeln des BUrlG auch auf diesen zusätzlichen Mindestanspruch anzuwenden sind.
Für einen tariflichen oder vom Arbeitgeber darüber hinaus gewährten Urlaub, bleibt es dagegen weiterhin möglich, einen Bezugszeitraum festzulegen, nach dem der Urlaub auch dann verfällt, wenn der Arbeitnehmer gar nicht die Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen. Denn sein Mindestanspruch auf Urlaub bleibt gewährleistet.
Weiterhin ist die Anwendung der vom EuGH vorgegebenen Grundsätze auf den Fall Schultz-Hoff Fall im Ergebnis auch im Wege einer Gerichtsentscheidung, d.h. ohne Gesetzesänderung zulässig, da die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund als öffentlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Der öffentliche Arbeitgeber ist nämlich allgemeiner Meinung zufolge nach Ablauf der Umsetzungsfrist an EU-Richtlinien, die zugunsten seiner Arbeitnehmer gelten, ohne weiteres, d.h. auch bei nicht richtlinienkonformem Gesetzesrecht gebunden.
Ist das Urteil des LAG Düsseldorf daher im Ergebnis wegen der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Falls richtig, so kann seine Begründung in weiten Teilen nicht überzeugen. Die Meinung des LAG zur Auslegungsfähigkeit des BUrlG sind nämlich schlicht überflüssig, da sie nicht entscheidungserheblich sind. Außerdem fragt sich natürlich, ob das Gericht hier recht hat.
Dagegen spricht, dass der vom BUrlG gewährte vierwöchige Mindesturlaub „in jedem Kalenderjahr“ (§ 1 BUrlG) besteht und nicht etwa „für“ ein Kalenderjahr. Außerdem bestimmt § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden „müsse“. Kann der Urlaub aus dringenden, unter anderem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht im laufenden Jahr gewährt und genommen werden, so wird er zwar aufs Folgejahr übertragen, „muss“ dann aber gemäß § 7 Abs.3 Satz 3 BUrlG in den ersten drei Monaten gewährt und genommen werden.
Richtig ist allerdings, dass die dauernde Krankheit des Arbeitnehmers im laufenden Jahr nicht notwendig zu den „in der Person des Arbeitnehmers“ liegenden Gründen gezählt werden muss und auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht immer hierzu gezählt wurde.
Allerdings besagt die seit 1982 ständige Rechtsprechung des BAG, dass die Übertragungsvorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG (mit der Folge eines bis zum 31. März des Folgejahres begrenzten Übertragungszeitraums) auch gilt, wenn der Arbeitnehmer wegen langwieriger Arbeitsunfähigkeit gehindert war, den Urlaub vor Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums zu nehmen (BAG, Urteil vom 13.05.1982, 6 AZR 360/80).
Vor diesem Hintergrund kann man wohl nicht sagen, dass eine europarechtskonforme Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG, die dem EuGH-Urteil in Sachen Schultz-Hoff Rechnung trägt, die Grenzen der Auslegung übersteigt.
Andererseits beruft sich das LAG Düsseldorf in diesem Zusammenhang zu Unrecht ein aktuelles Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH), das für die richterliche Anwendung von EU-Richtlinien auf nationale Gesetzesvorschriften grundsätzliche Überlegungen angestellt hat (BGH, Urteil vom 26.11.2008, VIII ZR 200/05).
Hier spricht sich der BGH zwar für die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch die Gerichte aus, schränkt diese Möglichkeit aber ausdrücklich ein auf den Fall, dass das Gesetz eine planwidrige, d.h. unbeabsichtigte Unvollständigkeit aufweise. Eine eindeutige, also beabsichtigte Entscheidung des Gesetzgebers dürften die Gerichte dagegen, so der BGH, nicht unter Berufung auf das Europarecht verändern.
Da das BUrlG aber keine planwidrige Unvollständigkeit aufweist, ist eine Rechtsfortbildung unter Berufung auf EU-Richtlinien auch bei Berücksichtigung des o.g. BGH-Urteils unzulässig. Die Berufung des LAG Düsseldorf auf dieses Urteil des BGH ist daher nicht überzeugend.
Fazit: Das Ausscheiden langjährig erkrankter Arbeitnehmer wird künftig teuer, weshalb Arbeitgeber künftig öfter krankheitsbedingte Kündigungen aussprechen werden
Wendet man die urlaubsrechtlichen Vorgaben des EuGH auch auf Fälle an, bei denen der Arbeitgeber eine Privatperson ist, so wäre dies aufgrund der Rechtsprechung des BAG vor 1982 möglicherweise - entgegen dem ersten Anschein einer „vollkommen klaren“ gesetzlichen Regelung - doch (so eben) vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt.
Eine solche „Auslegung“ des BUrlG wäre aber möglicherweise eher eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, zu der der Gesetzgeber, nicht aber die Gerichte berechtigt sind, da die Rechtsprechung des BAG seit dem 13.05.1982 möglicherweise bereits gewohnheitsrechtlich anerkannt war. Letztlich bleibt abzuwarten, wie das BAG hierzu entscheiden wird.
Sollten sich die Gerichte dazu berechtigt ansehen, die Vorgaben des EuGH im Wege der Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG umzusetzen, werden die hiervon finanziell betroffenen Arbeitgeber Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen. Immerhin hatten sie bislang keinen Grund (und nach der bisherigen Rechtsprechung auch kaum eine realistische Möglichkeit), sich von langfristig erkrankten Arbeitnehmern durch eine krankheitsbedingte Kündigung zu trennen.
Müssen Arbeitgeber künftig infolge der Schultz-Hoff-Entscheidung langjährig erkrankten Arbeitnehmern Urlaub nachgewähren oder diesen ausbezahlen, so käme eine solche gravierende Änderung der Rechtsprechung im Ergebnis einer belastenden Gesetzesänderung gleich. Da diese Rechtsänderung Vorgänge betrifft, die in der Vergangenheit begonnen haben, aber noch nicht abgeschlossen sind, läge eine (unechte) Rückwirkung vor.
Daher wäre wegen des Rechtsstaatsprinzips möglicherweise eine Übergangsregelung erforderlich. Sie könnte etwa so aussehen, dass die Folgen der EuGH-Entscheidung erstmals ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.01.2008, denen der EuGH gefolgt ist, eingreifen, d.h. ab dem Urlaubsjahr 2008.
Wie auch immer die Gerichten urteilen werden: Arbeitgeber haben Grund, sich intensiv um die Beendigung von langfristig aus Krankheitsgründen außer Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnissen zu bemühen. Dabei gelten aufgrund des EuGH-Urteils ganz andere „Preise“ bezüglich einer Abfindungsregelung. Konnten Arbeitnehmervertreter nämlich in solchen Fällen bislang kaum über eine Abfindung druckvoll verhandeln, da ein dauererkrankter Arbeitnehmer kein Annahmeverzugsrisiko begründete, ist das jetzt anders, d.h. die Preise sind gestiegen.
Aufgrund des zwingenden Charakters des vierwöchigen Mindesturlaubs sollte eine Abfindungsregelung eine Klausel enthalten, dass mit der Zahlung der Abfindung etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche mit umfasst bzw. ausgeglichen sein sollen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2009, 12 Sa 486/06
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.11.2008, VIII ZR 200/05
- Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trstenjak vom 24.01.2008, C-350/06-Schultz-Hoff
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 11/042 Verfall des Anspruchs auf Urlaubsgeld nach Renteneintritt
- Arbeitsrecht aktuell: 09/126 Kein Verfall von Resturlaubsansprüchen infolge von Krankheit seit dem 02.08.2006
- Arbeitsrecht aktuell: 09/057 Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH
- Arbeitsrecht aktuell: 09/052 Anwendung des EuGH-Urteils in Sachen Schultz-Hoff auch gegenüber privaten Arbeitgebern
- Arbeitsrecht aktuell: 09/023 Bei dauerhafter Krankheit kein Verfall von Resturlaubsansprüchen
- Arbeitsrecht aktuell: 08/029 Ist der Verfall von Urlaubsansprüchen europarechtswidrig?
Letzte Überarbeitung: 4. Juni 2019
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