HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/137

Kün­di­gung we­gen Al­ko­hols am Ar­beits­platz

Ein al­ko­hol­kran­ker Be­rufs­kraft­fah­rer kann or­dent­lich ver­hal­tens­be­dingt ge­kün­digt wer­den, wenn er al­ko­ho­li­siert fährt und ei­nen Un­fall ver­ur­sacht: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Ur­teil vom 03.04.2014, 24 Ca 8017/13
Verkehrsunfall mit verletzter Frau und Sanitätern im Vordergrund Be­rufs­kraft­fah­rer müs­sen nüch­tern sein, vor al­lem wenns "knallt"

16.04.2014. Als Be­rufs­kraft­fah­rer ris­kiert man mit ei­ner Trun­ken­heits­fahrt wäh­rend der Ar­beit sei­nen Job, d.h. es droht im bes­ten Fall ei­ne Ab­mah­nung, im schlech­te­ren ei­ne or­dent­li­che ver­hal­tens­be­ding­te Kün­di­gung oder so­gar ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung.

Wie das Ar­beits­ge­richt Ber­lin vor ei­ni­gen Ta­gen ent­schie­den hat, kann ei­nem Be­rufs­kraft­fah­rer oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung ver­hal­tens­be­dingt ge­kün­digt wer­den, wenn er mit sei­nem Lkw al­ko­ho­li­siert fährt und ei­nen Un­fall mit Per­so­nen­scha­den ver­ur­sacht, und zwar auch dann, wenn er al­ko­hol­krank ist.

Denn auch ein al­ko­hol­kran­ker Kraft­fah­rer muss wis­sen, wo die ro­te Li­ne ist, die man nicht über­schrei­ten darf, und der Ar­beit­ge­ber muss sich dar­auf ver­las­sen kön­nen, dass sei­ne an­ge­stell­ten Fah­rer ih­re Ar­beit in nicht al­ko­ho­li­sier­tem Zu­stand ver­rich­ten: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Ur­teil vom 03.04.2014, 24 Ca 8017/13.

Wer als Be­rufs­kraft­fah­rer mit Al­ko­hol am Steu­er er­wischt wird, muss mit ei­ner Kündi­gung rech­nen

Al­ko­hol­kran­ke Ar­beit­neh­mer, die ih­re Sucht nicht über­win­den, müssen früher oder später mit ei­ner Kündi­gung rech­nen. Oft wer­den die­se Kündi­gun­gen auf die Sucht­krank­heit gestützt, d.h. als krank­heits­be­ding­te Kündi­gun­gen aus­ge­spro­chen, weil der Ar­beit­ge­ber im­mer er­neu­te al­ko­hol­be­ding­te Aus­fall­zei­ten nicht mehr hin­neh­men will.

Be­son­ders un­ter Druck ste­hen Be­rufs­kraft­fah­rer, wenn es um das The­ma Al­ko­hol geht. Sie können be­reits auf­grund ei­ner pri­va­ten Trun­ken­heits­fahrt ih­ren Job ver­lie­ren, falls ih­nen in­fol­ge ei­nes sol­chen Ver­kehrs­de­likts die Fahr­er­laub­nis ent­zo­gen wird. In die­sem Fall kann der Ar­beit­ge­ber ei­ne per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung aus­spre­chen.

Denn ein Kraft­fah­rer verstößt mit ei­ner pri­va­ten Trun­ken­heits­fahrt zwar nicht ge­gen ar­beits­ver­trag­li­che Pflich­ten (so dass ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung aus­schei­det), aber er kann auf­grund des Ver­lus­tes der Fahr­er­laub­nis, d.h. auf­grund ei­nes "persönli­chen" De­fi­zits, eben nicht mehr sei­ne Ar­beit ver­rich­ten. In die­sem Sin­ne hat vor ei­ni­gen Jah­ren das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) ent­schie­den (Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 01.07.2011, 10 Sa 245/11, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/208 Kündi­gung we­gen Al­ko­hols am Steu­er).

Hei­kel sind Fälle, in de­nen ein Be­rufs­kraft­fah­rer al­ko­hol­krank ist, d.h. un­ter ei­ner dau­er­haf­ten Such­ter­kran­kung lei­det, und dann al­ko­ho­li­siert ei­ne dienst­li­che Fahrt un­ter­nimmt, d.h. ei­ne Trun­ken­heits­fahrt bei der Ar­beit.

Denn im All­ge­mei­nen ge­hen die Ar­beits­ge­rich­te zu­guns­ten al­ko­hol­kran­ker Ar­beit­neh­mer da­von aus, dass ih­nen ihr Al­ko­hol­kon­sum nicht zum Vor­wurf ge­macht wer­den kann, weil sie ihn eben nicht steu­ern können. Auch mehr­fa­che Verstöße al­ko­hol­kran­ker Ar­beit­neh­mer ge­gen be­trieb­li­che Al­ko­hol­ver­bo­te rei­chen da­her im All­ge­mei­nen nicht für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung aus, so dass Ar­beit­ge­ber in sol­chen Fällen in der Re­gel nur ei­ne per­so­nen- bzw. krank­heits­be­ding­te Kündi­gung aus­spre­chen können (Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/143 Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Kündi­gung we­gen Al­ko­hol­sucht).

An­de­rer­seits kommt ein al­ko­hol­kran­ker Be­rufs­kraft­fah­rer, der ei­ne dienst­li­che Fahrt für sei­nen Ar­beit­ge­ber un­ter­nimmt und da­bei un­ter Al­ko­hol­ein­fluss steht, nicht ein­fach nur wie an­de­re Ar­beit­neh­mer "al­ko­ho­li­siert zur Ar­beit", so dass er dann viel­leicht wie­der nach Hau­se ge­schickt wer­den muss. Viel­mehr kommt zu dem Ver­s­toß ge­gen die Pflicht, in ar­beitsfähi­gem (= nicht al­ko­ho­li­sier­tem) Zu­stand pünkt­lich bei der Ar­beit zu er­schei­nen, ein wei­te­rer Pflicht­ver­s­toß hin­zu, nämlich ein Ver­s­toß ge­gen die Pflicht ei­nes je­den (Be­rufs-)Kraft­fah­rers, Ge­fah­ren durch Al­ko­hol am Steu­er zu ver­mei­den.

Vor die­sem Hin­ter­grund ist un­klar, ob ein al­ko­hol­kran­ker Be­rufs­kraft­fah­rer, dem we­gen ei­ner dienst­li­chen Trun­ken­heits­fahrt ver­hal­tens­be­dingt gekündigt wird, mit Er­folg auf sei­ne Sucht­krank­heit ver­wei­sen kann.

Der Fall des Ar­beits­ge­richts Ber­lin: An­ge­stell­ter Kraft­fah­rer steu­ert bei der Ar­beit sei­nen Lkw mit 0,64 Pro­mil­le und ver­ur­sacht ei­nen Un­fall mit Per­so­nen­scha­den

Im Streit­fall ging es um ei­nen an­ge­stell­ten Be­rufs­kraft­fah­rer. Er ver­ur­sach­te mit sei­nem Lkw un­ter Al­ko­hol­ein­fluss (0,64 Pro­mil­le) ei­nen Un­fall, bei dem der Un­fall­geg­ner ver­letzt wur­de und ein größerer Sach­scha­den ent­stand. Im Be­trieb be­stand ein ab­so­lu­tes Al­ko­hol­ver­bot.

Der Ar­beit­ge­ber erklärte dar­auf­hin die frist­lo­se Kündi­gung, hilfs­wei­se kündig­te er frist­gemäß. Da­ge­gen er­hob der Kraft­fah­rer Kündi­gungs­schutz­kla­ge. Sein Ar­gu­ment: Er sei al­ko­hol­krank und ha­be da­her sei­ne ver­trag­li­chen Pflich­ten nicht schuld­haft ver­letzt.

Ar­beits­ge­richt Ber­lin: Ei­nem Be­rufs­kraft­fah­rer kann ver­hal­tens­be­dingt gekündigt wer­den, wenn er sein Kraft­fahr­zeug un­ter Al­ko­hol­ein­fluss führt.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge über­wie­gend ab­ge­wie­sen, da es die or­dent­li­che Kündi­gung für rechtmäßig hielt. Die zu­gleich aus­ge­spro­che­ne frist­lo­se Kündi­gung hielt das Ge­richt aus for­ma­len Gründen für un­wirk­sam. Das Ur­teil ist der­zeit nur in Form ei­ner ge­richt­li­chen Pres­se­mel­dung be­kannt. So­weit der Pres­se­mel­dung ent­nom­men wer­den kann, stützt sich das Ge­richt auf fol­gen­de Über­le­gun­gen:

Der Kraft­fah­rer hat­te mit der Trun­ken­heits­fahrt sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten schwer­wie­gend und in vor­werf­ba­rer Wei­se ver­letzt, so das Ge­richt. Der Ar­beit­ge­ber kann von ei­nem Be­rufs­kraft­fah­rer er­war­ten, dass er nüchtern zum Fahrt­an­tritt er­scheint und auch während der Fahrt kei­ne al­ko­ho­li­schen Ge­tränke zu sich nimmt.

Ei­ne Al­ko­ho­lerkran­kung konn­te den Kläger hier nach Auf­fas­sung des Ge­richts nicht ent­las­ten. Denn ihm war

"wei­ter­hin vor­zu­wer­fen, ei­ne Fahrt mit dem Kraft­fahr­zeug un­ter Al­ko­hol­ein­fluss an­ge­tre­ten und hier­durch an­de­re gefähr­det zu ha­ben."

Die­ses Fehl­ver­hal­ten wog der­art schwer, so die Ber­li­ner Rich­ter, dass ei­ne Ab­mah­nung nicht das ge­eig­ne­te Mit­tel ge­we­sen wäre. Denn der Ar­beit­ge­ber muss dafür sor­gen, dass das Al­ko­hol­ver­bot von al­len an­ge­stell­ten Fah­rern be­ach­tet wird, und die­ses Ziel wäre mit ei­ner bloßen Ab­mah­nung nicht zu er­rei­chen.

Bei der Abwägung sprach auch ge­gen den kla­gen­den Kraft­fah­rer, dass er "letzt­lich kei­ne Ein­sicht in sein Fehl­ver­hal­ten ge­zeigt" hat­te.

Das Ur­teil ist noch nicht rechts­kräftig. Der Kraft­fah­rer kann Be­ru­fung zum LAG Ber­lin-Bran­den­burg ein­le­gen.

Fa­zit: Al­ko­hol­kran­ke Kraft­fah­rer, die bei Dienst­an­tritt (wie­der ein­mal) an­ge­trun­ken sind, müssen das dem Ar­beit­ge­ber mit­tei­len und können dann an die­sem Tag nicht ein­ge­setzt wer­den. Das recht­fer­tigt im Nor­mal­fall bei Vor­lie­gen ei­ner Al­ko­ho­lerkran­kung kei­ne Ab­mah­nung oder gar Kündi­gung, denn für sein Sucht­ver­hal­ten kann ein Al­ko­ho­li­ker nichts (der dann aber ir­gend­wann nach ge­schei­ter­ten Ent­zugs­ver­su­chen mit ei­ner krank­heits­be­ding­ten Kündi­gung rech­nen muss).

Wer sich dann aber im al­ko­ho­li­sier­ten Zu­stand auch noch hin­ters Steu­er setzt, be­geht al­ler­dings ei­nen wei­te­ren, durch die Such­ter­kran­kung nicht ent­schuld­ba­ren Pflicht­ver­s­toß. Die­sen wei­te­ren, d.h. nicht un­mit­tel­bar (nur) sucht­be­ding­ten Pflicht­ver­s­toß hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hier für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung aus­rei­chen las­sen. Frag­lich ist al­ler­dings, ob der Ar­beit­ge­ber dann ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te - or­dent­li­che - Kündi­gung aus­spre­chen kann, oh­ne ei­nen ähn­li­chen Pflicht­ver­s­toß zu­vor ab­ge­mahnt zu ha­ben.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg über den Fall ent­schie­den, das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin auf­ge­ho­ben und den Fall zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ent­schie­den. In­for­ma­tio­nen zu dem LAG-Ur­teil fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 1. November 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de