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Voraussetzungen einer Kündigung wegen Alkoholsucht
26.07.2010. Alkoholismus ergreift den ganzen Menschen, sein gesamtes soziales Leben und nicht zuletzt natürlich seine Gesundheit.
Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes ist nur eine seiner vielen traurigen Folgen. Nicht selten kann aber gerade dieser die Situation wesentlich verschlimmern und den Alkoholkranken weiter in die Sucht treiben. Andererseits kann seine Weiterbeschäftigung ein Risiko sein, da Unfallgefahren und unplanbare Fehlzeiten drohen.
Arbeitgeber sind hier zunächst - schon aus sozialen Gründen - verpflichtet, ihrem Arbeitnehmer zu helfen, von seiner Sucht loszukommen. Doch nach einer gewissen Anzahl vergeblicher Bemühungen muss die soziale Verantwortung gegenüber der gesamten Belegschaft schwerer wiegen als das Wohl des Einzelnen. Im Raum steht dann die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Rechtsprechung versucht hier, durch hohe Anforderungen einen für alle tragfähigen Mittelweg zu finden: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 17.05.2010, 5 Sa 1072/09.
- Kündigung wegen Alkoholismus - verhaltensbedingt oder personenbedingt?
- Der Fall: Kündigung nach langjährigem, mehrfach erfolglos therapierten Alkoholismus
- LAG Köln: ordentliche, personenbedingte Kündigung in diesem Fall gerechtfertigt
Kündigung wegen Alkoholismus - verhaltensbedingt oder personenbedingt?
Alkoholismus liegt vor, wenn der Betroffene sein Trinkverhalten nicht mehr willentlich steuern kann. Diesbezügliche Kündigungen folgen den Regeln des allgemeinen Kündigungsschutzes. Insbesondere müssen sie wie jede Kündigung im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt sein. Da das Gesetz nirgends einen „Kündigungsgrund Alkohol“ vorsieht, heißt das zunächst, dass sie nur aus einem der in § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genannten Gründe erfolgen dürfen. In Betracht kommen die verhaltensbedingte Kündigung und die personenbedingte Kündigung.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich schon früh darauf festgelegt, dass bei einer nicht therapierbaren Alkoholerkrankung eine krankheitsbedingte Kündigung als personenbedingte ordentliche Kündigung angemessen sein kann.
Zum Einen ist Alkoholismus selbstverständlich eine Krankheit. Zum Anderen erfordert eine verhaltensbedingte Kündigung stets einen schuldhaften Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag durch ein steuerbares Verhalten. Die Alkoholsucht hat der Arbeitnehmer aber in der Regel nicht verschuldet, jedenfalls gibt es keinen Erfahrungssatz, nach dem ein Gericht dies annehmen dürfte. Er kann sein Trinkverhalten auch nicht steuern, dies ist gerade das Wesen einer Sucht.
Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nur selten in Frage. Etwa dann, wenn ein Nicht-Alkoholiker wiederholt gegen ein geltendes Alkoholverbot verstößt, betrunken zur Arbeit erscheint und deshalb seine Pflichten nicht erfüllen kann, andere gefährdet etc. Einem Alkoholiker kann auch bei solchen konkreten „alkoholbedingten Ausfällen“ nur personenbedingt gekündigt werden, da sie ihm als Folge seiner Krankheit nicht im Sinne eines schuldhaften Verstoßes vorgeworfen werden können.
Die Suchterkrankung allein genügt als Kündigungsgrund nicht. Es muss zusätzlich zu einer „erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen“ kommen. Dies ist in aller Regel der Fall, wenn der Arbeitnehmer alkoholisiert zur Arbeit erscheint und deshalb seine Arbeit nicht erledigen kann oder infolge seiner Sucht häufig arbeitsunfähig krank ist.
Zudem ist eine „negative Prognose“ notwendig, nach der auch in Zukunft von solchen Störungen auszugehen ist. Die Anforderungen sind dabei nicht ganz so streng wie bei einer sonstigen krankheitsbedingten Kündigung.
In aller Regel muss dem Arbeitnehmer aber zunächst die Möglichkeit gegeben werden, sich einer Therapie zu unterziehen. Nur, wenn er nicht dazu bereit ist, etwa bestreitet, therapiebedürftig zu sein oder nach einer Therapie rückfällig wird, kann von einer negativen Prognose ausgegangen werden. Ein einmaliger Rückfall während der Therapie, insbesondere am Anfang, reicht meist nicht aus. Der Arbeitnehmer muss nämlich die Chance haben, sie auch zu Ende zu führen.
Zuletzt ist wie bei jeder Kündigung eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, die aber, wenn die Therapiebereitschaft oder die Therapierbarkeit fehlen, kaum noch zur Unwirksamkeit der Kündigung führen können
.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte im Mai einen Fall zu entscheiden, in dem trotz vielfältiger Anstrengungen aller Beteiligten der Alkoholismus eines Mitarbeiters letztlich zu einer Kündigung führte (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 17.05.2010, 5 Sa 1072/09).
Der Fall: Kündigung nach langjährigem, mehrfach erfolglos therapierten Alkoholismus
Der Kläger war seit 1985 als Maschinenbediener in einer Motorenfabrik beschäftigt. Dort galt ein Alkoholverbot. Seit 2003 war er bei Dienstantritt mehrmals stark alkoholisiert. In einem Gespräch im Jahr 2004 räumte er ein Alkoholproblem ein und sagte zu, es kurzfristig in den Griff zu bekommen.
In der Folge unterzog er sich einem vierwöchigen Entzug und begab sich auf Anregung des beklagten Arbeitgebers auch in nervenärztliche Behandlung. Im August 2007 tauchten die Probleme wieder auf, einige Male erschien der Arbeitnehmer alkoholisiert und wurde wegen der deshalb bestehenden Unfallgefahr nach Hause geschickt. Nun begab er sich in eine achtmonatige stationäre Behandlung. Auch nach deren Ende wurde er rückfällig.
Der Arbeitgeber hatte ihn seit 2003 bereits mehrmals wegen Verstoßes gegen das betriebliche Alkoholverbot abgemahnt. Als der Kläger im Oktober 2008 wieder wegen einer Alkoholfahne nach Hause geschickt werden musste und danach längere Zeit arbeitsunfähig krank war, kündigte der Arbeitgeber ihm im November aus verhaltens- und personenbedingten Gründen zunächst ordentlich, d.h. unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Hiergegen klagte der Arbeitnehmer.
Nachdem er während des Prozesses, im Februar 2009, erneut alkoholisiert zur Arbeit erschien, kündigte der Arbeitgeber ihm fristlos ausdrücklich aus verhaltensbedingten Gründen. Er warf dem Arbeitnehmer „beharrliche Pflichtverletzungen“ vor. Auch gegen diese Kündigung wehrte sich der Kläger.
Vor dem Arbeitsgericht hatte er zunächst Erfolg. In der Berufungsinstanz hatte das LAG Köln zu entscheiden.
LAG Köln: ordentliche, personenbedingte Kündigung in diesem Fall gerechtfertigt
Das LAG Köln gab der Berufung des Arbeitgebers statt.
Das Arbeitsverhältnis wurde durch die ordentliche Kündigung und nicht durch die außerordentliche Kündigung beendet. Entsprechend den vom BAG aufgestellten Grundsätzen konnte dem alkoholkranken Kläger nämlich nicht vorgeworfen werden, er habe seine alkoholbedingten Ausfälle verschuldet. Aus dem gleichen Grund war die ordentliche Kündigung nicht als verhaltensbedingte, sondern als personenbedingte Kündigung gerechtfertigt.
An der negativen Prognose bestanden aus Sicht des Gerichts keine Zweifel. Die Alkoholproblematik habe bereits seit Jahren bestanden und auch mehrere Therapien konnten dem Arbeitnehmer nicht helfen. Da er nun auch noch nach einer stationären Behandlung rückfällig wurde, war davon auszugehen, dass auch in Zukunft Störungen des Arbeitsverhältnisses zu erwarten sind.
Alle Versuche, sich von der Alkoholsucht zu lösen, müssten - so das LAG - als gescheitert betrachtet werden. Dabei kam es nicht darauf an, ob der klagende Arbeitnehmer bei verschiedenen ihm vorgehaltenen Vorfällen tatsächlich im Betrieb Alkohol konsumiert hat. Entscheidend war, dass die Alkoholerkrankung fortbesteht und trotz mehrfacher Therapieversuche keine Anzeichen für eine Heilung bestehen.
Vor diesem Hintergrund ging auch die abschließende Interessenabwägung zu seinen Lasten aus.
Fazit: Der vorliegende Fall zeigt, dass auch ein aufrichtig um Unterstützung bemühter Arbeitgeber keine Wunder vollbringen kann. Die nach rund fünf Jahren ausgesprochene Kündigung war ein bedauerlicher, aber letztlich nachvollziehbarer Schlussstrich unter eine Vielzahl erfolgloser Therapieversuche.
Die tragische Kernaussage dieser Entscheidung ist aber weniger juristischer als tatsächlicher Natur: Der Arbeitnehmer hat nun ein schriftliches, rechtskräftiges Urteil vorliegen, dass ihm "keinerlei Anhaltspunkte oder Hoffnungszeichen" für eine Chance "sich von seiner Alkoholabhängigkeit zu befreien" attestiert ...
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 17.05.2010, 5 Sa 1072/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Krankheitsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Personenbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/327 Fristlose Kündigung wegen Drogenkonsums
- Arbeitsrecht aktuell: 15/073 Lohnfortzahlung bei Alkoholismus
- Arbeitsrecht aktuell: 14/380 Unfall unter Alkoholeinfluss berechtigt nicht immer zur Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/137 Kündigung wegen Alkohols am Arbeitsplatz
- Arbeitsrecht aktuell: 11/208 Kündigung wegen Alkohols am Steuer
Letzte Überarbeitung: 1. November 2016
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