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Mit­be­stim­mung des Be­triebs­ra­tes bei Mit­ar­bei­ter-Jah­res­ge­sprä­chen

Der Be­triebs­rat hat ein Mit­be­stim­mungs­recht bei der Ein­füh­rung und Aus­ge­stal­tung von Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­chen: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 06.02.2012, 16 Sa 1134/11
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26.03.2012. Wenn es um das Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb geht, hat der Be­triebs­rat ge­mäß § 87 Abs.1 Nr.1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) mit­zu­be­stim­men, falls die An­ge­le­gen­heit nicht schon durch ein Ge­setz oder ei­nen Ta­rif­ver­trag ge­re­gelt ist. Macht der Be­triebs­rat in Ver­hal­tens­fra­gen von die­sem Mit­be­stim­mungs­recht in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten Ge­brauch, ge­schieht das meist durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung. Die­se wirkt ähn­lich wie ein Ge­setz auf die Ar­beits­ver­hält­nis­se der Ar­beit­neh­mer des Be­triebs ein, und da sie das Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer be­trifft, kann sie de­ren Grund­rech­te be­schrän­ken.

In ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil hat­te das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt zu ent­schei­den, ob das Mit­be­stim­mungs­recht ge­mäß § 87 Abs.1 Nr.1 Be­trVG auch bei Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­chen be­steht und ob ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu die­sem The­ma Ar­beit­neh­mer ver­pflich­ten kann, sich an Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­chen mit ih­rer Füh­rungs­kraft zu be­tei­li­gen (Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 06.02.2012, 16 Sa 1134/11).

Durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung zum Mit­ar­bei­ter­gespräch mit dem Vor­ge­setz­ten ver­pflich­tet - geht das?

Durch Mit­ar­bei­ter­gespräche können be­trieb­li­che Abläufe ver­bes­sert wer­den, und sie sol­len auch ei­nen po­si­ti­ven Ef­fekt auf die "Mo­ti­va­ti­on" der Ar­beit­neh­mer ha­ben. Vie­le Ar­beit­ge­ber fin­den re­gelmäßige Mit­ar­bei­ter­gespräche da­her schick und wol­len ih­re Mit­ar­bei­ter förm­lich da­zu ver­pflich­ten, z.B. durch Ziel­ver­ein­ba­run­gen, die Ar­beit­neh­mer und Führungs­kraft im­mer wie­der zur ge­mein­sa­men Ziel­fest­le­gung und zur Be­wer­tung der Ziel­er­rei­chung zwingt.

An­de­rer­seits können Mit­ar­bei­ter­gespräche auch zum Ri­tu­al ver­kom­men und die Be­tei­lig­ten gründ­lich ner­ven. Von da­her stellt sich die Fra­ge, ob der Be­triebs­rat hier ein Mit­be­stim­mungs­recht aus § 87 Abs.1 Nr.1 Be­trVG hat und da­mit Al­leingänge des Ar­beit­ge­bers beim The­ma Mit­ar­bei­ter­gespräch ver­hin­dern kann.

Zum an­de­ren fragt sich auch, wie weit ein sol­ches Mit­be­stim­mungs­recht geht. Denn wenn Ar­beit­neh­mer per Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu Mit­ar­bei­ter­gesprächen ver­pflich­tet wer­den, wird ihr Grund­recht aus Art.5 Abs.1 Grund­ge­setz (GG) ein­ge­schränkt, sich nicht äußern zu müssen („ne­ga­ti­ve Mei­nungs­frei­heit"), und außer­dem ist ihr all­ge­mei­nes Persönlich­keits­recht berührt, das eben­falls grund­recht­lich geschützt ist (Art.2 Abs.1 GG).

Hes­si­sches LAG: Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zu Mit­ar­bei­ter­gesprächen sind zulässig

In ei­nem Be­trieb aus der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie galt ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zum The­ma „Gesprächs­leit­fa­den Mit­ar­bei­ter­jah­res­gespräch“. Da­nach soll­ten sich Vor­ge­set­ze­te und Mit­ar­bei­ter ein­mal pro Jahr ver­trau­lich zu­sam­men­set­zen und ih­re bei­der­sei­ti­gen Leis­tun­gen an­hand ei­nes zehn­sei­ti­gen Fra­gen­ka­ta­lo­ges einschätzen. Ei­ne Sach­be­ar­bei­te­rin woll­te die­se Gespräche nicht führen und ver­klag­te ih­ren Ar­beit­ge­ber auf Un­ter­las­sung.

Das Ar­beits­ge­richt Wetz­lar wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 25.05.2011, 2 Ca 186/10) und auch das LAG ent­schied ge­gen die Ar­beit­neh­me­rin. Denn ers­tens be­stand ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats gemäß § 87 Abs.1 Nr.1 Be­trVG, und zwei­tens ver­stieß auch das Er­geb­nis die­ses Mit­be­stim­mungs­rechts, die hier um­strit­te­ne Be­triebs­rver­ein­ba­rung zum The­ma Mit­ar­bei­ter­jah­res­gespräch, nicht ge­gen die Grund­rech­te der Kläge­rin, so das LAG. Denn die Ar­beit­neh­me­rin muss­te sich nur zu be­trieb­li­chen Din­gen äußeren und hat­te bei sach­li­cher Kri­tik kei­ne Nach­tei­le zu befürch­ten, so dass der Ein­griff in ih­re Grund­rech­te, der mit der Pflicht zur Gesprächs­teil­nah­me ver­bun­den war, nicht sehr groß war.

Fa­zit: Ge­re­gel­te Kom­mu­ni­ka­ti­on ist bes­ser als gar kei­ne. Und wenn Be­wer­tungs­fra­gen, z.B. in be­zug auf den Vor­ge­setz­ten und sein Führungs­ver­hal­ten, mit "weiß nicht / kei­ne Ant­wort" be­ant­wor­tet wer­den können (wie hier im Streit­fall), ist es ziem­lich weit her­ge­holt, in der Pflicht zur Teil­nah­me an Mit­ar­bei­ter­gesprächen ei­ne Grund­rechts­ver­let­zung zu se­hen.

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Letzte Überarbeitung: 29. Mai 2018

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