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LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2017, 4 Sa 512/16
Schlagworte: | Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Arbeitsvertrag, Arbeitszeit, Mehrarbeitspauschale | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz | |
Aktenzeichen: | 4 Sa 512/16 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 05.07.2017 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 10.11.2016, 9 Ca 2250/15 | |
Aktenzeichen:
4 Sa 512/16
9 Ca 2250/15
ArbG Mainz
Verkündet am: 05.07.2017
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, vom 10.11.2016, Az.: 9 Ca 2250/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand einer zwischen ihnen getroffenen vertraglichen Vereinbarung.
Der Kläger ist seit dem 01.05.2002 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Der zwischen den Parteien geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag vom 02.04.2002 enthält u. a. folgende Bestimmungen:
"...
2. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 36,0 Stunden. Eine abweichende Festlegung kann im Rahmen der tariflichen und betrieblichen Bestimmungen getroffen werden.
...
4. Ihre monatliche Vergütung richtet sich nach den betrieblichen Bestimmungen und beträgt
3.451,50 € brutto
(in Worten dreitausendvierhunderteinundfünfzig Euro, fünfzig Cent)
Sie wird spätestens zum Monatsende überwiesen.
...
8. Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen, die Arbeitsordnung, die sonstigen Betriebsvereinbarungen, die Verhaltensrichtlinie und die sonstigen Richtlinien sowie die Anweisungen der Firma in der jeweiligen Fassung.
..."
Im Zuge der Einstellungsverhandlungen äußerte der Kläger Vergütungsvorstellungen, die bei der damals maßgeblichen betrieblichen und tariflichen Arbeitszeit von 36 Stunden wöchentlich seitens der Beklagten nicht realisiert werden konnten. Die Parteien verständigten sich deshalb dahingehend, dass der Kläger zwar das von ihm gewünschte Gehalt erhalten, hierfür aber wöchentlich 40 Stunden arbeiten solle. In Ansehung dieser Vereinbarung unterzeichneten die Parteien ein Schreiben der Beklagten vom 03.04.2002 folgenden Inhalts:
"... in Absprache mit dem Betriebsrat und in Anlehnung an die bestehende Absprache mit dem G. Germersheim gewähren wir Ihnen mit Wirkung vom 01.05.2002 eine monatliche Mehrarbeitszeitpauschale von 17,4 Stunden.
Diese hier getroffene Vereinbarung ist jederzeit widerruflich. Sie kann insbesondere dann widerrufen werden, wenn sich die Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen sie abgeschlossen worden ist, wesentlich oder ganz ändern. Sie erhalten über den genauen Termin der Rückführung der Pauschale zum gegebenen Zeitpunkt nochmals eine Information.
..."
Am 26.01.2016 schloss die Beklagte mit der IG-Metall einen "Tarifvertrag zur Neuorganisation der Logistik-Center der D. AG in Deutschland". Dieser Tarifvertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:
"...
2. Altbelegschaft - Stufenweise Arbeitszeiterhöhung auf 39 Stunden pro Woche
(1) Ab dem 01.01.2016 wird die tarifliche Arbeitszeit ohne Pausen auf 37,5 Stunden pro Woche und ab dem 01.01.2017 auf 39 Stunden pro Woche ohne Entgeltausgleich erhöht.
...
(4) Beschäftigte können pro Erhöhung im Sinne von Absatz 1 einmalig anstelle der Arbeitszeiterhöhung eine entsprechende Minderung des Arbeitsentgelts wählen. Dieses Wahlrecht muss spätestens einen Monat vor der jeweiligen Arbeitszeiterhöhung geltend gemacht werden. Das Wahlrecht gilt nur für die beiden Zeitpunkte der Arbeitszeiterhöhung 01.01.2016 und 01.01.2017.
..."
Mit Schreiben vom 14.12.2015 kündigte die Beklagte die Vereinbarung über die Gewährung einer monatlichen Mehrarbeitspauschale zum 31.12.2015. Ein Widerruf der Vereinbarung vom 03.04.2002 erfolgte sodann mit Schreiben der Beklagten vom 21.01.2016 zum 01.02.2016 unter Hinweis auf den Tarifvertrag zur Neuorganisation der Logistik-Center.
Das monatliche Grundgehalt des Klägers beläuft sich auf 5.112,12 € brutto, die auf der Grundlage vom 03.04.2002 gezahlte Mehrarbeitszeitpauschale auf monatlich auf monatlich 568,01 € brutto.
Der Kläger hat sein Wahlrecht nach IV., 2., Abs. (4) des Tarifvertrages vom 26.01.2016 dahingehend ausgeübt, dass er sowohl für die Zeit ab dem 01.01.2016 die Arbeitszeiterhöhung auf 37,5 Stunden wöchentlich, als auch für die Zeit ab dem 01.01.2017 die (weitere) Arbeitszeiterhöhung auf 39 Wochenstunden gewählt hat.
Die Beklagte hat die Zusatzvereinbarung vom 03.04.2002 erneut vorsorglich zum 01.01.2017 widerrufen.
Mit seiner am 29.12.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten und im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens erweiterten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit sowohl der Kündigung als auch des Widerrufs der Zusatzvereinbarung vom 03.04.2002 geltend gemacht.
Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, die Vereinbarung vom 04.03.2002 sei nicht ausgehandelt worden. Vielmehr habe die Beklagte im Rahmen der Einstellungsgespräche erklärt, sie werde eine Möglichkeit finden, seinen finanziellen Vorstellungen zu entsprechen und habe ihm sodann die Vereinbarung vom 03.04.2002 zur Unterzeichnung vorgelegt. Die betreffende Vereinbarung unterliege daher der AGB-Kontrolle, der sie jedoch nicht standhalte.
Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,
festzustellen,
1. dass die Kündigung der Vereinbarung über die Gewährung einer monatlichen Mehrarbeitszeitpauschale in Höhe von 17,4 Stunden vom 14.12.2015 rechtsunwirksam ist,
2. dass zwischen den Parteien eine Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche über den 31.12.2015 hinaus vertraglich vereinbart ist,
3. dass der Widerruf der Beklagten vom 21.01.2016 bezüglich der Mehrarbeitspauschale gemäß Vereinbarung vom 03.04.2002 rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich u. a. geltend gemacht, die Vereinbarung vom 03.04.2002 beruhe auf einer ausdrücklichen individuellen Absprache mit dem Kläger. Sie - die Beklagte - habe die ausgehandelten Bedingungen lediglich schriftlich niedergelegt. Ein Verstoß gegen § 308 Nr.4 BGB sei deshalb ausgeschlossen. Die vereinbarte Mehrarbeitszeitpauschale beruhe darauf, dass der Arbeitsvertrag eine tarifvertragliche Wochenarbeitszeit von 36 Stunden ausweise. Wenn sich die tarifliche Arbeitszeit jedoch, wie vorliegend, ab dem 01.01.2016 auf 37,5 Stunden und ab dem 01.01.2017 auf 39 Stunden pro Woche - ohne Entgeltausgleich - erhöhe, so änderten sich damit zugleich die tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen die Vereinbarung geschlossen worden sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.11.2016, auf dessen Tatbestand (Bl. 100-103 d. A.) ergänzend zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, festgestellt, dass die Zusatzvereinbarung der Parteien vom 03.04.2002 zum Arbeitsvertrag über den 01.01.2016 hinaus fortbesteht. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 103-106 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 23.11.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.12.2016 Berufung eingelegt und diese am 12.01.2017 begründet.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die vereinbarten Voraussetzungen für einen Widerruf der Zusatzvereinbarung vom 03.04.2002 erfüllt. Keineswegs könne nämlich die tarifliche Arbeitszeitenerhöhung ohne Lohnausgleich als lediglich unwesentliche Änderung der Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten angesehen werden, unter denen die betreffende Vereinbarung geschlossen worden sei. Der vereinbarte Widerrufsvorbehalt halte einer Inhaltskontrolle stand. Der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses werde nicht angetastet, da das dem Kläger fest zugesagte Gehalt die tarifliche Vergütung nicht unterschreite und der widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes 25 Prozent nicht überschreite. Es sei auch anerkannt, dass das Widerrufsrecht wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung im Arbeitsrecht notwendig sei. Der vereinbarte Widerrufsvorbehalt werde den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben auch im Übrigen gerecht. Die Vereinbarung lasse erkennen, dass der Widerruf nicht ohne Grund, sondern vielmehr nur dann erfolgen könne, wenn sich die Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen die Vereinbarung abgeschlossen worden sei, wesentlich oder ganz änderten. Damit werde mehr oder weniger die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung angesprochen. Wenn sich nämlich die tarifliche Arbeitszeit, die auch arbeitsvertraglich vereinbart worden sei, verändere, so müsse der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, Arbeitszeit, Vergütung und Mehrarbeitspauschale zu verändern. Damit seien die Gründe angegeben, die für den Widerruf heranzuziehen seien. Dabei sollten nur wesentliche Änderungen der Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten ausreichend sein. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt, da die Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich von 36 auf 37,5 und später auf 39 Stunden zweifelsfrei eine wesentliche Änderung darstelle. Der Kläger habe durch die Widerrufsklausel erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen müsse. Sie - die Beklagte - habe den Widerruf der Zulage auch nach billigem Ermessen ausgeübt. Die Änderung der tariflichen Arbeitszeit - als Beitrag zur Standortsicherung - bilde einen dringenden betrieblichen Grund, welcher den Widerruf rechtfertige.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 11.01.2017 (Bl. 127-133 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 17.02.2017 (Bl. 141-145 d. A.), auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
II. Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht die erstinstanzlichen Klageanträge zusammenfassend dahin ausgelegt, dass der Kläger die Feststellung begehrt, dass die zwischen ihm und der Beklagten getroffene Vereinbarung vom 03.04.2002 über die Zahlung einer monatlichen Mehrarbeitszeitpauschale - ungeachtet sowohl der seitens der Beklagten erklärten Kündigung als auch des diesbezüglichen Widerrufs - fortbesteht. Das Berufungsgericht folgt insoweit den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs.2 ArbGG fest.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken. Das nach § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zweifellos gegeben.
2. Die Klage ist auch begründet.
Die unter dem Datum vom 03.04.2002 zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über die Zahlung einer monatlichen Mehrarbeitszeitpauschale besteht fort. Sie ist weder durch die von der Beklagten erklärte Kündigung, noch infolge deren Widerrufserklärungen beendet worden.
a) Die von der Beklagten erklärte Kündigung vom 14.12.2015 ist unwirksam, da es sich um eine unzulässige Teilkündigung handelt. Das Arbeitsverhältnis ist als Einheit zu betrachten, aus der nicht einzelne Abreden herausgekündigt werden können, auf deren Existenz möglicherweise die Bereitschaft zum Abschluss der anderen Vereinbarungen gerade beruht. Daher kann ein Arbeitsverhältnis nur als Ganzes gekündigt werden (KR-Kreft, 11. Auflage, § 2 KSchG, Rz. 87 m. N. a. d. R.).
b) Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Erklärung der Beklagten vom 14.12.2015 nicht als Kündigung, sondern im Hinblick auf den vereinbarten Widerrufsvorbehalt als Widerrufserklärung auslegt. Denn auch ein Widerruf der Vereinbarung vom 03.04.2002 ist unwirksam. Entsprechendes gilt sowohl für die ausdrückliche Widerrufserklärung vom 21.01.2016 sowie für den weiteren, mit Wirkung zum 31.12.2016 erklärten Widerruf.
aa) Die Parteien haben die Zahlung einer monatlichen Mehrarbeitszeitpauschale in ihrer Vereinbarung vom 03.04.2002 unter einen ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt gestellt. Da die Mehrarbeitszeitpauschale weniger als 25 Prozent der Gesamtvergütung des Klägers ausmacht, greift der Widerruf noch nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ein. Für die Entziehung der Pauschale bedurfte es daher nicht des Ausspruchs einer Änderungskündigung.
bb) Die in der Vereinbarung vom 03.04.2002 enthaltene Widerrufsregelung ist jedoch unwirksam. Ihre inhaltliche Fassung genügt nicht den Anforderungen des § 308 Nr.4 i. V. m. § 307 BGB.
(1) Auf den unstreitig von der Beklagten vorformulierten Widerrufsvorbehalt finden nach § 310 Abs.3 Nr.2 die AGB-Vorschriften der §§ 307-309 BGB Anwendung, da die betreffende Vertragsbedingung zwar nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist, der Kläger jedoch aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.
Die Möglichkeit eines "Einflussnehmens" i. S. v. § 310 Abs.3 Nr.2 BGB setzt voraus, dass der Verwender die Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung von dessen eigenen Interessen einräumt (BAG v. 19.05.2010 - 5 AZR 253/09 - EzA BGB 2002, § 310 Nr. 10). Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Möglichkeit zur Einflussnahme trägt der Verbraucher/Arbeitnehmer. Allerdings gilt zu seinen Gunsten eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Verbraucher/Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast in einem ersten Schritt dadurch, dass er die Vorformulierung der Vertragsbedingungen und das Fehlen einer Einflussmöglichkeit behauptet. Es ist sodann Sache des Verwenders/Arbeitgebers, im Einzelnen und substantiiert darzulegen, dass es sehr wohl Möglichkeiten der Einflussnahme gab.
Demnach kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die Möglichkeit gegeben war, auf den Inhalt der von der Beklagten vorformulierten Widerrufsklausel Einfluss zu nehmen. Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe im Bewerbungsgespräch erklärt, sie werde eine Möglichkeit finden, seinen finanziellen Vorstellungen zu entsprechen und habe ihm sodann die Vereinbarung (vorformuliert) zur Unterzeichnung vorgelegt. Diesem Sachvortrag ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr diesbezügliches Vorbringen erschöpft sich in der (pauschalen) Behauptung, die Bedingungen der Vereinbarung seien "konkret" ausgehandelt worden und sie habe das ausgehandelte Ergebnis lediglich schriftlich niedergelegt. Es mag zwar zutreffen, dass die Zahlung einer monatlichen Mehrarbeitszeitpauschale von 17,4 Stunden zwischen den Parteien ausgehandelt wurde und dem Kläger insoweit eine Einflussmöglichkeit gegeben war. Bezüglich des im zweiten Absatz des Schreibens vom 03.04.2002 enthaltenen Widerrufsvorbehalts kann hiervon jedoch nicht ausgegangen werden. Diesbezüglich fehlt es an einem ausreichenden Sachvortrag der Beklagten.
(2) Die Wirksamkeit des Widerrufsvorbehalts beurteilt sich daher nach § 308 Nr.4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Für die Auslegung von § 308 Nr. 4 BGB sind ergänzend die allgemeinen Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen. Das Recht, von der versprochenen Leistung abzuweichen, das sich der Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehält, ist nur wirksam vereinbart, wenn der Vorbehalt nach § 308 Nr.4 BGB unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders auch dem anderen Vertragsteil zumutbar ist (BAG v. 19.12.2006 - 9 AZR 294/06 - Rz. 22, AP Nr. 21 zu § 611 BGB Sachbezüge). Danach ist die Vereinbarung eines Widerrufsrechts dem anderen Vertragsteil nur dann zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Die Widerrufsregelung muss klar und verständlich sein. Der Sachgrund für den Widerruf muss in der Klausel in einer Weise konkretisiert werden, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was gegebenenfalls auf ihn zukommt. Der Arbeitnehmer muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen muss (BAG v. 13.04.2010 - 9 AZR 113/09 - AP Nr. 8 zu § 308 BGB). Zumindest muss die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). Welches die Gründe sind, ist keineswegs selbstverständlich und für den Arbeitnehmer durchaus von Bedeutung. Der Grad der Störung (z. B. wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers, schwerwiegende Pflichtverletzungen) muss konkretisiert werden, wenn der Verwender hierauf abstellen will (BAG v. 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 - AP Nr. 6 zu § 308 BGB).
(3) Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Widerrufsregelung als unwirksam. Sie ist zu weitgehend und lässt überdies nicht ausreichend erkennen, unter welchen Voraussetzungen mit einem Widerruf gerechnet werden muss.
Nach Satz 1 des zweiten Absatzes der Vereinbarung vom 03.04.2002 soll die Vereinbarung "jederzeit widerruflich" sein. Stellt man alleine auf diese Formulierung ab, so bedürfte es für einen Widerruf keines sachlichen Grundes, was zweifellos zur Unwirksamkeit der Widerrufsregelung führen würde. Aber auch dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgeht, dass der betreffende Satz lediglich dahingehend zu verstehen ist, dass die Ausübung des Widerrufsrechts an keinen bestimmten Zeitpunkt gebunden ist und die Widerrufsgründe selbst erst im darauffolgenden Satz genannt sind, liegt keine ausreichende Konkretisierung der Gründe vor, die eine Widerrufsmöglichkeit eröffnen sollen. Nach Satz 2 des zweiten Absatzes der Vereinbarung vom 03.04.2002 kann diese "insbesondere dann widerrufen werden, wenn sich die Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen sie abgeschlossenen worden ist, wesentlich oder ganz ändern". Diese Bestimmung enthält indessen erkennbar keine abschließende Aufzählung von Widerrufsgründen. Vielmehr werden dort, wie sich aus der Verwendung des Begriffs "insbesondere" deutlich ergibt, bestimmte Widerrufsgründe nur beispielhaft genannt. Keineswegs lässt sich der Bestimmung entnehmen, dass ein Widerruf nur bzw. ausschließlich aus den genannten Gründen erfolgen kann. Die Klausel lässt daher letztlich offen, aus welchen Gründen dem Kläger die Mehrarbeitszeitpauschale entzogen werden kann. Für den Kläger ist in Ansehung der Formulierung ("insbesondere") nicht erkennbar, was ggfls. auf ihn zukommt, bzw. aus welcher Richtung ein den Widerruf ermöglichender Grund entstehen kann.
Nichts anderes ergibt sich, wenn man den in der Widerrufsklausel enthaltenen Verweis auf die wesentliche oder gänzliche Änderung der Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen die Vereinbarung abgeschlossen wurde, als abschließende und ausschließliche Bezeichnung eines Widerrufsgrundes ansieht. Unter der Änderung von "Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten" können nämlich - entgegen der Ansicht der Beklagten - keineswegs nur oder zumindest in erster Linie Änderungen der tariflichen bzw. betrieblichen Arbeitszeit verstanden werden, sondern beispielsweise auch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten und der Leistungsfähigkeit des Klägers. Die Klausel eröffnet daher von ihrem Wortlaut her eine Widerrufsmöglichkeit im Falle einer wesentlichen Änderung sämtlicher denkbaren Umstände und tatsächlichen Gegebenheiten, die bei Vertragsschluss vorlagen. Ein zum Widerruf berechtigender Sachgrund wird somit auch von daher in der Klausel in keiner Weise konkretisiert.
Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Widerrufsklausel ist nicht möglich. Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einem Regelungsgehalt zurückzuführen, der in Einklang mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht (BAG v. 13.04.2010 - 9 AZR 113/09 - AP Nr. 8 zu § 308 BGB).
(4) Auch eine Teilung der Widerrufsklausel in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil kommt vorliegend nicht in Betracht. Zum einen fehlt es an einem zulässigen Teil, zum anderen ist die betreffende Klausel inhaltlich und sprachlich nicht teilbar.
(5) Schließlich scheidet auch eine ergänzende Vertragsauslegung aus.
Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass der Regelungsplan der Parteien vervollständigt werden muss, weil durch die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel eine Regelungslücke entsteht. Das ist nur anzunehmen, wenn die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene Lösung bietet, die den typischen Interessen des Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung trägt. Nicht jede Verschiebung der Gewichte zu Lasten des Verwenders rechtfertigt jedoch die Annahme einer ergänzungsbedürftigen Lücke. Grundsätzlich sind die Gerichte nicht befugt, die unzulässige Klausel mit Hilfe ergänzender Vertragsauslegung durch eine zulässige Klauselfassung zu ersetzen, die der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen voraussichtlich gewählt hätte, wäre ihm die Unzulässigkeit der Klausel bekannt gewesen (BAG v. 13.04.2010 - 9 AZR 113/09 - AP Nr. 8 zu § 308).
Die Vereinbarung vom 03.04.2002 wurde erst nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 geschlossen. Eine ergänzende Auslegung der unwirksamen Widerrufsklausel auf anerkennenswerte Sachgründe für den Widerruf der Mehrarbeitszeitpauschale nähme der Beklagten das Risiko der unzulässig zu weit gefassten Klausel vollständig und wäre eine Vertragshilfe allein zu ihren Gunsten (vgl. BAG v. 13.04.2010, a. a. O.).
Auch eine unzumutbare Härte für die Beklagte i. S. v. § 306 Abs.3 BGB ist nicht ersichtlich, wenn an der Verpflichtung zur Weiterzahlung der Mehrarbeitspauschale festgehalten wird. Der Kläger hat nach wie vor als Gegenleistung eine um monatlich 17,4 Stunden erhöhte tarifliche bzw. betriebliche Arbeitszeit zu erbringen. Dies ungeachtet des Umstandes, dass sich die tarifliche Arbeitszeit erhöht hat.
Die Fortführung der Vereinbarung vom 03.04.2002 entspricht auch nach wie vor der ihrem Abschluss zugrundeliegenden Interessenlage der Parteien. Diese war dadurch gekennzeichnet, dass den Gehaltsvorstellungen des Klägers im Wege der Vereinbarung einer festen Mehrarbeitszeitpauschale entsprochen werden sollte. An dieser Interessenlage hat sich durch die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit nichts geändert.
III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs.1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72a ArbGG), wird hingewiesen.
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