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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/111

Zeug­nis ein­kla­gen - aber wann?

Ei­ne Zeug­nis­kla­ge setzt ei­nen er­folg­lo­sen Ab­hol­ver­such des Ar­beit­neh­mers oder die of­fen­sicht­li­che Er­folg­lo­sig­keit ei­nes sol­chen Ver­suchs vor­aus: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 06.02.2013, 10 Ta 31/13
Mann am Postkasten

24.04.2013. Ar­beit­neh­mer ha­ben ei­nen An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses, wenn das Ar­beits­ver­hält­nis en­det.

Der Zeug­nis­an­spruch ist ei­ne Hol­schuld. Das be­deu­tet, dass der Ar­beit­ge­ber das Zeug­nis schrei­ben und im Be­trieb zur Ab­ho­lung be­reit­le­gen muss, d.h. der Ar­beit­neh­mer muss es sich ab­ho­len (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 08.03.1995, 5 AZR 848/93).

Ob­wohl es üb­lich ist, dass Ar­beit­ge­ber ei­nem aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer das Ar­beits­zeug­nis per Post nach Hau­se schi­cken, sind sie da­zu recht­lich nicht ver­pflich­tet. Wer da­her oh­ne ei­nen er­folg­lo­sen Ver­such, sich sein Zeug­nis im Be­trieb ab­zu­ho­len, auf Zeug­nis­er­tei­lung klagt, ris­kiert die Be­las­tung mit Ge­richts­ge­büh­ren: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 06.02.2013, 10 Ta 31/13.

Wann soll­te man auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses kla­gen?

Wie oft im Le­ben kommt es auch bei Kla­gen auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses auf den rich­ti­gen Zeit­punkt an.

Wer sich nach Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit ei­ner Zeug­nis­kla­ge zu lan­ge Zeit lässt, ris­kiert, dass die Ar­beits­ge­rich­te den An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses ab­wei­sen, weil sie ihn als "ver­wirkt" an­se­hen. Ansprüche können nämlich nach Treu und Glau­ben (§ 242 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB) we­gen Ver­wir­kung nicht mehr gel­tend ge­macht wer­den, wenn sich der An­spruchs­be­rech­tig­te all­zu lan­ge nicht auf sei­nen An­spruch be­ru­fen hat (Zeit­mo­ment) und der Schuld­ner da­her dar­auf ver­trau­en konn­te, er müsse den An­spruch nicht mehr erfüllen (Um­stands­mo­ment).

Mit der Ver­wir­kung des Zeug­nis­an­spruchs sind die Ar­beits­ge­rich­te schnell bei der Hand. An­geb­lich soll der Zeug­nis­an­spruch je nach den Umständen des Fal­les schon vier bis sechs Mo­na­te nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­wirkt sein. Es ist Ar­beit­neh­mern da­her drin­gend zu ra­ten, sich mit der Durch­set­zung des Zeug­nis­an­spruchs nicht zu viel Zeit zu las­sen.

An­de­rer­seits wird der An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes "qua­lif­zier­ten", d.h. auf Leis­tung und Führung be­zo­ge­nen (End-)Zeug­nis­ses erst mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses fällig und das auch nur dann, wenn der Ar­beit­neh­mer ein sol­ches Zeug­nis ver­langt. Denn da­zu heißt es in § 109 Abs.1 Satz 3 Ge­wer­be­or­dung (Ge­wO), dass der Ar­beit­neh­mer ein qua­lif­zier­tes Zeug­nis "ver­lan­gen kann", so dass der Ar­beit­ge­ber oh­ne ei­ne sol­che Bit­te ein qua­lif­zier­tes Zeug­nis gar nicht er­stel­len muss.

Da­her soll­te man ei­ne Zeug­nis­kla­ge auch nicht vor­schnell er­he­ben, wie ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg zeigt.

Der Fall des LAG: Ar­beit­ge­ber si­gna­li­siert, dass ein Zeug­nis recht­zei­tig zur Ab­ho­lung be­reit liegt, doch statt zum Be­trieb geht der Ar­beit­neh­mer zum Ge­richt

Im Streit­fall en­de­te das Ar­beits­verhält­nis ei­nes kaufmänni­schen An­ge­stell­ten am 31.07.2012. Be­reits vor­ab im Ju­li reich­te der An­ge­stell­te ei­nen Zeug­nis­ent­wurf ein, zu dem der Ar­beit­ge­ber erklärte, dass er in­halt­lich in Ord­nung ge­he und am Stich­tag (31.07.2012) un­ter­schrie­ben wer­de.

Am 07.08.2012 for­der­te der An­ge­stell­te den Ar­beit­ge­ber auf, ihm das Zeug­nis bin­nen drei Ta­gen zu über­sen­den, wor­auf­hin der Ar­beit­ge­ber am 17.08.2012 mit­teil­te, dass das Zeug­nis un­ter­schrie­ben zur Ab­ho­lung im Be­trieb be­reit lie­ge.

Zwi­schen­zeit­lich (am 15.08.2012) hat­te der An­ge­stell­te aber schon Kla­ge auf Er­tei­lung ei­ner Zeug­nis­ses ein­ge­reicht, die dem Ar­beit­ge­ber am 21.08.2012 zu­ge­stellt wur­de. Und an­statt sich das Zeug­nis im Be­trieb ab­zu­ho­len, war­te­te der An­ge­stell­te den Güte­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt am 13.09.2012 ab, um sich Zeug­nis im Ge­richts­saal über­ge­ben zu las­sen.

Da der Pro­zess we­gen an­de­rer Ansprüche wei­ter fort­ge­setzt wur­de, kam es zu ei­nem wei­te­ren Ge­richts­ter­min (Kam­mer­ter­min), in dem die Par­tei­en den Streit in be­zug auf das Zeug­nis übe­rein­stim­mend für er­le­digt erklärten. Das Ar­beits­ge­richt brumm­te dem An­ge­stell­ten dar­auf­hin 272,00 EUR Ge­richts­kos­ten für die Zeug­nis­kla­ge auf.

Da­ge­gen leg­te der An­ge­stell­te Be­schwer­de ein, die das Ar­beits­ge­richt dem LAG vor­leg­te.

LAG Ber­lin-Bran­den­burg: Wer oh­ne vor­he­ri­gen Ab­hol­ver­such ein Zeug­nis ein­klagt, hat in der Re­gel die Kos­ten zu tra­gen

Das LAG erklärte die Kos­ten­ent­schei­dung für rech­tens, so dass der An­ge­stell­te auf den 272,00 EUR Ge­richts­kos­ten sit­zen blieb.

Zur Be­gründung ver­weist das LAG dar­auf, dass ein Zeug­nis nun ein­mal ei­ne Hol­schuld und kei­ne Schick- oder Bring­schuld ist. Und da der An­ge­stell­te hier vor Kla­ge­er­he­bung kei­nen Ver­such un­ter­nom­men hat­te, das Zeug­nis im Be­trieb ab­zu­ho­len, hat­te er die Kla­ge oh­ne recht­lich be­gründe­ten An­lass bzw. vor­schnell er­ho­ben.

Außer­dem, so das LAG, hätte er die Ge­richts­kos­ten ver­mei­den können, wenn er die Kla­ge so­fort nach dem 17.08.2012 (und da­mit noch vor Zu­stel­lung der Kla­ge) zurück­ge­nom­men hätte. Denn an die­sem Tag hat­te er ja er­fah­ren, dass das Zeug­nis zur Ab­ho­lung be­reit lie­ge. Ei­ne Kla­gerück­nah­me hätte der An­ge­stell­te auch im Güte­ter­min noch erklären können.

Fa­zit: Will der Ar­beit­neh­mer ein Zeug­nis ein­kla­gen, trägt er ein (ge­rin­ges) Kos­ten­ri­si­ko, wenn er vor­schnell zu Ge­richt zieht. Denn ob­wohl er gemäß § 12a Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) auch im Fal­le der Ab­wei­sung sei­ner Kla­ge nicht da­zu ver­pflich­tet ist, dem Ar­beit­ge­ber die Kos­ten für des­sen an­walt­li­che Ver­tre­tung zu er­stat­ten, kann er mit (über­schau­ba­ren) Ge­richts­kos­ten be­las­tet wer­den, wenn er sei­ne ver­frühte Kla­ge nicht vor Stel­lung der Anträge im Kam­mer­ter­min zurück­nimmt.

An­ders ist es al­ler­dings dann, wenn der Ar­beit­ge­ber mit­teilt, dass er das Zeug­nis per Post über­sandt ha­be - nur dass es dort nicht an­ge­kom­men ist. Denn beim Post­ver­sand tun Ar­beit­ge­ber mehr bzw. et­was an­de­res, als sie recht­lich ge­se­hen müss­ten. Geht das Zeug­nis dann auf dem Post­weg ver­lo­ren, müssen Ar­beit­ge­ber es noch ein­mal aus­stel­len, wie das LAG Rhein­land-Pfalz ent­schie­den hat (Be­schluss vom 15.03.2011, 10 Ta 45/11 - wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/150 Ar­beits­zeug­nis - Überg­a­be: Be­weis­last für Überg­a­be des Zeug­nis­ses).

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Letzte Überarbeitung: 18. April 2020

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