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Tarifeinheit und Streikrecht
05.01.2015. Anfang November 2014 entschied das Hessisches Landesarbeitsgericht (LAG), dass die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Betriebe des Deutsche-Bahn-Konzerns bestreiken darf.
Dabei ging es um einen von der GDL angekündigten fünftägigen Streik, den sie dann aber selbst vorzeitig stoppte bzw. nicht weiter durchführte, nachdem sie vor dem LAG gewonnen hatte.
Mittlerweile liegen die Urteilsgründe vor. Sie werden im folgenden kurz besprochen: Hessisches LAG, Urteil vom 07.11.2014, 9 SaGa 1496/14.
- Müssen die Gerichte Streiks kleiner Gewerkschaften schärfer kontrollieren, nachdem das BAG den Grundsatz der Tarifeinheit im Jahre 2010 aufgegeben hat?
- Im Streit: Androhung eines fünftätigen Streiks durch die GDL Anfang November 2014
- Hessisches LAG : Kein gerichtlicher Stopp des Lokführerstreiks ohne gesetzliche Regelung der Tarifeinheit
Müssen die Gerichte Streiks kleiner Gewerkschaften schärfer kontrollieren, nachdem das BAG den Grundsatz der Tarifeinheit im Jahre 2010 aufgegeben hat?
Der Grundsatz der Tarifeinheit besagt, dass nur die Tarifverträge einer Gewerkschaft auf alle Arbeitnehmer eines Betriebs angewandt werden, auch wenn einige Arbeitnehmer des Betriebs in anderen Gewerkschaften organisiert sind. Deren Tarifverträge werden daher durch den Grundsatz der Tarifeinheit verdrängt, d.h. sie kommen nicht zu Anwendung, obwohl sie eigentlich gemäß § 4 Abs.1 Tarifvertragsgesetz (TVG) angewendet werden müssten.
Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), die das BAG im Jahre 2010 aufgegeben hat (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/134 Abschied vom Grundsatz der Tarifeinheit), setzte sich dabei derjenige Tarifvertrag durch, der die für den Betrieb speziellsten, d.h. sachlich am besten passenden Regelungen bereit hält. Und solche Tarifverträge konnten infolge ihrer langjährigen erfolgreichen Tarifpraxis meist die großen mitgliederstarken Gewerkschaften vorweisen, die im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zusammengeschlossen sind.
Derzeit möchte die SPD-Arbeitsministerin Nahles den Grundsatz der Tarifeinheit per Gesetz festschreiben und damit die Änderung der BAG-Rechtsprechung rückgängig machen (wir berichteten u.a. in Arbeitsrecht aktuell: 14/232 Eckpunkte zur Tarifeinheit und Streikrecht). Bis ein solches Gesetz allerdings verabschiedet ist, wird aber noch einige Zeit vergehen. Und bis dahin gilt der Grundsatz der Tarifeinheit jedenfalls nicht.
Vor diesem Hintergrund fragt sich, ob die Arbeitsgerichte nicht die Streiks kleinerer Gewerkschaften, die durch die Rechtsprechungsänderung des BAG Rückenwind erhalten haben, genauer überprüfen müssten. Arbeitgeberjuristen argumentieren hier, dass Arbeitgeber seit 2010 stärker in die Streikzange genommen werden können, so dass die sog. "Kampfparität" zulasten der Arbeitgeberseite und zugunsten kleinerer Gewerkschaften verschoben bzw. gestört sei.
Im Streit: Androhung eines fünftätigen Streiks durch die GDL Anfang November 2014
Nachdem die GDL angekündigt hatte, vom 05.11.2014 um 15:00 Uhr (Mittwoch) bis zum 10.11.2014 frühmorgens (Montag) zu streiken, zogen fünf Unternehmen des Deutsche-Bahn-Konzerns am 06.11.2014 (Donnerstag) vor das Arbeitsgericht Frankfurt am Main und beantragten, der GDL den Streik durch eine gerichtliche Eilentscheidung verbieten zu lassen.
Dabei argumentierten sie, die GDL verstoße gegen die Friedenspflicht, die sich aus einem - allerdings von der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vereinbarten - Tarifvertrag ergeben sollte.
Außerdem sei der Streik wegen erheblicher wirtschaftlicher Schäden unverhältnismäßig.
Drittens müssten die Gerichte seit der Abkehr des BAG vom Grundsatz der Tarifeinheit generell strengere Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Streiks kleinerer Gewerkschaften stellen, denn die aus Tarifverträgen sich ergebende Friedenspflicht schütze die Arbeitgeber nicht mehr so wie früher, da jede Gewerkschaft nur an die Friedenspflicht gebunden sei, die sich aus ihren eigenen Tarifverträgen ergebe.
Das Arbeitsgericht Frankfurt wies den Eilantrag noch am selben Tag nach mündlicher Verhandlung zurück, das Urteil wurde nach 23:00 Uhr verkündet.
Hessisches LAG : Kein gerichtlicher Stopp des Lokführerstreiks ohne gesetzliche Regelung der Tarifeinheit
Sage einer, die Justiz arbeite langsam: Noch am folgenden Freitag, dem 07.11.2014, verhandelte das LAG über die inzwischen von den Bahnunternehmen eingelegte Berufung und wies diese durch Urteil vom selben Tag zurück (Hessisches LAG, Urteil vom 07.11.2014, 9 SaGa 1496/14). Denn von den Argumenten der bestreikten Bahnunternehmen ließ sich das LAG nicht überzeugen.
Die GDL hatte mit ihrem Streik nicht gegen die aus einem EVG-Tarifvertrag folgende Friedenspflicht verstoßen, so das LAG, denn dieser von den Bahnunternehmen herangezogene Tarifvertrag war nur ein Rahmen- oder Grundlagentarifvertrag, d.h. er war darauf hin angelegt, durch weitere Tarifverträge konkretisiert zu werden. Außerdem war die GDL nicht an die Friedenspflicht aus diesem Tarifvertrag gebunden, weil nicht sie, sondern die EVG ihn abgeschlossen hatte.
Der Streik war nach Ansicht des LAG auch nicht wegen angeblich horrender wirtschaftlicher Schäden unverhältnismäßig. Die Bahnunternehmen hatten hier zwar die Zahl von 100 Mio. Euro in den Raum gestellt, doch das LAG wies darauf hin, dass der Streik ja von vornherein auf einige Tage begrenzt und angekündigt worden war, so dass sich die Bahnunternehmen darauf hätten einstellen können.
Schließlich meinte das LAG, die von der Arbeitgeberseite geforderte Begrenzung des Streikrechts kleiner Gewerkschaften könnte nicht durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffen werden. Nachdem das BAG den Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben hat, ist es rechtlich zulässig, dass mehrere Gewerkschaften in einem gewerkschaftspluralen Betrieb Tarifforderungen für dieselbe Berufsgruppe erheben und dafür auch streiken, so das LAG.
Fazit: Das LAG hat sich zurecht dem Ansinnen der Bahnunternehmen verweigert, den GDL-Streik zu stoppen. Der Streik stieß zwar in der Öffentlichkeit vielfach auf Unverständnis oder sogar auf Ablehnung, da die GDL nicht in erster Linie für fünf Prozent mehr Lohn streikte, sondern vor allem für ihr organisationspolitisches Ziel, auch das Zugpersonal und die Rangierführer zu vertreten. Auch mit solchen Streiks machen die streikenden Gewerkschaften und Arbeitnehmer aber von ihrem Koalitionsgrundrecht (Art.9 Abs.3 Grundgesetz - GG) Gebrauch.
Würden die Arbeitsgerichte Streiks immer schon dann per einstweiliger Verfügung stoppen, wenn der bestreikte Arbeitgeber vor Gericht etwas von angeblich horrenden Schäden murmelt, wäre das Grundrecht auf Streik nichts mehr wert.
Kritisch ist allenfalls anzumerken, dass das Streikrecht der GDL bereits lange vor Aufgabe des Tarifeinheitsgrundsatzes durch das BAG in der Rechtsprechung anerkannt war. Denn der Grundsatz der Tarifeinheit setzt konkurrierende (echte) Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften voraus und damit das Streikrecht dieser Gewerkschaften. Daher hatte das Sächsische LAG bereits 2007 entschieden, dass die GDL zu Lokführerstreiks im Güterverkehr und im Personenfernverkehr aufrufen darf, obwohl die bestreikten Bahnunternehmen damals wie heute der Meinung waren, die GDL-Streiks seien unverhältnismäßig (Sächsisches LAG, Urteil vom 02.11.2007, 7 SaGa 19/07, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 07/76 Lokführer dürfen im Güterverkehr und im Personenfernverkehr streiken).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 07.11.2014, 9 SaGa 1496/14
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Keine Untersagung des Bahnstreiks der GDL durch einstweilige Verfügung des Hessischen Landesarbeitsgerichts, Pressemeldung des Gerichts vom 07.11.2014 (9 SaGa 1496/14)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.01.2010, 4 AZR 549/08 (A)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.06.2010, 10 AS 3/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Streik und Streikrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifeinheit, Grundsatz der Tarifeinheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 18/155 Tariffähigkeit einer Gewerkschaft hängt weiter von ihrer Mächtigkeit ab
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- Arbeitsrecht aktuell: 15/239 Kein Schadensersatz für Streikfolgen
- Arbeitsrecht aktuell: 15/139 Tarifeinheit und internationales Recht
- Arbeitsrecht aktuell: 15/032 Gesetzentwurf zur Tarifeinheit
- Arbeitsrecht aktuell: 14/387 Frage des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 14/232 Eckpunkte zur Tarifeinheit und Streikrecht
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- Arbeitsrecht aktuell: 11/114 BDA-DGB-Gesetzesinitiative zur Tarifeinheit beendet
- Arbeitsrecht aktuell: 10/134 Abschied vom Grundsatz der Tarifeinheit
- Arbeitsrecht aktuell: 07/76 Lokführer dürfen im Güterverkehr und im Personenfernverkehr streiken
Letzte Überarbeitung: 30. Oktober 2020
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