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Rückzahlung von Arbeitslohn an den Insolvenzverwalter
23.11.2013. Lohnzahlungen kurz vor der Insolvenz des Arbeitgebers können Arbeitnehmer im Normalfall endgültig behalten, d.h. spätere Rückforderungen des Insolvenzverwalters sind meist ausgeschlossen.
Anders ist es aber im Ausnahmefall, wenn der Arbeitnehmer die Lohnzahlung in einer Art und Weise erhalten hat, die er so nicht zu beanspruchen hat, z.B. im Wege der Zwangsvollstreckung.
Auch Zahlungen durch eine Schwesterfirma des insolventen Arbeitgebers sind ein solcher Ausnahmefall, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor einigen Tagen klargestellt hat: BAG, Urteil vom 21.11.2013, 6 AZR 159/12.
- Kann der Insolvenzverwalter Lohnzahlungen durch eine andere Firma auf Rechnung des Arbeitgebers kurz vor dessen Insolvenz durch Insolvenzanfechtung herausverlangen?
- Der Streitfall: Arbeitnehmer erhält über viele Monate vor der Insolvenz Lohnzahlungen von einer anderen Firma seines Chefs
- BAG: Lohnzahlungen können auch dann vom Insolvenzverwalter gemäß § 131 InsO herausverlangt werden, wenn eine Schwesterfirma sie geleistet hat
Kann der Insolvenzverwalter Lohnzahlungen durch eine andere Firma auf Rechnung des Arbeitgebers kurz vor dessen Insolvenz durch Insolvenzanfechtung herausverlangen?
Wird der Arbeitgeber zahlungsunfähig und wird das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet, übernimmt der Insolvenzverwalter die Geschäfte. Dabei muss er nicht nur Vermögensgegenstände verkaufen, sondern auch offene Forderungen beitreiben. Was dabei herein kommt, wird nach Abzug der Kosten des Verfahrens an die Gläubiger gezahlt, wobei kein Gläubiger bevorzugt oder benachteiligt werden darf.
Um nicht gerechtfertigte Besserstellungen einzelner Gläubiger kurz vor Verfahrenseröffnung rückgängig zu machen, gibt das Gesetz dem Verwalter unter bestimmten Voraussetzungen das Recht der sog. Insolvenzanfechtung, d.h. das Recht, Gelder heraus zu verlangen, die der insolvente Arbeitgeber noch kurz vor Verfahrenseröffnung gezahlt hat.
Dabei sind Arbeitnehmer vor Rückforderungen gemäß § 130 Abs.1 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) nach der Rechtsprechung praktisch sicher. Diese Vorschrift betrifft Fälle der "kongruenten Deckung", d.h. reguläre Zahlungen in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag oder danach, falls dem Zahlungsempfänger zum Zeitpunkt der Zahlung die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bzw. der Insolvenzantrag bekannt war.
Da die Rechtsprechung
- nur bei buchhalterischem Insiderwissen davon ausgeht, dass Arbeitnehmer von der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers gewusst haben (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/002 Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen in aller Regel ungefährlich), und weil
- das BAG außerdem alle Zahlungen, mit denen Lohnansprüche für die letzten drei Monate vor der Zahlung beglichen werden, als sog. Bargeschäfte (§ 142 InsO) betrachtet und damit praktisch insolvenzfest macht (BAG, Urteil vom 06.10.2011, 6 AZR 262/10 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/195 Lohnansprüche bei Insolvenz - BAG begrenzt Insolvenzanfechtung),
haben Arbeitnehmer im Normalfall von § 130 Abs.1 Satz 1 Insolvenzordnung(InsO) nichts zu befürchten.
Anders ist es allerdings dann, wenn Arbeitnehmer kurz vor Toresschluss noch offene Lohnansprüche auf der Grundlage eines Titels (Gerichtsurteil, gerichtlicher Vergleich) im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben haben. Eine solche erzwungene Zahlung ist nämlich keine reguläre Zahlung, d.h. eine Forderungserfüllung, die dem Arbeitnehmer in dieser Art nicht zusteht und kann daher vom Verwalter auf der Grundlage von § 131 Abs.1 InsO ("inkongruente Deckung") herausverlangt werden ( BAG, Urteil vom 24.10.2013, 6 AZR 466/12 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/309 Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wurden).
Fraglich ist, ob Lohnzahlungen, die eine andere Firma anstelle des Arbeitgebers leistet, gemäß § 131 Abs.1 InsO anfechtbar sind oder nicht.
Der Streitfall: Arbeitnehmer erhält über viele Monate vor der Insolvenz Lohnzahlungen von einer anderen Firma seines Chefs
Ein Polier war von August 2007 bis Ende Januar 2009 bei der W. Spezialbau GmbH beschäftigt. Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der W. Spezialbau GmbH hatte noch eine zweite Firma, die er ebenfalls als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer führte, nämlich die W. & M. Bau GmbH.
Beide Firmen nutzten dieselben Geschäftsräume. Sie unterhielten ein gemeinsames Büro mit einer Sekretärin unter derselben Anschrift, Mailadresse und Faxanschluss. Von August 2008 bis Januar 2009 zahlte die W. & M. Bau GmbH immer wieder in unregelmäßigen Abständen Löhne an den Polier aus, jeweils mit dem Hinweis "für W. Spezialbau".
Nachdem Mitte Januar 2009 das Insolvenzverfahren über die für W. Spezialbau GmbH beantragt und später eröffnet worden war, verlangte der Insolvenzverwalter von dem Polier 3.656,75 EUR heraus, die dieser in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag durch die Schwesterfirma W. & M. Bau GmbH erhalten hatte. Sein Argument: Zahlungen durch Dritte sind im Allgemeinen als Fall der inkongruenten Deckung anzusehen, d.h. hier gilt § 131 Abs.1 InsO.
Das Arbeitsgericht gab dem Verwalter Recht (Arbeitsgericht Nordhausen, Urteil vom 25.01.2011, 1 Ca 651/10), das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) dagegen dem Polier (Urteil vom 08. 12.2011, 6 Sa 99/11). Denn das LAG meinte, hier eine Ausnahme machen zu müssen, weil der insolvente Arbeitgeber und die Schwesterfirma unter einheitlicher Leitung wirtschaftlich wie ein einheitlicher Betrieb geführt worden waren. Außerdem hatte der Polier seinen Lohn schon länger zuvor mehrfach von der Schwesterfirma erhalten.
BAG: Lohnzahlungen können auch dann vom Insolvenzverwalter gemäß § 131 InsO herausverlangt werden, wenn eine Schwesterfirma sie geleistet hat
Das BAG sah das anders und entschied für den Verwalter. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Wenn ein insolventer Arbeitgeber kurz vor Toresschluss einen Dritten darum bittet, den Arbeitslohn für ihn zu zahlen, ist die Zahlung im Allgemeinen als Fall von § 131 Abs.1 InsO anzusehen, d.h. hier liegt eine inkongruente Deckung vor. Denn der Arbeitnehmer erhält dann zwar seinen Lohn, aber nicht „in der Art“, wie er geschuldet ist.
Eine Ausnahme möchte das BAG auch dann nicht machen, wenn der insolvente Arbeitgeber und die für ihn zahlende Firma Schwesterunternehmen sind oder wenn sie einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten. Anders könnte es nur dann sein, wenn die Lohnzahlung auf einer dreiseitigen, insolvenzfest getroffenen Abrede beruht, so das BAG.
Fazit: Die Entscheidung des BAG ist insolvenzrechtlich nachvollziehbar, lässt betroffene Arbeitnehmer aber im Regen stehen. Denn der Arbeitnehmer kann es nicht verhindern, dass eine Schwesterfirma, Tochterfirma oder die Muttergesellschaft offene Löhne bezahlt, d.h. mit dieser Zahlung "durch Dritte" sind seine Lohnansprüche rechtswirksam erfüllt.
Der Vertragsarbeitgeber ist daher nicht im Zahlungsverzug, so dass kein Zurückbehaltungsrecht besteht und erst keine Möglichkeit, sich durch nach vorheriger Abmahnung durch eine außerordentliche Eigenkündigung von dem "zweifelhaften" Arbeitgeber zu trennen, ohne sich eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe einzuhandeln.
Darüber hinaus ist die insolvenzrechtliche Gefahr durch solche Zahlungen für die meisten betroffenen Arbeitnehmer gar nicht erkennbar, wenn sie wie hier im Streitfall im Rahmen eines Firmenverbundes üblich sind. Das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters ist daher in diesen Fällen einer Zahlung durch Dritte etwas völlig anderes als die Anfechtung von "Lohnzahlungen", die kurz vor einem Insolvenzantrag im Wege der Zwangsvollstreckung vom Arbeitnehmer selbst erzwungen werden.
Nähere Informationen finden sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, 6 AZR 159/12 (BAG-Pressemeldung)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, 6 AZR 159/12
- Bundesarbeitsgericht (Webseite)
- Handbuch Arbeitsrecht: Insolvenz des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Insolvenzgeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohnklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohnrückstand - Arbeitnehmerrechte
- Handbuch Arbeitsrecht: Sperrzeit, Sperrfrist
- Handbuch Arbeitsrecht: Zahlungsverzug des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Zurückbehaltungsrecht
- Abmahnung - Musterschreiben "Abmahnung Zahlungsverzug"
- Tipps und Tricks: Was tun bei Lohnrückstand?
- Arbeitsrecht aktuell: 17/061 Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzverfahren und Freistellung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/208 Insolvenzanfechtung von Arbeitslohn verfassungsgemäß
- Arbeitsrecht aktuell: 14/105 Gehaltsrückforderung durch Insolvenzverwalter weiter begrenzt
- Arbeitsrecht aktuell: 13/309 Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wurden
- Arbeitsrecht aktuell: 11/195 Lohnansprüche bei Insolvenz - BAG begrenzt Insolvenzanfechtung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/002 Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen in aller Regel ungefährlich
- Arbeitsrecht aktuell: 09/092 Rechtsweg für Lohnrückforderungen des Insolvenzverwalters
- Arbeitsrecht aktuell: 09/070 Anfechtung von Lohnzahlungen in der Insolvenz bleibt die Ausnahme
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 28. März 2018
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