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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 10.05.2007, 11/19 Sa 1217/06

   
Schlagworte: Kündigung, Krankheitsbedingt, Annahmeverzugslohn
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 11/19 Sa 1217/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.05.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wiesbaden
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hes­sen
Urt. v. 10.05.2007, Az.: 11/19 Sa 1217/06

 

Te­nor:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wies­ba­den vom 04. April 2006 – 1 Ca 1041/05 – wird auf Kos­ten der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen krank­heits­be­ding­ten Be­en­di­gungskündi­gung und in die­sem Zu­sam­men­hang über Zah­lungs­ansprüche der Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te.

Die Be­klag­te be­treibt ei­ne Mol­ke­rei und beschäftigt mehr als 50 Ar­beit­neh­mer. Ein Be­triebs­rat ist
ge­bil­det.

Die 49-jähri­ge (ge­bo­ren am 28. Ok­to­ber 1957), ge­schie­de­ne Kläge­rin ist aus­ge­bil­de­te La­ge­ris­tin und Mol­ke­rei­fach­frau. Sie wur­de bei der Be­klag­ten ab dem 19. Sep­tem­ber 1989 auf­grund ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges vom 6. Sep­tem­ber 1989, hin­sicht­lich des­sen nähe­re Ein­zel­hei­ten auf Bl. 24 u. 25 d. A. ver­wie­sen wird, als Kom­mis­sio­nie­re­rin beschäftigt. Un­ter dem Da­tum des 27. Ok­to­ber 1997 schlos­sen die Par­tei­en ei­ne ergänzen­de Ver­ein­ba­rung (Bl. 26 d. A.), wo­nach die Kläge­rin ab dem 31. Ok­to­ber 1997 oder dem 3. No­vem­ber 1997 als Ma­schi­nenführe­rin beschäftigt wer­den soll­te. Strei­tig ist zwi­schen den Par­tei­en, ob und ggf. auf­grund wel­cher Umstände die­se Ver­ein­ba­rung vom 27. Ok­to­ber 1997 durch die Par­tei­en in der Fol­ge wie­der auf­ge­ho­ben wur­de. Je­den­falls wur­de die Kläge­rin tatsächlich ab dem 2. März 1998 nicht mehr als Ma­schi­nenführe­rin bei der Be­klag­ten beschäftigt. Statt­des­sen wur­de die Kläge­rin bei der Be­klag­ten zu­letzt in der Ab­tei­lung Frisch­dienst und Ex­port als Schicht­lei­te­rin mit ei­ner Vergütung in Höhe von € 2.061,03 brut­to im Mo­nat beschäftigt. Hier­zu exis­tiert ei­ne in­ter­ne Mit­tei­lung der Be­klag­ten vom 9. Mai 1998 (Bl. 65 d. A.).

Ab Ja­nu­ar 2004 er­krank­te die Kläge­rin ar­beits­unfähig.

Am 14. De­zem­ber 2004 fand zwi­schen der Kläge­rin und dem Ver­wal­tungs­lei­ter und Per­so­nal­lei­ter der Be­klag­ten A im Bei­sein des Pro­duk­ti­ons­lei­ters Herrn B ein Per­so­nal­gespräch über die Fra­ge ei­nes so ge­nann­ten "lei­dens­ge­rech­ten" Ein­sat­zes der Kläge­rin bei der Be­klag­ten statt. Die nähe­ren Ein­zel­hei­ten die­ses Per­so­nal­gesprächs sind zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Ins­be­son­de­re ist strei­tig, ob bei die­sem Per­so­nal­gespräch auch der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de der Be­klag­ten C teil­nahm und ob die Be­klag­te der Kläge­rin in die­sem Gespräch die – zu die­sem Zeit­punkt un­strei­tig freie – Stel­le ei­ner Hilfs­kraft im La­bor an­bot und ob die Kläge­rin dies ab­lehn­te.

Nach Be­en­di­gung ih­rer krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit bot die Kläge­rin am 6. Ju­ni 2005 bei der Be­klag­ten ih­re Ar­beits­leis­tung an und wur­de wie­der nach Hau­se ge­schickt.

Mit Schrei­ben vom 28. Ju­ni 2005 (Bl. 644 d. A.) kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit der Kläge­rin or­dent­lich und frist­ge­recht zum 31. De­zem­ber 2005.

We­gen des zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halts im Übri­gen, des Vor­brin­gens der Par­tei­en und ih­rer Anträge ers­ter In­stanz wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils (Sei­te 2 - 6 des an­ge­foch­te­nen Ur­teils, Bl. 528 - 532 d. A.) Be­zug ge­nom­men, § 69 Abs. 2 ArbGG .

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Das Ar­beits­ge­richt Wies­ba­den hat mit ei­nem am 4. April 2006 verkünde­ten, der Be­klag­ten am 4. Ju­li 2006 zu­ge­stell­ten Ur­teil – 1 Ca 1041/05 (Bl. 527 - 538 d. A.) – fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28. Ju­ni 2005 nicht zum 31. De­zem­ber 2005 auf­gelöst wor­den ist. Da­ne­ben hat das Ar­beits­ge­richt Wies­ba­den die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Kläge­rin an Ar­beits­ent­gelt für den Zeit­raum Ju­ni 2005 bis ein­sch­ließlich März 2006 € 16.751,45 brut­to abzüglich an Ar­beits­lo­sen­geld in die­ser Zeit er­hal­te­ner € 3.589,04 net­to nebst Zin­sen so­wie an zusätz­li­chem Ur­laubs­geld für 30 Ur­laubs­ta­ge im Ur­laubs­jahr 2005 € 368,70 brut­to nebst Zin­sen so­wie an Weih­nachts­geld für das Jahr 2005 € 2.061,03 brut­to nebst Zin­sen zu zah­len. Zur Be­gründung hat das Ar­beits­ge­richt Wies­ba­den im We­sent­li­chen aus­geführt, das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en sei durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28. Ju­ni 2005 nicht be­en­det wor­den, da die Be­klag­te un­ter Be­ach­tung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes ver­pflich­tet ge­we­sen sei, der Kläge­rin im We­ge der Ände­rungskündi­gung den zu­vor frei­en Ar­beits­platz als Hilfs­kraft im La­bor an­zu­bie­ten. Da­her sei die Be­klag­te für den Zeit­raum Ju­ni 2005 bis ein­sch­ließlich März 2006 un­ter dem Ge­sichts­punkt des An­nah­me­ver­zugs zur Zah­lung der gel­tend ge­mach­ten Vergütungs­ansprüche ver­pflich­tet, denn die Kläge­rin ha­be ab Ju­ni 2005 der Be­klag­ten ord­nungs­gemäß ih­re Ar­beits­kraft an­ge­bo­ten. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen. Ge­gen die­ses Ur­teil hat die Be­klag­te am 24. Ju­li 2006 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 3. Au­gust 2006 be­gründet.

Die Be­klag­te ist der An­sicht, hin­sicht­lich der geänder­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur Not­wen­dig­keit ei­ner Ände­rungskündi­gung sei ihr Ver­trau­ens­schutz zu gewähren. Im Übri­gen ha­be die Kläge­rin, so be­haup­tet die Be­klag­te, die Stel­le der Hilfs­kraft im La­bor im Per­so­nal­gespräch am 14. De­zem­ber 2004 endgültig ab­ge­lehnt. So ha­be die Kläge­rin geäußert: "... darüber brau­chen wir ja gar nicht wei­ter zu re­den, das brau­chen sie mir gar nicht mehr an­zu­bie­ten, das kommt gar nicht in Fra­ge ..." (Be­weis: Zeug­nis der Her­ren A und B). Un­abhängig da­von sei die­se Stel­le als Hilfs­kraft im La­bor zum Zeit­punkt der Kündi­gung be­reits seit dem Mo­nats­wech­sel Fe­bru­ar/März 2005 mit dem seit dem Jah­re 1979 im Be­trieb der Be­klag­ten täti­gen 61 Jah­re al­ten Ar­beit­neh­mer D be­setzt ge­we­sen. Die­ser ha­be aus ge­sund­heit­li­chen Gründen nicht wei­ter in der Pro­duk­ti­on der Be­klag­ten ar­bei­ten können. Sch­ließlich ist die Be­klag­te der An­sicht, die Vor­aus­set­zun­gen des An­nah­me­ver­zugs sei­en nicht ge­ge­ben, da die Kläge­rin die ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung als Kom­mis­sio­nie­re­rin auf­grund ih­rer ge­sund­heit­li­chen Ein­schränkun­gen nicht mehr ha­be er­brin­gen können. Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­trags der Be­klag­ten in der Be­ru­fung wird auf die Be­ru­fungs­be­gründung vom 1. Au­gust 2006 (Bl. 549 - 556 d. A.) und auf die Schriftsätze der Be­klag­ten vom 4. Ok­to­ber 2006 (Bl. 573 u. 574 d. A.), 1. April 2007 (Bl. 584 - 593 d. A.) und 7. Mai 2007 (Bl. 614 - 616 d. A.) ver­wie­sen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wies­ba­den vom 4. April 2006 – 1 Ca 1041/05 – ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin ver­tei­digt das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­trags.

Zur Ergänzung des Sach- und Streit­stan­des wird im Übri­gen auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze und de­ren An­la­gen ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wies­ba­den vom 4. April 2006 – 1 Ca 1041/05 – ist als Be­ru­fung in ei­nem Rechts­streit über die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses gem. §§ 8 Abs. 2 , 64 Abs. 2 lit. c ArbGG und im Übri­gen gem. §§ 8 Abs. 2 , 64 Abs. 2 lit. b ArbGG nach dem Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des statt­haft. Sie ist auch im Übri­gen zulässig, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1 ArbGG ; 519 , 520 Abs. 1 , 3 und 5 ZPO .

II.

In der Sa­che hat die Be­ru­fung kei­nen Er­folg, weil sie un­be­gründet ist. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt auf die Kündi­gungs­schutz­kla­ge der Kläge­rin fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28. Ju­ni 2005 nicht zum 31. De­zem­ber 2005 auf­gelöst wor­den ist. Des Wei­te­ren hat das Ar­beits­ge­richt die Be­klag­te rechts­feh­ler­frei zur Zah­lung der Vergütung für den Zeit­raum Ju­ni 2005 bis ein­sch­ließlich März 2006, des zusätz­li­chen Ur­laubs­gel­des für das Jahr 2005 und des Weih­nachts­gel­des für das Jahr 2005 nebst Zin­sen ver­ur­teilt. Das Be­ru­fungs­ge­richt folgt dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil un­ein­ge­schränkt, macht sich des­sen Gründe zu Ei­gen und ver­weist zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen auf die­se (S. 7 - 11 des an­ge­foch­te­nen Ur­teils, Bl. 533 - 537 d. A.).

Auf das Vor­brin­gen der Be­klag­ten in der Be­ru­fungs­in­stanz ist ergänzend wie folgt ein­zu­ge­hen:

1.

Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt sei­ner Be­gründung die neue­re Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ( Ur­teil vom 21. April 2005 – 2 AZR 132/04 – AP Nr. 79 zu § 2 KSchG 1969 = EzA § 2 KSchG Nr. 53 ) zum Verhält­nismäßig­keits­grund­satz für die Ände­rungskündi­gung im Hin­blick auf die Not­wen­dig­keit ei­nes Ände­rungs­an­ge­bots zu­grun­de ge­legt und die Kündi­gung un­ter die­sem As­pekt gemäß § 1 Abs. 1 KSchG für un­wirk­sam er­ach­tet. Der Be­klag­ten steht in die­sem Zu­sam­men­hang – ent­ge­gen ih­rer An­sicht – kein Ver­trau­ens­schutz zu. Auch hat die von der Be­klag­ten im Streit­fal­le be­haup­te­te kläge­ri­sche Ab­leh­nung der – lei­dens­ge­rech­ten – Beschäfti­gung als Hilfs­kraft im La­bor die Be­klag­te nach die­ser neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht von ih­rer Ver­pflich­tung ent­bun­den, der Kläge­rin die­se geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen in Form ei­ner Ände­rungskündi­gung gleich­wohl noch ein­mal an­zu­bie­ten. Im Ein­zel­nen:

a) Die Recht­spre­chung zur Fra­ge, un­ter wel­chen Be­din­gun­gen und in wel­cher Form ein Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet ist, vor Aus­spruch ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung dem Ar­beit­neh­mer die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter geänder­ten Be­din­gun­gen an­zu­bie­ten, ist Aus­fluss des Verhält­nismäßig­keits­prin­zips, das für den ge­sam­ten ar­beits­recht­li­chen Kündi­gungs­schutz gilt. So hat der Ar­beit­ge­ber vor je­der or­dent­li­chen Be­en­di­gungskündi­gung von sich aus dem Ar­beit­neh­mer ei­ne bei­den Par­tei­en ob­jek­tiv mögli­che und zu­mut­ba­re Beschäfti­gung auf ei­nem frei­en Ar­beits­platz auch zu geänder­ten Be­din­gun­gen an­zu­bie­ten. Dies ent­sprach auch schon vor der jet­zi­gen Ände­rung der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (so z. B. BAG, Ur­teil vom 27. Sep­tem­ber 1984 – 2 AZR 62/83 – AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969 = EzA § 2 KSchG Nr. 5; Ur­teil vom 29. No­vem­ber 1990 – 2 AZR 282/90 – n. v. – ju­ris) .

Wenn im Rah­men die­ser Prüfung nun­mehr der zuständi­ge zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts in der an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dung (Ur­teil vom 21. April 2005, a.a.O., ebd.) sei­ne bis­he­ri­ge Recht­spre­chung neu kon­tu­riert, be­gründet dies kei­nen Ver­trau­en­stat­be­stand im Hin­blick auf die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung. Zu­dem galt, wie auf­ge­zeigt, schon im­mer das Prin­zip, wo­nach ein Ar­beit­ge­ber vor dem Aus­spruch ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung die mögli­che Wei­ter­beschäfti­gung un­ter geänder­ten Be­din­gun­gen von sich aus an­bie­ten muss­te. Ei­ne Ände­rung ist da­bei nur in­so­fern ein­ge­tre­ten, als das Ände­rungs­an­ge­bot grundsätz­lich im­mer in Form der Ände­rungskündi­gung aus­ge­spro­chen wer­den muss und es Sa­che des Ar­beit­neh­mers ist, zu ent­schei­den, ob er die an­ge­bo­te­ne Ände­rung als zu­mut­bar an­sieht. Hin­ge­gen durf­te der Ar­beit­ge­ber die Ände­rungskündi­gung früher in den Fällen un­ter­las­sen, in de­nen sei­ne ei­ge­ne Prüfung zu dem Er­geb­nis kam, dass der Ar­beit­neh­mer das An­ge­bot im Fal­le der Ände­rungskündi­gung nicht an­neh­men würde.

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Da­bei ist auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt selbst in der an­ge­zo­ge­nen neue­ren Ent­schei­dung (Ur­teil vom 21. April 2005, a.a.O. ebd.) nicht von ei­nem Ver­trau­en­stat­be­stand aus­ge­gan­gen, son­dern hat sei­ne neue Recht­spre­chung oh­ne Über­g­angs­re­ge­lung oder Ankündi­gung ei­ner Ände­rung un­mit­tel­bar an­ge­wandt.

Dass die Stel­le der Hilfs­kraft im La­bor zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der Be­en­di­gungskündi­gung der Be­klag­ten vom 28. Ju­ni 2005 nach den ei­ge­nen Be­haup­tun­gen der Be­klag­ten be­reits (wie­der) be­setzt ge­we­sen sein soll, spielt da­bei kei­ne Rol­le. Es wäre Sa­che der Be­klag­ten ge­we­sen, die­se – lei­dens­ge­rech­te – Tätig­keit der Kläge­rin spätes­tens im Zu­sam­men­hang mit dem Per­so­nal­gespräch der Par­tei­en vom 14. De­zem­ber 2004 im We­ge der Ände­rungskündi­gung an­zu­bie­ten. Die Be­klag­te kann hin­ge­gen nicht an­sch­ließend zu­war­ten, die Stel­le an­der­wei­tig be­set­zen und erst dann die streit­ge­genständ­li­che (Be­en­di­gungs-)Kündi­gung vom 28. Ju­ni 2005 aus­spre­chen ( § 162 BGB ana­log).

b) Auch kann da­hin­ste­hen, ob die Kläge­rin, wie von der Be­klag­ten be­haup­tet, in dem Per­so­nal­gespräch am 14. De­zem­ber 2004 die an­geb­lich an­ge­bo­te­ne Stel­le der Hilfs­kraft im La­bor endgültig ab­ge­lehnt hat. Zwar hat die Be­klag­te un­ter Be­weis­an­tritt be­haup­tet, die Kläge­rin ha­be sich in die­sem Gespräch zur an­ge­bo­te­nen Tätig­keit ei­ner La­bor­hilfs­kraft wie folgt geäußert: "... darüber brau­chen wir ja gar nicht wei­ter zu re­den, das brau­chen sie mir gar nicht mehr an­zu­bie­ten, das kommt gar nicht in Fra­ge ...". Für ei­ne vor­be­halt­lo­se und endgülti­ge Ab­leh­nung ist es hin­ge­gen er­for­der­lich, dass der Ar­beit­neh­mer bei der Ab­leh­nung des Ände­rungs­an­ge­bots un­miss­verständ­lich zu er­ken­nen gibt, dass er un­ter kei­nen Umständen be­reits ist, zu den geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen zu ar­bei­ten. Al­lein die Ab­leh­nung ei­nes der Kündi­gung vor­an­ge­gan­ge­nen An­ge­bots auf ein­ver­nehm­li­che Abände­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch den Ar­beit­neh­mer ent­hebt den Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich nicht von der Ver­pflich­tung, das Ände­rungs­an­ge­bot mit ei­ner nach­fol­gen­den Be­en­di­gungskündi­gung er­neut zu ver­bin­den. Denn die Ab­leh­nung der ein­verständ­li­chen Abände­rung schließt nicht aus, dass der Ar­beit­neh­mer be­reits ist, zu den geänder­ten Be­din­gun­gen wei­ter­zu­ar­bei­ten, wenn sich in ei­nem ar­beits­ge­richt­li­chen Ände­rungs­schutz­ver­fah­ren die Be­rech­ti­gung der Ände­rung her­aus­stellt. Des­halb ist der Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich ver­pflich­tet, trotz der Ab­leh­nung ei­ner frei­wil­li­gen Ände­rung ei­ne Ände­rungskündi­gung aus­zu­spre­chen. An­de­ren­falls trägt er im Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren die Dar­le­gungs- und Be­weis­last, dass der Ar­beit­neh­mer de­fi­ni­tiv und endgültig das Ände­rungs­an­ge­bot ab­ge­lehnt hat, das heißt, dass die­ser we­der ein­ver­nehm­lich noch un­ter dem Vor­be­halt der Prüfung der so­zia­len Recht­fer­ti­gung iSd. § 2 KSchG be­reit war, zu den geänder­ten Be­din­gun­gen zu ar­bei­ten (BAG, Ur­teil vom 21. April 2005, a.a.O. ebd.) . Ei­ne da­hin­ge­hen­de Ab­leh­nung der Kläge­rin hat die Be­klag­te, so­weit es die Rech­te des § 2 KSchG be­trifft, hin­ge­gen selbst nicht be­haup­tet.

c) Nach al­le­dem hat die or­dent­li­che frist­gemäße Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28. Ju­ni 2005 das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht zum 31. De­zem­ber 2005 auf­gelöst.

2.

Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt der Kläge­rin wei­ter­hin ge­gen die Be­klag­te Vergütungs­ansprüche für die Zeit von Ju­ni 2005 bis ein­sch­ließlich März 2006 in – von der Be­klag­ten nicht be­strit­te­ner – Höhe von ins­ge­samt € 16.751,45 brut­to abzüglich in die­ser Zeit an Ar­beits­lo­sen­geld er­hal­te­ne € 3.589,04 nebst Zin­sen zu­ge­spro­chen. Der An­spruch der Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te be­ruht auf §§ 611 Abs. 1 , 615 Satz 1 BGB .

a) Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en be­stand, wie oben aus­geführt, im Zeit­raum Ju­ni 2005 bis ein­sch­ließlich März 2006 un­verändert. Die Kläge­rin leis­te­te zwar kei­ne Ar­beit. Sie hat die Ar­beits­leis­tung ge­genüber der Be­klag­ten aber so, wie sie zu be­wir­ken war, am 6. Ju­ni 2005 tatsächlich an­ge­bo­ten, § 294 BGB . Hin­ge­gen hat die Be­klag­te die an­ge­bo­te­ne Leis­tung nicht an­ge­nom­men, § 293 BGB .

b) Da­mit be­fand sich die Be­klag­te mit Wir­kung ab dem 6. Ju­ni 2005 in An­nah­me­ver­zug. Da­bei kann

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da­hin­ste­hen, ob die Kläge­rin auch in der La­ge war, die ggf. nach dem Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en ge­schul­de­te Leis­tung als Kom­mis­sio­nie­re­rin zu be­wir­ken, § 297 BGB . Die Be­klag­te muss sich in­so­weit dar­an fest­hal­ten las­sen, dass je­den­falls im Zeit­punkt des Per­so­nal­gesprächs am 14. De­zem­ber 2004 – un­strei­tig – ei­ne lei­dens­ge­rech­te Beschäfti­gung der Kläge­rin auf dem da­mals frei­en Ar­beits­platz ei­ner Hilfs­kraft im La­bor möglich ge­we­sen wäre. Die­se Tätig­keit hätte die Be­klag­te, wo­zu sie, wie oben aus­geführt, recht­lich ver­pflich­tet ge­we­sen war, der Kläge­rin im We­ge ei­ner Ände­rungskündi­gung an­bie­ten müssen. Und die­se Leis­tung hätte wie­der­um die Kläge­rin, was zwi­schen den Par­tei­en eben­falls nicht in Streit steht, trotz ih­rer et­wai­gen ge­sund­heit­li­chen Ein­schränkun­gen er­brin­gen können.

c) Aus den glei­chen Gründen hat die Kläge­rin ei­nen Er­werb durch an­der­wei­ti­ge Ver­wen­dung ih­rer Ar­beits­kraft auch nicht böswil­lig un­ter­las­sen, § 615 Satz 2 BGB . Böswil­lig han­delt der Ar­beit­neh­mer, dem ein Vor­wurf dar­aus ge­macht wer­den kann, dass er während des An­nah­me­ver­zugs trotz Kennt­nis al­ler ob­jek­ti­ven Umstände vorsätz­lich untätig bleibt oder die Auf­nah­me der Ar­beit be­wusst ver­hin­dert ( BAG, Ur­teil vom 11. Ja­nu­ar 2006 – 5 AZR 125/05 , AP Nr. 113 zu § 615 BGB = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 11 ). Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen hier nicht vor. Die Kläge­rin hat die Be­klag­te durch das tatsächli­che An­ge­bot ih­rer Ar­beits­leis­tung am 6. Ju­ni 2005 mit der An­nah­me ih­rer Diens­te in Ver­zug ge­setzt, §§ 293 , 294 BGB . Zu die­sem Zeit­punkt war nach dem ei­ge­nen Vor­trag D be­setzt und da­mit nicht mehr frei. Dem­zu­fol­ge kann ein böswil­li­ges Un­ter­las­sen an­der­wei­ti­gen Ver­diens­tes iSv. § 615 Satz 2 BGB – auf ei­ner nicht mehr frei­en Stel­le – be­reits aus die­sem Grun­de nicht in Be­tracht kom­men. Viel­mehr wäre die Be­klag­te, wie oben aus­geführt, recht­lich ver­pflich­tet ge­we­sen, der Kläge­rin die­se Stel­le als Hilfs­kraft im La­bor zu­vor im We­ge ei­ner Ände­rungskündi­gung an­zu­bie­ten.

3.

Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt der Kläge­rin eben­falls das zusätz­li­che Ur­laubs­geld in Höhe von € 12,29 brut­to ur­laubstäglich für 30 Ur­laubs­ta­ge im Ur­laubs­jahr 2005 gemäß § 3 Zif­fer 2. b) des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en vom 6. Sep­tem­ber 1989 zu­ge­spro­chen. Die Be­klag­te ist die­sem An­spruch in der Be­ru­fung auch nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten.

4.

Sch­ließlich zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt der Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te auch den An­spruch auf Zah­lung des Weih­nachts­gel­des für das Jahr 2005 in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ge­halts zu­er­kannt. Gemäß § 2 Zif­fer 2. c) des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en vom 6. Sep­tem­ber 1989 hat die Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te An­spruch auf Weih­nachts­geld in Höhe von 65% von ei­nem Brut­to­lohn oh­ne Über­stun­den. Es steht zwi­schen den Par­tei­en je­doch nicht im Streit, dass die Be­klag­te der Kläge­rin in den letz­ten Jah­ren als Weih­nachts­geld oh­ne Vor­be­halt je­weils 100% ei­nes Brut­to­mo­nats­loh­nes ge­zahlt hat. In­so­weit hat das Ar­beits­ge­richt rechts­feh­ler­frei er­kannt, dass hin­sicht­lich der Höhe des Weih­nachts­gel­des für das Jahr 2005 aus dem Ge­sichts­punkt der be­trieb­li­chen Übung ein vol­les Brut­to­mo­nats­ge­halt an­zu­set­zen ist.

5.

Der zu­ge­spro­che­ne Zins­an­spruch er­gibt sich aus §§ 288 Abs. 1 , 291 BGB .

III.

Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Be­ru­fung zu tra­gen, weil ihr Rechts­mit­tel kei­nen Er­folg hat, § 97 Abs. 1 ZPO .

Die Re­vi­si­on ist nicht zu­zu­las­sen. Dem Rechts­streit liegt kei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Rechts­fra­ge von grundsätz­li­cher Be­deu­tung zu­grun­de, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG .

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