HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Ber­lin, Ur­teil vom 21.08.2008, 2 Ca 3632/08

   
Schlagworte: Kündigung: Verdachtskündigung, Verdachtskündigung
   
Gericht: Arbeitsgericht Berlin
Aktenzeichen: 2 Ca 3632/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.08.2008
   
Leitsätze:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen.

Auch der dringende Verdacht einer Straftat bezogen auf geringwertige Vermögensnachteile zu Lasten des Arbeitgebers stellt nach ständiger Rechtsprechung des BAG an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar (Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB).

Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Ber­lin


Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
2 Ca 3632/08
 


Verkündet

am 21.08.2008

 


als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil


In Sa­chen

pp


hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin, 2. Kam­mer, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 21.08.2008
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt Dr. Sch. als Vor­sit­zen­der
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frau J. und Herr Sch.

für Recht er­kannt:
 


I. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

II. Die Kos­ten des Rechts­streits hat die Kläge­rin zu tra­gen.

III. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird auf 6.852,92 € fest­ge­setzt.

 

 

 

 

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Rechts­wirk­sam­keit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung sei­tens der Be­klag­ten. Die am ….. 1958 ge­bo­re­ne Kläge­rin war bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin seit dem 25. April 1977 zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt von zu­letzt 1.713,23 EUR als Verkäufe­r­in mit Kas­siertätig­keit beschäftigt. Die Be­klag­te beschäftigt re­gelmäßig mehr als fünf Ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich der Aus­zu­bil­den­den. In dem Beschäfti­gungs­be­trieb der Kläge­rin in Ber­lin ist ein Be­triebs­rat er­rich­tet.

In der Beschäfti­gungs­fi­lia­le der Kläge­rin be­stand die Ar­beits­an­wei­sung, dass so­fern Mit­ar­bei­ter Leer­gut von zu Hau­se mit­brin­gen, um die­ses in der Fi­lia­le ein­zulösen, die Mit­ar­bei­ter das Leer­gut beim Be­tre­ten der Fi­lia­le dem Fi­li­al­ver­ant­wort­li­chen vor­zei­gen und nach Er­halt des Pfand­bons die­sen ab­zeich­nen las­sen müssen. Auf die­se Wei­se las­sen sich nicht ent­spre­chend ab­ge­zeich­ne­te Leer­gut­bons als Kun­den­bons iden­ti­fi­zie­ren. Am 22. Ja­nu­ar 2008 war die Kläge­rin als Verkäufe­r­in mit Kas­siertätig­keit in der Zeit von 7.30 bis 14.30 Uhr tätig. Um 14.45 Uhr ließ sie an der Kas­se ei­ner Kol­le­gin – der Zeu­gin K. – ei­nen Per­so­nal­ein­kauf ab­kas­sie­ren. Im Rah­men des Per­so­nal­ein­kaufs wur­den von der Kläge­rin Leer­gut­bons vor­ge­legt, die von der Zeu­gin im Kas­sen­sys­tem re­gis­triert wur­den und da­mit den Wert des Per­so­nal­ein­kaufs ent­spre­chend min­der­ten. Das E-Jour­nal über sämt­li­che an der Kas­se der Zeu­gin K. am 22. Ja­nu­ar 2008 ein­gelösten Leer­gut­bons wies um 14:45:48 Uhr zwei ein­ge­reich­te Leer­gut­bons auf, die ei­nen Wert von 48 Cent und ei­nen Wert von 82 Cent hat­ten. Wei­te­re Leer­gut­bons mit die­sen Beträgen wur­den nach dem E-Jour­nal am 22. Ja­nu­ar 2008 an der Kas­se der Zeu­gin K. nicht ein­gelöst. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten des E-Jour­nals wird auf Bl. 105 d. A. ver­wie­sen. Hin­sicht­lich sämt­li­cher an dem Tag an der Kas­se der Zeu­gin ein­gelösten Leer­gut­bons wird auf die Auf­stel­lung Bl. 195 d. A. ver­wie­sen. Die am 22. Ja­nu­ar 2008 an der Kas­se der Zeu­gin K. ein­ge­reich­ten Leer­gut­bons wur­den von der Be­klag­ten im Ori­gi­nal zur Ak­te ge­reicht. Hin­sicht­lich der Ori­gi­na­le sämt­li­cher an dem Tag an der Kas­se der Zeu­gin ein­gelösten Leer­gut­bons – mit Aus­nah­me der nach Be­haup­tung der Be­klag­ten von der Kläge­rin ein­gelösten Leer­gut­bons - wird auf Bl. 214 d. A. ver­wie­sen. Hin­sicht­lich der Leer­gut­bons, die nach Be­haup­tung der Be­klag­ten von der Kläge­rin am 22. Ja­nu­ar 2008 ein­gelöst wor­den sind, wird auf Bl. 215 d. A. ver­wie­sen. Die von der Be­klag­ten im Ori­gi­nal ein­ge­reich­ten Leer­gut­bons (Bl. 215 d. A.) tra­gen bei­de das Da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008. Der ei­ne Bon weist ei­nen Be­trag von 0,82 EUR und ei­ne Aus­stel­lungs­zeit von 09:21 Uhr aus. Der an­de­re Bon weist ei­nen Be­trag von 0,48 EUR und ei­ne Aus­stel­lungs­zeit von 10:06 Uhr aus. Am 12. Ja­nu­ar 2008 um 10:06 war die Kläge­rin selbst an der Kas­se tätig und konn­te des­we­gen kein Leer­gut ab­ge­ben.

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Die Be­klag­te schöpfte den Ver­dacht, dass es sich bei den ein­gelösten Leer­gut­bons um von Kun­den am 12. Ja­nu­ar 2008 ver­lo­re­ne Leer­gut­bons han­del­te, die sei­tens der Be­klag­ten auf-be­wahrt wur­den. Der Ver­dacht gründe­te sich auf fol­gen­de von der Kläge­rin be­strit­te­ne und da­mit zwi­schen den Par­tei­en strei­ti­gen Vorgänge: Am 12. Ja­nu­ar 2008 wur­den nach Dar­stel­lung der Be­klag­ten an der Kas­se des Back­stops zwei Leer­gut­bons auf­ge­fun­den wor­den, die von Kun­den ver­lo­ren wa­ren. Bei­der Bons wa­ren nicht als Mit­ar­bei­ter­bons ge­kenn­zeich­net, ei­ner der Bons ha­be auf 0,48 EUR ge­lau­tet. Bei­de vom 12. Ja­nu­ar 2008 da­tie­ren­den Leer­gut­bons sei­en der Kläge­rin sei­tens des Fi­li­al­lei­ters am 12. Ja­nu­ar 2008 mit der Maßga­be über­ge­ben wor­den, zunächst ab­zu­war­ten, ob sich ein Kun­den mel­det, dem die Bons gehören. Bei­de Leer­gut­bons sei­en so­dann auf die Ab­la­ge des Kas­senbüros ge­legt wor­den. Die bei­den von der Kläge­rin am 22. Ja­nu­ar 2008 ein­ge­reich­ten Leer­gut­bons wie­sen bei­de das Da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 und ei­nen Wert von 0,48 EUR so­wie von 0,82 EUR auf. Bei ei­ner Über­prüfung, ob die frag­li­chen von den Kun­den ver­lo­re­nen Bons noch vor­han­den wa­ren, sei fest­ge­stellt wor­den, dass die ent­spre­chen­den Leer­gut­bons nicht mehr im Kas­senbüro la­gen.

Über die­sen Sach­ver­halt wur­de zu­erst die zuständi­ge Di­strikt­ma­na­ge­rin in­for­miert, die wei­ter­ge­hen­de Re­cher­chen durchführ­te. Im Rah­men des­sen stell­te sich her­aus, dass der ei­ne Leer­gut­bons am 12. Ja­nu­ar 2008 um 10:06 er­stellt wur­de, ei­nem Zeit­punkt, zu dem die Kläge­rin selbst an der Kas­se tätig war und des­we­gen kein Leer­gut ab­ge­ben konn­te. Am 25. Ja­nu­ar 2008 wur­de die Kläge­rin erst­mals durch die Di­strikt­ma­na­ge­rin an­gehört. Da­bei wur­de sie be­fragt, ob sie am 12. Ja­nu­ar 2008 Leer­gut mit in die Fi­lia­le ge­bracht ha­be. Dies konn­te sei­tens der Kläge­rin nicht be­ant­wor­tet wer­den. Auf den Vor­halt, die Kläge­rin ha­be am 12. Ja­nu­ar 2008 um 10:06 ge­ar­bei­tet, räum­te die Kläge­rin ein, dass es in der Tat nicht möglich ge­we­sen sei, dass sie selbst den frag­li­chen Bon er­stellt ha­be. Als Er­geb­nis des Gespräches vom 25. Ja­nu­ar 2008 wur­de ei­ne Anhörung der Kläge­rin in der Per­so­nal­ab­tei­lung der Be­klag­ten im Bei­sein des Be­triebs­rats ver­ein­bart. Auf­grund der ur­laubs­be­ding­ten Ab­we­sen­heit der Kläge­rin wur­de auf de­ren aus­drück­li­chen Wunsch hin der Gesprächs­ter­min für den 6. Fe­bru­ar 2008 ver­ein­bart. In dem Gespräch wur­de die Kläge­rin be­fragt, wie die frag­li­chen Leer­gut­bons in ih­ren Be­sitz ge­langt sein konn­ten. Die Kläge­rin gab als Möglich­kei­ten an, die Leer­gut­bons könn­ten ihr von ih­rer Toch­ter in das Porte­mon­naie ge­steckt wor­den sein. Der Kläge­rin wur­de Ge­le­gen­heit ge­ge­ben, dies mit ih­rer Toch­ter zu be­spre­chen; da­nach wur­de die Anhörung am 11. Fe­bru­ar 2008 fort­geführt. Ob die Kläge­rin in die­sem Gespräch be­hau­te­te, ih­re Toch­ter ha­be ihr die frag­li­chen Leer­gut­bons zu­ge­steckt, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Nach Dar­stel­lung der Be­klag­ten im Schrift­satz vom 17. März 2008 (Bl. 46 d. A.) hat die Kläge­rin geäußert, ih­re Toch­ter könne bestäti­gen, dass sie an ei­nem ihr nicht ge­nau er-

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in­ner­li­chen Tag, der Kläge­rin Leer­gut­bons in das Porte­mon­naie ge­steckt ha­be. Dem­ge­genüber trägt die Kläge­rin nun­mehr im Schrift­satz vom 13. Au­gust 2008 (Bl. 255 d. A.) vor, sie ha­be nie be­haup­tet, ih­re Toch­ter ha­be ihr die Leer­gut­bons in das Porte­mon­naie ge­steckt. Als wei­te­re Möglich­keit gab die Kläge­rin in dem Gespräch an, ei­ne wei­te­re Mit­ar­bei­te­rin der Be­klag­ten – Frau V. –, der sie am 21. oder 22. Ja­nu­ar 2008 ihr Porte­mon­naie mit der Bit­te, dies in den Spind zu tun, ge­ge­ben ha­be, könne ihr die Leer­gut­bons zu­ge­steckt ha­ben. Es wur­de ein wei­te­rer Gesprächs­ter­min für den 15. Fe­bru­ar 2008 ver­ein­bart, in dem auch der Toch­ter der Kläge­rin die Möglich­keit ge­ge­ben wer­den soll­te zu bestäti­gen, dass die frag­li­chen Bons von ihr stamm­ten. Zu dem Gespräch brach­te die Kläge­rin ih­re Toch­ter nicht mit, über­reich­te aber ei­ne schrift­li­che Erklärung ih­rer Toch­ter vom 14. Fe­bru­ar 2008 (Bl. 53 d. A.). Die­se lau­tet wie folgt:

„Hier­mit bestäti­ge ich, J. E., die An­ga­ben mei­ner Mut­ter, dass ich bei K. TAG ein­kau­fe und auch hin und wie­der Einkäufe für sie er­le­di­ge, Leer­gut einlöse und Um­gang mit ih­rer Geldbörse pfle­gen darf.“

Wei­te­re An­ga­ben mach­te die Toch­ter nicht. Die Mit­ar­bei­te­rin V. wur­de eben­falls zur Dar­stel­lung der Kläge­rin an­gehört. Sie erklärte aus­drück­lich, dass sie zu kei­nem Zeit­punkt die Geldbörse der Kläge­rin er­hal­ten hat­te.

Am 18. Fe­bru­ar 2008 wur­de der bei der Be­klag­ten im Beschäfti­gungs­be­trieb der Kläge­rin er­rich­te­te Be­triebs­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten frist­lo­sen Kündi­gung der Kläge­rin an­gehört. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten des Anhörungs­schrei­bens wird auf Bl. 54 – 57 d. A. ver­wie­sen. Par­al­lel zu der Kündi­gungs­anhörung für die frist­lo­se Kündi­gung wur­de der Be­triebs­rat zu ei­ner hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung an­gehört. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten die­ses Anhörungs­schrei­bens wird auf Bl. 58 – 62 d. A. ver­wie­sen. Mit Schrei­ben vom 20. Fe­bru­ar 2008 äußer­te der Be­triebs­rat sich zu bei­den Kündi­gun­gen ab­sch­ließend. Hin­sicht­lich der Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats wird auf Bl. 150 – 151 d. A. ver­wie­sen.

Mit Schrei­ben vom 22. Fe­bru­ar 2008, der Kläge­rin am sel­ben Ta­ge zu­ge­gan­gen, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin frist­los so­wie hilfs­wei­se or­dent­lich frist­ge­recht zum 30. Sep­tem­ber 2008.

Mit bei Ge­richt am 27. Fe­bru­ar 2008 ein­ge­gan­ge­ner Kla­ge wen­de­te sich die Kläge­rin ge­gen die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 22. Fe­bru­ar 2008.

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Sie ist der Auf­fas­sung die Vorwürfe der Be­klag­ten könn­ten - selbst wenn sie zu­träfen – ei­ne Kündi­gung von vorn­her­ein nicht recht­fer­ti­gen. Ba­ga­tell­straf­ta­ten ge­gen das Ei­gen­tum und das Vermögen des Ar­beit­ge­bers sei­en nicht so gra­vie­rend, als dass ei­ne Kündi­gung über­haupt in Be­tracht käme. Dies gel­te erst Recht so­weit le­dig­lich der drin­gen­de Ver­dacht ei­ner Straf­tat be­ste­he. Die ent­ge­gen­ste­hen­de Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts „sei ein Skan­dal“ (Schrift­satz vom 14. Au­gust 2008, S. 12, Bl. 238 und 265 d. A.). Sie ver­weist dar­auf, dass nach ei­ner Ar­beits­an­wei­sung der Be­klag­ten erst bei Fund­gel­dern ab 1 EUR die­se stets zu mel­den sei­en. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten der von der Kläge­rin an­geführ­ten Ar­beits­an­wei­sung wird auf Bl. 88 d. A. ver­wie­sen. Im Übri­gen wer­de durch das be­haup­te­te Ver­hal­ten der Kläge­rin auch gar nicht das Vermögen des Be­klag­ten, son­dern das Vermögen des Kun­den geschädigt, der den Bon ver­lo­ren ha­be. Des Wei­te­ren wer­de die Sach­ver­halts­dar­stel­lung der Be­klag­ten um­fas­send be­strit­ten. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass die Kündi­gung der Kläge­rin al­lein we­gen ih­rer Teil­nah­me an ei­nem Streik er­folgt sei. Die Kläge­rin sei we­gen ih­rer Streik­teil­nah­me auch sei­tens der Markt­lei­tung nicht zu ei­ner Par­ty mit an­sch­ließen­dem Bow­ling am 19. Ja­nu­ar 2008 ein­ge­la­den wor­den. Zu die­ser Par­ty sei­en al­le Mit­ar­bei­ter, die am Streik teil­ge­nom­men hat­ten, nicht ein­ge­la­den wor­den. Die Kläge­rin ist wei­ter­hin der Auf­fas­sung, die Kündi­gungs­erklärungs­frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht ein­ge­hal­ten, da sich der Vor­fall am 22. Ja­nu­ar 2008 er­eig­net hat, die Kündi­gung der Kläge­rin aber erst am 22. Ja­nu­ar 2008 zu­ge­gan­gen ist.


Die Kläge­rin be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin we­der durch die frist­lo­se Kündi­gung noch durch die hilfs­wei­se erklärte or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 22. Fe­bru­ar 2008 be­en­det wur­de noch be­en­det wird.

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin ent­spre­chend der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als Verkäufe­r­in zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie trägt vor, es be­ste­he der drin­gen­de Ver­dacht, dass die Kläge­rin bei ih­rem Per­so­nal­ein­kauf am 22. Ja­nu­ar 2008 zu Las­ten der Be­klag­ten ein Vermögens­de­likt be­gan­gen ha­be. Am 12. Ja­nu­ar 2008 sei­en in der Beschäfti­gungs­fi­lia­le der Kläge­rin zwei Leer­gut­bons mit Aus-

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stel­lungs­da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 an der Kas­se des Back­stops von der Zeu­gin Ke. auf­ge­fun­den wor­den. Bei­de Leer­gut­bons sei­en nicht als Mit­ar­bei­ter­bon ab­ge­zeich­net ge­we­sen. Ei­ner der Bons ha­be auf 0,48 EUR ge­lau­tet. Bei­de vom 12. Ja­nu­ar 2008 da­tie­ren­den Leer­gut­bons sei­en der Kläge­rin sei­tens des Fi­li­al­lei­ters – des Zeu­gen C. – in An­we­sen­heit der Zeu­gin K. und Ke. am 12. Ja­nu­ar 2008 mit der Maßga­be über­ge­ben wor­den, zunächst ab­zu­war­ten, ob sich ein Kun­den mel­det, dem die Bons gehören. An­dern­falls soll­ten die Bons als Fehl­gut­bons bei der Leer­gut­ab­rech­nung aus­ge­wie­sen wer­den. Bei­de Leer­gut­bons sei­en so­dann auf die Ab­la­ge des Kas­senbüros ge­legt wor­den. Es be­ste­he der drin­gen­de Ver­dacht, die Kläge­rin ha­be bei dem Per­so­nal­ein­kauf die bei­den von der Zeu­gin Ke. am 12. Ja­nu­ar 2008 auf­ge­fun­de­nen Kun­den­leer­gut­bons im Rah­men des Per­so­nal­ein­kaufs für sich ver­wen­det. Die Kläge­rin ha­be bei dem Per­so­nal­ein­kauf zwei Leer­gut­bons vor­ge­legt, die nicht als Mit­ar­bei­ter­bons ab­ge­zeich­net wa­ren. Die­se Leer­gut­bons wie­sen bei­de das Da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 und ei­nen Wert von 0,48 EUR so­wie von 0,82 EUR auf. Bei der Vor­la­ge der bei­den Leer­gut­bons durch die Kläge­rin sei der Zeu­gin K. auf­ge­fal­len, dass kei­ner der bei­den Bons ab­ge­zeich­net war. Des Wei­te­ren sei die Zeu­gin stut­zig ge­wor­den, weil bei­de Bons das Da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 tru­gen und der Wert des ei­nen Bons dem ihr er­in­ner­li­chen Wert des ei­nen am 12. Ja­nu­ar 2008 auf­ge­fun­den Bons von 0,48 EUR ent­sprach. Ge­mein­sam mit der Mit­ar­bei­te­rin D. ha­be die Zeu­gin K. des­we­gen nach­ge­prüft, ob die frag­li­chen Bons noch vor­han­den wa­ren. Da­bei sei fest­ge­stellt wor­den, dass die ent­spre­chen­den Leer­gut­bons nicht mehr im Kas­senbüro la­gen.

Die Be­klag­te weist den Vor­wurf, die Kündi­gung sei we­gen der Streik­teil­nah­me der Kläge­rin er­folgt, zurück. Sie ver­weist dar­auf, dass der Mark­lei­ter we­gen der Nicht­ein­la­dung der Streit­teil­neh­mer zu der Fei­er am 19. Ja­nu­ar 2008 ab­ge­mahnt und später ver­setzt wor­den sei. Das der Kläge­rin vor­ge­wor­fe­nen Ver­hal­ten hätte bei je­dem Ar­beit­neh­mer ei­ne frist­lo­se Kündi­gung zur Fol­ge ge­habt. Vermögens­de­lik­te ge­gen den Ar­beit­ge­ber könn­ten und würden im Ein­zel­han­del ge­ne­rell nie ge­dul­det wer­den. Et­was an­de­res er­ge­be sich auch nicht aus der von der Kläge­rin an­geführ­ten Ar­beits­an­wei­sung. Die­se se­he klar vor, dass Fund­sa­chen - wie die Leer­gut­bons - un­abhängig vom Wert auf­zu­be­wah­ren sei­en. Die Be­klag­te ver­weist wei­ter dar­auf, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin nicht un­be­an­stan­det ver­lief, son­dern die Kläge­rin mit Da­tum vom 23. Fe­bru­ar 2005 we­gen ei­ner Kun­den­be­schwer­de ab­ge­mahnt wor­den ist. Im Nach­gang zu der Kündi­gung ha­be die Be­klag­te wei­ter­hin in Er­fah­rung ge­bracht, dass die Kläge­rin am 22. No­vem­ber 2007 sich ei­nen bei ei­nem Ein­kauf ei­nen Di­git­cou­pon von 100 Punk­ten gleich drei­mal hin­ter­ein­an­der über die Kas­se ge­zo­gen ha­be. Ei­ne Einlösung von Di­git­cou­pons sei bei dem Wert des Ein­kaufs auch gar nicht zulässig ge­we­sen. Da­durch sei der Be­klag­ten ein Scha­den von 3 EUR ent­stan­den.

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Die Be­klag­te geht da­von aus, dass die Kläge­rin mit dem um­fas­sen­den Be­strei­ten ih­re pro­zes­sua­le Wahr­heits­pflicht ver­letzt. Sie ver­weist in­so­weit dar­auf, dass die Kläge­rin – wie sich aus der Be­triebs­ratstel­lung­nah­me vom 20. Fe­bru­ar 2008 er­ge­be – das Auf­fin­den der Leer­gut­bons am 12. Ja­nu­ar 2008 ge­genüber dem Be­triebs­rat nicht in Ab­re­de ge­stellt ha­be, dies je­doch nun­mehr im Pro­zess be­strei­te. Des Wei­te­ren ha­be die Kläge­rin im Schrift­satz vom 5. Ju­ni 2008 (Bl. 123 d. A.) vor­tra­gen las­sen, sei­en durch die Mark­lei­tung als Mit­ar­bei­ter­bon ab­ge­zeich­net ge­we­sen. Im Schrift­satz vom 13. Au­gust 2008 (Bl. 256 d. A.) las­se sie dem­ge-genüber vor­tra­gen, es sei nicht aus­zu­sch­ließen, dass sich in ih­rem Porte­mon­naie zwei nicht ab­ge­zeich­ne­te Bons be­fun­den ha­ben.

Das Ge­richt hat gemäß Be­weis­be­schluss vom 19. Ju­ni 2008 und ergänzen­den Be­weis­be­schluss vom 21. Au­gust 2008 Be­weis er­ho­ben über die Be­haup­tung der Be­klag­ten, am 12. Ja­nu­ar 2008 sei­en zwei Leer­gut­bons mit Aus­stel­lungs­da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 in der Fi­lia­le der Kläge­rin auf­ge­fun­den wor­den, die nicht ab­ge­zeich­net wa­ren und von de­nen ein Leer­gut­bons über 0,48 EUR aus­ge­stellt war und dass die­se der Kläge­rin am sel­ben Tag mit der Maßga­be über­ge­ben wor­den sind, zunächst ab­zu­war­ten, ob sich ein Kun­de mel­det und an­dern­falls die Bons als Fehl­bons bei der Leer­gut­ab­rech­nung aus­zu­wei­sen so­wie über die Be­haup­tung der Be­klag­ten, die Leer­gut­bons sei­en in den Ta­gen nach dem 12. Ja­nu­ar 2008 auf der Ab­la­ge des Kas­senbüros ge­le­gen und vor­han­den ge­we­sen. Das Ge­richt hat des Wei­te­ren gemäß Be­weis­be­schluss vom 19. Ju­ni 2008 Be­weis er­ho­ben über die Be­haup­tung der Be­klag­ten, die Kläge­rin ha­be im Rah­men ei­nes Per­so­nal­ein­kaufs am 22. Ja­nu­ar 2008 zwei Leer­gut­bons mit ei­nem Wert von 0,48 EUR und 0,82 EUR, die je­weils das Da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 tru­gen und nicht als Mit­ar­bei­ter­bons ab­ge­zeich­net wa­ren, ein­gelöst. Das Ge­richt hat des Wei­te­ren gemäß Be­weis­be­schluss vom 19. Ju­ni 2008 i. d. F. des Be­weis­be­schlus­ses vom 21. Au­gust 2008 Be­weis er­ho­ben über die Be­haup­tung der Be­klag­ten, bei ei­ner Über­prüfung am 22. Ja­nu­ar 2008 der frag­li­chen Leer­gut­bons vom 12. Ja­nu­ar 2008 sei fest­ge­stellt wor­den, dass die Leer­gut­bons nicht mehr im Kas­senbüro la­gen. Hin­sicht­lich des In­halts der Be­weis­er­he­bung wird Bl. 307 – 313 d. A. ver­wie­sen. Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie die Pro­to­kol­le der münd­li­chen Ver­hand­lun­gen vom 19. Ju­ni 2008 (Bl. 183 – 185) und vom 21. Au­gust 2008 (Bl. 307 – 313 d. A.) ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Kla­ge hat kei­nen Er­folg.

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A. Die Kla­ge ist mit dem An­trag zu 1. zulässig aber un­be­gründet.

I. Die Kla­ge ist zulässig. Der Rechts­weg zu den Ar­beit­ge­rich­ten ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG eröff­net; die ört­li­che Zuständig­keit des an­ge­ru­fe­nen Ge­richts er­gibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 17 und § 29 ZPO. Das nach § 256 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs-in­ter­es­se er­gibt sich schon auf­grund der Präklu­si­ons­wir­kung der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4, 7 KSchG.

II. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis wur­de durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 22. Fe­bru­ar 2008 be­reits frist­los be­en­det. So­weit die Kläge­rin auch die hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung an­greift, war die Kla­ge be­reits we­gen des Feh­lens ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nach Zu­gang der frist­lo­sen Kündi­gung un­be­gründet.

Die Kläge­rin hat die et­wai­ge Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung recht­zei­tig in­ner­halb der Fris­ten der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4, 7 KSchG i. V. m. § 167 ZPO gel­tend ge­macht. Die frist­lo-se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 22. Fe­bru­ar 2008 er­weist sich je­doch als wirk­sam.

1. Die Kündi­gung wird den An­for­de­run­gen des § 626 BGB ge­recht. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund außer­or­dent­lich gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf Grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist oder bis zu der ver­ein­bar­ten Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des BAG wird der der wich­ti­ge Grund durch ei­ne ab­ge­stuf­te Prüfung in zwei sys­te­ma­tisch selbständi­gen Ab­schnit­ten kon­kre­ti­siert. Es ist zunächst zu prüfen, ob ein be-stimm­ter Sach­ver­halt oh­ne die be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­fal­les an sich ge­eig­net ist, ei­nen wich­ti­gen Grund ab­zu­ge­ben (1. Stu­fe). So­dann ist zu un­ter­su­chen, ob bei Berück­sich­ti­gung die­ser Umstände und der In­ter­es­sen­abwägung die kon­kre­te Kündi­gung ge­recht­fer­tigt ist (2. Stu­fe).

a. Ein Sach­ver­halt, der oh­ne die be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­fal­les an sich ge­eig­net ist, ei­nen wich­ti­gen Grund ab­zu­ge­ben, liegt vor.

aa. Die rechts­wid­ri­ge und vorsätz­li­che Ver­let­zung des Ei­gen­tums oder Vermögens des Ar­beit­ge­bers ist nach ständi­ger Recht­spre­chung des BAG stets, auch wenn die Sa­chen nur ge­rin­gen Wert be­sit­zen, als wich­ti­ger Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung an sich ge­eig-net (BAG 11. De­zem­ber 2003 - 2 AZR 36/03 - AP Nr. 179 zu § 626 BGB = EzA § 626 BGB

2002 Nr. 5, zu II 1 c der Gründe; BAG 06. Sep­tem­ber 2007 - 2 AZR 264/06 - AP Nr. 208 zu § 626 BGB = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 18, B I 1. c. aa. der Gründe; BAG 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung, zu II 1 der Gründe (Ver­zehr ei­nes Stücks Bie­nen­stich); BAG 20. Sep­tem­ber 1984 - 2 AZR 633/82 - AP Nr. 80 zu § 626 BGB, zu I 3 der Gründe; BAG 13. De­zem­ber 1984 - 2 AZR 454/83 - AP Nr. 81 zu § 626 BGB, zu III 2 der Gründe; BAG 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - AP Nr. 18 zu § 626 BGB Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung, zu I 1 der Gründe; BAG 16. Ok­to­ber 1986 - 2 AZR 695/85 - RzK I 6 d Nr. 5, zu I 2 der Gründe; BAG 2. April 1987 - 2 AZR 204/86 - RzK I 6 d Nr. 7, zu II 2 der Gründe; BAG vom 10. Fe­bru­ar 1999 - 2 ABR 31/98 - AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969, zu B II 2 a der Gründe). Ein Be­trug bil­det an sich ei­nen wich­ti­gen Grund zur frist­lo­sen Kündi­gung nach § 626 Abs. 1 BGB (1. Stu­fe). Be­trug kann selbst dann als Grund zur frist­lo­sen Ent­las-sung aus­rei­chen, wenn es sich um ei­nen ein­ma­li­gen Vor­fall und um ei­nen ge­rin­gen Be­trag han­delt (BAG 06. Sep­tem­ber 2007 - 2 AZR 264/06 - AP Nr. 208 zu § 626 BGB = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 18, B I 1 c aa der Gründe). Auf Grund der durch den Ar­beits­ver­trag be­gründe­ten Ne­ben­pflicht zur Loya­lität hat der Ar­beit­neh­mer auf die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers Rück­sicht zu neh­men. Die­se Ver­pflich­tung be­inhal­tet zu­gleich das Ver­bot, den Ar­beit­ge­ber rechts­wid­rig und vorsätz­lich durch ei­ne Straf­tat zu schädi­gen. Der Ar­beit­neh­mer bricht durch die Ei­gen­tums­ver­let­zung un­abhängig vom Wert des Scha­dens in er­heb­li­cher Wei­se das Ver­trau­en des Ar­beit­ge­bers (BAG 12. Au­gust 1999 - 2 AZR 923/98, BA­GE 92, 184, zu I. 2 b bb der Gründe). Die Kläge­rin kann auch nicht die von ihr zi­tier­te Ar­beits­an­wei­sung zu ih­ren Guns­ten anführen. Aus der Ar­beits­an­wei­sung er­gibt sich ge­ra­de nicht, dass die Be­klag­te das Auf­fin­den von Leer­gut­bons bei ei­nem Wert von un­ter ei­nem Eu­ro als nicht re­ge­lungs­bedürf­tig an­ge­se­hen hat. Ent­spre­chend hat auch die Zeu­gin Ke. die auf­ge­fun­de­nen Leer­gut­bons bei der Be­klag­ten ab­ge­ge­ben. Im Übri­gen wäre aus ei­ner ent­spre­chen­den Ar­beits­an­wei­sung ei­ner Recht­fer­ti­gung von Vermögens­de­lik­ten ge­gen den Ar­beit­ge­ber auch nicht her­zu­lei­ten.

Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des BAG kann nicht nur ei­ne er­wie­se­ne Ver­trags­ver­let­zung, son­dern auch schon der schwer­wie­gen­de Ver­dacht ei­ner straf­ba­ren Hand­lung oder ei­ner sons­ti­gen Ver­feh­lung ei­nen wich­ti­gen Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung dar­stel­len. Auch der drin­gen­de Ver­dacht ei­ner Straf­tat auch ge­ring­wer­ti­ger Ge­genstände aus dem Ei­gen­tum des Ar­beit­ge­bers stellt an sich ei­nen wich­ti­gen Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung dar (Prüfung auf der ers­ten Stu­fe des § 626 Abs. 1 BGB). Erst die Würdi­gung, ob dem Ar­beit­ge­ber des­halb außer­dem die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist bzw. der ver­trags­gemäßen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le un­zu­mut­bar ist (Prüfung auf der zwei­ten Stu­fe des

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§ 626 Abs. 1 BGB), kann zur Fest­stel­lung der Nicht­be­rech­ti­gung der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung führen (BAG 12. Au­gust 1999 - 2 AZR 923/98 BA­GE 92, 184, zu II 2 b bb der Gründe). Ei­ne ent­spre­chen­de Ver­dachtskündi­gung liegt vor, wenn und so­weit der Ar­beit­ge­ber sei­ne Kündi­gung da­mit be­gründet, ge­ra­de der Ver­dacht ei­nes (nicht er­wie­se­nen) straf­ba­ren bzw. ver­trags­wid­ri­gen Ver­hal­tens ha­be das für die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­for­der­li­che Ver­trau­en zerstört. Ei­ne Ver­dachtskündi­gung ist dann zulässig, wenn sich star­ke Ver­dachts­mo­men­te auf ob­jek­ti­ve Tat­sa­chen gründen, die Ver­dachts­mo­men­te ge­eig­net sind, das für die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­for­der­li­che Ver­trau­en zu zerstören, und der Ar­beit­ge­ber al­le zu­mut­ba­ren An­stren­gun­gen zur Aufklärung des Sach­ver­halts un­ter­nom­men, ins­be­son­de­re dem Ar­beit­neh­mer Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me ge­ge­ben hat (st. Rspr zu­letzt BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - NZA 2008, 809, zu B I 1 der Gründe; BAG 6.De­zem­ber 2001 - 2 AZR 496/00 - AP BGB § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 36 = EzA BGB § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 11, zu B I 1 der Gründe; BAG 29. No­vem­ber 2007 - 2 AZR 724/06 - EzA § 626 BGB 2002 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 5, zu B I 2 a der Gründe; BAG 4. Ju­ni 1964 - 2 AZR 310/63 - BA­GE 16, 72; 30. Ju­ni 1983 - 2 AZR 540/81 -; BAG 10. Fe­bru­ar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Ver­dachtskündi­gung Nr. 3) . Da­bei sind an die Dar­le­gung und Qua­lität der schwer­wie­gen­den Ver­dachts­mo­men­te be­son­ders stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len, weil bei ei­ner Ver­dachtskündi­gung im­mer die Ge­fahr be­steht, dass ein “Un­schul­di­ger” be­trof­fen ist (vgl. be­reits BAG 4. Ju­ni 1964 - 2 AZR 310/63 - BA­GE 16, 72; BAG 26. Sep­tem­ber 2002 - 2 AZR 424/01 - AP BGB § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 1 mwN) . Der not­wen­di­ge, schwer­wie­gen­de Ver­dacht muss sich aus den Umständen er­ge­ben bzw. ob­jek­tiv durch Tat­sa­chen be­gründet sein. Er muss fer­ner drin­gend sein, dh., bei ei­ner kri­ti­schen Prüfung muss ei­ne auf Be­weis­an­zei­chen (In­di­zi­en) gestütz­te große Wahr­schein­lich­keit für die er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung (Tat) ge­ra­de die­ses Ar­beit­neh­mers be­ste­hen (vgl. zu dem Maßstab und den An­for­de­run­gen: BAG 30. Ju­ni 1983 - 2 AZR 540/81 – n. v.; BAG 18. No­vem­ber 1999 - 2 AZR 743/98 - BA­GE 93, 1; BAG 26. Sep­tem­ber 2002 - 2 AZR 424/01 - AP BGB § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 1; BAG 6. De­zem­ber 2001 - 2 AZR 496/00 - AP BGB § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 11; BAG 6. No­vem­ber 2003 - 2 AZR 631/02 - AP BGB § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 2.). Bloße auf mehr oder we­ni­ger halt­ba­re Ver­mu­tun­gen gestütz­te Verdäch­ti­gun­gen rei­chen dem­ent­spre­chend zur Recht­fer­ti­gung ei­nes drin­gen­den Tat­ver­dachts nicht aus (BAG 30. Ju­ni 1983 - 2 AZR 540/81 -; BAG 10. Fe­bru­ar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Ver­dachtskündi­gung Nr. 3) . Sch­ließlich muss der Ar­beit­ge­ber al­les ihm Zu­mut­ba­re zur Aufklärung des Sach­ver­halts ge­tan ha­ben (BAG 4. Ju­ni

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1964 - 2 AZR 310/63 - BA­GE 16, 72; BAG 10. Fe­bru­ar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Ver­dachtskündi­gung Nr. 3) . Ins­be­son­de­re muss er zunächst selbst ei­ne Aufklärung des Sach­ver­halts un­ter­nom­men ha­ben. Mögli­chen Feh­ler­quel­len muss er nach­ge­hen. Der Um­fang der Nach­for­schungs­pflich­ten rich­tet sich nach den Umständen des Ein­zel­fal­les (BAG 29. No­vem­ber 2007 - 2 AZR 724/06 - EzA § 626 BGB 2002 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 5, zu B I 2 a der Gründe).

bb. Un­ter An­le­gung die­ser Maßstäbe liegt ein wich­ti­ger Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung, nämlich (zu­min­dest) der schwer­wie­gen­de Ver­dacht ei­ner straf­ba­ren Hand­lung oder ei­ner sons­ti­gen Ver­feh­lung zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers vor. Un­abhängig da­von, dass es auf die straf­recht­li­che Ein­ord­nung des Ver­hal­tens nach der ständi­gen Recht­spre­chung des BAG gar nicht an­kommt, geht die Kam­mer da­von aus, dass zu­min­dest der drin­gen­de Ver­dacht be­steht, dass die Kläge­rin ei­nen Be­trug i. S. d. § 263 StGB be­gan­gen hat. Es be­steht der drin­gen­de Ver­dacht, dass die Kläge­rin in der Ab­sicht, sich ei­nen rechts­wid­ri­gen Vermögens­vor­teil zu ver­schaf­fen, das Vermögen der Be­klag­ten da­durch beschädigt hat, dass sie durch Vor­spie­ge­lung fal­scher Tat­sa­chen ei­nen Irr­tum er­regt. Es be­steht der drin­gen­de Ver­dacht, dass die Kläge­rin von Kun­den ver­lo­re­ne Leer­gut­bons, die sei­tens der Be­klag­ten auf­be­wahrt wur­den, im Rah­men ei­nes Per­so­nal­ein­kaufs ein­gelöst hat. Die Kläge­rin hat durch die Einlösung der Leer­gut­bons die In­ha­ber­schaft ei­ner ge­gen die Be­klag­te ge­rich­te­ten For­de­rung vor­getäuscht. Da­durch hat die Be­klag­ten ge­genüber der Kläge­rin auf die Er­he­bung des vol­len auf Grund des Mit­ar­bei­ter­ein­kaufs nach § 433 Abs. 2 BGB ge­schul­de­ten Kauf­prei­ses ver­zich­tet und ei­nen Vermögens­scha­den er­lit­ten. So­weit die Kläge­rin meint, die Be­klag­te ha­be kei­nen Vermögens­scha­den er­lit­ten, trifft dies nicht zu. Die Be­klag­te hat­te den vol­len Kauf­preis­an­spruch, auf den sie in Höhe der vor­getäusch­ten Ge­gen­for­de­rung ver­zich­tet hat. Aus die­sem Grund liegt ein Vermögens­scha­den in Höhe der ge­rin­ge­ren Ein­nah­me in Erfüllung des Kauf­preis­an­spruchs vor.

(1) Hierfür hat die Be­klag­te star­ke Ver­dachts­mo­men­te dar­ge­legt, die auf ob­jek­ti­ve Tat­sa­chen ge­gründet wa­ren. Die von der Be­klag­ten vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen, die Ge­gen­stand der Be­weis­er­he­bung wa­ren, be­gründen das star­ke Ver­dachts­mo­ment, dass die Kläge­rin im Sin­ne der obi­gen Ausführun­gen ei­nen Be­trug zu Las­ten der Be­klag­ten be­gan­gen hat.

(a) Nach der Be­weis­er­he­bung stand zur vol­len Über­zeu­gung der Kam­mer fest, dass

- am 12. Ja­nu­ar 2008 zwei nicht ab­ge­zeich­ne­te Leer­gut­bons mit Aus­stel­lungs­da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 , die nicht ab­ge­zeich­net wa­ren und von de­nen ein Leer­gut­bon über 0,48 EUR und ein an­de­rer über 0,82 EUR lau­te­te, auf­ge­fun­den wor­den sind,

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- die­se Leer­gut­bons an die Kläge­rin über­ge­ben wor­den sind und zunächst im Kas­senbüro de­po­niert wor­den sind,

- die Kläge­rin bei ih­rem Per­so­nal­ein­kauf um 14:45 Uhr an der Kas­se der Zeu­gin K. zwei nicht ab­ge­zeich­ne­te Leer­gut­bons ein­gelöst hat­te, die eben­falls das Aus­stel­lungs­da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 auf­wie­sen und über 0,48 und 0,82 EUR lau­te­ten,

- die am 12. Ja­nu­ar 2008 auf­ge­fun­de­nen Leer­gut­bons bei ei­ner Über­prüfung nach dem Per­so­nal­ein­kauf der Kläge­rin nicht mehr auf­find­bar wa­ren.

Des Wei­te­ren er­gab sich aus dem ein­ge­reich­ten E-Jour­nal, dass am 22. Ja­nu­ar 2008 an der Kas­se der Zeu­gin K. nur ein Leer­gut­bons über 0,48 und nur ein Leer­gut­bons über 0,82 EUR je­weils um 14:45 Uhr ein­gelöst wor­den sind. Die Be­klag­te hat­te die­se Leer­gut­bons im Ori­gi­nal zur Ak­te ge­reicht (Bl. 215 d. A.). Bei­de Bons wei­sen als Aus­stel­lungs­da­tum den 12. Ja­nu­ar 2008 aus. Der ei­ne Bon weist ei­nen Be­trag von 0,82 EUR und ei­ne Aus­stel­lungs­zeit von 09:21 Uhr aus. Der an­de­re Bon weist ei­nen Be­trag von 0,48 EUR und ei­ne Aus­stel­lungs­zeit von 10:06 Uhr aus. Wei­ter­hin steht fest, dass am 12. Ja­nu­ar 2008 um 10:06 Uhr die Kläge­rin selbst an der Kas­se tätig war und des­we­gen kein Leer­gut ab­ge­ben konn­te.

(b) Die Zeu­gen ha­ben ins­ge­samt die Sach­ver­halts­dar­stel­lung der Be­klag­ten bestätigt.

(aa) Die Zeu­gin K. hat das Auf­fin­den der Leer­gut­bons am 12. Ja­nu­ar 2008 bestätigt. Sie hat eben­falls bestätigt, dass die Leer­gut­bons das Da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 tru­gen und dass zu­min­dest ein Leer­gut­bons über 48 Cent lau­te­te. Das Auf­fin­den der Lee­gut­bons wur­de auch von der Zeu­gin Ke. und dem Zeu­gen C. bestätigt. Der Zeu­ge C. hat zwar erklärt, dass nach sei­ner Er­in­ne­rung der wei­te­re Bon ei­nen Wert von 84 Cent und nicht – wie von der Be­klag­ten vor­ge­tra­gen - von 82 Cent hat­te. Dies zieht aber we­der die Glaub­haf­tig­keit der Aus­sa­ge noch die Glaubwürdig­keit des Zeu­gen in Zwei­fel. Ge­ra­de die – ge­ringfügi­ge – Ab­wei­chung der Aus­sa­ge des Zeu­gen von der Sach­ver­halts­dar­stel­lung der Be­klag­ten spricht viel-mehr dafür, dass es kei­ner­lei Ein­fluss­nah­me der Be­klag­ten auf den Zeu­gen, die den Be­weis­wert in Fra­ge ge­stellt hätte, ge­ge­ben hat. Der Zeu­ge hat eben­falls bestätigt, dass die Leer­gut­bons der Kläge­rin über­ge­ben wur­den und da­nach erst ein­mal auf der Ka­bel­leis­te im Kas­sierbüro la­gen. Al­le drei Zeu­gen ha­ben auch bestätigt, dass die auf­ge­fun­de­nen Bons von Kun­den ver­lo­ren sein muss­ten. Der Zeu­ge C. hat hier­zu auch das Ver­fah­ren bei Rück­ga­be von Leer­gut durch Mit­ar­bei­ter erläutert und erklärt, dass die Leer­gut­bons an­ders als Leer-

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gut­bons, die bei Ab­ga­be von Leer­gut durch Mit­ar­bei­tern aus­ge­stellt wer­den, kei­ne Ab­zeich­nung ei­nes Kas­sen­ver­ant­wort­li­chen tru­gen.

(bb) Die Zeu­gin K. hat wei­ter­hin bestätigt, dass die Kläge­rin im Rah­men ei­nes Per­so­nal­ein­kaufs am 22. Ja­nu­ar 2008 zwei Leer­gut­bons ein­ge­reicht hat. Sie hat bestätigt, dass ein Bon über ei­nen Be­trag von 48 Cent lau­te­te und nicht als Mit­ar­bei­ter­bon ab­ge­zeich­net war. Auch an der Glaub­haf­tig­keit die­ser Aus­sa­ge er­ge­ben sich kei­ne Zwei­fel, eben­so we­nig an der Glaubwürdig­keit der Zeu­gin. Die Aus­sa­ge der Zeu­gin wird auch durch das vor­ge­leg­te E-Jour­nal bestätigt. Aus die­sem er­gibt sich, dass an der Kas­se der Zeu­gin am 22. Ja­nu­ar 2008 um 14:45:48 zeit­gleich zwei Leer­gut­bons ein­ge­reicht wur­den, die ei­nen Wert von 48 Cent und ei­nen Wert von 82 Cent hat­ten. Dar­aus er­gibt sich wei­ter­hin, dass nicht nur der der Zeu­gin er­in­ner­li­che Leer­gut­bon mit ei­nem Wert von 48 Cent, son­dern zeit­gleich ein wei­te­rer Leer­gut­bon mit ei­nem Wert von 82 Cent durch die Kläge­rin ein­ge­reicht wor­den ist. Aus­weis­lich des E-Jour­nals wur­den an der Kas­se der Zeu­gin am 22. Ja­nu­ar 2008 nur je­weils ein Bon mit dem Wert von 82 Cent und ein Bon mit dem Wert von 48 Cent ein­gelöst. Die Be­klag­te hat al­le an dem Tag an der Kas­se der Zeu­gin K. ein­gelösten Leer­gut­bons im Ori­gi­nal ein­ge­reicht (Bl. 215 d. A). Es fin­den sich nur zwei Leer­gut­bons mit 82 Cent und 48 Cent. Die­se tra­gen bei­de das Aus­stel­lungs­da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 und ei­ne Aus­stel­lungs­zeit von 9:21 und 10:06 Uhr. Bei bei­den Bons han­delt es sich – wie ein Ver­gleich mit dem ein­ge­reich­ten Mus­ter (Bl. 215 d. A.) er­gibt - nicht um Leer­gut­bons von Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten.

(cc) Die Zeu­gin K. hat auch bestätigt, dass die am 12. Ja­nu­ar 2008 auf­ge­fun­den, von Kun­den ver­lo­re­nen Leer­gut­bons nach dem Per­so­nal­ein­kauf der Kläge­rin nicht mehr im Kas-senbüro la­gen.

(c) Die Tat­sa­chen be­gründen den drin­gen­den Ver­dacht, dass die Kläge­rin die von Kun­den am 12. Ja­nu­ar ver­lo­re­nen, von der Zeu­gin Ke. auf­ge­fun­de­nen und von der Be­klag­ten auf­be­wahr­ten Leer­gut­bons an sich ge­nom­men und im Rah­men des Mit­ar­bei­ter­ein­kaufs ein-gelöst hat. Es stand nach der Zeu­gen­ver­neh­mung für die Kam­mer fest, dass die Kläge­rin am 22. Ja­nu­ar 2008 Leer­gut­bons ein­gelöst hat­te, de­ren Aus­stel­lungs­da­tum und Wert iden­tisch mit den von Kun­den am 12. Ja­nu­ar 2008 ver­lo­re­nen Leer­gut­bons wa­ren. Wei­ter­hin stand fest, dass auch die von der Kläge­rin ein­gelösten Leer­gut­bons durch die feh­len­de Ab­zeich­nung er­sicht­lich von Kun­den und nicht von Mit­ar­bei­tern stamm­ten und dass die am 12. Ja­nu­ar auf­ge­fun­de­nen Leer­gut­bons nach dem Per­so­nal­ein­kauf der Kläge­rin nicht mehr auf­find­bar wa­ren. Die Wahr­schein­lich­keit, dass es ne­ben den auf­ge­fun­de­nen Kun­den­bons wei­te­re Leer­gut­bons von Kun­den mit iden­ti­schem Aus­stel­lungs­da­tum vom 12. Ja­nu­ar 2008 gab, die dann auf an­de­rem We­ge in den Be­sitz der Kläge­rin ge­lang­ten sind, ist nach al­ler Le-

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bens­er­fah­rung so ex­trem ge­ring, dass die vor­lie­gen­den Tat­sa­chen zu­min­dest den drin­gen­den Ver­dacht be­gründen, dass die Kläge­rin von Kun­den ver­lo­re­ne und ihr zur Auf­be­wah­rung über­ge­be­ne Leer­gut­bons zu ih­ren Guns­ten im Rah­men des Mit­ar­bei­ter­kau­fes ein­gelöst hat­te. Die­ser Ver­dacht wird da­durch wei­ter erhärtet, dass die ent­spre­chen­den Leer­gut­bons nach dem Per­so­nal­ein­kauf der Kläge­rin nicht mehr auf­find­bar wa­ren.

(aa) Es war auch aus­ge­schlos­sen, dass die Leer­gut­bons von der Toch­ter der Kläge­rin stamm­ten oder von der Mit­ar­bei­te­rin Frau V. in das Porte­mon­naie der Kläge­rin ge­legt wor­den sind. Die Toch­ter selbst hat ent­spre­chen­de An­ga­ben nicht kon­kret bestätigt. Es wäre auch äußerst un­wahr­schein­lich, dass die Bons von der Toch­ter als ein­zel­ne Per­son stam­men. Die Bons wur­den am 12. Ja­nu­ar 2008 in ei­nem Ab­stand von 45 Mi­nu­ten aus­ge­stellt. Dass die­sel­be Per­son an dem­sel­ben Tag in der­sel­ben Fi­lia­le Leer­gut mit ei­nem 45minüti­gen Ab­stand ab­gibt und an­sch­ließend kei­nen der Bons einlöst, ist be­reits un­wahr­schein­lich. Hin­zu kommt, dass die Beschäfti­gungs­fi­lia­le der Kläge­rin nach dem un­be­strit­te­nen Vor­trag der Be­klag­ten nicht in wohn­ortnähe der Toch­ter der Kläge­rin liegt. Die Mit­ar­bei­tern Frau V. hat bei der Be­fra­gung an­ge­ge­ben, ent­ge­gen der Dar­stel­lung der Kläge­rin zu kei­nem Zeit­punkt die Geldbörse der Kläge­rin er­hal­ten zu ha­ben. Es ist auch nicht er­sicht­lich, wel­ches In­ter­es­se Frau V. ge­habt ha­ben soll, der Kläge­rin heim­lich Leer­gut­bons zu­zu­ste­cken.

(bb) Dass die Leer­gut­bons der Kläge­rin gehörten, ist eben­falls aus­zu­sch­ließen. Die Kläge­rin hat selbst ein­geräumt, dass sie das Leer­gut am 12. Ja­nu­ar 2008 um 10:06 Uhr nicht ab­ge­ge­ben ha­ben konn­te. Des Wei­te­ren steht nach der Be­weis­auf­nah­me fest, dass die Leer-gut­bons man­gels ent­spre­chen­der Ab­zeich­nung nicht von ei­nem Mit­ar­bei­ter stam­men konn­ten.

(cc) Es gibt auch nicht im An­satz An­halts­punk­te dafür, dass die Be­klag­te der Kläge­rin we­gen der Teil­nah­me an dem Streik im Ein­zel­han­del „ei­ne Fal­le ge­stellt“ hätte. Es ist schon nicht er­sicht­lich wie die Be­klag­te Leer­gut­bons in dem Porte­mon­naie der Kläge­rin hätte plat­zie­ren können. Dass die Be­klag­te im Übri­gen kei­ne Möglich­keit hätte, die Kläge­rin ge­gen ih­ren Wil­len zu be­we­gen, als Kun­den­bons aus­ge­wie­sen Bons für sich ein­zulösen, ist of­fen­sicht­lich.

(d) Die Be­klag­te hat auch al­les ihr Zu­mut­ba­re zur Aufklärung des Sach­ver­halts ge­tan und die Kläge­rin zu dem Sach­ver­halt, auf den sie ih­ren Ver­dacht stützt, an­gehört. Die Kläge­rin wur­de am 25. Ja­nu­ar 2008 erst­mals durch die Di­strikt­ma­na­ge­rin an­gehört. Als Er­geb­nis des Gespräches vom 25. Ja­nu­ar 2008, in dem sich die Vorwürfe nicht ausräum­en ließen, wur­de ei­ne wei­te­re Anhörung der Kläge­rin in der Per­so­nal­ab­tei­lung der Be­klag­ten im Bei­sein

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des Be­triebs­rats ver­ein­bart. Auf­grund der ur­laubs­be­ding­ten Ab­we­sen­heit der Kläge­rin wur­de auf de­ren aus­drück­li­chen Wunsch hin der Gesprächs­ter­min für den 6. Fe­bru­ar 2008 an­be­raumt. Der Kläge­rin wur­de nach dem Gespräch noch­mals die Ge­le­gen­heit ge­ge­ben, die von ihr an­ge­ge­be­ne Möglich­keit, die Leer­gut­bons von ih­rer Toch­ter er­hal­ten zu ha­ben, mit ih­rer Toch­ter zu be­spre­chen und ei­ne Fort­set­zung des Gesprächs für den 11. Fe­bru­ar 2008 an­be­raumt. Nach­dem die Kläge­rin nach Dar­stel­lung der Be­klag­ten in dem Gespräch nun­mehr klar be­haup­te­te, ih­re Toch­ter ha­be ihr die Leer­gut­bons zu­ge­steckt wur­de ein wei­te­rer Gesprächs­ter­min für den 15. Fe­bru­ar 2008 an­ge­setzt, in der der Toch­ter die Ge­le­gen­heit ge­ge­ben wer­den soll­te, die An­ga­ben der Kläge­rin zu bestäti­gen. Auch in die­sem Gespräch konn­ten die Ver­dachts­mo­men­te nicht aus­geräumt wer­den. Die Mit­ar­bei­te­rin V. wur­de eben­falls zur Dar-stel­lung der Kläge­rin an­gehört. Sie erklärte aus­drück­lich, dass sie zu kei­nem Zeit­punkt die Geldbörse der Kläge­rin er­hal­ten hat­te.

(2) Die Ver­dachts­mo­men­te sind nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts an sich ge­eig­net, ei­ne frist­lo­se Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Es be­steht min­des­tens der drin­gen­de Ver­dacht, dass die Kläge­rin ei­nen Be­trug zu Las­ten der Be­klag­ten be­gan­gen hat, wo­bei es im Rah­men der ers­ten Prüfungs­stu­fe des § 626 Abs. 1 BGB auf die Höhe des Vermögens­scha­dens nicht an­kommt. Die­se ständi­ge, zu­tref­fen­de und sorg­sam be­gründe­te Recht­spre­chung des BAG be­darf an sich kei­ner ge­son­der­ten Ver­tei­di­gung durch die er­ken­nen­de Kam­mer, wo­bei auch die schlich­te – und in je­der Kam­mer­ver­hand­lung durch den Pro­zess­ver­tre­ter der Kläge­rin wie­der­hol­te - Ti­tu­lie­rung der Recht­spre­chung als „Skan­dal“ ei­ner in­halt­lich ar­gu­men­ta­ti­ven Aus­ein­an­der­set­zung nicht zugäng­lich ist. Das BAG hat be­reits über­zeu­gend aus­geführt, dass es der der Rechts­si­cher­heit die­nen­den sys­te­ma­ti­schen Zwei­tei­lung des § 626 Abs. 1 BGB in den wich­ti­gen Grund an sich und die nach­fol­gen­de Zu­mut­bar­keitsprüfung un­ter In­ter­es­sen­abwägung wi­der­spricht, wenn rechts­wid­ri­gen und vorsätz­li­chen Ver­let­zun­gen des Ei­gen­tums oder Vermögens des Ar­beit­ge­bers von vorn­her­ein die Eig­nung für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ab­ge­spro­chen wird, weil die Schädi­gung des Ar­beit­ge­bers ge­ringfügig ist. Um Ge­ringfügig­keit zu be­ja­hen, ist ei­ne Wer­tung er­for­der­lich, was dafür spricht, die Scha­denshöhe der Zu­mut­bar­keitsprüfung im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung zu­zu­ord­nen. Der Um­fang des dem Ar­beit­ge­ber zu­gefügten Scha­dens kann vor al­lem im Hin­blick auf die Stel­lung des Ar­beit­neh­mers, die Art des ent­wen­de­ten Guts und die be­son­de­ren Verhält­nis­se des Be­triebs un­ter­schied­li­ches Ge­wicht für die Be­ur­tei­lung der Zu­mut­bar­keit des Pflicht­ver­s­toßes auf­wei­sen. Ob­jek­ti­ve Kri­te­ri­en für ei­ne al­lein am Wert des ent­wen­de­ten Ge­gen­stan­des aus­ge­rich­te­te Ab­gren­zung in ein für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung grundsätz­lich ge­eig­ne­tes und ein nicht ge­eig­ne­tes Ver­hal­ten las­sen sich nicht auf­stel­len (BAG 12. Au­gust 1999 - 2 AZR 923/98, BA­GE 92, 184, zu II 2 b bb der Gründe,

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BAG 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung, zu II 1 b der Gründe).

b. Un­ter Berück­sich­ti­gung der Umstände und der In­ter­es­sen­abwägung im Ein­zel­fall war die kon­kre­te Kündi­gung ge­recht­fer­tigt. Der Be­klag­ten war bei ei­ner kon­kre­ten In­ter­es­sen­abwägung ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin auch bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist von sie­ben Mo­na­ten nicht zu­mut­bar. Da­bei hat die Kam­mer zu Guns­ten der Kläge­rin die mit de­ren Al­ter ver­bun­de­nen Chan­cen auf dem Ar­beits­markt so­wie die lan­ge Be­triebs­zu­gehörig­keit berück­sich­tigt, wo­bei es nicht dar­auf an­kam, dass die Be­triebs­zu­gehörig­keit über­wie­gend bei dem Recht­vorgänger der Be­klag­ten er­wor­ben wur­de. Aber auch un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser As­pek­te und un­ter Berück­sich­ti­gung des nicht sehr ho­hen Vermögens­scha­dens war im vor­lie­gen­den kon­kre­ten Fall der Be­klag­ten ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin auch nur bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­mut­bar. We­sent­lich im Rah­men der Ein­zel­fall­abwägung als Kon­kre­ti­sie­rung des wich­ti­gen Grund ist, ob trotz Be­las­tun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses in der Ver­gan­gen­heit für die Zu­kunft ein Fest­hal­ten an dem Ar­beits­verhält­nis zu­mut­bar ist, weil die Störung kei­ne oder ggf. nur ge­rin­ge Aus­wir­kun­gen für die Zu­kunft hat (vgl. Ja­cobs/We­ge in Thüsing/Laux/Lembke KSchG § 626 BGB Rn. 25). Bei Vor­lie­gen ei­ner Straf­tat ge­gen den Ar­beit­ge­ber oder bei Vor­lie­gen ei­nes drin­gen­den Ver­dachts ei­ner Straf­tat ge­gen den Ar­beit­ge­ber ist zwar das Ver­trau­ens­verhält­nis re­gelmäßig auch für die Zu­kunft zerstört, je­doch ist zu erwägen, ob im Ein­zel­fall ei­ne Wie­der­her­stel­lung des Ver­trau­ens, das ein Fest­hal­ten am Ar­beits­verhält­nis zu­mut­bar macht, möglich ist (vgl. al­ler­dings auch BAG 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - AP Nr. 4 zu SGB IX § 91, wo­nach auch durch ei­ne künf­ti­ge Ver­trags­treue die ein­ge­tre­te­ne Erschütte­rung oder Zerstörung des Ver-trau­ens­verhält­nis­ses nicht mehr un­ge­sche­hen ge­macht wer­den kann). Vor­lie­gend hat die Kläge­rin je­doch stets be­tont, dass sie das ihr vor­ge­wor­fe­ne Ver­hal­ten oh­ne­hin nicht als gra-vie­rend an­se­he und im Übri­gen Straf­ta­ten ge­gen den Ar­beit­ge­ber bei ge­rin­gen Vermögens-de­lik­ten aus ih­rer Sicht nie ei­ne Kündi­gung recht­fer­ti­gen könn­ten. Un­ter die­sen Umständen ist ei­ne Wie­der­her­stel­lung des Ver­trau­ens aus­ge­schlos­sen. Ar­ti­ku­liert der Ar­beit­neh­mer klar, dass er ei­ne ge­gen das Vermögen des Ar­beit­ge­bers ge­rich­te­te Straft als nicht so gra­vie­rend an­sieht, so kann der Ar­beit­ge­ber auch für die Zu­kunft kei­ner­lei Ver­trau­en ha­ben, dass ei­ne Schädi­gung sei­nes Ei­gen­tums und Vermögens in Zu­kunft un­ter­bleibt. Da­bei ist wei­ter­hin zu berück­sich­tig­ten, dass die Kläge­rin als Kas­sie­re­rin mit Ver­kaufstätig­keit beschäftigt wur­de und da­mit dau­er­haft Zu­griff auf das Ei­gen­tum der Be­klag­ten hat. Sie wird al­so in ei­nem be­son­ders sen­si­blen Be­reich beschäftigt, bei dem das Ver­trau­en auf ein red­li­ches, ve­trags­ge­rech­tes Ver­hal­ten be­son­ders wich­tig ist. Dies macht ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin auch nur bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist un­zu­mut­bar. Die or­dent­li­che Kündi­gungs­frist der Kläge­rin beträgt sie­ben Mo­na­te zum Mo­nats­en­de. Es kann der Be­klag­ten nicht zu­ge­mu-

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tet wer­den, ei­ne Ar­beit­neh­me­rin, die zu­min­dest drin­gend verdäch­tigt ist, ein Vermögens­de­likt zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers be­gan­gen zu ha­ben und die gleich­zei­tig der Auf­fas­sung ist, dies sei nicht so gra­vie­rend und recht­fer­ti­ge oh­ne­hin kei­ne Kündi­gung, über sie­ben Mo­na­te in ei­nem Be­reich zu beschäfti­gen, in dem das Ei­gen­tum des Ar­beit­ge­bers dem ständi­gen po­ten­ti­el­len Zu­griff der Ar­beit­neh­me­rin aus­ge­setzt ist.

c. Die Kündi­gung ist auch Verhält­nismäßig, ins­be­son­de­re be­durf­te es kei­ner ge­son­der­ten Ab­mah­nung vor Aus­spruch der Kündi­gung. Be­son­ders schwe­re Verstöße bedürfen kei­ner frühe­ren Ab­mah­nung, weil hier der Ar­beit­neh­mer von vorn­her­ein nicht mit ei­ner Bil­li­gung sei­nes Ver­hal­tens rech­nen kann und er sich be­wusst sein muss, dass er sei­nen Ar­beits­platz aufs Spiel setzt (BAG 10. Fe­bru­ar 1999 - 2 ABR 31/98 - AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969; BAG 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB Krank­heit). In dem Fall ei­ner Straf­tat oder des drin­gen­den Ver­dachts ei­ner Straf­tat ge­gen den Ar­beit­ge­ber wird nach der Recht­spre­chung des BAG die Möglich­keit ei­ner po­si­ti­ven Pro­gno­se für das Ar­beits­verhält­nis. aus­zu­sch­ließen sein und die Ab­mah­nung ent­behr­lich er­schei­nen, weil auch durch ei­ne künf­ti­ge Ver­trags­treue die ein­ge­tre­te­ne Erschütte­rung oder Zerstörung des Ver­trau­ens­verhält­nis­ses nicht mehr un­ge­sche­hen ge­macht wer­den kann (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - AP Nr. 4 zu SGB IX § 91). Bei der Be­ein­träch­ti­gung selbst ge­ring­wer­ti­ger Güter des Ar­beit­ge­bers be­darf es re­gelmäßig kei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung (BAG 11. De­zem­ber 2003 - 2 AZR 36/03 - AP Nr. 179 zu § 626 BGB). Dem­ent­spre­chend be­durf­te es vor­lie­gend kei­ner Ab­mah­nung. Die Tat­sa­che, dass die Kläge­rin selbst der An­sicht ist, Straf­ta­ten be­zo­gen auch ge­ring­wer­ti­ge Güter könn­ten kei­ne Kündi­gung recht­fer­tig­ten, ist un­er­heb­lich, da sie ob­jek­tiv mit ei­ner Kündi­gung rech­nen muss­te.

d. Die Be­klag­te hat ent­ge­gen der An­sicht der Kläge­rin die Kündi­gungs­erklärungs­frist des § 626 Abs. 2 BGB ein­ge­hal­ten.

aa. Die Aus­schluss­frist des § 626 Abs. 2 BGB be­ginnt, wenn der Kündi­gungs­be­rech­tig­te ei­ne zu­verlässi­ge und möglichst vollständi­ge po­si­ti­ve Kennt­nis von den für die Kündi­gung maßge­ben­den Tat­sa­chen hat und ihm des­halb die Ent­schei­dung über die Zu­mut­bar­keit ei­ner Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses möglich ist (BAG 01. Fe­bru­ar 2007 - 2 AZR 333/06 - EzA § 626 BGB 2002 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 3; BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - AP SGB IX § 91 Nr. 6 = EzA SGB IX § 91 Nr. 3; BAG 2. Fe­bru­ar 2006 - 2 AZR 57/05 - AP BGB § 626 Nr. 204 = EzA BGB 2002 § 626 Aus­schluss­frist Nr. 1). Zu den maßgeb­li­chen Tat­sa­chen gehören so­wohl die für als auch die ge­gen die Kündi­gung spre­chen­den Umstände. Oh­ne ei­ne um­fas­sen­de Kennt­nis des Kündi­gungs­be­rech­tig­ten vom Kündi­gungs­sach­ver­halt kann sein Kündi­gungs­recht nicht ver­wir­ken. Der Kündi­gungs­be­rech­tig­te, der

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An­halts­punk­te für ei­nen Sach­ver­halt hat, der zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung be­rech­ti­gen könn­te, kann Er­mitt­lun­gen an­stel­len und den Be­trof­fe­nen anhören, oh­ne dass die Frist zu lau­fen be­ginnt. Es genügt nicht al­lein die Kennt­nis des kon­kre­ten, die Kündi­gung auslösen­den An­las­ses, dh. des “Vor­falls”, der ei­nen wich­ti­gen Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung dar­stel­len soll. Bei ei­ner vom Ar­beit­ge­ber erklärten außer­or­dent­li­chen Kündi­gung gehören auch sol­che As­pek­te zum Kündi­gungs­sach­ver­halt, die für den Ar­beit­neh­mer und ge­gen die Kündi­gung spre­chen. Außer­dem gehört es zu den vom Kündi­gungs­be­rech­tig­ten zu er­gründen­den maßgeb­li­chen Umständen, mögli­che Be­weis­mit­tel für ei­ne er­mit­tel­te Pflicht­ver­let­zung zu be­schaf­fen und zu si­chern (BAG 2. Fe­bru­ar 2006 - 2 AZR 57/05 - AP SGB IX § 91 Nr. 6 = EzA SGB IX § 91 Nr. 3). Da­bei sol­len die zeit­li­chen Gren­zen des 626 Abs. 2 BGB den Ar­beit­ge­ber we­der zu hek­ti­scher Ei­le bei der Kündi­gung an­trei­ben noch ihn ver­an­las­sen, oh­ne ei­ne genügen­de Prüfung des Sach­ver­halts oder vor­han­de­ner Be­weis­mit­tel vor­ei­lig zu kündi­gen (BAG 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Aus­schluss­frist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; BAG 15. No­vem­ber 1995 - 2 AZR 974/94 - AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 89; 29. Ju­li 1993 - 2 AZR 90/93 - AP BGB § 626 Aus­schluss­frist Nr. 31 = EzA BGB § 626 Aus­schluss­frist Nr. 4) . So­lan­ge der Kündi­gungs­be­rech­tig­te die zur Aufklärung des Sach­ver­halts nach pflicht­gemäßem Er­mes­sen not­wen­dig er­schei­nen­den Maßnah­men durchführt, läuft die Aus­schluss­frist nicht an (BAG 01. Fe­bru­ar 2007 - 2 AZR 333/06 - EzA § 626 BGB 2002 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 3).

bb. Da­nach be­gann die Kündi­gungs­erklärungs­frist erst mit Ab­schluss der Anhörung der Kläge­rin, im Rah­men de­rer der Kläge­rin wei­ter­hin die Ge­le­gen­heit ge­ge­ben wur­de, die ge­gen sie er­ho­be­nen Vorwürfe zu ent­kräften, al­so mit Ab­lauf des 15. Fe­bru­ar 2008. Die Kündi­gung ging der Kläge­rin am 22. Fe­bru­ar 2008 und da­mit in­ner­halb der Aus­schluss­frist des § 626 Abs. 2 BGB zu.

2. Die Kündi­gung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG un­wirk­sam. Die Be­klag­te hat den Be­triebs­rat – wie sich aus dem ein­ge­reich­ten Anhörungs­schrei­ben (Bl. 54 – 57 d. A.) er­gibt - ord­nungs­gemäß nach § 102 Abs. 1 Be­trVG an­gehört.

B. Die Kla­ge ist mit dem An­trag zu 2. eben­falls zulässig aber un­be­gründet

I. Ein An­spruch auf Wei­ter­beschäfti­gung er­gibt sich schon des­we­gen nicht aus § 102 Abs. 5 Be­trVG, da die Be­klag­te ei­ne frist­lo­se Kündi­gung aus­ge­spro­chen hat­te.

II. Der An­spruch er­gibt sich auch nicht aus dem all­ge­mei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch. Außer­halb der Re­ge­lung der § 102 Abs. 5 Be­trVG hat der gekündig­te Ar­beit­neh­mer

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ei­nen ar­beits­ver­trags­recht­li­chen An­spruch auf ver­trags­gemäße Beschäfti­gung über den Ab­lauf der Kündi­gungs­frist oder bei ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung über de­ren Zu­gang hin­aus bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­pro­zes­ses, wenn die Kündi­gung un­wirk­sam ist und über­wie­gen­de schutz­wer­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ei­ner sol­chen Beschäfti­gung nicht ent­ge­gen­ste­hen (BAG 27. Fe­bru­ar 1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäf-ti­gungs­pflicht). Vor­lie­gend fehlt es be­reits an ei­ner un­wirk­sa­men Kündi­gung.

C. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Da­nach hat die Kläge­rin die Kos­ten des Rechts­streits als un­ter­lie­gen­de Par­tei zu tra­gen.

D. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wur­de gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG fest­ge­setzt. Da­bei wur­de für den An­trag zu 1. gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG ein Brut­to­vier­tel­jah­res­ver­dienst und für den An­trag zu 2. ein Brut­to­mo­nats­ge­halt an­ge­setzt.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von d. Kläger/in Be­ru­fung ein­ge­legt wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss von ei­nem Rechts­an­walt oder ei­nem Ver­tre­ter ei­ner Ge­werk­schaft bzw. ei­ner Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung oder ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses sol­cher Verbände ein­ge­reicht wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss in­ner­halb


ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

bei dem


Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg,
Mag­de­bur­ger Platz 1, 10785 Ber­lin,

ein­ge­gan­gen sein.

Die Be­ru­fungs­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet wird, so­wie die Erklärung ent­hal­ten, dass Be­ru­fung ge­gen die­ses Ur­teil ein­ge­legt wer­de.
Die Be­ru­fung ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

in glei­cher Form schrift­lich zu be­gründen.
Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Da­bei ist zu be­ach­ten, dass das Ur­teil mit der Ein­le­gung in den Brief­kas­ten oder ei­ner ähn­li­chen Vor­rich­tung für den Pos­t­emp­fang als zu­ge­stellt gilt.
Wird bei der Par­tei ei­ne schrift­li­che Mit­tei­lung ab­ge­ge­ben, dass das Ur­teil auf der Geschäfts­stel­le ei­nes Amts­ge­richts oder ei­ner von der Post be­stimm­ten Stel­le nie­der­ge­legt ist, gilt das Schriftstück mit der Ab­ga­be der schrift­li­chen Mit­tei­lung als zu­ge­stellt, al­so nicht erst mit der Ab­ho­lung der Sen­dung.
Das Zu­stel­lungs­da­tum ist auf dem Um­schlag der Sen­dung ver­merkt.
Für d. Be­klag­te/n ist kei­ne Be­ru­fung ge­ge­ben.

 

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Von der Be­gründungs­schrift wer­den zwei zusätz­li­che Ab­schrif­ten zur Un­ter­rich­tung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter er­be­ten.

Wei­te­re Statt­haf­tig­keits­vor­aus­set­zun­gen er­ge­ben sich aus § 64 Abs.2 ArbGG :
"Die Be­ru­fung kann nur ein­ge­legt wer­den,
a) wenn sie in dem Ur­teil zu­ge­las­sen wor­den ist,
b) wenn der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des 600 Eu­ro über­steigt,
c) in Rechts­strei­tig­kei­ten über das Be­ste­hen, das Nicht­be­ste­hen oder die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses oder
d) wenn es sich um ein Versäum­nis­ur­teil han­delt, ge­gen das der Ein­spruch an sich nicht statt­haft ist, wenn die Be­ru­fung oder An­schluss­be­ru­fung dar­auf gestützt wird, dass der Fall schuld­haf­ter Versäum­ung nicht vor­ge­le­gen ha­be."
 

Dr. Sch.

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