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Kün­di­gung zum nächst­mög­li­chen Ter­min

Ei­ne Kün­di­gung "zum nächst­mög­li­chen Zeit­punkt" ist nicht zu un­be­stimmt: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 20.06.2013, 6 AZR 805/11
Abrisskalender Müs­sen Kün­di­gungs­schrei­ben im­mer den End­ter­min be­nen­nen?

27.06.2013. Ar­beit­ge­ber spre­chen or­dent­li­che Kün­di­gun­gen oft "zum nächs­ten mög­li­chen Ter­min" aus, d.h. sie le­gen sich beim End­ter­min nicht fest.

Denn durch die An­ga­be ei­nes sol­chen Zeit­punkts, an dem das Ar­beits­ver­hält­nis in­fol­ge der Kün­di­gung en­den soll, kann man sich ver­tun, ein­fach weil man die Kün­di­gungs­fris­ten falsch be­rech­net.

Da­mit stellt sich die Fra­ge, ob ei­ne sol­che Kün­di­gung "zum nächst­mög­li­chen Zeit­punkt" nicht zu un­be­stimmt und aus die­sem Grun­de un­wirk­sam ist. Nein, das ist sie nicht, so das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­nem Ur­teil vom Don­ners­tag letz­ter Wo­che: BAG, Ur­teil vom 20.06.2013, 6 AZR 805/11.

Sind Kündi­gun­gen "zum nächs­ten mögli­chen Zeit­punkt" zu un­be­stimmt?

Wer als Ar­beit­ge­ber ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus­spricht, muss sich Ge­dan­ken darüber ma­chen, wie lan­ge die für das Ar­beits­verhält­nis gel­ten­de Kündi­gungs­frist ist. Das klingt leicht, ist es aber oft nicht, wenn das Ar­beits­verhält­nis schon lan­ge be­stan­den hat und wenn nicht nur die ge­setz­li­chen Kündi­gungs­fris­ten (§ 622 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB), son­dern auch ta­rif­ver­trag­li­che Fris­ten­re­ge­lun­gen zu berück­sich­ti­gen sind.

Dann kommt der Zeit­druck hin­zu: Oft steht das Mo­nats- oder Quar­tals­en­de vor der Tür und dann muss das Kündi­gungs­schrei­ben rasch her­aus, will der Ar­beit­ge­ber ei­ne un­ge­woll­te (wei­te­re) Verlänge­rung der Kündi­gungs­fris­ten ver­mei­den.

Da­her ist es gängi­ge Pra­xis, dass or­dent­li­che Kündi­gun­gen "zum nächs­ten mögli­chen Ter­min" aus­ge­spro­chen wer­den. Oft wird ei­ne sol­che Kündi­gung als "hilfs­wei­se" wei­te­re Kündi­gung aus­ge­spro­chen, d.h. der Ar­beit­ge­ber kündigt or­dent­lich zu ei­nem im Kündi­gungs­schrei­ben ge­nann­ten End­ter­min und erklärt im nächs­ten Satz, er kündi­ge hilfs­wei­se (für den Fall der Un­wirk­sam­keit die­ses End­ter­mins) "zum nächstmögli­chen Zeit­punkt".

Al­ler­dings muss dann der Ar­beit­neh­mer die Be­rech­nun­gen vor­neh­men, die sich der Ar­beit­ge­ber er­spart hat. Und da­zu hat das BAG in ei­nem Ur­teil aus dem Jah­re 2010 nicht ganz zu Un­recht ge­sagt, es sei nicht "die Auf­ga­be des Ar­beit­neh­mers, darüber zu rätseln, zu wel­chem an­de­ren als in der Kündi­gungs­erklärung an­ge­ge­be­nen Ter­min der Ar­beit­ge­ber die Kündi­gung ge­wollt ha­ben könn­te" (BAG, Ur­teil vom 01.09.2010, 5 AZR 700/09 - wir be­rich­te­ten über die­ses Ur­teil in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/201 Zeit­druck bei falsch be­rech­ne­ter Kündi­gungs­frist).

Es fragt sich da­her, ob or­dent­li­che Kündi­gigun­gen "zum nächs­ten mögli­chen End­ter­min" über­haupt wirk­sam oder nicht viel­leicht zu un­be­stimmt und aus die­sem Grun­de un­wirk­sam sind. Denn als "ein­sei­ti­ge rechts­ge­stal­ten­de Wil­lens­erklärun­gen" müssen Kündi­gun­gen ei­nen kla­ren In­halt ha­ben.

Der Fall des BAG: In­sol­venz­ver­wal­ter kündigt or­dent­lich „zum nächstmögli­chen Zeit­punkt“ und erläutert im Kündi­gungs­schrei­ben ge­setz­li­che und ta­rif­li­che Fris­ten­re­ge­lun­gen

Im Streit­fall hat­te ein In­sol­venz­ver­wal­ter am 03.05.2010 ei­ne or­dent­li­che be­triebs­be­ding­te Kündi­gung „zum nächstmögli­chen Zeit­punkt“ aus­ge­spro­chen, weil der Be­trieb still­ge­legt wer­den soll­te. Er­hal­ten hat­te die­se Kündi­gung ei­ne langjährig beschäftig­te Mit­ar­bei­te­rin.

Da ein In­sol­venz­ver­wal­ter bei or­dent­li­chen Kündi­gun­gen höchs­tens ei­ne Frist von drei Mo­na­ten zum Mo­nats­en­de be­ach­ten muss (§ 113 Satz 2 In­sol­venz­ord­nung - In­sO), er­gab sich hier der 31.08.2010 als End­ter­min. Den hat­te der Ver­wal­ter in sei­nem Kündi­gungs­schrei­ben aber nicht be­nannt, son­dern viel­mehr all­ge­mei­ne Ausführun­gen da­zu ge­macht, dass ta­rif­li­che oder ver­trag­li­che Fris­ten vom Ver­wal­ter nicht zu be­ach­ten sind, wenn die­se länger als drei Mo­na­te be­tra­gen soll­ten.

Die Ar­beit­neh­me­rin er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge und hat­te da­mit vor dem Ar­beits­ge­richt Pa­der­born (Ur­teil vom 08.12.2010, 2 Ca 1002/10) und auch in der Be­ru­fung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm Er­folg (LAG Hamm, Ur­teil vom 06.04.2011, 6 Sa 9/11).

Das LAG mein­te, dem Kündi­gungs­schrei­ben und sei­nen Be­gleit­umständen könne nicht ent­nom­men wer­den, von wel­cher Kündi­gungs­frist und von wel­chem Kündi­gungs­ter­min der Ver­wal­ter aus­geht. Wenn man schon zum nächs­ten mögli­chen Ter­min kündigt, dann muss man laut LAG dem Gekündig­ten zu­min­dest das "maßge­ben­de Re­chen­pro­gramm" mit­tei­len, d.h. die ge­setz­li­chen, ta­rif­ver­trag­li­chen oder ar­beits­ver­trag­li­chen Fris­ten­re­ge­lun­gen und auch die dafür maßgeb­li­chen Tat­sa­chen, al­so v.a. die Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit.

BAG: Ei­ne Kündi­gung "zum nächstmögli­chen Zeit­punkt" ist nicht zu un­be­stimmt

An­ders als das Ar­beits­ge­richt und das LAG Hamm ent­schied das BAG, dass die Kündi­gung wirk­sam war. Zur Be­gründung heißt es in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG:

Kündi­gun­gen müssen zwar "be­stimmt und un­miss­verständ­lich" erklärt wer­den, wo­zu auch gehört, dass der Gekündig­te bei ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung er­ken­nen kann, wann denn nun sein Ar­beits­verhält­nis en­den soll, so das BAG. Hierfür genügt im Nor­mal­fall die An­ga­be des Kündi­gungs­ter­mins oder der Kündi­gungs­frist.

Es reicht aber nach An­sicht des BAG auch ein all­ge­mei­ner Hin­weis auf die maßgeb­li­chen ge­setz­li­chen Fris­ten­re­ge­lun­gen, "wenn der Erklärungs­empfänger hier­durch un­schwer er­mit­teln kann, zu wel­chem Ter­min das Ar­beits­verhält­nis en­den soll."

Ei­ne sol­che Möglich­keit hat­te die Kläge­rin hier im Streit­fall nach Mei­nung des BAG, so dass die Kündi­gung wirk­sam war.

Fa­zit: Wer ein Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich kündigt, soll­te das im Kündi­gungs­schrei­ben zunächst klar­stel­len und dann den End­ter­min als "Wis­sens­erklärung" hin­zufügen. Das Schrei­ben soll­te da­her lau­ten:

"Hier­mit kündi­ge ich das Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich un­ter Be­ach­tung der für Sie gel­ten­den ge­setz­li­chen / ta­rif­li­chen / ar­beits­ver­trag­li­chen Kündi­gungs­fris­ten zum nächstmögli­chen Zeit­punkt. Das ist nach mei­nen Be­rech­nun­gen der xx.xx.xxxx [An­ga­be ei­nes kon­kre­ten Da­tums]."

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 14. Dezember 2020

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