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LAG Hamm, Urteil vom 26.08.2010, 17 Sa 537/10
Schlagworte: | Kündigung: Außerordentlich, Geschäftsführer | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamm | |
Aktenzeichen: | 17 Sa 537/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 26.08.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 17.02.2010, 10 Ca 4029/09 | |
17 Sa 537/10
10 Ca 4029/09 ArbG Dortmund
Verkündet am 26.08.2010
Woischke Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Verfahren
hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 26.08.2010
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Held-Wesendahl
sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Plümpe und Korte
f ü r Recht erkannt :
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.02.2010 – 10 Ca 4029/09 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Beklagten beendet ist.
Die am 12.05.1960 geborene, geschiedene, niemandem zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war seit dem 17.11.1986 bei der Beklagten tätig. Seit dem 01.01.2003 ist sie Sachbearbeiterin in der Gewerbemeldestelle, die seit Februar 2003 zu den Bürgerdiensten zählt. Ab Januar 2009 erfolgte die Einarbeitung der Klägerin in Führerscheinangelegenheiten.
Sie erzielte zuletzt aus der Entgeltgruppe 8 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren TVöD-VKA ein Bruttomonatsgehalt von 2.900,00 €.
Im Oktober 2008 wurden die pfändbaren Gehaltsbeträge der Klägerin zu Gunsten eines Gläubigers gepfändet und ihm überwiesen. Seit dem 12.11.2008 bedient die Beklagte den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.
Im Dezember 2008 teilte die Klägerin der Beklagten auf Rücksprache mit, die Angelegenheit sei geklärt und der Gläubiger werde aufgrund ihrer freiwilligen Zahlungen die Pfändung „zurückziehen". Tatsächlich musste der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss weiterhin bedient werden.
Die Klägerin ist nach der Geschäftsanweisung über die kassenmäßige Abwicklung von Verwaltungsgeschäften vom 25.07.2007 zur Führung eines Handvorschusses und zur Annahme und Auszahlung von Zahlungsmittel ermächtigt. Im Hinblick darauf forderte die Beklagte die Fachbereichsleitung auf, über die Ermächtigung unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Pfändung neu zu entscheiden, die Teamleitung zu veranlassen, überraschende Kassenprüfungen durchzuführen.
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Eine erste Prüfung fand am 03.06.2009 statt und erbrachte keine auffälligen Ergebnisse.
Am 25.06.2009 führte der Vorgesetzte W6 ein Gespräch mit der Klägerin, dessen Inhalt streitig ist.
Am 03.08.2009 prüfte die Teamleiterin H3 erneut die Kasse der Klägerin. Sie zog den stellvertretenden Bereichsleiter G2 hinzu. Es wurde festgestellt, dass sich in dem Kassenbestand von insgesamt 828,00 € Falschgeld i.H.v. 650,00 € in fünf Fünfzigeuro- und vier Hunderteuroscheinen befand. Noch am selben Tag erstattete die Beklagte Anzeige bei der Polizei. Das gegen die Klägerin gerichtete Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft Dortmund unter dem Aktenzeichen 170 Js 1169/09 geführt.
Noch am 03.08.2009 erhielt die Klägerin eine Einladung zu einem Personalgespräch am 04.08.2009. In Anwesenheit des Personalratsmitgliedes S2 wurde sie mit dem Sachverhalt konfrontiert, dass sich in ihrer Barkasse nach Auffassung der Beklagten offensichtlich erkennbares Falschgeld befand. Die Klägerin erklärte, sie habe die Geldscheine nicht als Falschgeld erkannt. Innerhalb der letzten sechs bis sieben Wochen habe der Kassenautomat häufiger Geldscheine nicht angenommen. Sie habe zwei- bis dreimal versucht, die Geldscheine einzuzahlen. Die nicht angenommenen Scheine habe sie dann separat in einem Umschlag in einer dienstlichen Geldtasche aufgehoben. Bereits seit Juni/Juli 2009 habe sie ihre private Geldbörse mit zu dem Kassenautomaten genommen, um nicht angenommene Geldscheine aus ihrem privaten Bestand zu ersetzen. Sie habe die Einzahlungsvorgänge nicht abbrechen wollen. Die nicht angenommenen Geldscheine habe sie durch eigenes Bargeld ersetzt. Anhand der gesammelten nicht angenommenen Geldscheine habe sie später anzeigen wollen, dass der Kassenautomat nicht richtig funktioniere. Aufgrund einer Überlastungssituation habe sie eine ruhige Phase abwarten wollen, um das Problem mit dem Vorgesetzten zu besprechen. Die im April 2008 ihr gegenüber schriftlich getroffene Anweisung, Probleme mit der Bürokasse oder dem Kassenautomaten zu dokumentieren und diese sofort der stellvertretenden Bereichsleitung und dem Teamleiter G2 schriftlich mitzuteilen, habe sie nicht befolgt. Am 29.07.2009 habe sie dann die separat
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gesammelten Geldscheine im Werte von 650,00 € in die Barkasse gelegt und sich 650,00 € zwecks Erstattung ihrer Vorschüsse herausgenommen. Sie habe am 30.07.2009 noch einmal probieren wollen, die Geldscheine im Kassenautomaten zu platzieren. Anschließend habe sie zu ihrem Vorgesetzen gehen wollen. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit am 30.07. und 31.07.2009 habe sie daran gehindert.
Am 06.08.2009 lud die Beklagte die Klägerin zu einer Anhörung zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung ins Personalamt ein. Ihr jetziger Prozessbevollmächtigter teilte per Fax vom 06.08.2009 mit, dass die Klägerin auf eine Anhörung am 07.08.2009 verzichte.
Mit Schreiben vom 10.08.2009 (Bl. 77 bis 80 d.A.) hörte die Beklagte den Personalrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos, hilfsweise fristlos mit sozialer Auslauffrist zu beenden. Sie führte u.a. aus, es sei davon auszugehen, dass die falschen Geldscheine von der Klägerin hätten erkannt werden müssen. Nur in ihrer Kasse hätten sich derartige Scheine befunden. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass die gefälschten Scheine gleichartiger Herstellung ihr von immer wieder gleichen Kunden übergeben worden seien. Es könne auch die Annahme der Geldscheine in einer Summe nach Überprüfung des Kassenjournals ausgeschlossen werden. Es bestehe deshalb der begründete Verdacht, dass die Klägerin einen Betrag von 650,00 € aus ihrer Barkasse gegen falsche Geldscheine ausgetauscht habe.
Mit Schreiben vom 12.08.2009 (Bl. 31 d.A.) teilte der Personalrat mit, in seiner Sitzung am 13.08.2009 über die Anhörung beraten zu haben, die Vorlage zur Kenntnis zu nehmen und auf eine Stellungnahme zu verzichten.
Mit Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 3, 4 d.A.) kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, ersatzweise fristlos mit sozialer Auslauffrist bis zum 31.03.2010.
Gegen die ihr am 14.08.2009 (Bl. 32 d.A.) zugegangene Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 19.08.2009 bei dem Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage.
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Sie hat behauptet:
Sie sei durch die Pfändungsmaßnahme im Oktober 2008 nicht in Zahlungsschwierigkeiten gekommen.
Im Rahmen ihrer Befugnis, Bargeld einzunehmen, habe sie die vereinnahmten Beträge jeweils in das System einbuchen müssen. Dieses gebe vor, dass bei einem Wert von 1.000,00 € automatisch ein Abschluss gemacht werden müsse.
Sie habe diesen Kassenabschluss ein- bis dreimal wöchentlich durchgeführt, sich zum Kassenautomaten begeben und das Bargeld eingezahlt. Nicht nur sie selbst, sondern auch andere Kollegen hätten jedoch Schwierigkeiten mit dem Automaten. Dieser habe Geldscheine teilweise nicht angenommen. Das Problem sei allgemein bekannt gewesen, ohne dass Abhilfe geschaffen worden sei.
Am 25.06.2009 habe sie Herrn W6 mitgeteilt, dass immer dann, wenn der Automat den einen oder anderen Schein nicht annehme, sie diesen mit ihrem eigenen Geld füttere, damit der Abschluss „sauber" sei. Herr W6 habe sich überrascht gezeigt und nachgefragt. Sie habe ihm bestätigt, einen Vorgesetzten mit dem Problem nicht behelligen zu können, da ihre Vorgesetzten aufgrund der erheblich angespannten Personalsituation sich um dieses Problem nicht gekümmert, sondern die Mitarbeiter sich selbst überlassen hätten.
In den folgenden Wochen habe sie immer dann, wenn der Automat Scheine nicht angenommen habe, diese Scheine aus ihrem eigenen Barbestand ersetzt. Sie habe die nicht angenommenen Scheine zur Seite gelegt, um das Gespräch mit Herrn W6 neu zu suchen. Als es ihr nicht mehr möglich gewesen sei, aus eigenen Mitteln die Lücke zu schließen, habe sie die beiseite gelegten Scheine in die Kasse zurückgelegt.
Sie habe kein Falschgeld hergestellt. Dieses sei auch nicht auf den erste Blick als solches erkennbar gewesen. Jedenfalls habe sie selbst nicht erkannt, dass es sich
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bei den vom Kassenautomaten nicht angenommenen Scheinen um Falschgeld gehandelt habe. Sie habe unter einem erheblichen Arbeitsdruck gestanden. Dadurch sei ein „Tunnelblick" entstanden. Hinzu komme, dass sie sich einer augenärztlichen Behandlung habe unterziehen müssen.
Mitte Juni 2009 sei sie aus der Wohnung ihres Lebensgefährten ausgezogen.
Da der Kassenautomat häufiger Scheine nicht angenommen habe, sei sie auch nicht auf die Idee gekommen, diesen Vorgang einem Vorgesetzten anzuzeigen.
Natürlich könne sie nicht mehr sagen, wer ihr die Scheine zugetragen habe.
Frau H3 habe sie mit der Kassenprüfung unerwartet konfrontiert. Sie habe die Prüfung auch nicht mit ihr zusammen durchgeführt, sondern sie gebeten, Herrn G2 anzurufen, der hinzugekommen sei. Beide seien mit dem Geld verschwunden, ohne dass sie überhaupt die Gelegenheit gehabt habe, sich an der Kassenprüfung zu beteiligen. Sie wisse deshalb nicht, was mit den Scheinen geschehen sei. Sie bestreite, dass die streitgegenständlichen Scheine überhaupt in der Kasse gelegen hätten. Die Summe von 650,00 € sei allerdings von der Beklagten zutreffend angegeben worden. Zu der Qualität der Geldscheine könne sie nichts sagen.
Sie habe jedoch beide Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass es sich um Scheine handle, die der Automat nicht angenommen habe. Sie habe auch auf ihre Absicht aufmerksam gemacht, mit Herrn W6 ein Gespräch zu führen.
In dem Gespräch vom 04.08.2009 habe sie in allen Einzelheiten erklärt, in welcher Belastungssituation sie sich befunden habe. Noch am selben Tag hätten weitere acht Mitarbeiter den Personalratsvorsitzenden M1 darauf hingewiesen, dass sie die gleichen Schwierigkeiten mit dem Automaten hätten.
Die ordnungsgemäße Personalratsanhörung bestreite sie mit Nichtwissen.
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Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 13.08.2009, zugegangen am 14.08.2009 aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,
die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen als Mitarbeiterin im Straßenverkehrsamt weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Vorlage von Farbkopien (Bl. 74 d.A.) behauptet:
Es habe sich offenkundig um Falschgeld gehandelt. Die falschen Geldscheine hätten sich wie Plastik angefühlt. Es habe sich um schlechte Farbkopien gehandelt, die aufeinander gelegt und zum Teil mit Tesafilm zusammengeklebt worden seien. Zudem stimmten die Farbkombinationen offensichtlich nicht mit den Farben echter Geldscheine überein. Die Ränder seien teilweise schräg abgeschnitten worden. Die Scheine seien mit einer dünnen Folie überzogen, die bei mindestens einem Geldschein den Geldscheinrand überrage. Sie seien auch fühlbar dicker und steifer als echte Banknoten. Deshalb knitterten sie nicht.
Es bestehe der Verdacht, dass die Klägerin Geld aus der Kasse gegen Falschgeld ausgetauscht habe. Ansonsten hätte sie nämlich die Fälschung unmittelbar erkennen müssen.
Allein in ihrer Kasse hätten sich derartige Scheine befunden. Außerdem habe es sich um mehrere Scheine gehandelt, die die Klägerin nicht in einer Summe angenommen habe, die ihr wohl auch nicht immer wieder gleiche Kunden „untergejubelt" hätten.
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Die Einlassung der Klägerin, sie habe im Hinblick auf die Probleme mit dem Kassenautomaten das Falschgeld beiseite gelegt, ohne es als solches zu erkennen, sei schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil sie sich mehrfach mit den Geldscheinen habe beschäftigen müssen. Sie habe auch keine Veranlassung gehabt, das Geld außerhalb der Kasse aufzubewahren und nicht z.B. als Wechselgeld zu verwenden oder es anstelle des von ihr angeblich eingezahlten persönlichen Geldes an sich zu nehmen.
Die Beteiligung des Personalrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Auch die Gleichstellungsbeauftragte sie unterrichtet worden und habe die Kündigungsabsicht zur Kenntnis genommen.
Mit Urteil vom 17.02.2010 hat das Arbeitsgericht Dortmund die Klage abgewiesen.
Es hat ausgeführt:
Die außerordentliche fristlose Kündigung sei wirksam.
Es bestehe zumindest der dringende Verdacht, dass die Klägerin in schwerwiegendem Maße pflichtwidrig gehandelt habe und dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien so zerstört sei, dass der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit nicht zumutbar sei.
Es könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin das von ihr in die Kasse gelegte Falschgeld selbst hergestellt habe. Entscheidend sei, dass alle Indizien so gut wie keine andere Möglichkeit zuließen, als dass die Klägerin die Vermögensinteressen der Beklagten bewusst vernachlässigt habe, sie bewusst einen Fehlbetrag in ihrer Kasse durch Falschgeld herbeigeführt habe.
Wie sich schon aus der von der Beklagten vorgelegten Fotografie der Fünfzigeuro- und Hunderteuroscheine ergebe, lägen Fälschungen vor. Die Klägerin habe zumindest nach Vorlage der Fotografie nicht mehr bestritten, dass es sich um die
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von ihr in die Kasse gelegten Scheine handle. Im Übrigen hätte es andernfalls einer substantiierten Stellungnahme bedurft.
Es sprächen alle Indizien dafür, dass die Klägerin entgegen ihrer Einlassung gewusst habe, dass es sich um gefälschte Geldscheine gehandelt habe. Habe sie die Eingabe des gefälschten Geldes zusammen mit anderen Geldscheinen in den Kassenautomat versucht, habe sie gefälschte und echte Scheine unmittelbar nacheinander in der Hand halten müssen, so dass ihr der Unterschied hätte auffallen müssen. Das gelte insbesondere für die Zeit der getrennten Aufbewahrung der Geldscheine.
Es sei unglaubwürdig, dass die Klägerin trotz vorliegender Zahlungsschwierigkeiten über längere Zeit 650,00 € von ihrem Geld in den Kassenautomaten eingezahlt habe, ohne jeweils ihr Geld gegen das in den Kassenautomaten an sich einzuzahlende Geld zu tauschen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum sie nicht versucht habe, die vom Kassenautomaten nicht angenommenen Scheine als Wechselgeld einzusetzen.
Gegenüber ihrem Vorgesetzten W6 habe sie den Eindruck erweckt, sie nehme einen Tausch vor. Sie hätte aber gerade Veranlassung gehabt, ihm mitzuteilen, dass sie mit ihrem Geld in Vorschuss trete und nicht bereit sei, es gegen das vom Automat nicht angenommene Geld zu tauschen, dass sie dieses aber auch nicht wieder in Umlauf bringen wolle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 89 bis 97 d.A. Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.03.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.04.2010 bei dem Landesarbeitsgericht Hamm eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.06.2010 am 15.06.2010 eingehend begründet.
Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:
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Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
Zu Unrecht sei das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen, dass sie nicht mehr bestreite, dass es sich bei den gefälschten Geldscheinen um Geldscheine aus ihrer Kasse handle. Sie habe natürlich nicht mehr in Erinnerung, wie die Scheine im Einzelnen ausgesehen hätten.
Ihr sei eine Fälschung jedenfalls nicht aufgefallen.
Sie habe damals unter erheblichem beruflichen und privaten Druck gestanden, so dass ihr die Unterschiede zu Originalgeldscheinen nicht aufgefallen seien. Zu berücksichtigen sei, dass die Schwierigkeiten bei Einzahlungen in den Kassenautomaten normal gewesen seien. Ihr sei es als genaue und pflichtbewusste Mitarbeiterin allein darum gegangen, keine Lücke in der Kasse bei der Tagesabrechnung zu hinterlassen. Allein deshalb habe sie eigenes Geld eingesetzt.
Erneut sei darauf zu verweisen, dass den Vorgesetzten die Schwierigkeiten mit dem Kassenautomaten bekannt gewesen seien. Sie verweise auf das Gespräch mit Herrn W7 vom 25.06.2009.
Die Kenntnis der Vorgesetzten ergebe sich auch aus einer Antwort der Beklagten vom 7.9.2009 (Bl.141 bis 142 d.A.) auf eine Anfrage des Personalrats vom 4.8.2009 und aus einer Stellungnahme des Personalrats vom 10.09.2009 (Bl. 138 bis 140 d.A.).
Es sei auf jeden Fall unerlässlich, die Falschgeldscheine in Augenschein zu nehmen.
Es sei auch Beweis darüber zu erheben, dass das Falschgeld anlässlich der Kassenprüfung in ihrer Kasse vorgefunden worden sei. Die Kassenprüfung sei teilweise ohne sie vorgenommen worden.
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Die von ihr gesondert aufgehobenen Geldscheine seien auch nach Einlage in die Barkasse identifizierbar geblieben, da sie mit einer Heftklammer zusammengefasst gewesen seien.
Sie gehe davon aus, dass ihr die falschen Geldscheine bei mehreren Verwaltungsvorgängen übergeben worden seien, zumal es im Rahmen der Gewerbeanmeldung Leute gebe, die immer wieder Gewerbeanmeldungen für andere Personen vornähmen.
Anlässlich ihres Wohnungsauszugs habe sie ihr Bruder unterstützt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 17.02.2010 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund, Az. 10 Ca 4029/09 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 13.08.2009, zugegangen am 14.08.2009 aufgelöst worden ist,
die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen als Verwaltungsangestellte in der Entgeltgruppe 8 beschränkt auf den Zeitraum bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die Berufung sei unzulässig, da sowohl die Berufungsschrift als auch die Berufungsbegründungsschrift in der Unterschriftenzeile keine Unterschriften auswiesen, sondern allenfalls andeutungsweise Paraphierungen. Diese wichen zudem von dem gegenseitigen Zeichnungsbild ab, so dass sich die Frage stelle, ob den Anforderungen nach § 130 ZPO ausreichend Genüge getan sei.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt aus:
Bereits aus der von ihr erstinstanzlich vorgelegten Fotografie der Geldscheine sei klar ersichtlich gewesen, dass sie gefälscht seien.
Zu Recht sei das erstinstanzliche Gericht nach Vorlage dieser Fotografien davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht mehr bestreite, dass es sich um die von ihr in die Kasse gelegten Scheine handle.
Schon aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung mit Bargeldnoten hätte der Klägerin in jedem Fall auffallen müssen, dass sie Falschgeld in den Händen gehalten habe. So sei dies bei der Kassenprüfung der Teamleiterin H3 unmittelbar aufgefallen.
Erheblichen Stress am Arbeitsplatz habe sie nicht substantiiert dargelegt.
Im Übrigen habe die Klägerin nach ihren Angaben mehrfach Kontakt mit den falschen Geldscheinen gehabt.
Angesichts ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei auch nicht nachvollziehbar, dass sie 650,00 € aus ihren Barmitteln verauslagt haben will.
Sie habe ihrem Vorgesetzten am 25.06.2009 gerade nicht mitgeteilt, dass sie mit eigenem Geld in Vorschuss trete. Gerade im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die streitgegenständlichen Geldscheine dem Kassenautomaten zuzuführen, hätte sie zusätzlich Kollegen befragen oder ein Banknotenprüfgerät einsetzen müssen.
Die vorgelegte Fotokopie bilde die bei der Kassenprüfung vorgefundenen falschen Banknoten ab. Die Kasse sei im Beisein der Klägerin geprüft worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, bei fünf anlässlich der Kassenprüfung vorgefundenen Fünfzigeuroscheinen und bei vier
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Hunderteuroscheinen handle es sich um Falschgeld, durch Inaugenscheinnahme der von der Beklagten im Kammertermin vorgelegten Geldscheine. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26.08.2010 (Bl. 237 bis 238 d.A.) verwiesen.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat die Klägerin erklärt, das Gericht dürfe nunmehr davon ausgehen, dass die vorgelegten Scheine bei der Kassenprüfung vorgefunden worden seien.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.02.2010 ist auch formgerecht eingelegt worden. Sowohl die Berufungs- als auch die Berufungsbegründungsschrift sind von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eigenhändig unterzeichnet worden.
Die Unterschrift soll belegen, dass sich der Unterzeichner zu der schriftlichen Prozesshandlung bekennt und sie bewirken will. Ein bloßes Handzeichen ist deshalb nicht ausreichend. Allerdings sind an die eigenhändige Unterschrift keine hohen Anforderungen zu stellen. Damit die Identität nachprüfbar ist, muss die Unterschrift zwar den vollen Namenszug erfassen. Es muss jedoch nicht jeder Buchstabe einzeln lesbar sein, solange der geschriebene Name über eine gekrümmte oder eine Schlängellinie hinausgeht. Es schadet auch nicht, wenn die Unterschriften des Urhebers deutlich voneinander abweichen (BGH 21.06.1990, 1 ZB 6/90, MDR 1991, 223; Eichele/Hirtz/Oberheim, Handbuch Berufung im Zivilprozess, 2. Aufl., V Rdnr. 203, 205, 206).
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Hier weist die Unterschrift des klägerischen Prozessbevollmächtigten sowohl in der Berufungs- als auch in der Berufungsbegründungsschrift ein deutlich erkennbares P mit anschließender Schlängellinie auf, die durch einen ebenfalls klar erkennbaren I-Punkt ausreichend auf den Namen P6 hinweist.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.08.2009 mit ihrem Zugang am 14.08.2009 sein Ende gefunden.
1. Die zulässige Kündigungsschutzklage ist unbegründet.
a) Die Kündigung ist nicht gemäß § 74 Abs. 5 LPVG NW unwirksam. Der bei der Beklagten bestehende Personalrat ist mit Schreiben vom 10.08.2009 – wie das erstinstanzliche Gericht zu Recht festgestellt hat – ordnungsgemäß im Sinne des § 74 Abs. 4 LPVG NW angehört worden. Er ist in ausreichendem Umfang über die Personalien der Klägerin, ihre Beschäftigungszeit, die Kündigungsart und die Kündigungsgründe informiert worden und konnte sich ein eigenes Bild von den die Beklagte zur Kündigung veranlassenden Tatsachen machen. Die Klägerin beschränkt sich in der Berufungsbegründung darauf, die Ordnungsgemäßheit der Personalratsbeteiligung weiterhin mit Nichtwissen zu bestreiten.
Hat der Arbeitgeber auf das zunächst zulässige Bestriten der Ordnungsgemäßheit der Personalratsbeteiligung im Einzelnen – wie hier durch Vorlage des Anhörungsschreibens - dargelegt, dass er den Personalrat ordnungsgemäß angehört hat, darf sich der Arbeitnehmer nicht mehr darauf beschränken, die Anhörung mit Nichtwissen zu bestreiten. Er hat sich vielmehr gemäß § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO vollständig über den vom Arbeitgeber vorgetragenen Sachverhalt zu erklären und im Einzelnen zu bezeichnen, ob er rügen will, das Gremium sei entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden, oder in welchen
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einzelnen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers für falsch oder die mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält. Dies erfordert gegebenenfalls einen weiteren Sachvortrag des Arbeitgebers und ermöglicht eine Beweisaufnahme des Gerichts über die tatsächlich streitigen Tatsachen (BAG 23.06.2005 – 2 AZR 193/04, NZA 2005, 1233).
Das Anhörungsverfahren war vor Kündigungszugang abgeschlossen. Mit Schreiben vom 12.08.2009 (13.08.?) hat der Personalrat nach Beratung in seiner Sitzung vom 13.08.2009 ausdrücklich darauf hingewiesen, nicht weiter Stellung nehmen zu wollen.
b) Die Beklagte hat die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist, § 626 Abs. 2 BGB, gewahrt. Sie hat frühestens am 03.08.2009 anlässlich der Kassenprüfung Kenntnis von den Tatsachen erworben, die nach ihrer Auffassung die Kündigung wegen des Verdachtes rechtfertigen, die Klägerin habe Bargeld aus der Kasse gegen Falschgeld getauscht. Die Kündigungserklärungsfrist endete mit dem 17.08.2009. Die Kündigung ging am 14.08.2009 zu.
c) Die Klägerin hat aufgrund ihres Alters zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs von 49 Jahren und aufgrund der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses von mehr als 22 Jahren gemäß § 34 Abs. 2 TVöD-VKA einen besonderen Kündigungsschutz erworben. Sie ist nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
Der TVöD-VKA ist unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis entsprechend fristlos und hilfsweise aus wichtigem Grund mit einer sozialen Auslauffrist gekündigt.
d) Die Kündigung ist durch Tatsachen gerechtfertigt, aufgrund derer es der Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis wenigstens für die Dauer einer sozialen Auslauffrist fortzusetzen, die immer dann zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu gewähren ist, wenn auch bei unterstellter ordentlicher Kündbarkeit die Einhaltung der Kündigungsfrist nach Abwägung der
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beiderseitigen Interessen zumutbar wäre (BAG 02.03.2006 – 2 AZR 53/05, NZA – RR 2006, 636; 13.04.2000 – 2 AZR 259/99, BAGE 94, 228; KR-Fischermeier, 9. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 304).
Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst müssen Tatsachen vorliegen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden. Im zweiten Schritt ist festzustellen, ob unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls eine Weiterbeschäftigung zumutbar ist (BAG 27.04.2006 – 2 AZR 415/05, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 17).
aa) Die Beklagte beruft sich zur Begründung der Kündigung auf den Verdacht, die Klägerin habe eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur eine erwiesene Pflichtverletzung, sondern kann bereits der Verdacht einer strafbaren Handlung mit Bezug zum Arbeitsverhältnis oder zu einer erheblichen Vertragsverletzung geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 03.07.2003 - 2 AZR 437/02, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38).
Der Verdacht einer derartigen Handlung stellt gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn dringende, auf objektiven Tatsachen beruhende schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen und diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 29.11.2007 – 2 AZR 724/06, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40). Gerade der Verdacht muss das zur Fortführung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt haben.
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Der Verdacht gegen den Arbeitnehmer kann im Laufe des Kündigungsschutzprozesses bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz rückwirkend ausgeräumt oder verstärkt werden, wobei die (Indiz-) Tatsache bei Kündigungsausspruch vorgelegen haben müssen (BAG 14.09.1994 – 2 AZR 164/94, BAGE 78, 18).
Die Beklagte trägt die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände des Kündigungsgrundes. Sie ist nicht zwischen dem Kündigenden und dem Gekündigten derart aufzuteilen, dass der Kündigende die objektiven Merkmale für den Kündigungsgrund und die bei der Interessenabwägung für den Gekündigten ungünstigen Umstände und der Gekündigte seinerseits Rechtfertigungsgründe und für ihn ent-lastende Umstände vorzutragen und zu beweisen hat (BAG 06.08.1987 – 2 AZR 226/85, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109, KR-Fischermeier a.a.O. § 626 BGB Rdnr. 380). Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Kündigenden richtet sich jedoch danach, wie substantiiert sich der Gekündigte auf die Kündigungsgründe einlässt.
(1) Die Klägerin hat, den Verdacht der Beklagten, sie habe Bargeld gegen Falschgeld ausgetauscht, als zutreffend unterstellt, in besonders schwerem Maße ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, denn er richtet sich auf den Versuch, das Vermögen der Beklagten zu schädigen, sowie auf eine vorsätzliche Straftat nach § 147 Abs. 1 StGB – Inverkehrbringen von Falschgeld als echt. Ob die Straftat versucht oder vollendet war, kann dahinstehen, da auch der Versuch gemäß § 147 Abs. 2 StGB strafbar ist.
Bei der Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung ist entscheidend, dass die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit befugt war, für die Beklagte Verwaltungsgebühren einzunehmen und zu verwalten und das Geld nach einem bestimmten Modus der Kasse der Beklagten zuführen musste. Wegen ihrer Kassenbefugnis war die Beklagte in besonderem Maße auf ihre Redlichkeit angewiesen, da eine Kontrolle der Verwaltungs- und Kassenvorgänge nur stichprobenartig stattfinden konnte.
(2) Der Verdacht der Beklagten ist durch objektive, im Kündigungszeitpunkt vorliegende Tatsachen begründet. Er ist dringlich.
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Der Verdacht muss sich aus solchen Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Die subjektive Beurteilung des Arbeitgebers ist unmaßgeblich.
Dringlich ist der Verdacht, wenn eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine Straftat oder Pflichtverletzung begangen hat (KR-Fischermeier, 9. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 212).
Hier hat die Beklagte ausreichend objektive Tatsachen vorgetragen, die einen dringlichen Verdacht begründen.
Nach Beendigung der Beweisaufnahme hat die Klägerin unstreitig gestellt, dass die in Augenschein genommenen Geldscheine bei der Kassenprüfung am 03.08.2009 in ihrer Barkasse vorgefunden wurden.
Die Beweisaufnahme selbst hat zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass es sich bei den am 03.08.2009 vorgefundenen fünf Fünfzigeuro- und vier Hunderteuroscheine um Falschgeld handelt. Die Fünfzigeuroscheine weichen in der Farbgebung auffällig von echten Scheinen ab. Bei den Hunderteuroscheinen sticht das Hologramm schon bei flüchtiger Betrachtung auffallend hervor, wirkt wie aufgesetzt. Beide Geldscheine weisen ungleichmäßige Ränder auf, weil Vorder- und Rückseiten jeweils zusammengeklebt wurden.
Die Fälschungen sind derart „stümperhaft" hergestellt worden, dass es selbst bei unaufmerksamer Betrachtung „ins Auge springt", dass es sich um Falschgeld handelt. Die Einlassung der Klägerin, ihr sei dies nicht aufgefallen, ist nicht nachvollziehbar. Schon nach eigenem Vorbringen hat sie die Geldscheine mehrfach in Händen gehalten. Sie hat nach eigenem Vortrag die Scheine bei den Kunden vereinnahmt und zur Barkasse genommen. Nach Erstellung der jeweils vorgeschriebenen Zwischenabrechnungen hat sie die Geldscheine an sich genommen, um sie in den Kassenautomaten einzuzahlen. Nach Abbruch des Einzahlungsvorgangs hat sie sie nach ihrem Bekunden gegen Bargeld aus ihrem
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eigenen Portemonnaie ausgetauscht und gesondert aufbewahrt. Ein weiteres Mal hat sie alle neun Geldscheine in den Händen gehalten, als sie ihr „Sonderdepot" auflöste und die Scheine mit einer Büroklammer zusammengefasst der Barkasse zuführte.
Selbst wenn die Kammer zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie unter erhöhter beruflicher und privater Anspannung stand, ist es schlicht nicht nachvollziehbar, dass ihr die offensichtlichen Fälschungen bei neun Geldscheinen angesichts des häufigen Umgangs gerade mit diesen Scheinen nicht aufgefallen sein sollen. Die Offenkundigkeit der Fälschungen spricht gerade dafür, dass sie die Geldscheine in den Verkehr gebracht hat, um sich „echtes" Bargeld zu verschaffen. Dafür spricht auch, dass die Beklagte unwidersprochen behauptet hat, ein Betrag von 650,-- € sei ausweislich des Kassenjournals nicht von einem Kunden vereinnahmt wurden. Demnach müssen mehrere einzelne Verwaltungsvorgänge mit einzelnen Geldscheinen bezahlt, die Klägerin immer wieder mit dem Falschgeld konfrontiert worden sein.
Zu bedenken ist weiter, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Geldfälscher sich gerade die Gewerbe- und Führerscheinstelle der Beklagten ausgesucht haben, um das Falschgeld in Umlauf zu bringen, müssen sie doch davon ausgehen, dass die Mitarbeiter geschult sind und bei dem Zahlungsvorgang jedenfalls auf offenkundige Fälschungen achten. Die Gefahr, entdeckt zu werden, wäre nach Einschätzung der Kammer höher gewesen, als bei Einsatz der Geldscheine zur Bezahlung im Rahmen von Massengeschäften des Alltags.
Auffällig ist auch, dass bei keinem anderen Sachbearbeiter in der Verwaltungsstelle Falschgeld aufgetaucht ist. Allerdings ist bei Zugrundelegung des Sachvortrags der Klägerin nicht auszuschließen, dass wiederholt Gewerbeanmeldungen für andere tätigende Personen zunächst an die Klägerin zufällig erfolgreich Falschgeld zahlen konnten, diese dann aber wegen ihrer Oberflächlichkeit gezielt ausgesucht haben.
Bei Gesamtwürdigung aller Indiztatsachen schließt diese Möglichkeit jedoch die sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit nicht aus, dass die Klägerin das Falschgeld bei der Beklagten eingesetzt hat.
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Sie befand sich seit November 2008 in einer finanziell angespannten Lage, da ihr Geld einer Pfändung und Überweisung durch einen Gläubiger unterlag, ihr demnach nach eigenen Angaben nur ein Gehaltsbetrag von ca. 1.200,-- € verblieb.
Es ist – wie schon das erstinstanzliche Gericht ausgeführt hat – kaum nachvollziehbar, dass sie in dieser Lage eigenes Kapital in Höhe von 650,-- € in einem Zeitraum seit der letzten Kassenprüfung am 03.06.2009 von maximal zwei Monaten zugunsten der Beklagten eingesetzt hat.
Hinzu kommt, dass sie im Juni 2009 aus der Wohnung ihres Lebensgefährten ausgezogen ist. Selbst wenn sie zunächst von ihrem Bruder aufgenommen wurde, war ein weiterer Geldbedarf z.B. zur Anmietung einer neuen Wohnung absehbar, der sie durchaus veranlasst haben kann, der Barkasse Falschgeld im Tausch gegen echte Geldscheine zuzuführen.
Die Kammer vermag auch nicht der Einlassung der Klägerin zu folgen, sie habe eigene Geldmittel eingesetzt, die vom Kassenautomaten nicht angenommenen Geldscheine gesammelt, um ihren Vorgesetzten die Mängel des Kassenautomaten besonders verdeutlichen zu können, wozu es allerdings nicht mehr gekommen sei. Dass der Kassenautomat gelegentlich Geldscheine nicht annimmt, ist unstreitig. Unstreitig ist auch, dass Kollegen der Klägerin diese Geldscheine durch andere Geldscheine aus dem Wechselgeld ersetzen oder eigene Geldscheine im Austausch einsetzen. Kein anderer Kollege hat jedoch eigene Barmittel „vorgestreckt". Wie auch ihre Kollegen, hätte die Klägerin vom Kassenautomaten nicht angenommene Geldscheine der Wechselkasse zuführen, beim nächsten Barauszahlungsvorgang einsetzen und andere Scheine aus der Wechselkasse dem Kassenautomaten zuführen können.
Unverständlich bleibt auch, warum sich die Klägerin am 29.07.2009 entschlossen hat, die zunächst gesondert aufbewahrten Geldscheine der Barkasse zuzuführen und den Gegenwert aus dem Wechselgeld zu nehmen. Es hätte nahe gelegen, zunächst das Gespräch mit dem Vorgesetzten zu führen, ihm die gesammelten Scheine vorzulegen, um dann mit seinem Wissen und Einverständnis den entsprechenden Betrag der Kasse zu entnehmen, zumal die Klägerin vor dem
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Hintergrund der Pfändung und Überweisung zu besonders sorgfältigem Umgang mit dem ihr anvertrauten Geld angehalten war.
Das Wissen, dass die Klägerin Bargeld aus ihrem eigenen Vermögen „vorstreckt" und irgendwann – unkontrollierbar – den Ausgleichsbetrag der Kasse entnimmt, hatte ihr Vorgesetzter nicht schon aufgrund des Gesprächs vom 25.06.2009. Selbst wenn sie ihm gesagt haben sollte, sie setze mit dem Ziel eines sauberen Kassenabschlusses eigene Geldscheine ein, konnte er nicht erkennen, dass sie wie geschehen zu verfahren beabsichtigte.
Ihr Hinweis, sie habe aufgrund des Gesprächs vom 25.06.2009 mit Kassenprüfungen in unregelmäßigen Abständen rechnen müssen, deshalb sei es nicht nachvollziehbar, dass sie selbst einen derart hohen Falschgeldbetrag in die Kasse eingelegt habe, ist verständlich, aber nicht durchgreifend. Für ihre Behauptung, sie habe vorgehabt, kurzfristig nach dem 29.07.2009 das Gespräch mit dem Vorgesetzten zu suchen, liegen der Kammer keine weiteren Indiztatsachen vor, die diese innere Tatsache belegen könnten. Es mag sein, dass die Klägerin hoffte, das Falschgeld werde nicht als solches erkannt, sie könne es in den Geldverkehr der Beklagten einschleusen. Es mag auch sein, dass sie nur einen vorübergehenden Geldbedarf decken wollte und das Falschgeld vor der nächsten Kassenprüfung auszutauschen hoffte.
Zu bedenken ist auch, dass sie bereits im April 2008 die schriftliche Anweisung erhielt, Probleme mit der Bürokasse oder dem Kassenautomaten zu dokumentieren und dem stellvertretenden Bereichsleiter G2 zu melden. Zu erwarten war, dass sie zunächst diesen Weg ging, um ihren Vorgesetzten ihre Probleme mit dem Kassenautomaten zu verdeutlichen. Des Einsatzes eigenen Geldes hätte es mitnichten bedurft.
Letztlich bleibt für die Dringlichkeit des Verdachtes ausschlaggebend, dass die Kläger trotz des häufigen Umgangs mit neun Falschgeldscheinen deren offenkundige Fälschung nicht entdeckt haben will. Gewissheit über die Tatbegehung ist für die Kündigung wegen eines dringenden Verdachtes gerade nicht erforderlich.
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(3) Die Beklagte hat die Klägerin ordnungsgemäß zu den Kündigungsvorwürfen angehört. Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt auch nicht aus einer mangelhaften Anhörung (vgl. KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 230, 231).
Am 04.08.2009 fand im Personalamt ein Gespräch statt, in dem der Klägerin der Fund von Falschgeld in ihrer Kasse vorgehalten wurde. Die Klägerin hat sich dahin eingelassen, sie habe die vom Kassenautomaten nicht angenommenen Scheine separat aufbewahrt, am 29.07.2009 der Barkasse zugeführt und sich den von ihr verauslagten Betrag von 650,-- € aus der Kasse genommen; zu dem beabsichtigten Gespräch mit ihrem Vorgesetzten sei es wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht gekommen. Damit hatte sie ausreichend Gelegenheit, den Vorwurf zu widerlegen. Auf eine weitere von der Beklagten beabsichtigte Anhörung am 07.08.2009 hat sie verzichtet.
b) Die Interessenabwägung musste zu Lasten der Klägerin erfolgen.
Zwar begründet eine schwere Pflichtverletzung keinen absoluten Kündigungsgrund. Vielmehr muss gemäß § 626 Abs. 1 BGB das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile beurteilt werden. Dabei sind alle für das jeweilige Vertragsverhältnis in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu bewerten. Dazu gehören das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens, das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisung, das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene „Vertrauenskapital" ebenso wie die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes. Insgesamt muss sich die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses als angemessene Reaktion auf die eingetretene Vertragsstörung erweisen. Unter Umständen kann eine Abmahnung als milderes Mittel zur Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Vertrages notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreichen (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, Pressemitteilung Nr. 42/10 zu einer Tatkündigung).
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Diese Grundsätze gelten auch im Falle der Kündigung wegen des Verdachtes einer schwerwiegenden Pflichtverletzung oder vorsätzlichen Straftat. Auch insoweit ist zu beurteilen, ob unter Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls die durch den Verdacht eingetretene Vertrauensstörung durch mildere Mittel beseitigt werden kann.
Hier ist das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei über einen Zeitraum von mehr als 22 Jahren durchgeführt worden. Die Kammer hat auch nicht verkannt, dass die zu keinem Unterhalt verpflichtete Klägerin angesichts ihres Alters und der Tatsache, dass sie ihr Arbeitsleben im Wesentlichen im Dienste der Beklagten verbracht hat, Schwierigkeiten haben wird, eine neue vergleichbare Arbeitsstelle zu finden, um ihre eigene wirtschaftliche Existenz zu sichern.
Dagegen steht, dass sie dringend verdächtigt ist, das in sie gesetzte Vertrauen in besonderem Maße durch Inverkehrbringen von Falschgeld missbraucht zu haben. Die Beklagte hat ihr die Vereinnahmung von Verwaltungsgebühren und die Kassenführung anvertraut. Diese Aufgabe erfordert in besonderem Maße Redlichkeit und Ehrlichkeit.
Der der Beklagten drohende Vermögensschaden ist mit 650,-- € nicht unerheblich.
Im Hinblick auf die massive Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ist der Ausspruch einer Abmahnung der Beklagten nicht als milderes Mittel zuzumuten. Es ist nicht ersichtlich, das diese geeignet ist, das zerrüttete Vertrauen in die Redlichkeit der Klägerin wieder herzustellen.
Die Möglichkeit eines anderweitigen Einsatzes auf einer freien Stelle, die nicht mit der Befugnis der Verwaltung von Geldmittel verbunden ist, ist von der Klägerin selbst nicht in den Prozess eingeführt worden.
Die Schwere des Verdachtes erfordert als angemessene Reaktion die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Der Beklagten ist aus den dargestellten Gründen auch nicht die Einhaltung der sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres entsprechend der längsten Kündigungsfrist nach § 34
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Abs. 1 TVöD-VKA zuzumuten. Auch ein ordentlich kündbarer Arbeitnehmer wäre bei dem gegebenen Sachverhalt zu Recht fristlos entlassen worden.
2. Da das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung mit dem 14.08.2009 beendet ist, ist der zulässige Weiterbeschäftigungsantrag ebenfalls unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
Held-Wesendahl
Dr. Plümpe
Korte
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