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Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit
30.03.2017. Unter der Überschrift „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ hatte sich die Bundesregierung Mitte Januar hinter einen Gesetzentwurf von Familienministerin Schwesig gestellt, der den Anspruch von Frauen auf gleiche Bezahlung stärken soll.
Das Gesetz sieht im Wesentlichen einen Auskunftsanspruch vor, mit dessen Hilfe Arbeitnehmerinnen künftig herausbekommen können, wie viel ihre männlichen Kollegen verdienen. Der Auskunftsanspruch besteht in Betrieben mit mehr als 200 Arbeitnehmern und bezieht sich auf das Gehalt von Kollegen, die gleiche oder „gleichwertige“ Arbeiten verrichten.
Mit Abstimmung vom heutigen Tage (Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht der 228. Sitzung, Donnertag, den 30.03.2017) hat der Bundestag das Gesetz beschlossen: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.02.2017, Bundestag Drucks.18/11133.
- Unbereinigte und bereinigte Entgeltlücke in Deutschland
- Das Verbot der Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts
- Anspruch auf Auskunft über das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer des jeweils anderen Geschlechts
- Inhalt des Auskunftsanspruchs
- Zusammenwirken von Beschäftigten, Betriebsräten und Arbeitgeber bei der Erfüllung des Auskunftsanspruchs
- Überprüfung von Vergütungssystemen und Berichtspflicht
- Stellungnahmen der Tarifpartner und der Opposition
- Fazit: Gender pay gap - nur gucken, nicht anfassen?
Unbereinigte und bereinigte Entgeltlücke in Deutschland
Die sog. geschlechtsbezogene Entgeltlücke („gender pay gap“) ist der prozentuale Unterschied des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes von Männern und Frauen, wobei der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Männern der rechnerische Bezugspunkt ist. In Deutschland betrug diese Entgeltlücke nach Angaben des statistischen Bundesamtes im Jahre 2016 etwa 21 Prozent.
Diese sog. „unbereinigte“ Entgeltlücke beruht laut statistischem Bundesamt weit überwiegend (zu drei Vierteln) nicht darauf, dass Frauen für die gleiche Arbeit 21 Prozent weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen bekommen, sondern darauf, dass Frauen nicht die gleiche Arbeit wie Männer verrichten. Typische „Frauenberufe“ werden geringer bezahlt, Frauen erreichen weniger oft gut bezahlte Führungspositionen, sie unterbrechen ihre Berufstätigkeit häufiger als Männer aus familienbedingten Gründen und sie arbeiten öfter als Männer in Teilzeit. Kräftige Lohnerhöhungen in Frauenberufen hätten daher zur Folge, dass die unbereinigte Entgeltlücke kleiner werden würde.
Zu einem Viertel beruht die Entgeltlücke allerdings auf anderen Faktoren, denn auch bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit verdienten Frauen im Jahre 2014 etwa 6 Prozent weniger als Männer. Ob bzw. in welchem Umfang diese sog. bereinigte Entgeltlücke auf eine Lohndiskriminierung von Frauen in den Betrieben bzw. durch Arbeitgeber zurückzuführen ist, lässt sich mit statistischen Methoden nicht wirklich aufklären, denn dazu müsste eine größere Anzahl lohnrelevanter Einflussfaktoren für die statistischen Analysen zur Verfügung stehen, so das Statistische Bundesamt (Pressemeldung vom 14.03.2017). Das könnten z.B. Faktoren wie Berufserfahrung und/oder schwangerschaftsbedingte Pausen während des Arbeitslebens sein.
Vor diesem Hintergrund ist es zwar nicht wissenschaftlich „bewiesen“, dass die bereinigte Entgeltlücke von etwa sechs Prozent des Gehalts diskriminierende Ursachen hat, doch kann man diese Lücke immerhin als Indiz für Lohndiskriminierungen interpretieren.
Hier setzt das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“ an (Entgelttransparenzgesetz - EntgTranspG). Es soll dafür sorgen, dass Frauen mehr Informationen über die Bezahlung ihrer männlichen Kollegen bekommen. Kern des Gesetzes ist daher ein individueller Auskunftsanspruch von Arbeitnehmerinnen (und Arbeitnehmern) in Bezug auf die Bezahlung von Arbeitnehmern (und Arbeitnehmerinnen), die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit verrichten.
Daneben werden private Großunternehmen dazu „aufgefordert“, ihre Vergütungssysteme regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob sie mit dem Ziel der Entgeltgleichheit vereinbar sind oder nicht.
Das Verbot der Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts
Das Gesetz schreibt zunächst in § 3 das Verbot einer geschlechtsbedingten Lohndiskriminierung fest und bekräftigt dieses Prinzip in anderen Worten nochmals in § 7 („Entgeltgleichheitsgebot“). § 3 EntgTranspG (Entwurf) lautet:
„Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.“
Diese Vorschrift wiederholt die bestehende Rechtslage, die sich seit August 2006 aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergibt (§ 7 Abs.1 AGG in Verb. mit § 1, § 8 und § 3 Abs.1 und 2 AGG) und auch schon vor dem Inkrafttreten des AGG in § 612 Abs.3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - alte Fassung festgeschrieben war (Gesetzentwurf, S.56).
Interessanter als das (selbstverständliche) Verbot jeder geschlechtsbedingten Lohndiskriminierung ist die Frage, was unter „gleicher“ und was unter „gleichwertiger“ Arbeit zu verstehen ist.
Zum Begriff „gleichen Arbeit“ findet sich in § 4 Abs.1 EntgTranspG (Entwurf) folgende Definition:
„(1) Weibliche und männliche Beschäftigte üben eine gleiche Arbeit aus, wenn sie an verschiedenen Arbeitsplätzen oder nacheinander an demselben Arbeitsplatz eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausführen.“
Die Bezugnahme auf einen konkreten „Arbeitsplatz“ und die Rede von einer „identischen“ Tätigkeit machen deutlich, dass es bei einer „gleichen Arbeit“ keine Unterschiede der Arbeitsinhalte und/oder der Berufsqualifikation geben darf. Dementsprechend verrichten nur solche Arbeitnehmer eine „gleiche Arbeit“, wenn sie sich gegenseitig bei Bedarf ersetzen können (Gesetzentwurf, S.51).
Was mit „gleichwertige Arbeit“ gemeint ist, wird in § 4 Abs.2 EntgTranspG (Entwurf) folgendermaßen definiert:
„(2) Weibliche und männliche Beschäftigte üben eine gleichwertige Arbeit im Sinne dieses Gesetzes aus, wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Zu den zu berücksichtigenden Faktoren gehören unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen. Es ist von den tatsächlichen, für die jeweilige Tätigkeit wesentlichen Anforderungen auszugehen, die von den ausübenden Beschäftigten und deren Leistungen unabhängig sind.“
Da es für die Gleichwertigkeit auf viele verschiedene Faktoren ankommt, von denen das Gesetz aber nur drei nennt, nämlich
- die Art der Arbeit,
- die Ausbildungsanforderungen und
- die Arbeitsbedingungen,
ist bei der „Anwendung“ dieser Faktoren eine wertende „Zusammenschau“ erforderlich (Gesetzentwurf, S.51). Je nachdem, wie stark man den einen oder anderen dieser drei (oder anderer weiterer) Umstände gewichtet, wird man zu dem Ergebnis kommen, dass Arbeiten „gleichwertig“ oder eben nicht „gleichwertig“ sind.
Eine kleine Hilfe bei der Rechtsanwendung ergibt sich aus § 4 Abs.5 Satz EntgTranspG (Entwurf), denn hier wird klargestellt, dass bei der Anwendung tariflicher Entgeltgruppen solche Tätigkeiten nicht als gleichwertig anzusehen sind, die verschiedenen Entgeltgruppen zuzuordnen sind. Daraus lässt sich entnehmen, dass sich „gleichwertige“ Arbeiten im Sinne von § 4 Abs.2 EntgTranspG (Entwurf) so stark ähneln sollten, wie dies normalerweise bei Arbeiten der Fall ist, die in dieselbe tarifvertragliche Entgeltgruppe eingruppiert sind. Dem entspricht auch, dass in der Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass berufliche Fertigkeiten, die (technische finanzielle oder soziale) Verantwortung sowie physische oder psychische Belastungen eine Rolle bei der Bewertung der Art der Arbeit und/oder der Arbeitsbedingungen spielen sollten.
Trotz dieser Anhaltspunkte ist die Feststellung der „Gleichwertigkeit“ von Arbeitsaufgaben mit erheblichen Bewertungsspielräumen verbunden.
Anspruch auf Auskunft über das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer des jeweils anderen Geschlechts
Gemäß § 10 Abs.1 Satz EntgTranspG (Entwurf) haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auskunft über die Bezahlung von Arbeitskollegen des jeweils anderen Geschlechts („Vergleichsentgelt“), die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit verrichten („Vergleichstätigkeit“).
Der Anspruch besteht nur in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber (§ 12 Abs.1 EntgTranspG - Entwurf), und zwar auch im öffentlichen Dienst bei entsprechend großen Dienststellen (§ 16 EntgTranspG - Entwurf).
Eine erneute Auskunft über das Vergleichsentgelt kann frühestens nach zwei Jahren verlangt werden. Eine Ausnahme gilt, wenn sich die Grundlagen der Vergütung geändert haben (§ 10 Abs.2 EntgTranspG - Entwurf).
Für die Einführung des EntgTranspG gilt eine Übergangsregelung. Danach kann der Auskunftsanspruch erstmals nach sechs Monaten ab dem Inkrafttreten des EntgTranspG geltend gemacht werden (§ 25 Abs.1 Satz 1 EntgTranspG - Entwurf). Und wer innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Auskunft verlangt, muss sich danach erst einmal drei Jahre (statt zwei Jahre) gedulden, bis eine erneute Anfrage zulässig ist (§ 25 Abs.1 Satz 2 EntgTranspG - Entwurf).
Um den Datenschutz derjenigen Beschäftigten zu gewährleisten, deren Vergütung Grundlage für die Auskunftserteilung ist, entfällt die Pflicht zur Auskunft über das Vergleichsentgelt, wenn die Vergleichstätigkeit nur von fünf oder weniger Arbeitnehmern ausgeübt wird. In solchen Fällen würde die Erteilung der Auskunft Rückschlüsse auf die Bezahlung individueller anderer Arbeitnehmer erlauben. Außerdem wäre bei einer zu kleinen Anzahl von Vergleichsarbeitnehmern die Auskunft über das Vergleichsentgelt zu stark von Zufällen abhängig und damit nicht aussagekräftig, so jedenfalls die Gesetzesbegründung (Gesetzentwurf, S.62).
Inhalt des Auskunftsanspruchs
Die zu erteilende Auskunft besteht im Wesentlichen in der Information über die (Grund-)Vergütung und über ein oder (höchstens) zwei einzelne Vergütungsbestandteile, die Arbeitnehmer des anderen Geschlechts für eine Vergleichstätigkeit bekommen (§ 10 Abs.1 Satz 2 EntgTranspG - Entwurf).
Dabei ist das Vergleichsentgelt auf der Basis einer Vollzeittätigkeit anzugeben, wobei zunächst ausgehend vom Jahresgehalt das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt zu errechnen ist. Hat man auf diese Weise das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt der einzelnen Vergleichsarbeitnehmer ermittelt, ist nicht etwa das arithmetische Mittel („Durchschnitt“) von deren Bruttomonatsgehältern als Antwort auf das Auskunftsbegehren mitzuteilen, sondern vielmehr der Median (§ 11 Abs.2 Satz 1 EntgTranspG - Entwurf).
Der Median-Wert kann je nach Datenlage deutlich vom Durchschnitt der Vergleichsgehälter abweichen und daher ein schiefes Bild der Vergleichsgehälter vermitteln. Das zeigt sich an folgendem Beispiel:
20 Frauen und 20 Männer sind Verkäufer/Innen mit gleichwertiger Tätigkeit, die auf der Grundlage von frei vereinbarten Arbeitsverträgen bezahlt werden. Die Frauen verdienen im Durchschnitt 40.000,00 EUR brutto im Jahr, die Männer 48.000,00 EUR. Das höhere mittlere Jahresgehalt der Männer kommt dadurch zustande, dass acht der Männer 60.000,00 EUR verdienen. Von den übrigen zwölf Männern bekommen drei 39.000,00 EUR, acht 40.000,00 EUR und einer 43.000,00 EUR brutto pro Jahr, d.h. das mittlere Jahresgehalt der zwölf „normal“ verdienenden Männer liegt bei 40.000,00 EUR und entspricht damit dem der Frauen. Der Medianwert der Jahresgehälter der 20 männlichen Arbeitnehmer liegt ebenfalls bei 40.000,00 EUR, d.h. deutlich unterhalb des Durchschnitts von 48.000,00 EUR. Denn der Median ist definiert als das 50-Prozent-Perzentil einer Verteilung, d.h. als der Wert, der sich ergibt, wenn man die Merkmalsträger (hier: die Männer) in eine Rangfolge bringt (hier: nach ihrem Jahresgehalt), und zwar von unten nach oben (hier: angefangen mit einem der drei 39.000,00-EUR-Männer) und dabei stoppt, sobald man die Hälfte der Merkmalsträger durchgegangen ist bzw. in eine Rangfolge gebracht hat. Das ist hier bei 20 Männern der Mann Nr.10 mit einem Gehalt von 40.000,00 EUR.
Zusammenwirken von Beschäftigten, Betriebsräten und Arbeitgeber bei der Erfüllung des Auskunftsanspruchs
Wer Auskunft über das Vergleichsentgelt haben möchte, das Arbeitnehmer des anderen Geschlechts für gleichwertige Arbeit erhalten, muss sein Verlangen gemäß § 10 Abs.2 Satz 1 EntgTranspG (Entwurf) in Textform vorbringen, d.h. schriftlich, per E-Mail oder per Fax.
Damit in etwa klar ist, auf welche Vergleichsarbeitnehmer bzw. Vergleichstätigkeiten sich das Auskunftsbegehren bezieht, sind die Auskunftsberechtigten gemäß § 10 Abs.1 Satz 2 EntgTranspG (Entwurf) dazu verpflichtet, „in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen“.
In tarifgebundenen oder tarifanwendenden Unternehmen sollen Beschäftigte den Auskunftsanspruch im Allgemeinen an den Betriebsrat herantragen (§ 14 Abs.1 Satz 1 EntgTranspG - Entwurf). Der Betriebsrat informiert dann den Arbeitgeber über das Auskunftsverlangen, erhält vom Arbeitgeber die erforderlichen Informationen und erteilt dann dem Beschäftigten die Auskunft. Eine Ausnahme gilt dann, wenn es in tarifgebundenen oder tarifanwendenden Unternehmen keinen Betriebsrat gibt oder wenn der Arbeitgeber die Auskunftspflicht des Betriebsrats übernimmt.
In Unternehmen, bei denen die Arbeitnehmer nicht auf Grundlage eines Tarifvertrags bezahlt werden, müssen sich die Beschäftigten im Allgemeinen direkt an den Arbeitgeber wenden, es sei denn, es gibt in diesen Unternehmen ein Betriebsrat (§ 15 Abs.1, Abs.2 EntgTranspG - Entwurf).
Die vom Arbeitgeber oder von Betriebsrat erteilte Auskunft kann auch darin bestehen, dass die beim Auskunftsbegehren genannten (angeblichen) Vergleichstätigkeiten nach Ansicht des Arbeitgebers bzw. Betriebsrats in Wahrheit gar nicht gleich oder gleichwertig sind (§ 15 Abs.4 Satz 2 EntgTranspG - Entwurf). Dann haben Arbeitgeber bzw. Betriebsrat diese Bewertung „nachvollziehbar zu begründen“, wobei sie auf die o.g. Bewertungskriterien zu sprechen kommen müssen (Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen, Arbeitsbedingungen). Gibt es statt der vom Arbeitnehmer ursprünglich genannten Vergleichstätigkeit eine andere, aus Sicht des Arbeitgebers bzw. Betriebsrats tatsächlich gleiche oder gleichwertige Tätigkeit, so ist die Gehaltsauskunft darauf zu beziehen.
Überprüfung von Vergütungssystemen und Berichtspflicht
Gemäß § 17 Abs.1 Satz 1 EntgTranspG (Entwurf) sind private Arbeitgebermit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten dazu „aufgefordert“, mithilfe betrieblicher Prüfverfahren ihre Entgeltregelungen regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob sie den Anforderungen der Entgeltgleichheit entsprechen. Eine rechtliche Pflicht zur Durchführung solcher Prüfverfahren ist damit nicht verbunden.
Entscheiden sich Unternehmen dazu, solche Prüfverfahren durchzuführen, sieht das Gesetz einige Eckpunkte für die Durchführung dieser Verfahren vor (§ 18 EntgTranspG - Entwurf).
Darüber hinaus müssen Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern, die zur Erstellung eines Lageberichts nach §§ 264 und 198 Handelsgesetzbuch (HGB) verpflichtet sind, künftig regelmäßig über die von Ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Gleichstellung und zur Entgeltgleichheit im Unternehmen berichten (§ 21 Abs.1 EntgTranspG - Entwurf).
Auch diese Berichtspflicht steht allerdings unter der Bedingung, dass die Unternehmen überhaupt Maßnahmen dieser Art ergreifen, wozu sie nicht verpflichtet sind. Unternehmen, die keine Gleichstellungsmaßnahmen ergreifen, müssen dies allerdings in ihrem Bericht begründen.
Stellungnahmen der Tarifpartner und der Opposition
Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kritisiert an dem vorliegenden Gesetzentwurf, dass sein Nutzen in keinem Verhältnis zum bürokratischen Aufwand steht und dass die gesetzlichen Vorgaben zum Thema „gleicher“ und „gleichwertiger“ Arbeit zu unklar formuliert seien. Hier ist Rechtsunsicherheit zu befürchten, so die BDA.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) weist die Kritik an dem zu hohen bürokratischen Aufwand infolge des EntgTranspG zurück. Aus Sicht des DGB ist das Gesetz aber ungeeignet, um Diskriminierungen erkennen und beseitigen zu können, v.a. weil lageberichtspflichtige Unternehmen keine Aussagen zu grundlegenden Entgeltregelungen und Arbeitsbewertungsverfahren machen müssen. Außerdem bemängelt der DGB, dass das Prüfverfahren nicht verpflichtend vorgeschrieben ist.
Cornelia Möhring (DIE LINKE) kritisierte bei der Aussprache im Bundestag (16.02.2017) an dem geplanten Gesetz, dass der Auskunftsanspruch nur für Arbeitnehmerinnen in Betrieben mit über 200 Arbeitnehmern eingreift, wohingegen die meisten Frauen in kleineren Betrieben tätig seien. Auch der Schwellenwert von 500 Arbeitnehmern für die Berichtspflicht sowie die Freiwilligkeit des Prüfverfahrens wird von DEN LINKEN kritisiert.
Auch Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) beanstandete bei der Aussprache im Bundestag (16.02.2017) die zu hohen Schwellenwerte und die rechtliche Unverbindlichkeit des Prüfverfahrens. Außerdem forderte sie ein Verbandsklagerecht, da die Auskunftserteilung als solche noch nicht dazu führe, dass bestehende Diskriminierungen beseitigt würden.
Fazit: Gender pay gap - nur gucken, nicht anfassen?
In ihrer Pressemeldung vom 11.01.2017 begründete die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zum EntgTranspG so:
„Frauen verdienen im Durchschnitt immer noch weniger als Männer. Um das zu ändern, hat der Bundestag ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit beschlossen.“
Das ist schlichtweg Etikettenschwindel, denn die geschlechtsbezogene Entgeltlücke kann und soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf mitnichten „geändert“ werden, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens beruht die Entgeltlücke zu etwa 75 Prozent nicht auf ungleicher Bezahlung gleicher Arbeit, sondern vielmehr auf der Verrichtung ungleicher Arbeit durch Männer und Frauen. Wollte der Staat hieran etwas ändern, läge es nahe, sich einmal selbst als Arbeitgeber an die Nase zu fassen. Auch und gerade im öffentlichen Dienst werden typische Frauenberufe nach wie vor schlechter bezahlt als typische Männerberufe. Hier könnten Extra-Lohnrunden zugunsten von Kindergärtnerinnen und Pflegekräften im öffentlichen Dienst Abhilfe schaffen. Die zuständige Gewerkschaft ver.di würde da bestimmt mitmachen. Das ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aber nicht beabsichtigt. Denkbar wäre auch ein gesetzlich vorgeschriebener Lohnzuschlag für (überwiegend von Frauen verrichtete) Teilzeitarbeit, um einen Ausgleich für das ungünstigere Verhältnis von Wegezeiten und Arbeitszeiten herzustellen, die Einführung von Branchen-Mindestlöhnen für typische Frauenberufe außerhalb des öffentlichen Sektors usw.
Zweitens sind die oben genannten drei Kriterien zur Feststellung der „Gleichwertigkeit“ von Tätigkeiten (Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen, Arbeitsbedingungen) sehr schwammig, und sie werden vom Gesetz noch nicht einmal abschließend vorgegeben, so dass bei der Tätigkeitsbewertung zusätzliche weitere Kriterien angewendet werden können. Arbeitgeber, die ja letztendlich für die Bewertung von Vergleichstätigkeiten zuständig sind (denn sie müssen ja dem Betriebsrat zuarbeiten, falls dieser die Auskunft erteilt), haben daher weitgehend freie Hand bei der Bewertung bzw. Festlegung von Vergleichstätigkeiten. Die einer anfragenden Arbeitnehmerin erteilte Auskunft wird daher in praktisch allen Fällen lauten,
- dass die von ihr benannten Vergleichstätigkeiten in Wahrheit nicht gleichwertig sind und/oder
- dass echte Vergleichstätigkeiten ebenso bezahlt werden wie die Tätigkeit der anfragenden Arbeitnehmerin.
Drittens bedeutet auch eine (von Arbeitgebern voraussichtlich kaum jemals zugegebene) bessere Bezahlung männlicher Kollegen für „gleichwertige“ Arbeiten im Sinne des Gesetzentwurfes noch nicht einmal zwingend, dass hier Lohndiskriminierung vorliegt. Die bessere Bezahlung männlicher Arbeitnehmer kann vielmehr auf allen möglichen Gründen beruhen, so z.B. darauf,
- dass einzelne vergleichbare männliche Arbeitnehmer berufliche Spezialkenntnisse und/oder besondere Erfahrungen vorweisen können, und/oder
- dass einzelne vergleichbare männliche Arbeitnehmer nebenher Sonderaufgaben erledigen, und/oder
- dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit bei der Einstellung einzelner männlicher Arbeitnehmer dringend Personallücken schließen musste und daher zähneknirschend "überzogene" Lohnforderungen akzeptiert hat, oder
- dass Teile der Belegschaft durch ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB übernommen wurden und deshalb höhere Löhne beanspruchen können usw.
Vor diesem Hintergrund ist kaum damit zu rechnen, dass sich viele Frauen unter Berufung auf das EntgTranspG an ihren Arbeitgeber oder an den Betriebsrat wenden und Auskunft über die Bezahlung männlicher Vergleichsarbeitnehmer verlangen werden. Das sieht auch der Gesetzgeber so (Gesetzesbegründung, S.57):
„Es ist (…) nicht davon auszugehen, dass die Arbeitgeber und Betriebsräte von einer unverhältnismäßig hohen Anzahl an Anfragen betroffen sein werden.“
Fazit: Gegen Lohnunterschiede helfen nur Lohnerhöhungen, aber keine Auskunftsansprüche. Das Gesetz geht anscheinend davon aus, dass sich Arbeitnehmerinnen erst im Wege eines formalisierten Auskunftsrechts Informationen über eine (zunächst nur vermutete und letztlich kaum beweisbare) diskriminierende Unterbezahlung verschaffen, um dann im nächsten Schritt eine ihnen etwaig zustehende Lohndifferenz vom Arbeitgeber einzufordern und gegebenenfalls sogar einzuklagen. Das alles hat mit den Realitäten des Arbeitslebens wenig zu tun.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.02.2017, Bundestag Drucks.18/11133
- Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht der 228. Sitzung, Donnertag, den 30.03.2017
- Bundesregierung: Lohngerechtigkeit. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Pressemeldung vom 11.01.2017, aktualisiert am 30.03.2017
- DESTATIS. Statistisches Bundesamt: Drei Viertel des Gender Pay Gap lassen sich mit Strukturunterschieden erklären, Pressemitteilung Nr. 094 vom 14.03.2017
- BDA: Karriere- und Erwerbschancen von Frauen verbessern. Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Familienausschusses zum Thema „Entgeltgleichheit“ am 06.03.2017
- DGB: Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen zwischen Frauen und Männern, März 2017
- Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht der 218. Sitzung, Donnerstag, 16.02.2017
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Geschlecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Eingruppierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 21/017 Geplante EU-Richtlinie für Lohngleichheit
- Arbeitsrecht aktuell: 19/011 Betriebsrat steht Einsicht in Gehaltslisten mit Arbeitnehmernamen zu
- Arbeitsrecht aktuell: 18/011 Kein Einsichtsrecht des Betriebsrats in Lohn- und Gehaltslisten anderer Betriebe desselben Unternehmens
- Arbeitsrecht aktuell: 18/005 Gleichbehandlungsgrundsatz bei Betriebsvereinbarungen
- Arbeitsrecht aktuell: 17/185 Entgelttransparenzgesetz in Kraft
- Arbeitsrecht aktuell: 15/085 Gesetz zur Frauenquote in Aufsichtsräten verabschiedet
Hinweis: Am 12.05.2017 hat der Bundesrat den Gesetzesbeschluss des Bundestages gebilligt. Den entsprechenden Beschluss des Bundesrates finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 22. März 2021
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