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Diskriminierungsschutz bei Fettleibigkeit
19.07.2014. Die europäischen Antidiskriminierungsvorschriften enthalten kein spezielles Verbot, Arbeitnehmer wegen ihres Übergewichts ungünstiger zu behandeln als vergleichbare normalgewichtige Personen.
Allerdings dürfen Arbeitnehmer nicht wegen einer Behinderung diskriminiert werden, d.h. die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) müssen dafür sorgen, dass behinderungsbedingte Diskriminierungen unterbleiben.
In seinen vorgestern veröffentlichten Schlussanträgen in der Rechtssache Kaltoft (C-354/13) kommt der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Jääskinen zu dem Ergebnis, dass eine schwerwiegende Fettleibigkeit eine Behinderung im Sinne des europäischen Antidiskriminierungsrechts ist: Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Niilo Jääskinen vom 17.07.2014 (Rs. C-354/13 - Kaltoft).
- Sind adipöse Arbeitnehmer rechtlich davor geschützt, wegen ihrer Fettleibigkeit im Berufsleben diskriminiert zu werden?
- Der dänische Vorlagefall: Stark übergewichtiger Gemeindeangestellter wird nach 15jähriger Beschäftigung gekündigt
- Generalanwalt Jääskinen: Eine Adipositas mit dem Grad III sollte als „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG anerkannt werden
Sind adipöse Arbeitnehmer rechtlich davor geschützt, wegen ihrer Fettleibigkeit im Berufsleben diskriminiert zu werden?
Die Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) verpflichtet die EU-Staaten, geeignete Maßnahmen gegen Diskriminierungen im Erwerbsleben zu ergreifen.
Allerdings enthält diese Richtlinie kein allgemeines Diskriminierungsverbot, sondern wendet sich nur gegen solche Diskriminierungen, die auf bestimmten Gründen bzw. speziellen Merkmalen des Diskriminierungsopfers beruhen. Konkret enthält Art.1 der Richtlinie 2000/78/EG ein Verbot von Diskriminierungen
- wegen der Religion oder Weltanschauung,
- wegen einer Behinderung,
- wegen des Alters oder
- wegen der sexuellen Ausrichtung.
Darüber hinaus verbietet das Europarecht Diskriminierungen aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft und wegen des Geschlechts.
Da es (stark) übergewichtige Arbeitnehmer beim beruflichen Fortkommen oft schwerer haben als normalgewichtige, liegt hier eine Schutzlücke vor. Daher könnte man argumentieren, dass (starkes) Übergewicht unter den Begriff der "Behinderung" fällt. Adipöse Stellenbewerber und Arbeitnehmer könnten dann verlangen, dass ihr Gewicht kein Grund für eine Schlechterstellung im Beruf sein darf.
Andererseits würde eine solche Interpretation des Begriffs der Behinderung den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG stark ausweiten, und das sollte nicht Aufgabe der Rechtsprechung bzw. des EuGH sein, sondern vom Europäischen Rat bzw. vom Europaparlament beschlossen werden.
Vor diesem Hintergrund versucht der Generalanwalt beim EuGH Jääskinen in seinen Schlussanträgen vom 17.07.2014 (Rs. C-354/13 - Kaltoft), einen Mittelweg einzuschlagen.
Der dänische Vorlagefall: Stark übergewichtiger Gemeindeangestellter wird nach 15jähriger Beschäftigung gekündigt
In dem aus Dänemark stammenden Vorlagefall wurde ein Gemeindeangestellter, Herr Kaltoft, ordentlich gekündigt, nachdem er 15 Jahre für die Gemeinde als sog. Tagesvater gearbeitet hatte, d.h. in der ambulanten Kinderbetreuung.
Möglicherweise spielte sein Übergewicht bei der Kündigung eine Rolle. Immerhin wog Herr Kaltoft während der gesamten Dauer seiner Tätigkeit nie weniger als 160 kg, und das bei einer Körpergröße von 172 cm. Sein Body-Mass-Index (BMI) betrug daher immer (mehr als) 54, was ein extremer Wert ist.
Herr Kaltoft fühlte sich durch die Entlassung diskriminiert und klagte daher auf Zahlung einer Entschädigung. Das mit dem Fall befasste dänische Gericht fragte daher den EuGH, ob eine (hier möglicherweise vorliegende) Diskriminierung wegen Fettleibigkeit durch das Europarecht verboten ist oder, falls das nicht so sein sollte, ob Fettleibigkeit dann zumindest als "Behinderung" im Sinne von Art.1 der Richtlinie 2000/78/EG anzusehen ist.
Generalanwalt Jääskinen: Eine Adipositas mit dem Grad III sollte als „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG anerkannt werden
Der Generalanwalt argumentiert zunächst, dass das EU-Recht kein spezielles Verbot der Benachteiligung übergewichtiger Arbeitnehmer enthält.
Allerdings sollte man, so der Generalanwalt, ein extremes Übergewicht wie hier im dänischen Streitfall als "Behinderung" anerkennen. Dabei bezieht sich der Generalanwalt auf die international anerkannte Klassifikation von Adipositas-Graden, die wiederum am BMI festgemacht werden. Bei einem BMI von 40 oder mehr liegt "Adipositas Grad III" vor, und Menschen mit einem so extremen Übergewicht sollten nach Ansicht des Generalanwalts als "behindert" im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden.
Denn der EuGH versteht unter einer Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG Einschränkungen,
- die sich aus langfristigen (physischen, geistigen oder psychischen) Beeinträchtigungen ergeben, und
- die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und gleichberechtigten Teilhabe am Berufsleben hindern können.
Dabei kommt es, wie Jääskinen deutlich macht, nicht darauf an, ob der beeinträchtigte Arbeitnehmer seine konkrete Arbeit verrichten kann oder nicht, sondern ob er allgemein an einer gleichberechtigten Teilhabe am Berufsleben gehindert ist.
Davon ist nach Ansicht des Generalanwalts bei einer Adipositas Grad III auszugehen. Denn dann kommt es typischerweise zu Problemen bei der Mobilität, der Belastbarkeit und der Stimmung.
Fazit: Da der EuGH in den meisten Fällen den Entscheidungsvorschlägen seiner Generalanwälte folgt, wird der EuGH bei seinem Urteil in diesem Streitfall vermutlich klarstellen, dass Arbeitnehmer mit einer Adipositas Grad III "behindert" sind. Daraus folgt umgekehrt, dass eine unter dieser Grenze liegende ("normale" bis "mittlere") Fettleibigkeit keine Behinderung darstellt.
Das würde ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 12.06.2014 bestätigen, mit dem das Arbeitsgericht die Entschädigungsklage einer leicht übergewichtigen Stellenbewerberin abgewiesen hatte (wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 14/221 Diskriminierung wegen Übergewichts). Solange das Übergewicht eines Stellenbewerbers nicht die hier vom Generalanwalt gezogene Grenze erreicht, darf es weiterhin ein Grund für die Ablehnung sein.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Niilo Jääskinen vom 17.07.2014 (Rs. C-354/13 - Kaltoft)
- Europäischer Gerichtshof, Pressemitteilung Nr. 112/14 vom 17.07.2014: Generalanwalt Jääskinen ist der Auffassung, dass morbide Adipositas eine „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf darstellen kann
- Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil vom 12.06.2014 (Pressemeldung)
- Handbuch Arbeitsrecht: Behinderung, Menschen mit Behinderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Allgemein
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Anwendungsbereich des gesetzlichen Schutzes
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Behinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/214 Krankheitsbedingte Kündigung als Diskriminierung wegen einer Behinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/412 Diskriminierung wegen Übergewichts
- Arbeitsrecht aktuell: 14/221 Diskriminierung wegen Übergewichts
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) über den Fall entschieden und sich den Entscheidungsvorschlägen des Generalanwalts zum Teil angeschlossen. Informationen zu diesem EuGH-Urteil finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18.12.2014, C-354/13 (Kaltoft)
- Arbeitsrecht aktuell: 14/412 Diskriminierung wegen Übergewichts
Letzte Überarbeitung: 31. August 2018
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