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Diskriminierung wegen Übergewichts
20.12.2014. Die europäischen Antidiskriminierungsvorschriften verpflichten die EU-Mitgliedsstaaten dazu, Rechtsvorschriften zu erlassen, die Arbeitnehmer vor Diskriminierungen wegen einer Behinderung schützen.
Da die EU-Antidiskriminierungsvorschriften allerdings den Begriff der Behinderung nicht definieren, ist unklar, ob Einschränkungen infolge einer extremen Fettleibigkeit (Adipositas) unter den Begriff der Behinderung fallen und welche nicht.
In einem aktuellen Urteil zu einem dänischen Fall kommt der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu dem Ergebnis, dass ein extremes Übergewicht eine Behinderung im Sinne des europäischen Antidiskriminierungsrechts sein kann: EuGH, Urteil vom 18.12.2014, C-354/13 (Kaltoft).
- Sind stark übergwichtige Arbeitnehmer als behindert im Sinne der Antidiskriminierungsvorschriften anzusehen?
- Im Streit: Stark übergewichtiger Gemeindeangestellter erhält nach 15jähriger Beschäftigung die Kündigung
- EuGH: Übergewicht kann eine Behinderung im Sinne des europäischen Antidiskriminierungsrechts darstellen
Sind stark übergwichtige Arbeitnehmer als behindert im Sinne der Antidiskriminierungsvorschriften anzusehen?
Aufgrund der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) müssen die EU-Staaten geeignete Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Arbeitnehmern ergreifen. Dabei müssen sie unter anderem gegen Diskriminierungen wegen einer Behinderung vorgehen.
Fraglich ist, ob auch ein (sehr) starkes Übergewicht (Adipositas) eine Behinderung im Sinne der Antidiskriminierungsvorschriften darstellt oder nicht.
Würde eine Adipositas als Behinderung anzusehen sein, dürften stark übergewichtige Arbeitnehmer nicht aufgrund ihres Übergewichts benachteiligt werden, z.B. bei der Einstellung oder bei Entlassungen. Wäre Adipositas dagegen keine Behinderung, könnten sich Arbeitgeber bei Personalentscheidungen im Prinzip auch an dem (Über-)Gewicht der Arbeitnehmer orientieren.
In einem aktuellen, aus Dänemark stammenden Streitfall hatte der EuGH Gelegenheit, sich zu dieser juristischen Streitfrage zu äußern.
Im Streit: Stark übergewichtiger Gemeindeangestellter erhält nach 15jähriger Beschäftigung die Kündigung
In dem dänischen Vorlagefall ging es um einen Gemeindeangestellten, Herrn Kaltoft, der ordentlich aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden war, nachdem er 15 Jahre für die Gemeinde als sog. Tagesvater gearbeitet hatte, d.h. in der ambulanten Kinderbetreuung.
Herr Kaltoft vermutete, dass sein Übergewicht bei der Kündigung eine Rolle gespielt hatte, denn andere, mit ihm vergleichbare Tagesbetreuer wurden nicht gekündigt. Und immerhin wog Herr Kaltoft mehr als 160 kg bei einer Körpergröße von 172 cm. Sein Body-Mass-Index (BMI) betrug daher 54 oder mehr, was ein außergewöhnlicher Wert ist.
Da Herr Kaltoft meinte, in einer diskriminierenden Weise gekündigt worden zu sein, zog er vor Gericht und klagte auf eine Entschädigung. Das dänische Gericht setzte den Rechtsstreit aus und fragte den Gerichtshof,
- ob eine Benachteiligung wegen Übergewichts durch das Europarecht verboten ist oder (falls das nicht so sein sollte)
- ob Fettleibigkeit zumindest als "Behinderung" im Sinne von Art.1 der Richtlinie 2000/78/EG anzusehen ist.
Der mit dem Fall befasste Generalanwalt beim EuGH Jääskinen schlug dem Gerichtshof in seinen Schlussanträgen vom 17.07.2014 vor, eine Behinderung immer dann anzuerkennen, wenn ein Arbeitnehmer einen BMI von 40 oder mehr aufweist (sog. "Adipositas Grad III"). Denn ab diesem (schweren) Grad von Übergewicht kommt es typischerweise zu dauerhaften körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die als Behinderung anzusehen sind (wir berichteten über die Schlussanträge in Arbeitsrecht aktuell: 14/256 Diskriminierungsschutz bei Fettleibigkeit).
EuGH: Übergewicht kann eine Behinderung im Sinne des europäischen Antidiskriminierungsrechts darstellen
Der Gerichtshof beantwortete die erste der o.g. beiden Fragen mit nein, die zweite dagegen mit ja.
Anders als der Generalanwalt wollte sich der EuGH allerdings nicht auf die allgemeine Regel festlegen, dass eine Adipositas Grad III (= BMI von 40 oder mehr) immer als Behinderung anzusehen ist.
Vielmehr verweist der Gerichtshof auf den (etwas schwammigen) Begriff der "Behinderung", den er seiner bisherigen Rechtsprechung zugrunde gelegt hat. Danach führen Einschränkungen zu einer Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG, wenn diese Einschränkungen
- Folge von "langfristigen" physischen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen sind, und wenn sie
- den Betroffenen zusammen mit verschiedenen Barrieren an der vollen und gleichberechtigten Teilhabe am Berufsleben hindern können.
Dabei stellt der EuGH im Anschluss an die Entscheidungsvorschläge des Generalanwalts klar, dass eine Behinderung auch dann vorliegen kann, wenn der betroffene Arbeitnehmer seine Arbeit verrichten kann. Denn entscheidend ist, ob man im Allgemeinen an einer gleichberechtigten Teilhabe am Berufsleben gehindert ist oder nicht.
Das kann, so der EuGH, auch bei starkem Übergewicht der Fall sein. Die Entscheidungsformel lautet:
"Die Richtlinie 2000/78/EG (...) ist dahin auszulegen, dass die Adipositas eines Arbeitnehmers eine >Behinderung< im Sinne dieser Richtlinie darstellt, wenn sie eine Einschränkung mit sich bringt, die u. a. auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die ihn in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können."
Dies ist insbesondere dann der Fall, so der Gerichtshof, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund seines Übergewichts in seiner Mobilität eingeschränkt ist und/oder wenn bei ihm gewichtsbedingte Krankheitsbilder auftreten, die ihn an der Verrichtung seiner Arbeit hindern oder ihn bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit beeinträchtigen.
Fazit: Der EuGH gibt, anders als der Generalanwalt vorgeschlagen hatte, den Gerichten der Mitgliedsstaaten keine klare BMI-Regel an die Hand, die die Gerichte anwenden könnten, wenn sie darüber zu entscheiden haben, ob ein (stark) übergewichtiger Arbeitnehmer als "behindert" anzusehen ist oder nicht. Vielmehr müssen die Gerichte selbst überprüfen, ob ein übergewichtiger Arbeitnehmer aufgrund seines Übergewichts in seiner Mobilität eingeschränkt ist und/oder ob er unter Krankheiten leidet, die sich kausal auf das Übergewicht zurückführen lassen und berufliche Einschränkungen mit sich bringen.
Trotz dieser rechtlichen Unsicherheit können sich Arbeitnehmer mit starkem Übergewicht künftig in der Regel auf die für Behinderte geltenden Antidiskriminierungsvorschriften berufen, denn die vom EuGH angesprochenen Einschränkungen der Mobilität werden bei starkem Übergewicht meist vorliegen. Dann aber greift künftig der rechtliche Diskriminierungsschutz ein.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18.12.2014, C-354/13 (Kaltoft)
- Europäischer Gerichtshof, Adipositas kann eine "Behinderung" im Sinne der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sein, Pressemitteilung des EuGH Nr.183/14 vom 18.12.2014
- Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Niilo Jääskinen vom 17.07.2014 (Rs. C-354/13 - Kaltoft)
- Europäischer Gerichtshof, Pressemitteilung Nr. 112/14 vom 17.07.2014: Generalanwalt Jääskinen ist der Auffassung, dass morbide Adipositas eine „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf darstellen kann
- Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil vom 12.06.2014 (Pressemeldung)
- Handbuch Arbeitsrecht: Behinderung, Menschen mit Behinderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Allgemein
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Anwendungsbereich des gesetzlichen Schutzes
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Behinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/214 Krankheitsbedingte Kündigung als Diskriminierung wegen einer Behinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/256 Diskriminierungsschutz bei Fettleibigkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 14/221 Diskriminierung wegen Übergewichts
Letzte Überarbeitung: 31. August 2018
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