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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/028

Be­triebs­rat mit 33 Mit­glie­dern ob­siegt im Streit um 16 Dienst­han­dys

Die Er­mes­sens­ent­schei­dung des Be­triebs­rats über Sach­mit­tel­aus­stat­tung darf das Ar­beits­ge­richt nur be­grenzt über­prü­fen: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 18.11.2011, 16 TaBV 129/11
Sitzung des Betriebsrats, Betriebsratsversammlung

18.01.2012. Ge­mäß § 40 Abs.2 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) hat der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat für die Sit­zun­gen, die Sprech­stun­den und die lau­fen­de Ge­schäfts­füh­rung "in er­for­der­li­chem Um­fang" Räu­me, sach­li­che Mit­tel, In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik so­wie Bü­ro­per­so­nal zur Ver­fü­gung zu stel­len. Da über Aus­stat­tungs­wün­sche des Be­triebs­rats bzw. de­ren "Er­for­der­lich­keit" im­mer wie­der ge­strit­ten wird, ha­ben die Ar­beits­ge­rich­te hier ei­ni­ge Eck­punk­te fest­ge­legt, an de­nen sie sich bei Strei­tig­kei­ten über Sach­mit­tel ori­en­tie­ren.

Zu­erst die gu­te Nach­richt für den Be­triebs­rat bzw. die schlech­te Nach­richt für den Ar­beit­ge­ber: Nicht der Ar­beit­ge­ber oder das Ar­beits­ge­richt, son­dern der Be­triebs­rat hat zu prü­fen und nach sei­nem Er­mes­sen zu ent­schei­den, ob ein von ihm ver­lang­tes Sach­mit­tel zur Er­le­di­gung sei­ner Auf­ga­ben er­for­der­lich und da­her vom Ar­beit­ge­ber zur Ver­fü­gung zu stel­len ist.

Das ist aber erst der An­fang der recht­li­chen Prü­fung, denn nun kommt die gu­te Nach­richt für den Ar­beit­ge­ber bzw. die schlech­te Nach­richt für den Be­triebs­rat: Die­se Er­mes­sens­ent­schei­dung darf der Be­triebs­rat nicht al­lein an sei­nen Be­dürf­nis­sen aus­rich­ten, son­dern er muss auch die be­trieb­li­chen Ver­hält­nis­se be­rück­sich­ti­gen. Vor al­lem muss er das In­ter­es­se an ei­ner mög­lichst rei­bungs­lo­sen Be­triebs­rats­ar­beit ge­gen das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an ei­ner Kos­ten­be­gren­zung ab­wä­gen.

Schließ­lich kon­trol­lie­ren die Ar­beits­ge­rich­te, ob der Be­triebs­rat die­se Vor­ga­ben bei sei­ner Er­mes­sens­aus­übung be­ach­tet hat. Das wie­der­um ist eher gu­te Nach­richt für den Be­triebs­rat bzw. eher ei­ne schlech­te für den Ar­beit­ge­ber, je­den­falls wenn es um Strei­tig­kei­ten über Kom­mui­ka­ti­ons­mit­tel geht wie z.B. In­ter­net­zu­gän­ge, E-Mail-Adres­sen oder Han­dys. Denn hier ent­schei­den die Ge­rich­te letzt­lich meist für den Be­triebs­rat. Das zeigt auch ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) - Be­schluss vom 18.11.2011, 16 TaBV 129/11.

In dem Streit­fall ging es um ei­ne Flug­ge­sell­schaft und de­ren Be­triebs­rat für das Bo­den­per­so­nal, der aus 33 Mit­glie­dern be­stand und et­wa 6.500 Ar­beit­neh­mer ver­trat. Die Flug­ge­sell­schaft stell­te zwar dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den, sei­nem Stell­ver­tre­ter, dem Vor­sit­zen­den des Per­so­nal­aus­schus­ses und dem Vor­sit­zen­den des Ar­beits­zeit­aus­schus­ses ein Mo­bil­te­le­fon zur Ver­fü­gung, und wei­te­re 13 Be­triebs­rats­mit­glie­der hat­ten aus dienst­li­chen Grün­den oh­ne­hin ein Mo­bil­te­le­fon.

Aber die an­de­ren 16 Be­triebs­rats­mit­glie­der hat­ten kein Han­dy, und das woll­te der Be­triebs­rat än­dern. Er ver­lang­te vom Ar­beit­ge­ber Han­dys für die bis da­hin han­dy­lo­sen Mit­glie­der, um de­ren Er­reich­bar­keit wäh­rend Mee­tings und bei Orts­be­ge­hun­gen si­cher­zu­stel­len. Laut Ein­kaufs­ab­tei­lung der Flug­ge­sell­schaft lie­gen die Kos­ten für ein Han­dy im Kon­zern bei et­wa 22,00 EUR pro Mo­nat. Der Be­triebs­rat geht kon­zern­weit von 32.000 vor­han­de­nen Han­dys aus, wor­au sich mo­nat­li­che Kos­ten von 704.000,00 EUR er­rech­nen. Die Flug­ge­sell­schaft be­ein­druck­te das nicht: Ih­rer Mei­nung nach wa­ren die 16 Mo­bil­te­le­fo­ne für die bis­her han­dy­lo­sen Be­triebs­rats­mit­glie­de eben nicht er­for­der­lich, und da­her kam es auf den Um­fang der Mehr­kos­ten aus ih­rer Sicht nicht an.

Das sah das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main eben­so und wies den An­trag des Be­triebs­rats auf Über­las­sung von 16 Mo­bil­te­le­fo­nen ab (Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main, Be­schluss vom 03.02.2011, 11 BV 540/10 ). Da­ge­gen ent­schied das Hes­si­sche LAG zu­guns­ten des Be­triebs­rats. Denn das Ar­beits­ge­richt hat­te zu Un­recht sei­ne Be­ur­tei­lung der Er­for­der­lich­keit der strit­ti­gen Han­dys an die Stel­le des Er­mes­sens des Be­triebs­rats ge­setzt. Die bei­den Leit­sät­ze der LAG-Ent­schei­dung lau­ten:

"1. Die ar­beits­ge­richt­li­che Kon­trol­le der Ent­schei­dung des Be­triebs­rats über die Er­for­der­lich­keit ei­nes ver­lang­ten Sach­mit­tels ist auf die Prü­fung be­schränkt, ob das ver­lang­te Sach­mit­tel auf­grund der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Si­tua­ti­on der Er­le­di­gung der ge­setz­li­chen Auf­ga­ben des Be­triebs­rats dient und der Be­triebs­rat bei sei­ner Ent­schei­dung nicht nur die In­ter­es­sen der Be­leg­schaft be­rück­sich­tigt, son­dern auch be­rech­tig­ten Be­lan­gen des Ar­beit­ge­bers Rech­nung ge­tra­gen hat (BAG 14.7.2010 - 7 ABR 80/08 - AP Nr. 107 zu § 40 Be­trVG 1972).

2. Durch das zur Ver­fü­gung Stel­len von Mo­bil­te­le­fo­nen wird die Er­reich­bar­keit der Be­triebs­rats­mit­glie­der für die Be­schäf­tig­ten und die Kom­mu­ni­ka­ti­on un­ter den Be­triebs­rats­mit­glie­dern ver­bes­sert. Der Be­triebs­rat hat bei sei­ner Ent­schei­dung auch dem be­rech­tig­ten In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an ei­ner Be­gren­zung der Kos­ten­tra­gungs­pflicht Rech­nung ge­tra­gen. Es hält sich im Rah­men des dem Be­triebs­rat zu­ste­hen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raums, wenn er die Kos­ten für 16 wei­te­re Mo­bil­te­le­fo­ne in Hö­he von ins­ge­samt 352 € mo­nat­lich bei kon­zern­weit 32.000 Mo­bil­te­le­fo­nen mit ei­ner mo­nat­li­chen Be­las­tung von 704.000 € für den Ar­beit­ge­ber als zu­mut­bar er­ach­tet hat."

Fa­zit: Der Be­triebs­rat hat­te bei sei­ner Ent­schei­dung, vom Ar­beit­ge­ber 16 Mo­bil­te­le­fo­ne zu ver­lan­gen, nicht nur sei­ne In­ter­es­sen an ei­ner mög­lichst rei­bungs­lo­sen Be­triebs­rats­ar­beit be­rück­sich­tigt, son­dern auch Kos­ten­ge­sichts­punk­te. Al­ler­dings hat­te er die Mehr­kos­ten an­ge­sichts der oh­ne­hin er­heb­li­chen Te­le­fon­kos­ten als ge­ring­fü­gig und da­mit für den Ar­beit­ge­ber zu­mut­bar er­ach­tet. Und da­mit hielt er sich in den Gren­zen sei­nes Er­mes­sens. Al­so war der Ar­beit­ge­ber an die Ent­schei­dung des Be­triebs­rats ge­bun­den und muss­te die strei­ti­gen Han­dys zur Ver­fü­gung stel­len.

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Letzte Überarbeitung: 28. März 2018

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