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SG Darmstadt, Urteil vom 16.12.2013, S 1 AL 419/10
Schlagworte: | Sperrzeit: Arbeitsaufgabe, Aufhebungsvertrag: Sperrzeit, Aufhebungsvertrag: Abfindung | |
Gericht: | Sozialgericht Darmstadt | |
Aktenzeichen: | S 1 AL 419/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 16.12.2013 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
1. Der Bescheid vom 16.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 wird teilweise aufgehoben und die festgestellte Sperrzeit auf sechs Wochen und die Anspruchsminderung auf 42 Tage reduziert.
2. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 17.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe in einem Umfang von 318 Tagen zu gewähren.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe und die damit verbundene Reduzierung der Anspruchsdauer und macht einen entsprechend verlängerten Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) – Arbeitsförderung – geltend.
Der 1960 geborene Kläger war vom 01.12.2000 bis 31.03.2009 als Anwendungsadministrator bei der D. AG beschäftigt; dabei war er seit 05.11.2008 arbeitsunfähig und erhielt seit dem 16.12.2008 Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis endete durch einen Aufhebungsvertrag, der von Arbeitgeberseite unter dem 25.11.2008 und von Seiten des Klägers unter dem 04.12.2008 gezeichnet worden war. Dieser sah ein Ausscheiden "aus zwingenden betrieblichen Gründen" zum 31.03.2009 und die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 75.900,00 Euro brutto vor; wegen der Einzelheiten wird auf den Aufhebungsvertrag (Bl. 62 ff. der zum Kläger geführten Leistungsakte der Beklagten – im Folgenden: LA –) verwiesen. Ergänzend schlossen die Arbeitsvertragsparteien unter dem gleichen Datum eine Zusatzvereinbarung, die die Teilnahme des Klägers an einer "Outplacement-Maßnahme" vorsah; auf Bl. 60 f. LA wird Bezug genommen. Der Kläger nahm wegen des Eintritts einer Sperrzeit in diesem Zusammenhang Kontakt mit der Beklagten auf, wobei die Einzelheiten zwischen den Beteiligten streitig sind.
Nach weiterem Bezug von Krankengeld bis zum 11.08.2009, von Übergangsgeld wegen einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 12.08.2009 bis 02.09.2009 und erneut von Krankengeld vom 03.09.2009 bis 04.01.2010 meldete sich der Kläger am 05.01.2010 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (LA Bl. 54).
Die Beklagte schrieb daraufhin unter dem 28.01.2010 den Kläger (und dessen frühere Arbeitgeberin) wegen der Umstände der Arbeitsaufgabe und des möglichen Eintritts einer Sperrzeit (und der Höhe des Arbeitsentgelts) an. Zudem bewilligte sie mit Bescheid vom 02.02.2010 einen Vorschuss auf das Arbeitslosengeld ab 05.01.2010 in Höhe von 44,41 Euro täglich; der Bescheid wies eine Anspruchsdauer von 360 Tagen bei einem Leistungsbeginn am 05.01.2010 und einem Leistungsende am 03.10.2010 aus. In dem auf § 42 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) – Allgemeiner Teil – gestützten Bescheid führte sie einleitend aus, über den Anspruch werde vorläufig entschieden. Weiter wies sie darauf hin, dass der Kläger, sollte er nach der endgültigen Entscheidung einen geringen Anspruch haben, verpflichtet sei, zu viel gezahlte Beträge umgehend zurückzuzahlen. Auf Blatt 3 teilte sie unter "Zeiten ohne Leistungen" mit: "Über den Auszahlungsanspruch vom 01.04.2009 bis 23.06.2009 wird gesondert entschieden. Hierzu erhalten Sie eine weitere Nachricht von Ihrer Agentur für Arbeit. In der Zeit vom 01.04.2009 bis 23.06.2009 wird Ihr Anspruch vorläufig um 90 Tage gemindert. Dies wird noch abschließend geprüft." Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf Bl. 91 ff. LA Bezug genommen.
Der Kläger äußerte sich zu den für die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags maßgeblichen Umständen in einem Schreiben vom 14.02.2010, wobei er insbesondere geltend machte, er habe sich seit längerem auf einer Liste von Mitarbeitern befunden, die betriebsbedingt hätten gekündigt werden sollen. Zur Abwendung einer entsprechenden Kündigung, bei der nur die "gesetzliche Abfindungssumme" gezahlt worden wäre, habe er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 83 f. Bezug genommen.
Die Beklagte erteilte in der Folgezeit unter dem 16.02.2010 einen Änderungsbescheid (Gerichtsakte – im Folgenden: GA – Bl. 30 ff.), mit dem sie das Bemessungsentgelt und damit den Leistungsbetrag ab dem 05.01.2010, also dem Beginn der Leistungsgewährung, auf 49,32 Euro täglich erhöhte. Dabei waren die Zahlungen wiederum als Vorschuss ausgewiesen. Als Anspruchsdauer war nunmehr eine "ursprüngliche Anspruchsdauer" von 360 Tagen und eine "Anspruchsdauer ab Änderungsdatum" von 270 Tagen sowie (weiterhin) ein Leistungsbeginn am 05.01.2010 und ein Leistungsende am 03.10.2010 ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 05.03.2010 Widerspruch (LA Bl. 88) ein und rügte die Länge des festgesetzten Bezugszeitraums vom 05.01.2010 bis zum 03.10.2010; dies entspreche einer Anspruchsdauer von nur neun Monaten, während er tatsächlich einen Anspruch mit einer Dauer von zwölf Monaten habe.
Die Beklagte erließ sodann am 16.03.2010 den streitigen Bescheid (LA Bl. 85 f.), mit dem sie den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe vom 01.04.2009 bis 23.06.2009 und die Minderung der Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs um 90 Tage feststellte. Ergänzend bewilligte sie mit Bescheid vom 17.03.2010 (LA Bl. 95 ff.) endgültig Arbeitslosengeld in unveränderter Höhe für 270 Tage ab dem 05.01.2010.
Gegen diese Bescheide legte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 15.04.2010 Widerspruch (LA Bl. 98 f.) ein, den er mit Schriftsatz vom 27.07.2010 (LA Bl. 103 f.) ergänzend begründen ließ. Eine Sperrzeit sei nicht eingetreten, da er, hätte er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet, zum gleichen Zeitpunkt gekündigt worden wäre. Auch habe er die Arbeitslosigkeit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, da ihm bereits seit längerem – unter anderem durch eine bereits im Januar 2008 angebotene Aufhebungsvereinbarung – zu verstehen gegeben worden sei, das Arbeitsverhältnis könne nicht fortgesetzt werden. Auch der Betriebsrat habe ihm eröffnet, dass das Arbeitsverhältnis in Kürze gekündigt werde und ihm den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung nahegelegt. Jedenfalls aber könne eine Anspruchsminderung nicht eintreten, da diese entfalle, wenn das Ereignis, das die Sperrzeit begründe, bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen länger als ein Jahr zurückliege. Das sei hier der Fall, da die Unterschrift des Klägers unter den Aufhebungsvertrag bereits am 04.12.2008 erfolgt sei, dieser aber bis 03.01.2010 nicht arbeitsfähig gewesen sei und Krankengeld bezogen habe. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, sei der Kläger zumindest auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln, als habe er den Antrag erst später gestellt, da die Beklagte ihn insoweit unzureichend beraten habe.
Die Beklagte wies unter dem 29.07.2010 (LA Bl. 105 ff.) zum einen den Widerspruch wegen der vorläufigen Festsetzung der Anspruchsdauer und zum anderen – mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom gleichen Tage (LA Bl. 109 ff.) – den Widerspruch wegen der Sperrzeit als unbegründet zurück.
Das wegen der vorläufigen Festsetzung daraufhin eingeleitete Klageverfahren (S 1 AL 420/10) endete durch (fiktive) Klagerücknahme (§ 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG) am 17.04.2011.
Im hiesigen Verfahren hat der Kläger am 03.09.2010 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren, nicht zuletzt zum Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Hinweis darauf erhalten, dass es Sinn machen könne, den Antrag auf Arbeitslosengeld noch nicht gleich zu Beginn des Jahres 2010 zu stellen. Insoweit habe auch eine Spontanberatungspflicht der Beklagten bestanden. Im Übrigen sei der Bewilligungsbescheid im Hinblick auf die durch den vorangegangenen Bescheid vom 16.02.2010 bewilligte Anspruchsdauer bereits formell rechtswidrig.
Er beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 15.04.2010 und Abänderung des Leistungsbescheides vom 16.04.2010, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010, zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld für die Dauer von 360 Tagen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihre Bescheide.
Die Kammer hat zur Aufklärung des Sachverhalts eine Auskunft der D. AG eingeholt, die mit Schreiben vom 22.08.2011 (GA Bl. 65) darauf hingewiesen hat, maßgeblich für den Aufhebungsvertrag sei eine Verlagerung von Tätigkeiten an nicht-deutsche Standorte gewesen. Hiervor sei auch der Kläger betroffen gewesen. In diesem Rahmen sei ein Interessenausgleich geschlossen worden; Beendigungskündigungen seien jedoch explizit möglich gewesen. Eine Aussage, ob und zu welchem Zeitpunkt dem Kläger betriebsbedingt gekündigt worden wäre, sei nicht möglich. Durch freiwillige Instrumente wie den Abschluss von Aufhebungsverträgen habe von der harten Maßnahme betriebsbedingter Beendigungskündigungen abgesehen werden können.
Weiter hat die Kammer den Zeugen E. gehört, der im Dezember 2008 den Kläger als Mitarbeiter der Beklagten beraten hatte; insoweit wie auch zur persönlichen Anhörung des Klägers wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.04.2012 (GA Bl. 122 ff.) verwiesen. Weiter hat die Kammer Erklärungen der Mitarbeiter der Beklagten, Herrn B. und Frau E. eingeholt; insoweit wird auf Bl. 131 f. GA Bezug genommen.
Schließlich hat die Beklagte einen Ausdruck der zum Kläger gefertigten Beratungsvermerke übersandt; auf Bl. 93 ff. und 117 ff. GA wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zum Kläger geführten Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne (erneute) mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem beide Beteiligte ihr Einverständnis hierzu mitgeteilt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist insgesamt zulässig und (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. In der Tat ist – wie von der Beklagten angenommen – eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe eingetreten, allerdings war ihre Dauer wegen einer andernfalls entstehenden besonderen Härte auf sechs Wochen zu verkürzen. Der Sperrzeitbescheid verletzt den Kläger dementsprechend (nur) insoweit in seinen Rechten, als die Beklagte darin eine über die Dauer von sechs Wochen hinausgehende Sperrzeit und eine Leistungsminderung von mehr als 42 Tagen verfügt hat; die Beklagte war in der Konsequenz unter entsprechender Abänderung des Leistungsbescheides zur Gewährung von Arbeitslosengeld im Umfang von weiteren 58 Tagen, insgesamt also von 318 Tagen, zu verurteilen. Im Übrigen konnte die Klage dagegen keinen Erfolg haben.
I. Gegenstand des Verfahrens sind der Sperrzeitbescheid vom 16.03.2010 und der unter Berücksichtigung der Sperrzeit erteilte Leistungsbescheid über die (endgültige) Bewilligung von Arbeitslosengeld vom folgenden Tag. Beide bilden eine rechtliche Einheit (vgl. für viele BSG, 05.08.1999 – B 7 AL 14/99 R). Das gilt auch im vorliegenden Fall, obwohl der Kläger während der Dauer der Sperrzeit und des damit verbundenen Ruhens des Anspruchs (wegen der auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit, soweit ersichtlich, fehlenden Verfügbarkeit, der aus diesem Grunde noch ausstehenden Arbeitslosmeldung und des Bezugs von Krankengeld) ohnehin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte und einen solchen im hiesigen Verfahren gar nicht geltend macht. Der Leistungsbescheid hängt aber insoweit untrennbar mit dem Sperrzeitbescheid zusammen, als die Beklagte wegen der mit der Sperrzeit verbundenen Minderung Arbeitslosengeld nur für 270 Tage bewilligt hat (vgl. möglicherweise anders allerdings LSG NRW, 16.11.2011 – L 9 AL 82/11). Insoweit liegt hier nicht nur ein "isolierter" Sperrzeitbescheid vor, der leistungsrechtlich (zunächst) gänzlich ohne konkrete Folgen geblieben wäre; der Sperrzeitbescheid hatte vielmehr – hinsichtlich der Dauer des Anspruchs – unmittelbare Auswirkungen auf die in engem zeitlichen Zusammenhang bewilligte Leistung. Die Kammer geht dabei nicht davon aus, dass es sich bei der entsprechenden Entscheidung im Leistungsbescheid um eine bloße wiederholende Verfügung ohne eigenständig regelnden Charakter handelt, da der Leistungsbescheid den Inhalt des Anspruchs auf Arbeitslosengeld umfassend – und damit auch hinsichtlich der Leistungsdauer – regelt, ohne dass insoweit für den Empfänger in irgendeiner Weise eine Differenzierung erkennbar wäre (vgl. hierzu BSG, 05.06.1997 – 7 RAr 22/96, wo die Frage offengelassen wird).
Daher ist davon auszugehen, dass sowohl der Widerspruchsbescheid vom 29.07.2010 sich auf beide Bescheide bezieht, obwohl er den Leistungsbescheid nicht ausdrücklich erwähnt, als auch die Klage beide Bescheide erfasst. Auch wenn der (anwaltlich beratene) Kläger im Schriftsatz vom 18.04.2011 einen allein auf den Sperrzeitbescheid und dessen Aufhebung zielenden Antrag formuliert hat, ist aus der Begründung ein auf die Gewährung eines Anspruchs von 360 Tagen zielendes Rechtsschutzbegehren hinreichend klar zu entnehmen. Streitgegenständlich sind damit der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit, die damit verbundene Minderung der Anspruchsdauer und die vor diesem Hintergrund auf 270 Tage beschränkte Bewilligung von Arbeitslosengeld.
Die Bescheide vom 02.02.2010 und vom 16.02.2010, mit denen die Beklagte während der noch andauernden Ermittlungen zum Eintritt einer Sperrzeit Leistungen als Vorschuss bewilligt hatte, sind dagegen nicht Gegenstand des Verfahrens. Dabei ist im hiesigen Zusammenhang noch nicht zu entscheiden, ob der bloß vorläufige Charakter der Bewilligung auch hinsichtlich der Anspruchsdauer und deren Beschränkung auf (vorläufig) 270 Tage in den Bescheiden vom 02.02.2010 (und 16.02.2010) hinreichend klar zum Ausdruck kam oder ob der Kläger unter Verweis auf diese Bescheide verlangen kann, dass ihm Arbeitslosengeld für 360 Tage gewährt wird.
Wollte man – anders als die Kammer (dazu noch unten) – die Auffassung vertreten, die Beklagte habe mit den genannten Bescheiden Arbeitslosengeld für 360 Tage (bindend) bewilligt, wären die Bescheide insoweit für den Kläger ausschließlich begünstigend. Geht man dagegen – wie die Kammer – davon aus, dass die Bescheide insgesamt nur vorläufig waren, haben sie sich mit Erteilung des Bescheides über die endgültige Leistungsgewährung erledigt (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X] – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz). Da die Bescheide nicht streitgegenständlich sind, kann offenbleiben, ob eine entsprechend Ausgestaltung rechtmäßig sein kann (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 02.05.2012 – B 11 AL 23/10 R) und welche Auswirkungen der Beendigung des Verfahrens S 1 AL 420/10 durch (fiktive) Klagerücknahme andernfalls beizumessen wäre. Jedenfalls sind die Bescheide nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens.
II. Die Klage ist insgesamt zulässig. Insbesondere ist sie als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) statthaft, da eine Leistungsbewilligung für die vom Kläger geltend gemachten 360 Tage noch nicht (oder jedenfalls nicht mit hinreichender Eindeutigkeit) vorliegt. Allein mit einer gegen den Sperrzeitbescheid gerichteten Anfechtungsklage konnte der Kläger sein Rechtsschutzziel daher nicht erreichen (anders wiederum LSG NRW, 16.11.2011 – L 9 AL 82/11).
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht erhoben. Das von den Klägerbevollmächtigten vorgelegte Exemplar des Widerspruchsbescheides trägt einen Eingangsstempel der Kanzlei vom 03.08.2010. Der Widerspruchsbescheid stammt zwar bereits vom 29.07.2010. Da er jedoch keinen Absendevermerk trägt, fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für die Zugangsvermutung nach drei Tagen aus § 37 Abs. 2 SGB X. Die am 03.09.2010 eingegangene Klage ist damit ohne Weiteres als rechtzeitig, also innerhalb der Monatsfrist nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG) eingegangen, anzusehen.
III. Die Klage ist (jedoch nur) teilweise begründet. Die Feststellung einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist als solche nicht zu beanstanden; allerdings war die Dauer der verhängten Sperrzeit zur Vermeidung einer besonderen Härte auf sechs Wochen zu reduzieren. Die Minderung der Anspruchsdauer war entsprechend zu verkürzen.
1. Die Beklagte hat die Feststellung einer Sperrzeit zu Recht auf § 144 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 SGB III gestützt, der hier wegen der Zeitraumbezogenheit seiner Geltung in Bezug auf das zu beurteilende Geschehen noch in seiner bis 31.03.2012 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) anzuwenden ist; inhaltlich besteht die entsprechende Regelung ohnehin unverändert, heute in § 159 SGB III, fort.
2. Der Sperrzeitbescheid ist zunächst formell rechtmäßig. Dabei kann offenbleiben, ob es einer Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X bedurft hätte, weil die Feststellung der Sperrzeit und die damit verbundene Anspruchsminderung in eine durch die Bescheide vom 02.02.2010 und 16.02.2010 geschaffene Rechtsposition eingreifen könnten. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, wäre ein entsprechender Anhörungsmangel jedenfalls geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X): Durch den Erlass des Ausgangsbescheides, der alle aus Sicht der Beklagten für die Festsetzung der Sperrzeit und deren leistungsrechtlicher Folgen maßgeblichen Umstände enthielt, hatte der Kläger die Möglichkeit, sich im Widerspruchsverfahren umfassend und sachgerecht zu äußern – und hat diese durch die Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.04.2010 und 27.07.2010 auch genutzt.
3. Die Feststellung einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist als solche auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 SGB III a.F. liegen vor. Danach tritt eine Sperrzeit ein, wenn ein Arbeitnehmer, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben, das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.
a) Der Kläger hat zunächst durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages sein Beschäftigungsverhältnis gelöst; dieses hat nach Auffassung der Kammer insbesondere noch nicht durch den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit geendet (vgl. zur vergleichbaren Problematik des Eintritts einer Sperrzeit wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während einer Elternzeit: LSG NRW, 16.11.2011 – L 9 AL 82/11).
Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Letzteres bestand bis zu dessen durch den Aufhebungsvertrag bewirkter Lösung, also bis zum 31.03.2009, fort. Eine vorherige (unwiderrufliche) Freistellung ist nicht ersichtlich; der Aufhebungsvertrag sieht vielmehr unter § 1 Abs. 2 ausdrücklich die beiderseitige Erfüllung des Arbeitsvertrags zwischen Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags und der Beendigung des Anstellungsverhältnisses vor.
Auch die Erkrankung des Klägers führte nach Auffassung der Kammer nicht zu einer Beendigung des Beschäftigungs- vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. zu einer ähnlichen Problematik in Bezug auf die Elternzeit: LSG NRW, 16.11.2011 – L 9 AL 82/11). Das wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger erkennbar (dauerhaft) nicht mehr dienstbereit gewesen wäre (oder die Arbeitgeberin diese dauerhaft nicht mehr hätte in Anspruch nehmen wollen), was bei einer bloßen Arbeitsunfähigkeit während des fortdauernden Krankengeldbezugs regelmäßig nicht der Fall sein wird (vgl. nochmals Karmanski, in: Brand, SGB III, § 159 Rn. 5).
Eine Beschäftigung setzt insofern zwar den Vollzug eines entsprechenden Rechtsverhältnisses voraus, wie etwa des im Gesetz exemplarisch genannten Arbeitsverhältnisses. Ein derartiger "Vollzug" besteht zwar idealtypisch in der realen Erbringung der "versprochenen Dienste" im Sinne von § 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Indessen kann die tatsächliche Arbeitsleistung, insbesondere wenn das Arbeitsverhältnis bereits in der Vergangenheit tatsächlich vollzogen wurde, durch andere Umstände ersetzt werden (vgl. BSG, 24.09.2008 – B 12 KR 22/07 R, das sich allerdings auf das beitragsrechtliche Beschäftigungsverhältnis bezieht, das gerade im Arbeitsförderungsrecht nach der Rspr. des BSG [vgl. etwa BSG, 28.09.1993 – 11 RAr 69/92] nicht immer mit dem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis übereinstimmt). Damit steht es der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses jedenfalls nicht schon grundsätzlich entgegen, dass der Kläger während seiner Arbeitsunfähigkeit ab 05.11.2008 tatsächlich seine Arbeitsleistung nicht mehr erbracht hat.
Die tatsächliche Arbeitsleistung ist nämlich für die Annahme eines fortdauernden Beschäftigungsverhältnisses zwar stets hinreichend, keinesfalls aber immer notwendig. Im Sinne der ausreichenden Gewährleistung öffentlich-rechtlichen Versicherungsschutzes liegt vielmehr ein ausreichender Vollzug auf die Erbringung abhängiger Arbeit gerichteter Rechtsverhältnisse u.a. auch dann vor, wenn der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes, hier also des bis 31.03.2009 fortbestehenden Arbeitsverhältnisses, aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner – damit jeweils als grundsätzlich weiterbestehend vorausgesetzten – Leistungspflicht befreit wird (BSG, 24.09.2008 B 12 KR 22/07 R); das gilt nach Auffassung der Kammer jedenfalls dann, wenn es sich um einen prinzipiell vorübergehenden Zustand handelt und das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht suspendiert ist (vgl. der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Gesamtwürdigung auch BSG, 28.09.1993 – 11 RAr 69/92). Ein solches auf die Erbringung abhängiger Arbeit gerichtetes Rechtsverhältnis liegt damit grundsätzlich auch während einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit vor (vgl. so bspw. auch Seewald, in: Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV Rn. 44); ob eine abweichende Bewertung notwendig ist – wofür viel spricht –, wenn der Betroffene aus dem Bezug von Krankengeld ausgesteuert, aber weiterhin dauerhaft arbeitsunfähig ist und sich vor diesem Hintergrund arbeitslos meldet – und damit zu erkennen gibt, dass er sich dem Weisungsrecht aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis nicht unterordnet –, kann offenbleiben, weil ein derartiger Fall hier nicht vorliegt.
Dieses Ergebnis, nämlich dass ein Beschäftigungsverhältnis auch während einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit fortbesteht und deshalb die Feststellung einer Sperrzeit nicht von vornherein ausgeschlossen ist, entspricht auch dem Zweck der Sperrzeitregelung. Dieser besteht darin, die Gemeinschaft der Beitragszahler vor einer Abwälzung des Risikos der Arbeitslosigkeit in der Weise zu schützen, dass dem Arbeitslosen ein Teil der finanziellen Lasten aufgebürdet wird, die durch ein sperrzeitrelevantes Verhalten verursacht werden (vgl. für viele Coseriu, in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 Rn. 1). Da ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer jedenfalls regelmäßig nicht allein wegen einer Erkrankung gekündigt werden darf und damit kündigungsrechtlich unverändert vor dem Risiko der Arbeitslosigkeit geschützt ist, würde es dem Zweck der Sperrzeitregelung zuwiderlaufen, wenn ein etwaiges versicherungswidriges Verhalten während dieser Zeit von vornherein keine Sperrzeit nach sich ziehen könnte, weil es am Beschäftigungsverhältnis fehlte (vgl. hierzu nochmals die Überlegungen des LSG NRW, 16.11.2011 – L 9 AL 82/11).
b) Hat der Arbeitnehmer an der Lösung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt, kommt es nicht darauf an, von wem die Initiative zur Lösung ausging oder in wessen Interesse diese (primär) lag (vgl. Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 159 SGB III Rn. 54 – zur gleichlautenden Vorschrift in der heutigen Fassung des SGB III). Ebenso wenig ist ein fiktives Geschehen, also die Frage, ob die Arbeitgeberin andernfalls versucht hätte, das Arbeitsverhältnis einseitig durch Kündigung zu beenden, von Bedeutung, wenn tatsächlich eine Mitwirkung des Arbeitnehmers vorliegt (vgl. BSG, 25.04.2002 – B 11 AL 65/01 R – und nochmals Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 159 SGB III Rn. 54).
c) Der Kläger hat weiter den anschließenden Eintritt der Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt. Hierfür ist – allgemein wie im konkreten Fall des Klägers – ausreichend, dass er zum Zeitpunkt der Mitwirkung an der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses keine konkrete Aussicht auf ein nahtlos beginnendes Anschlussarbeitsverhältnis hatte. Dagegen führt der Umstand, dass das Vorgehen des Klägers durchaus nachvollziehbar erscheint, nicht dazu, dass die grobe Fahrlässigkeit entfallen würde, da sie sich allein auf den absehbaren Eintritt von Arbeitslosigkeit bezieht. Insbesondere ändert der Personalabbau bei der Arbeitgeberin, die damit im Raume stehende anderweitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Einbeziehung des Betriebsrates nichts daran, dass für den Kläger unschwer abzusehen war, dass er durch den Aufhebungsvertrag arbeitslos werden würde. Nach Auffassung der Kammer führt schließlich auch die zwischenzeitliche Arbeitsunfähigkeit nicht zu einer anderen Bewertung, da dennoch für den Kläger leicht absehbar war, dass er durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags seine Arbeitslosigkeit (wenn auch wegen der Arbeitsunfähigkeit zu einem etwas späteren Zeitpunkt) herbeiführen würde.
d) Schließlich liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 144 Abs. 1 S. 1 SGB III a.F., der den Eintritt einer Sperrzeit hindern würde, nicht vor.
Ein wichtiger Grund kann sich in Sachverhaltskonstellationen wie der hiesigen insbesondere daraus ergeben, dass die Arbeitgeberin konkret eine rechtmäßig betriebsbedingte Kündigung zum gleichen Zeitpunkt (oder früher) in Aussicht gestellt hat (vgl. für viele nochmals BSG, 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R – BSGE 92, 74). Davon kann die Kammer sich nicht überzeugen.
Es ist bereits nicht erkennbar, dass eine Kündigung (zum gleichen Zeitpunkt) tatsächlich gedroht hätte, dass die D. AG also tatsächlich eine Kündigung ausgesprochen hätte, wenn der Kläger sich nicht auf die gewählte Lösung eingelassen hätte. Der Personalabbau bei der D. AG ist nämlich nach deren Mitteilung an das Gericht vom 22.08.2011 vollständig ohne Ausspruch betriebsbedingter Kündigung erfolgt (vgl. das Antwortschreiben der Fa. D. auf die Anfrage des Gerichts, GA Bl. 65). Es ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, dass die Fa. D. hiervon gerade im Fall des Klägers abgewichen wäre.
Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob eine Kündigung zum gleichen Zeitpunkt überhaupt noch (rechtmäßig) hätte erfolgen können, konkret welche Kündigungsfrist für den Kläger maßgeblich war. Ganz erhebliche Zweifel hieran müssen allerdings bestehen, nachdem der Kläger den Aufhebungsvertrag erst am 04.12.2008 gezeichnet hat und nach seinen eigenen Angaben eine Kündigungsfrist von vier Monaten bestand. Eine rechtmäßige Kündigung – einschließlich des notwendigen Vorlaufs mit einer Betriebsratsanhörung zum konkreten Kündigungsvorhaben – wäre daher zum gleichen Zeitpunkt wohl nicht denkbar gewesen.
Auch sonst ist ein wichtiger Grund nicht ersichtlich.
Die in Aussicht gestellte und (in dieser Form und Höhe voraussichtlich nur) durch den Aufhebungsvertrag realisierbare Abfindung kann zwar ein Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, sein, genügt alleine aber nach Auffassung der Kammer nicht (vgl. auch BSG, 17.11.2005 – B 11a/11 AL 69/04 R – BSGE 95, 232).
Ein möglicher Irrtum des Klägers hinsichtlich des Eintritts einer Sperrzeit und insbesondere zum Vorliegen eines wichtigen Grundes im Hinblick auf den Personalabbau bei seiner Arbeitgeberin stellt selbst keinen wichtigen Grund dar. Ein solcher muss vielmehr regelmäßig objektiv vorliegen (BSG, 13.03.1997 – 11 RAr 25/96 – SozR 3-4100 § 119 Nr. 11), was hier, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall ist. Eine Ausnahme könnte nur dann gelten, wenn der Kläger sich gezielt vor Abschluss des Aufhebungsvertrags bei einer hierfür kompetenten Stelle – in aller Regel bei der Beklagten selbst – nach den sperrzeitrechtlichen Auswirkungen des von ihm beabsichtigten Vorgehens erkundigt hätte und ihm von dort ausdrücklich und unmissverständlich bestätigt worden wäre, dass eine Sperrzeit nicht drohe. Davon kann sich die Kammer nicht überzeugen: Eine Prüfung durch die Beklagte vor Abschluss des Aufhebungsvertrags ist nicht belegt; die erste Vorsprache des Klägers bei der Beklagten ist vielmehr – nach Terminvereinbarung am 15.12.2008 – für den 17.12.2008 dokumentiert. Zu diesem Zeitpunkt war der Aufhebungsvertrag aber bereits geschlossen. Auch wenn der Zeuge E. also, wie vom Kläger vorgetragen und angesichts der Beratungsvermerke und dessen eigener Aussage naheliegend, die Einschätzung abgegeben haben dürfte, eine Sperrzeit werde nicht eintreten, konnte dies keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung des Klägers haben, der die Aufhebungsvereinbarung bereits unter dem 04.12.2008 gezeichnet hatte.
e) Allerdings liegt in der Feststellung einer Sperrzeit mit der regulären Dauer von zwölf Wochen nach Auffassung der Kammer eine besondere Härte. Die Dauer der Sperrzeit ist daher auf sechs Wochen zu verkürzen (§ 144 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB III a.F.).
Eine besondere Härte im Sinne der genannten Vorschrift liegt vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Regeldauer von zwölf Wochen im Hinblick auf die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (BSG, Urt. v. 04.09.2011 – B 7 AL 4/01 R – SozR 3-4100 § 119 Nr. 22).
Davon ist hier unter Berücksichtigung alle Umstände des einzelnen Falles auszugehen. Von Bedeutung ist insoweit für die Kammer insbesondere, dass das Ausscheiden des Klägers Teil eines umfassenden Personalabbaus bei der Fa. D. AG war. Von daher ist davon auszugehen, dass – wenn es dem Kläger gelungen wäre, seine eigene Kündigung abzuwenden – ein anderer Arbeitnehmer hätte ausscheiden müssen, weil die Arbeitgeberin kaum ihre Personalabbauziele aufgegeben hätte. Auch wenn das Sperrzeitrecht in erster Linie bei dem individuellen Beschäftigungsverhältnis ansetzt, ist dieser Zusammenhang nach Auffassung der Kammer jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der besonderen Härte zu berücksichtigen.
Hinzu kommt, dass der Kläger glaubhaft mitgeteilt hat, schon zum zweiten Mal dem Ansinnen ausgesetzt gewesen zu sein, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, und auch der Betriebsrat ihm zum Ausscheiden geraten habe. Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass der Kläger es für aussichtslos gehalten hat, sein Arbeitsverhältnis dauerhaft zu erhalten, und sich daher zu dessen einvernehmlicher Beendigung gegen (höhere) Abfindung bereiterklärt hat.
Auch die Zusatzvereinbarung zum Aufhebungsvertrag, die seine Teilnahme an einer sogenannten outplacement-Maßnahme bis zur Vermittlung in eine neue Tätigkeit vorsah, zeigt, auch wenn die frühere Arbeitgeberin die Kosten hierfür aufzubringen hatte, dass sich der Kläger nicht einfach achtlos über die Interessen der Versichertengemeinschaft hinweggesetzt hat.
Nach allem lag zwar ein wichtiger Grund für die Mitwirkung am Ausscheiden nicht vor; der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit aber würde eine besondere Härte bedeuten.
f) Die Beklagte hat den Beginn der Sperrzeit dabei zutreffend mit dem 01.04.2008, also dem Tag nach dem Ende des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses (hierzu § 144 Abs. 2 S. 1 SGB III a.F.), angenommen.
Das sperrzeitbegründende Ereignis im Sinne von § 144 Abs. 2 S. 1 SGB III a.F. ist dabei entgegen der Auffassung des Klägers nicht bereits der Abschluss des Aufhebungsvertrags. Da die Herbeiführung von Arbeits- bzw. von Beschäftigungslosigkeit nämlich mit zum Tatbestand des § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III a.F. gehört, beginnt die Sperrzeit erst am Tag nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses, regelmäßig also mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. für viele Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 159 SGB III Rn. 342 und Karmanski, in: Brand, SGB III, § 159 Rn. 145). Eine vorherige (unwiderrufliche) Freistellung ist, wie bereits ausgeführt, nicht ersichtlich. Auch die Erkrankung des Klägers führte, wie oben ebenfalls bereits dargelegt, nach Auffassung der Kammer nicht zu einer Beendigung des Beschäftigungs- vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses.
Die Sperrzeit begann daher am 01.04.2009 und lief kalendermäßig ab. Ohne Bedeutung ist hierfür, dass der Kläger – mangels Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und Erhalt von Krankengeld – während der Dauer der Sperrzeit ohnehin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte (vgl. für viele Karmanski, in: Brand, SGB III, § 159 Rn. 143 und 145).
Die Beklagte hat somit im Ergebnis den Eintritt einer Sperrzeit ab 01.04.2009 dem Grunde nach zu Recht festgestellt, hätte dies aber nur im Umfang von sechs Wochen tun dürfen. Der Sperrzeitbescheid war daher (nur) teilweise aufzuheben.
4. Die Minderung der Anspruchsdauer folgt aus § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III a.F. Allerdings reduziert sie sich wegen der Begrenzung der Sperrzeit auf sechs Wochen auf 42 Tage. Der Sperrzeitbescheid war auch insoweit teilweise aufzuheben; darüber hinaus war die Beklagte unter Abänderung des Leistungsbescheides zur Gewährung von Arbeitslosengeld für weitere 48 Tage, also für insgesamt 318 Tage, zu verurteilen, nachdem das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach (§ 117 ff. SGB III a.F., also Arbeitslosigkeit, Anwartschaftszeiterfüllung und Arbeitslosmeldung) auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt wurde und die Kammer auch sonst keinen Anlass für Zweifel hieran hat.
Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf einen weitergehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld; dieser ergibt sich aus der Regelung des § 128 Abs. 2 S. 2 SGB III a.F. weder unmittelbar noch unter Einbeziehung des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs noch schließlich aus dem Bescheid vom 02.02.2010 (oder dem vom 16.02.2010).
a) Die Regelung des § 128 Abs. 2 S. 2 SGB III a.F. ist zunächst nicht unmittelbar anwendbar. Danach entfällt eine Anspruchsminderung wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, wenn das sperrzeitbegründende Ereignis bei Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld länger als ein Jahr zurückliegt.
Sperrzeitbegründendes Ereignis war, wie bereits ausgeführt, hier (erst) das Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 31.03.2009. Nachdem der Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und damit der Verfügbarkeit für die Vermittlung und der Arbeitslosmeldung am 05.01.2010 entstanden ist, kann die Vorschrift zunächst nicht unmittelbar eingreifen.
b) Der Kläger kann aber auch unter Berücksichtigung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht verlangen, so gestellt zu werden, als habe er sich erst ein Jahr nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen, also erst am 01.04.2011, arbeitslos gemeldet, so dass die Minderung der Anspruchsdauer auf der Grundlage von § 128 Abs. 2 S. 2 SGB III a.F. entfiele.
Zwar spricht zumindest sehr viel dafür, dass das richterrechtlich auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Sachverhaltskonstellationen wie der hiesigen anwendbar ist. Die insoweit notwendigen tatsächlichen Voraussetzungen lassen sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen.
Ein sogenannter Herstellungsanspruch besteht, wenn ein Versicherungsträger gegenüber einem Versicherten Pflichten aus einem Sozialrechtsverhältnis, insbesondere die zur Aufklärung und Beratung, verletzt und ihm dadurch sozialrechtlich einen Schaden zugefügt hat, den der Versicherungsträger durch eine gesetzlich zulässige Amtshandlung ausgleichen kann, die den Zustand herstellt, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (vgl. nur BSG, 23.06.1983 – 5a RKN 18/81 – unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung).
Im hiesigen Fall erscheint dabei zunächst das Vorliegen eines Beratungsfehlers, konkret die Verletzung einer Spontanberatungspflicht (zu deren Voraussetzungen vgl. etwa BSG, 05.08.1999 – B 7 AL 38/98 R) anlässlich der Arbeitslosmeldung am 05.01.2010, alles andere als fernliegend; dies gilt namentlich vor dem Hintergrund der zuvor vom Zeugen E. – wenn auch nach dessen Bewertung unverbindlich – geäußerten (unzutreffenden) Einschätzung, eine Sperrzeit werde nicht eintreten; nachdem diese in den Beratungsvermerken dokumentiert, also bei der Arbeitslosmeldung im Januar 2010 nachvollziehbar war, hätte dies voraussichtlich Anlass für eine umso eingehendere Beratung des Klägers sein können und müssen.
Letztlich kann das offenbleiben: Die Kammer konnte sich nämlich jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit davon überzeugen, dass der (wahrscheinliche) Beratungsfehler kausal für die Antragstellung und Arbeitslosmeldung schon am 05.01.2010 statt erst am 01.04.2010 geworden ist, der Kläger diese also verschoben hätte, wenn ihm diese Möglichkeit und die sich daraus auf der Grundlage von § 128 Abs. 2 S. 2 SGB III a.F. ergebenden Folgen bekannt gewesen wären.
Hiergegen spricht zunächst der – trotz der finanziellen Reserven aus der Abfindung – doch nicht unerhebliche Zeitraum zwischen dem 05.01.2010, also dem Tag der tatsächlichen Arbeitslosmeldung, und dem 01.04.2010, also dem Tag, zu dem der Kläger erstmals hätte Arbeitslosengeld beziehen können, wenn er die Minderung vermeiden wollte. Hinzu kommt, dass es aus Sicht der Klägers zumindest als unsicher erscheinen musste, ob eine derartige Verschiebung wirtschaftlich sinnvoll sein würde: Zum einen hätte ein Erfolg im hiesigen Verfahren zur Folge gehabt, dass eine Anspruchskürzung unterblieben wäre, auch ohne dass der Kläger die Entstehung des Anspruchs hätte hinauszögern müssen. Zum anderen und vor allem hätte der Kläger durch eine derartige Verschiebung Leistungen für drei Monate u.U. schlicht verloren, nämlich dann, wenn er vor Anspruchserschöpfung wieder Arbeit gefunden und (wenn überhaupt) erst dann wieder arbeitslos geworden wäre, wenn der hier streitige Anspruch auch unter Berücksichtigung von § 127 Abs. 4 SGB III a.F. keine Bedeutung mehr hätte haben können.
Hinzu kommt, dass der Kläger Versuche einer Verschiebung nicht zeitnah, nachdem er sich im Zusammenhang mit der Bescheiderteilung vom 16.02.2010 anwaltlich hatte beraten lassen, unternommen hat und auch in der mündlichen Verhandlung sich (nur) dahin geäußert hat, er hätte den Antrag "wahrscheinlich" verschoben, wenn er gewusst hätte, dass er dadurch die Minderung hätte vermeiden können.
Ein entsprechendes Vorgehen mag nach allem durchaus als wahrscheinlich angesehen werden; die sichere Überzeugung, dass der Kläger sich entsprechend verhalten hätte, vermag sich die Kammer jedoch nicht zu verschaffen. Da die materielle Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beim Kläger liegt, ist er im Ergebnis nicht so zu stellen, wie er bei einer Anspruchsentstehung erst am 01.04.2010 gestanden hätte.
c) Der Bescheid vom 02.02.2010 (wie auch der vom 16.02.2010) schließlich kann einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für 360 Tage nicht tragen.
Zwar weist der Bescheid eine Anspruchsdauer von 360 Tagen bei einem Anspruchsbeginn am 05.01.2010 aus. Dies führt aber nicht dazu, dass der Kläger geltend machen kann, die Beklagte habe im streitigen Bescheid vom 17.03.2010 nicht jedenfalls nicht ohne teilweise Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2010 – nur eine Anspruchsdauer von 270 Tagen (bzw. richtig von 318 Tagen) festsetzen dürfen.
Dabei kann im Ergebnis sogar offenbleiben, ob dem Bescheid vom 02.02.2010 selbst hinreichend klar zu entnehmen war, dass die Beklagte Arbeitslosengeld nur für (vorläufig) 270 Tage bewilligen wollte. Dafür spricht immerhin, dass der in der nächsten Zeile dargestellte Anspruchszeitraum vom 05.01.2010 bis 03.10.2010 dauern sollte und dies in erkennbarem Widerspruch zu einem Leistungszeitraum von 360 Tagen steht. Zusammen mit den Ausführungen auf Blatt 3 des Bescheides, dass der Anspruch (vorläufig) um 90 Tage gemindert werde und den auch für den Kläger zum damaligen Zeitpunkt erkennbar andauernden Ermittlungen zum Eintritt einer Sperrzeit dürfte damit auch aus dem Empfängerhorizont ersichtlich gewesen sein, dass die Beklagte nicht (abschließend) einen Anspruch für 360 Tage bewilligen wollte.
Das kann letztlich aber sogar auf sich beruhen: Jedenfalls handelte es sich bei dem Bescheid vom 02.02.2010 (und ebenso bei dem vom 16.02.2010, der zudem genauer gefasst ist) um einen Vorschussbescheid. Die Beklagte hatte hinreichend deutlich und auch für den Kläger ersichtlich nur eine vorläufige Entscheidung treffen wollen; so ist gleich durch den mittels Fettdruck hervorgehobenen Einleitungssatz betont, dass über den Anspruch vorläufig entschieden werde. Unmittelbar nach den Leistungsdaten heißt es weiter, der Kläger erhalte die Zahlungen als Vorschuss und sei verpflichtet, diese umgehend zurückzahlen, sollte er nach der endgültigen Entscheidung einen geringeren Anspruch haben. Schließlich wird aus den Ausführungen auf Bl. 3 des Bescheides deutlich, dass über die Dauer des Anspruchs und eine mögliche Minderung nur eine vorläufige Regelung getroffen werden sollte. Der (insgesamt) vorläufige Charakter der Bewilligung ist damit hinreichend deutlich.
Ein derartiger Bescheid erledigt sich durch die endgültige Entscheidung ohne Weiteres. Dabei besteht keine Bindung an einzelne Bescheidelemente, wenn – wie hier – auch für den Empfänger deutlich ist, dass der Bescheid insgesamt nur vorläufig ist (vgl. für viele etwa BSG, 01.07.2010 – B 11 AL 19/09 R). Auf die Rechtmäßigkeit einer nur vorläufigen Bewilligung kommt es dabei regelmäßig nicht an; eine Grundlage dafür, dass schützenswertes Vertrauen auf den Bescheidinhalt entstehen könnte, fehlt.
Die Bewilligung eines Leistungsanspruchs mit einer Dauer von (nur) 270 bzw. – richtig – 318 Tagen setzte daher nicht voraus, dass zuvor der Bescheid vom 02.02.2010 (und der vom 16.02.2010) auf der Grundlage von §§ 45 ff. SGB X aufgehoben wird. Dieser erledigte sich vielmehr mit der endgültigen Bewilligung von Gesetzes wegen; eine Bindung der Beklagte an die (eben nur vorläufige) Bewilligung eines Anspruchs mit einer Dauer von 360 Tagen (wenn man dem Bescheid vom 02.02.2010 trotz der geschilderten Bedenken einen derartigen Inhalt entnehmen wollte) bestand daher im Ergebnis nicht.
Soweit die Klage auf eine über 318 Tage hinausreichende Verurteilung der Beklagten zielte, war sie daher abzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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