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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/120

Ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten auch bei Ur­laubs­ab­gel­tung

Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch ver­fällt, wenn Aus­schluss­fris­ten nicht be­ach­tet wer­den: Ar­beits­ge­richt Ober­hau­sen, Ur­teil vom 16.12.2009, 1 Ca 2212/09
Urlaub am Meer, Palme, Luftmatratze, Sonnenhut und Badestrand An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung: Vor­sicht - Frist­ab­lauf
23.06.2010. Nach der grund­le­gen­den Recht­spre­chungs­än­de­rung im Ur­laubs­recht in­fol­ge der Schultz-Hoff-Ent­schei­dun­gen des EuGH und des BAG ver­fällt der Ur­laubs­an­spruch und da­mit auch der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch nicht mehr da­durch, dass der Ur­laub auf­grund ei­ner lan­gen Er­kran­kung nicht ge­währt wer­den konn­te.

Jetzt hat das Ar­beits­ge­richt (ArbG) Ober­hau­sen ent­schie­den, dass der An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung je­doch Aus­schluss­fris­ten un­ter­fällt und des­halb ver­fällt, wenn er nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht wird: ArbG Ober­hau­sen, Ur­teil vom 16.12.2009, 1 Ca 2212/09.

Ur­laubs­ab­gel­tung nach der Schultz-Hoff-Ent­schei­dung

Seit der be­kann­ten Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs (EuGH) in der Rechts­sa­che Schultz-Hoff ist geklärt, dass der jähr­li­che Min­des­t­ur­laubs­an­spruch von vier Wo­chen be­ste­hen bleibt, wenn der Ur­laub we­gen lan­ger Er­kran­kung nicht ge­nom­men wer­den kann und da­her bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­zu­gel­ten ist.

§ 7 Abs.3 Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG) be­stimmt seit­her zwar im­mer noch, dass der Ur­laub im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den muss so­wie dass ei­ne Über­tra­gung bis En­de März des Fol­ge­jah­res nur aus­nahms­wei­se möglich ist. Die An­wen­dung des Pa­ra­gra­fen hat sich je­doch grund­le­gend geändert. Ent­ge­gen der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) ver­lie­ren er­krank­te Ar­beit­neh­mer ih­ren Vor­jah­res­ur­laub nun nicht mehr.

Ef­fek­tiv können da­mit bei mehrjähri­gen Krank­hei­ten beträcht­li­che Ur­laubs­ansprüche auf­lau­fen, die sich mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses in ei­nen Zah­lungs­an­spruch um­wan­deln, der oh­ne Wei­te­res ein hal­bes Jah­res­ge­halt oder mehr aus­ma­chen kann.

Vor die­sem Hin­ter­grund liegt die Fra­ge na­he, wel­che Gren­zen die­sen Ansprüchen ge­setzt sind. In Be­tracht kom­men hier ins­be­son­de­re die im Ar­beits­recht weit ver­brei­te­ten Aus­schluss­fris­ten. Die­se be­stim­men ei­ne Frist, in­ner­halb de­rer Ansprüche aus dem je­wei­li­gen Ar­beits­verhält­nis in ei­ner vor­ge­ge­be­nen Form gel­tend ge­macht wer­den müssen. Nach Frist­ab­lauf en­det die recht­li­che Exis­tenz der nicht gel­tend ge­mach­ten Ansprüche, d.h. sie erlöschen un­wie­der­bring­lich.

Das Ar­beits­ge­richt (ArbG) Ober­hau­sen hat­te in ei­nem kürz­lich veröffent­lich­ten Ur­teil darüber zu ent­schei­den, ob sol­che Fris­ten auch für den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses gel­ten (ArbG Ober­hau­sen, Ur­teil vom 16.12.2009, 1 Ca 2212/09).

Der Fall des Ar­beits­ge­richts Ober­hau­sen: Ur­laubs­ab­gel­tung mehr als ein Jahr nach Ren­ten­be­ginn nach langjähri­ger Ar­beits­unfähig­keit für drei Jah­re ver­langt. Es gibt ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten von drei Mo­na­ten

Die Par­tei­en strit­ten um Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche in Höhe von knapp 2.200,00 EUR. Die Kläge­rin war seit 1997 un­un­ter­bro­chen ar­beits­unfähig er­krankt und be­zog während der letz­ten Jah­re ei­ne Ren­te we­gen Er­werbs­unfähig­keit. Das Ar­beits­verhält­nis hat­te über all die Jah­re be­stan­den und war erst zum 31.03.2008 be­en­det wor­den. Erst Mit­te 2009 mach­te die Kläge­rin Ur­laubs­ab­gel­tung für die Jah­re 2006 bis 2008 gel­tend.

Nach dem an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trag soll­ten Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche ver­fal­len, so­fern sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses schrift­lich gel­tend ge­macht würden. Hier­auf be­rief sich die Be­klag­te. Die Kläge­rin ging hin­ge­gen da­von aus, dass die Re­ge­lung gemäß der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BAG un­wirk­sam ist.

Ar­beits­ge­richt Ober­hau­sen: Ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten gel­ten für Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch

Das Ar­beits­ge­richt wies die Kla­ge ab.

In sei­ner Be­gründung ver­weist das Ge­richt zunächst auf die bis­he­ri­ge - vor Schultz-Hoff er­gan­ge­ne - Recht­spre­chung. Da­nach wur­de der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch als "we­sens­glei­cher" Er­satz für den mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter­ge­gan­ge­nen Ur­laubs­an­spruch ge­se­hen. Dem­ent­spre­chend stand auch der Ab­gel­tungs­an­spruch un­ter dem Schutz des § 13 BUrlG, der Ab­wei­chun­gen vom BUrlG grundsätz­lich ver­bie­tet, wenn die­se zu Las­ten des Ar­beit­neh­mers ge­hen. Aus­schluss­fris­ten spiel­ten da­her bis­lang nur ei­ne sehr un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le.

Doch nach der Ent­schei­dung des EuGH ist der Ab­gel­tungs­an­spruch kein mit dem Ur­laubs­an­spruch "we­sens­glei­cher" An­spruch, son­dern ein ganz nor­ma­ler Zah­lungs­an­spruch. Folg­lich un­terfällt er oh­ne Wei­te­res den für al­le Zah­lungs­ansprüche gel­ten­den Ein­schränkun­gen, ins­be­son­de­re al­so ver­ein­bar­ten Aus­schluss­fris­ten. Auch die dem BUrlG zu­grun­de lie­gen­den Richt­li­ni­en ver­bie­ten dies nach Auf­fas­sung des ArbG Ober­hau­sen nicht. Die­se sol­len nur ver­hin­dern, dass Ar­beit­neh­mer ih­re Ur­laubs­ansprüche oh­ne ei­ge­ne Ein­flussmöglich­keit ver­lie­ren.

Ob die­se Ent­schei­dung Be­stand ha­ben wird, bleibt ab­zu­war­ten. Die Be­ru­fung ge­gen das Ur­teil des ArbG ist der­zeit beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf un­ter dem Ak­ten­zei­chen 10 Sa 203/10 anhängig. Zu­dem hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm in ei­ner ak­tu­el­len EuGH-Vor­la­ge (Be­schluss vom 15.04.2010, 16 Sa 1176/09) in ei­nem ähn­lich ge­la­ger­ten Fall die Aus­schluss­frist nicht grei­fen las­sen. Im Er­geb­nis ist es da­her bis zu ei­ner endgülti­gen Ent­schei­dung durch das BAG bzw. den EuGH emp­feh­lens­wert, dass Be­trof­fe­ne ih­re Ab­gel­tungs­ansprüche in­ner­halb der je­wei­li­gen Aus­schluss­frist form­ge­recht gel­tend ma­chen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d. h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf in dem hier be­spro­che­nen Fall ent­schie­den. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 4. Juni 2019

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