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Können krankheitsbedingt angesammelte Urlaubsansprüche verfallen?
28.07.2010. Anfang letzten Jahres entschied der Europäische Gerichtshof über die Frage, ob Urlaub verfällt, der wegen langjähriger Erkrankung nicht genommen werden kann. Er entschied pro Urlaub und contra Verfall, so dass eine jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geändert werden musste. Die Auswirkungen auf das deutsche Urlaubsrecht sind enorm. Nahezu jede längst geklärt geglaubte Frage zum Verfall und zur Abgeltung von Urlaub muss überdacht werden. Nach und nach gelangen eine Vielzahl von praxisrelevanten Fragen vor die Gerichte.
Ein aktueller Brennpunkt betrifft die Frage, ob es für die jahrelang angesammelten Urlaubsansprüche eine zeitliche Begrenzung oder Verfallsmöglichkeit gibt. Das Landesarbeitsgericht Köln hat sich hierzu in seinem Urteil vom 18.05.2010 geäußert (12 Sa 38/10).
- In Sachen Urlaub und Urlaubsabgeltung gegen Fristen und Verfall
- Der Fall: Arbeitnehmer sammelt wegen Erkrankung Urlaub über mehrere Jahre
- LAG Köln: Angesammelter Urlaub verfällt kraft Gesetzes zusammen mit dem Jahresurlaub
In Sachen Urlaub und Urlaubsabgeltung gegen Fristen und Verfall
Nach § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer einen Mindestanspruch auf 24 Werktage Urlaub im Jahr, was bei der üblichen fünftägigen Arbeitswoche 20 Arbeitstagen entspricht. Gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Die Übertragung nicht genommenen Urlaubs auf das nächste Jahr ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Auch dann muss gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres genommen werden.
Diese gesetzliche Konzeption hatte nach ständiger Rechtsprechung seit den 80er Jahren zur Folge, dass der Jahresurlaub eines Arbeitnehmers, der seinen Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte, endgültig verfiel, wenn er auch im nächsten Jahr während der ersten drei Monate weiterhin arbeitsunfähig krank war. Das Gleiche galt entsprechend für die Abgeltung von Urlaubsansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Denn nach ständiger Rechtsprechung kam eine Abgeltung des Urlaubs nur in Betracht, wenn bei einer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaub noch nicht verfallen gewesen wären.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied jedoch im Januar 2009 (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 und C-520/06 - Schultz-Hoff gg. Deutsche Rentenversicherung Bund), dass der ersatzlose Verfall von Urlaubsansprüchen als Verstoß gegen die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) europarechtswidrig ist, wenn der Arbeitnehmer (insbesondere aus Krankheitsgründen) keine Möglichkeit hat, den Mindesturlaub zu nehmen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 09/023 Bei dauerhafter Krankheit kein Verfall von Resturlaubsansprüchen).
Bereits im März 2009 setzte das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des EuGH ins nationale Recht um: Es gab seine bisherige Rechtsprechung auf und entschied, dass eine Arbeitnehmerin, die wegen dauerhafter Erkrankung in den Jahren 2005 und 2006 keinen Urlaub nehmen konnte und deren Arbeitsverhältnis nach einer Kündigung schließlich zum 31.01.2007 endete, einen Abgeltungsanspruch für den gesamten nicht genommenen Urlaub hat (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 09/057 Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH).
Seither fürchten Arbeitgeber die jahrelang angesammelten Urlaubsansprüche, deren Abgeltung leicht in die zehntausende Euro gehen kann, und suchen nach Wegen, die Anhäufung von Urlaubsansprüchen auf europarechtskonforme Weise zu begrenzen.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm legte beispielsweise – etwas verkürzt gesprochen – dem EuGH die Frage vor, ob er das wirklich ernst meine (LAG Hamm, Beschluss vom 15.04.2010, 16 Sa 1176/09) und regt sinngemäß eine zeitliche Begrenzung von 18 Monaten an. Die Antwort steht noch aus.
Eine andere Möglichkeit bieten Verfallsklauseln, insbesondere Ausschlussfristen. Dabei handelt es sich um Regelungen, z.B. in Tarifverträgen, nach denen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich geltend gemacht werden. Vor Schultz-Hoff waren sie laut BAG weder auf den Urlaubs- noch auf den Abgeltungsanspruch anzuwenden. Inzwischen haben einige Gerichte entschieden, dass sie den Abgeltungsanspruch erfassen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/120 Tarifliche Ausschlussfristen auch bei Urlaubsabgeltung).
Ein Fall, der eine dritte Möglichkeit betraff, entschied kürzlich das LAG Köln (Urteil vom 18.05.2010, 12 Sa 38/10).
Der Fall: Arbeitnehmer sammelt wegen Erkrankung Urlaub über mehrere Jahre
Die Parteien stritten darüber, ob dem Arbeitnehmer noch Urlaubsansprüche für die Jahre 2005-2007 zustanden. Im Tarifvertrag war eine Verfallsklausel enthalten. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer war von Januar 2005 bis Juni 2008 krank, seitdem arbeitete er wieder. Im Jahr 2008 wurden ihm 30 Urlaubstage gewährt.
Am 22.04.2009, also mehr als ein halbes Jahr nachdem er wieder genesen war, machte er Urlaubsansprüche in Höhe von 120 Tagen für die Jahre 2005-2007 geltend. Der Arbeitgeber verweigerte den Urlaub und berief sich auf die Verfallsklausel im Tarifvertrag.
Die Klage des Arbeitnehmers war vor dem Arbeitsgericht erfolglos. Er ging daher in Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Köln.
LAG Köln: Angesammelter Urlaub verfällt kraft Gesetzes zusammen mit dem Jahresurlaub
Das LAG Köln wies die Berufung des Arbeitnehmers zurück (Urteil vom 18.05.2010, 12 Sa 38/10).
Dem Arbeitnehmer stand nach Auffassung des Gerichts kein Urlaub für die Jahre 2005 bis 2007 zu, da dieser bereits kraft Gesetzes zum 31.12.2008 ersatzlos verfallen sei.
Das Gericht meint, dass der Arbeitnehmer seinen gesamten Urlaub, also auch den in den Jahren der Krankheit angesammelten Urlaub, noch vor Ende des Jahres 2008 hätte nehmen können, weil er bereits im Juni 2008 wieder gesund war.
Deshalb werde der angesammelte Urlaub ebenfalls von § 7 Abs.3 BUrlG, jedenfalls in entsprechender Anwendung, erfasst. Dessen Wortlaut schließt zwar nur eine Übertragung des Urlaubs des jeweiligen Urlaubsjahres aus. Dies ist laut LAG Köln aber dem ursprünglichen Gesetzeskonzept geschuldet, dass die Übertragung von Urlaub von einem Jahr auf das andere nur in seltenen Ausnahmefällen vorsah.
Der übertragene Urlaub sei ebenso wie der aktuelle Urlaub ein Mindesturlaub im Sinne von § 3 Abs.1 BUrlG. Deshalb läge eine Gleichbehandlung nahe, so das Gericht. Der EuGH hat insoweit zwar entschieden, dass Urlaub, der unverschuldet wegen Krankheit nicht genommen werden kann, nicht verfallen darf. Er hat aber zugleich ausdrücklich betont, dass nationale Regelungen vorsehen dürfen, dass Urlaub grundsätzlich verfallen kann.
Nach Auffassung des LAG hätte die tarifliche Ausschlussfrist hingegen selbst nicht zum Verfall des Urlaubs geführt. Sie stelle eine nach § 13 BUrlG verbotene Abweichung von § 7 Abs. 3 BUrlG dar, der den Verfall des Urlaubsanspruches abschließend regelt. Diese Aussage ist streng genommen nicht entscheidungserheblich. Sie enthält aber eine willkommene Klarstellung der Rechtsauffassung des LAG Köln.
Die zugelassene Revision wurde eingelegt unter dem Aktenzeichen 9 AZR 425/10.
Bis die neu aufgetretenen Rechtsfragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefestigt geklärt sind, kann man guten Gewissens von einer "Goldgräberstimmung" sprechen. Gut informierte bzw. beratene Arbeitnehmer erinnern sich an längst verloren geglaubte Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche und versuchen diese vor dem Hintergrund der sich im Fluss befindlichen Rechtsprechung geltend zu machen. Die Erfolgsaussichten solcher Prozesse sind - bis in die letzte Instanz hinein - offen, eingeklagte Ansprüche damit eine gute Grundlage für vergleichsweise Einigungen. Jedenfalls ist auch in den nächsten Jahren für weiteren Diskussionsstoff gesorgt.
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 18.05.2010 12 Sa 38/10
- Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 15.04.2010, 16 Sa 1176/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Ausschlussfristen
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 11/157 Urlaub und Krankheit: Resturlaub für Krankheitszeiten ist nach Genesung zu nehmen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/059 Verfall von Resturlaub bei tariflicher Ausschlussfrist
- Arbeitsrecht aktuell: 11/042 Verfall des Anspruchs auf Urlaubsgeld nach Renteneintritt
- Arbeitsrecht aktuell: 10/120 Tarifliche Ausschlussfristen auch bei Urlaubsabgeltung
- Arbeitsrecht aktuell: 09/057 Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH
- Arbeitsrecht aktuell: 09/023 Bei dauerhafter Krankheit kein Verfall von Resturlaubsansprüchen
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Bundesarbeitsgericht über den Fall entschieden. Information zu dem Urteil des BAG finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.08.2011, 9 AZR 425/10
- Arbeitsrecht aktuell: 11/157 Urlaub und Krankheit: Resturlaub für Krankheitszeiten ist nach Genesung zu nehmen
Letzte Überarbeitung: 4. Juni 2019
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