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Keine Kündigung wegen „Verpfeifens“ des Arbeitgebers
Erstatten sie Anzeige bei den zuständigen Behörden, laufen sie Gefahr, eine außerordentliche Kündigung zu erhalten. Diese unangenehme Lage wird noch dadurch verschärft, dass der Arbeitnehmer ja meistens gar nicht weiß, ob bestimmte „verdächtige“ Ereignisse beim Arbeitgeber nun (kriminelle) Rechtsverstöße sind oder nicht.
Die Arbeitsgerichte verlangen vom Arbeitnehmer in solchen Fällen, aus Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber zunächst alle verfügbaren innerbetrieblichen Lösungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Das bedeutet letztlich, vom Arbeitnehmer zu verlangen, er solle im Betrieb "unangenehm auffallen".
Dass die Polizei hier - anders als ein Rechtsanwalt - der falsche Ansprechpartner sein kann, zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes (LAG) München: LAG München, Urteil vom 01.04.2010, 4 Sa 391/09.
- Darf ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber ungestraft anzeigen?
- Der Fall: Lokomotivführer klagt befreundetem Polizisten sein Leid
- Landesarbeitsgericht München: Lokführer wollte sich nur aussprechen, nicht den Arbeitgeber anzeigen
Darf ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber ungestraft anzeigen?
Manchmal haben Arbeitnehmer Anhaltspunkte für die Annahme, ihr Arbeitgeber oder leitende Angestellte würden Straftaten oder andere gravierende Rechtsverstöße begehen. Dann steht die Frage im Raum, wie man sich verhalten soll, insbesondere, ob eine Strafanzeige und/oder ein Hinweis gegenüber einer zuständigen Aufsichtsbehörde ratsam ist.
Entscheidet sich der Arbeitnehmer zu einem solchen Schritt, gefährdet er immer - zumindest faktisch - den Bestand seines Arbeitsverhältnisses. Denn die typische Reaktion des Arbeitgebers besteht in einem solchen Fall in einer verhaltensbedingten ordentlichen oder sogar in einer außerordentlichen Kündigung des „Maulwurfs“. Begründet wird die Kündigung dann meist damit, dass die gegen den Arbeitgeber erhobenen und zum Gegenstand einer Anzeige gemachten Vorwürfe „völlig aus der Luft gegriffen“ seien, so dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber grundlos (und möglicherweise aus Rachegelüsten aufgrund völlig anderer Vorfälle) angeschwärzt habe.
Nun ist nicht jede vom Arbeitgeber ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung wirksam, doch ist die Rechtslage für den Arbeitnehmer in einer solchen Situation aufgrund der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung unsicher. Der Arbeitnehmer ist nämlich gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dazu verpflichtet, auf die Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Daher kann eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber je nach den Umständen des Einzelfalls eine berechtigte Kündigung zur Folge haben.
Konkret verlangt das Bundesarbeitsgericht (BAG) von einem Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber einer Straftat oder eines anderen erheblichen Rechtsverstoßes verdächtigt, dass er vor einer Anzeige zunächst alle „innerbetrieblichen Abhilfemöglichkeiten“ ausschöpft.
Eine Ausnahme gilt nur bei schweren Straftaten, die möglicherweise vom Arbeitgeber persönlich verübt wurden, oder wenn aus anderen Gründen je nach den Umständen des Einzelfalls nicht zu erwarten ist, dass „innerbetriebliche Abhilfemöglichkeiten“ greifen. Umgehende Strafanzeigen werden auch für zulässig angesehen, wenn sich der Arbeitnehmer selbst im Falle weiterer Untätigkeit strafbar machen würde. In jedem Fall hat der anzeigewillige Arbeitnehmer darauf zu achten, dass er nicht „leichtfertig“ unwahre Behauptungen mit der Folge behördlicher Ermittlung gegen den Arbeitgeber aufstellen darf.
Obwohl diese Grundsätze, von denen sich die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung leiten lässt, im Allgemeinen nachvollziehbar sind, führt ihre Anwendung im Einzelfall immer wieder zu rechtlichen Unsicherheiten. Oft stellt sich nämlich im Nachhinein, d.h. als Ergebnis der behördlichen Ermittlungen, heraus, dass sich der vom Arbeitnehmer gehegte Verdacht nicht beweisen lässt.
Für den Arbeitgeber ist dann klar, dass der Arbeitnehmer ihn „leichtfertig“ oder gar wider besseres Wissen angeschwärzt hat. Immerhin sprechen die objektiven Tatsachen zunächst gegen den Arbeitnehmer, so dass er ein erhebliches Risiko trägt, dass ein mit der Arbeitgeberkündigung befasstes Gericht auch zu dem Ergebnis kommt, eine Anzeige sei nach Lage der Dinge unzulässig gewesen und der Arbeitgeber daher aufgrund der Anzeige zur Kündigung berechtigt.
Diese für den Arbeitnehmer mit einer Anzeige verbundenen Risiken macht ein vor kurzem vom Landesarbeitsgericht (LAG) München entschiedener Fall deutlich (Urteil vom 01.04.2010, 4 Sa 391/09).
Der Fall: Lokomotivführer klagt befreundetem Polizisten sein Leid
Der klagende Arbeitnehmer war als Lokomotivführer bei einem privaten Bahnunternehmen in Oberbayern tätig. Der Arbeitgeber hatte dem Lokomotivführer bereits mehrere Abmahnungen wegen zu schnellen Fahrens erteilt, so das Arbeitsverhältnis nicht störungsfrei war.
Im Sommer 2005 teilte der Lokführer einem ihm als Nachbarn bekannten Polizeibeamten mit, dass bei den von seinem Arbeitgeber eingesetzten Zügen die Bremsen nicht richtig funktionierten. Bei dieser Mitteilung bat der Lokführer um Vertraulichkeit.
In diesem Zusammenhang äußerte er auch, dass es bei seinem Arbeitgeber auffallend oft zu Bränden komme. Ein Zug mit Bremsproblemen, die dem Arbeitgeber bekannt gewesen seien, sei trotzdem noch eingesetzt und prompt in einen Unfall mit tödlichen Folgen verwickelt worden. Hätten die Bremsen funktioniert, so der Lokführer, hätte der Unfall verhindert werden können.
Der Polizist leitete die vom Lokführer erhobenen Anschuldigungen weiter. Daraufhin ermittelte das Eisenbahnbundesamt gegen den Arbeitgeber - und dieser wiederum kündigte dem Lokomotivführer außerordentlich fristlos.
Die Kündigung griff der Lokomotivführer vor das Arbeitsgericht München mit einer Kündigungsschutzklage an - und verlor. Denn das Arbeitsgericht bewertete die gegen den Arbeitgeber erhobenen Anschuldigungen als abwegig (Urteil vom 25.02.2009, 2b Ca 7565/08 H).
Landesarbeitsgericht München: Lokführer wollte sich nur aussprechen, nicht den Arbeitgeber anzeigen
In der Berufungsinstanz vor dem LAG München hatte der Lokführer dagegen Erfolg. Das LAG sah die Kündigung als unwirksam an.
Auch das LAG hielt die streitigen Anschuldigungen zwar für im Wesentlichen unbegründet oder jedenfalls für überzogen und warf dem Lokführer Dramatisierungen vor. Auch deutete das Gericht an, dass er sich vor Einbeziehung der Polizei intensiver um eine innerbetriebliche Aufklärung seiner Sicherheitsbedenken hätte bemühen können. Andererseits aber konnte das LAG auch die Sichtweise des Arbeitgebers nicht nachvollziehen, dass die Informationsweitergabe ein wissentliches „Anschwärzen“ gewesen sei.
Zu diesem vom Arbeitgeber erhobenen Vorwurf vernahm das LAG den Polizeibeamten als Zeugen, um die Umstände der Anzeigenerstattung aufzuklären. Bei der Zeugenbefragung stellte sich heraus, dass der Lokführer um Vertraulichkeit seiner Angaben gebeten hatte und es ihm in erster Linie darum gegangen war, seine Sorgen, die er sich wegen möglicher Sicherheitsmängel machte, mit einem aus seiner Sicht fachkundigen Ansprechpartner zu besprechen. Letztlich wollte er seine Sorgen loswerden. In diesem Verhalten des Lokführers sah das LAG aber im Ergebnis keinen ausreichenden Grund für eine fristlose Kündigung.
Fazit: Der Entscheidung des LAG München ist vom Ergebnis und in der Begründung zuzustimmen, vor allem auch wegen der Gründlichkeit, mit der das Gericht die Umstände der Anzeigenerstattung aufgeklärt hat.
Anderseits verdeutlicht das Urteil die Rechtsunsicherheit, in der sich Arbeitnehmer befinden, wenn sie innerbetriebliche Missstände den Behörden anvertrauen. Denn ob eine solche Informationsweitergabe „leichtfertig“ war oder nicht, weiß man oft erst im Nachhinein, d.h. nach der behördlichen Befassung mit der Anzeige.
Nähere Informationen finden Sie hier:- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 01.04.2010, 4 Sa 391/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Whistleblowing, Anzeige gegen den Arbeitgeber
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Letzte Überarbeitung: 3. August 2019
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