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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/062

Hart­nä­cki­ge Ver­let­zung der An­zei­ge­pflicht kann au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung recht­fer­ti­gen.

Ar­beit­ge­ber müs­sen krank­heits­be­ding­te Ver­hin­de­run­gen und de­ren vor­aus­sicht­li­che Dau­er recht­zei­tig er­fah­ren, um Stell­ver­tre­tung or­ga­ni­sie­ren zu kön­nen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 09.02.2009, 5 Sa 926/08
Recht­zei­ti­ge Krank­mel­dun­gen sind ei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit

16.04.2009. Ver­letzt ein Ar­beit­neh­mer wie­der­holt und hart­nä­ckig die Pflicht, sei­nem Ar­beit­ge­ber ei­ne krank­heits­be­ding­te Ar­beits­un­fä­hig­keit an­zu­zei­gen, und hat der Ar­beit­ge­ber die­ses Fehl­ver­hal­ten mehr­fach ab­ge­mahnt, kann ei­ne sol­che Ver­let­zung der An­zei­ge­pflicht ei­ne au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung recht­fer­ti­gen.

Die Pflicht, den Ar­beit­ge­ber mög­lichst früh­zei­tig zu Be­ginn des ers­ten Krank­heits­ta­ges über die Krank­heit und ih­re vor­aus­sicht­li­che Dau­er zu in­for­mie­ren, ist zwar nur ei­ne eher un­wich­ti­ge Ne­ben­pflicht aus dem Ar­beits­ver­hält­nis. Trotz­dem muss der Ar­beit­ge­ber na­tür­lich mög­lichst früh wis­sen, wer krank­heits­be­dingt ab­we­send ist, um Er­satz­maß­nah­men tref­fen zu kön­nen.

Da­her kann der Ar­beit­ge­ber in letz­ter Kon­se­quenz auch ei­ne au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung aus­spre­chen. Das hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln in ei­nem ak­tu­el­len Fall ent­schie­den: LAG Köln, Ur­teil vom 09.02.2009, 5 Sa 926/08.

Kann der Ar­beit­ge­ber frist­los kündi­gen, weil sich der Ar­beit­neh­mer im­mer wie­der ver­spätet krank­mel­det?

Gemäß § 5 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz (EFZG) sind Ar­beit­neh­mer da­zu ver­pflich­tet, dem Ar­beit­ge­ber ei­ne krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit und de­ren vor­aus­sicht­li­che Dau­er un­verzüglich mit­zu­tei­len (An­zei­ge­pflicht).

Dau­ert die Ar­beits­unfähig­keit länger als drei Ka­len­der­ta­ge, hat der Ar­beit­neh­mer ei­ne ärzt­li­che Be­schei­ni­gung über das Be­ste­hen der Ar­beits­unfähig­keit so­wie de­ren vor­aus­sicht­li­che Dau­er spätes­tens am dar­auf fol­gen­den Ar­beits­tag vor­zu­le­gen (Nach­weis­pflicht).

Der Ar­beit­ge­ber ist be­rech­tigt, die Vor­la­ge früher zu ver­lan­gen. Dau­ert die Ar­beits­unfähig­keit länger als in der Be­schei­ni­gung an­ge­ge­ben, muss ei­ne neue Be­schei­ni­gung vor­ge­legt wer­den.

So klar die­ser Grundsätze sind, so oft wer­den sie im Ar­beits­all­tag miss­ach­tet. Da­bei können be­reits ver­ein­zel­te Vorfälle ei­ne Ab­mah­nung und wie­der­hol­te Verstöße so­gar ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen recht­fer­ti­gen.

Sch­ließlich kommt so­gar, spe­zi­ell bei unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mern, ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung in Be­tracht. Die Fra­ge ist im Ein­zel­fall, wel­che Re­ak­tio­nen des Ar­beit­ge­bers recht­lich zulässig sind, d.h. ob der Ar­beit­ge­ber ir­gend­wann ein­mal ei­nen Schluss­strich zie­hen darf - und wenn ja, in wel­cher Form.

Ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Köln hat sich mit die­sen Fra­gen beschäftigt (LAG Köln, Ur­teil vom 09.02.2009, 5 Sa 926/08).

Der Streit­fall: Al­ko­hol­kran­ker Jus­tiz­hel­fer miss­ach­tet trotz mehr­fa­cher Ab­mah­nun­gen im­mer wie­der die Pflicht zur pünkt­li­che Krank­mel­dung

Der als Jus­tiz­hel­fer beim be­klag­ten Land Nord­rhein-West­fa­len seit 1988 beschäftig­te, auf­grund ta­rif­ver­trag­li­cher Vor­schrif­ten or­dent­lich unkünd­ba­re Kläger fiel An­fang 2005 ne­ga­tiv auf: Am Mor­gen des 12.02.2005 rief er ge­gen 10:00 Uhr bei ei­ner Kol­le­gin an und teil­te mit, er ha­be ver­schla­fen. Es loh­ne sich nun nicht mehr, zum Dienst an­zu­tre­ten. Ei­ni­ge Ta­ge später leg­te er auch ei­ne bis zum 23.03.2005 aus­ge­stell­te Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung vor.

Nach­dem er sich nach Ab­lauf der be­schei­nig­ten Ar­beits­unfähig­keit nicht zur Ar­beit mel­de­te, er­hielt er An­fang April von dem be­klag­ten Land ei­ne ord­nungs­gemäße Ab­mah­nung. Da­nach be­fand sich der Kläger für ein Jahr in ei­ner The­ra­pie zur Be­hand­lung sei­ner Al­ko­hol­sucht, aus der er Mit­te April 2006 als ar­beitsfähig ent­las­sen wur­de. Zum Dienst er­schien er nicht und erklärte auf ent­spre­chen­de Nach­fra­ge An­fang Mai 2006, er fühle sich hier­zu nicht in der La­ge. Dar­auf­hin wur­de der Kläger Mit­te Mai 2006 er-neut ord­nungs­gemäß ab­ge­mahnt.

An­fang Ju­ni 2006 teil­te der Haus­arzt des Klägers dem be­klag­ten Land mit, es be­ste­he wei­ter­hin Ar­beits­unfähig­keit und es sei ei­ne wei­te­re The­ra­pie er­for­der­lich. Kur­ze Zeit später bat der Kläger hand­schrift­lich um Ausfüllung ei­ner Ar­beits­be­schei­ni­gung zwecks Kran­ken­geld­an­spruch so­wie um ei­ne Ko­pie sei­ner Lohn­steu­er­kar­te 2006 und ent­schul­dig­te sich für sein Ver­hal­ten.

Ei­ne wei­te­re The­ra­pie fand bis ein­sch­ließlich 25.01.2007 statt. Vor de­ren Ab­schluss teil­te der Kläger mit, er wer­de sei­nen Dienst im Rah­men ei­ner Wie­der­ein­glie­de­rung am 29.01.2007 wie­der auf­neh­men. Dies ge­schah al­ler­dings nicht. An­fang Fe­bru­ar 2007 mahn­te das be­klag­te Land den Kläger des­halb zum drit­ten Mal ab. Erst da­nach er­hielt es ei­ne Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung für die Zeit bis zum 23.02.2007.

An den dar­auf fol­gen­den Ar­beits­ta­gen, dem 26. und 27. Fe­bru­ar, er­schien der Kläger wie­der­um un­ent­schul­digt nicht zum Dienst.

Dar­auf­hin erklärte das be­klag­te Land nach Anhörung des Per­so­nal­rats die außer­or­dent­li­che Kündi­gung. Sie ging dem Kläger kurz dar­auf, fast auf den Tag ge­nau zwei Jah­re nach sei­ner ers­ten Ab­mah­nung, zu. Da sei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge in ers­ter In­stanz (ArbG Köln, Ur­teil vom 13.02.2008, 3 Ca 2444/07) er­folg­los blieb, leg­te er beim LAG Köln Be­ru­fung ein.

LAG Köln: Ar­beit­ge­ber müssen krank­heits­be­ding­te Ver­hin­de­run­gen und de­ren vor­aus­sicht­li­che Dau­er recht­zei­tig er­fah­ren, um Stell­ver­tre­tung or­ga­ni­sie­ren zu können

Das LAG Köln bestätig­te das Ur­teil der Vor­in­stanz in Be­gründung und Er­geb­nis (Ur­teil vom 09.02.2009, 5 Sa 926/08).

In sei­ner Be­gründung setzt sich das LAG zu-nächst mit der Fra­ge aus­ein­an­der, ob die wie­der­hol­te Ver­let­zung der An­zei­ge­pflicht ein "an sich" ge­eig­ne­ter Grund für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ist.

Das Ge­richt er­in­nert hier dar­an, dass ein Ar­beit­ge­ber ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an hat, recht­zei­tig die krank­heits­be­ding­te Ver­hin­de­rung und de­ren vor­aus­sicht­li­che Dau­er mit­ge­teilt zu be­kom­men, um Er­satz für den aus­ge­fal­le­nen Ar­beit­neh­mer ein­pla­nen zu können. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ha­be ent­schie­den (Ur­teil vom 15.01.1986, 7 AZR 128/83), dass selbst die ge­genüber der An­zei­ge­pflicht we­ni­ger wich­ti­ge Nach­weis­pflicht bei er­schwe­ren­den Umständen im Ein­zel­fall ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung recht­fer­ti­gen könne.

Das LAG zieht hier ei­nen Erst-Recht-Schluss: Wenn schon die Ver­let­zung der Nach­weis­pflicht für ei­ne Kündi­gung aus­rei­chen könne, dann müsse dies erst recht für ei­ne Ver­let­zung der - wich­ti­ge­ren - An­zei­ge­pflicht gel­ten.

Das Ver­hal­ten des Klägers sei im übri­gen trotz sei­ner Al­ko­ho­lerkran­kung schuld­haft, be­fand das LAG wei­ter. Er ha­be sei­ne ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten wahr­neh­men können. Dies zei­ge sei­ne auf Mit­te Ju­ni 2006 da­tie­ren­de Ent­schul­di­gung.

Bei der auf ei­ner zwei­ten Stu­fe der recht­li­chen Prüfung er­for­der­li­chen In­ter­es­sen­abwägung berück­sich­tig­te das LAG zwar zu­guns­ten des Klägers des­sen lan­ge Beschäfti­gungs­dau­er. Zu sei­nen Las­ten schlug aber zu Bu­che, dass er trotz mehr­fa­cher Ab­mah­nun­gen, d.h. in hartnäcki­ger Wei­se ge­gen sei­ne An­zei­ge­pflicht ver­s­toßen hat­te.

An die­ser Stel­le ver­nein­te das LAG Köln ei­ne Er­kun­di­gungs­pflicht des be­klag­ten Lan­des. Auch un­ter Be­ach­tung von Fürsor­ge­ge­sichts­punk­ten sei es ge­ra­de der Sinn der Pflicht aus § 5 Abs. 1 EFZG, dass der Ar­beit­neh­mer von sich aus sei­ne krank­heits­be­ding­te Ver­hin­de­rung mit­teilt.

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Letzte Überarbeitung: 13. März 2018

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