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ARBEITSRECHT AKTUELL // 08/076

Kei­ne Be­schrän­kung des ge­setz­li­chen Teil­zeit­an­spruchs durch frei­wil­li­ge Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen

Sieht ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung nur be­stimm­te Teil­zeit­mo­del­le vor, schließt das ab­wei­chen­de Teil­zeit­wün­sche des Ar­beit­neh­mers nicht aus: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 24.06.2008, 9 AZR 313/07
Wanduhr Auch aus­ge­feil­te be­trieb­li­che Teil­zeit­mo­del­le pas­sen nicht für je­den Ar­beit­neh­mer

16.07.2008. Der ge­setz­li­che An­spruch von Ar­beit­neh­mern auf Ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beits­zeit und auf ei­ne ih­ren Wün­schen ent­spre­chen­de Ver­tei­lung der ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit wird nur durch ent­ge­gen­ste­hen­de be­trieb­li­che Grün­de und durch die Ar­beits­zeit­wün­sche an­de­rer Ar­beit­neh­mer be­grenzt.

Ei­ne Ab­wei­chung vom Ge­setz zu­las­ten des Ar­beit­neh­mers durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung ist da­her nicht mög­lich (§ 22 Abs.1 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz - Tz­B­fG).

Da­her kann der Ar­beit­ge­ber ei­nen Teil­zeit­wun­sches nicht mit der Be­grün­dung ab­wei­sen, dass der Wunsch nicht den in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­nann­ten Teil­zeit­mo­del­len ent­spricht: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 24.06.2008, 9 AZR 313/07.

Müssen Ar­beit­neh­mer, die Teil­zeit ver­lan­gen, ih­re Wünsche zur Ar­beits­zeit­ver­tei­lung an be­ste­hen­de Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen an­pas­sen?

Gemäß § 8 Abs.1 und Abs.4 Satz 1 Tz­B­fG ha­ben Ar­beit­neh­mer in Be­trie­ben mit mehr als fünf­zehn Ar­beit­neh­mern nach ei­ner Beschäfti­gungs­zeit von mehr als sechs Mo­na­ten An­spruch auf Ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beits­zeit. Da­bei können sie auch be­stim­men, wie die ver­rin­ger­te Ar­beits­zeit ver­teilt wer­den soll.

Der An­spruch be­steht nicht, wenn be­trieb­li­che Gründe ent­ge­gen­ste­hen. Als Bei­spie­le für dar­ti­ge Gründe nennt das Ge­setz we­sent­li­che Be­ein­träch­ti­gun­gen der Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on, des Ar­beits­ab­laufs oder der be­trieb­li­chen Si­cher­heit, da­ne­ben aber auch un­verhält­nismäßige Kos­ten, falls die­se Nach­tei­le durch die vom Ar­beit­neh­mer gewünsch­te Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung ein­tre­ten würden (§ 8 Abs.4 Satz 2 Tz­B­fG).

Das Ge­setz lässt es im Rah­men ei­ner Öff­nungs­klau­sel zu, dass die Ab­leh­nungs­gründe in Ta­rif­verträgen fest­ge­legt wer­den (§ 8 Abs.4 Satz 3 Tz­B­fG). Für Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen gilt die­se Ermäch­ti­gung aber nicht.

Ob­wohl Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen so­mit die mögli­chen, dem Ar­beit­ge­ber zur Verfügung ste­hen­den Ab­leh­nungs­gründe nicht fest­le­gen können, ha­ben sie oft mit­tel­bar ei­nen Ein­fluss auf die Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers über Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rungswünsche, da der Ar­beit­ge­ber z.B. durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur La­ge und Dau­er der Ar­beits­zeit gemäß § 87 Abs.1 Nr.2 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) be­schränkt sein kann. Dann kann er ei­ner gewünsch­ten Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung nur un­ter Ver­s­toß ge­gen die Ar­beits­zeit­be­triebs­ver­ein­ba­rung zu­stim­men.

Mit Blick auf sol­che Fälle hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass sol­che die Ar­beits­zeit be­tref­fen­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen, die der Be­triebs­rat not­falls im We­ge der Ei­ni­gungs­stel­le er­zwin­gen könn­te, ei­nen be­trieb­li­chen Grund für die Ab­leh­nung des Teil­zeit­ver­lan­gens dar­stel­len können (BAG, Ur­teil vom 18.02.2003, 9 AZR 164/02).

Frag­lich ist, ob der Ar­beit­ge­ber auch ei­ne nicht er­zwing­ba­re, d.h. frei­wil­li­ge Be­triebs­ver­ein­ba­rung dem An­spruch ei­nes Ar­beit­neh­mers nach Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung ent­ge­gen­hal­ten kann. Da­ge­gen spricht § 22 Abs.1 Tz­B­fG, wo­nach im All­ge­mei­nen von den Vor­schrif­ten des Tz­B­fG nicht zu­un­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den kann.

In Be­zug auf Ta­rif­verträge hat­te das BAG be­reits klar­ge­stellt, dass der ge­setz­li­che An­spruch auf Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit und ih­re Ver­tei­lung gemäß § 22 Abs.1 Tz­B­fG zwin­gend ist und da­her auch die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bin­det (BAG, Ur­teil vom 18.03.2003, 9 AZR 126/02). Für (frei­wil­li­ge) Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen stand ei­ne sol­che Klar­stel­lung bis­lang aus. Zu die­sen Fra­gen hat das BAG mit Ur­teil vom 24.06.2008 (9 AZR 313/07) Stel­lung ge­nom­men.

Der Streit­falL: Pi­lot ver­langt von sei­nem Ar­beit­ge­ber Block­teil­zeit, d.h. Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit durch Frei­stel­lung von Mit­te De­zem­ber bis Mit­te Ja­nu­ar

Der Kläger ist als an­ge­stell­ter Flug­ka­pitän bei der be­klag­ten Ar­beit­ge­be­rin, ei­nem Luft­fahrt­un­ter­neh­men, beschäftigt. Die Be­klag­te und die bei ihr be­ste­hen­de Ge­samt­ver­tre­tung des flie­gen­den Per­so­nals schlos­sen En­de 2005 ei­ne gemäß § 117 Abs.2 Be­trVG frei­wil­li­ge Be­triebs­ver­ein­ba­rung über die Teil­zeit­beschäfti­gung für Flug­zeugführer, die „BV Teil­zeit“. Die BV Teil­zeit sah ein Mo­dell mo­nats­re­du­zier­ter Teil­zeit und ein Block­teil­zeit­mo­dell mit min­des­tens 30 zu­sam­menhängen­den frei­en Ta­gen vor, die je­weils aber nur auf ein Ka­len­der­jahr be­fris­tet an­ge­bo­ten wur­den.

Der aus der BV Teil­zeit fol­gen­de An­spruch auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung war da­her in Ab­wei­chung von § 8 Tz­B­fG zeit­lich be­fris­tet bzw. auf je­weils ein Jahr be­schränkt.

Eben­falls En­de 2005 be­an­trag­te der Kläger bei der Be­klag­ten ei­ne un­be­fris­te­te bzw. dau­er­haf­te Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung. Er woll­te ab 2006 sei­ne jähr­li­che Ar­beits­zeit im Um­fang von 30 Ta­gen dau­er­haft ver­rin­gern. Die freie Zeit soll­te da­bei nach sei­ner Vor­stel­lung in der Zeit vom 01.01. bis zum 15.01. und in der Zeit vom 17.12. bis 31.12. gewährt wer­den. Die Be­klag­te lehn­te die­sen Wunsch nach Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung un­ter Hin­weis auf die BV Teil­zeit ab, die ei­ne sol­che Form der Block­teil­zeit nicht vor­sah. Ei­ne Erörte­rung des Ver­rin­ge­rungs­wun­sches fand nicht statt.

Der Kläger zog dar­auf­hin vor das Ar­beits­ge­richt und klag­te auf Zu­stim­mung zu Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung und Ar­beits­zeit­ver­tei­lung. Er ob­sieg­te in ers­ter In­stanz vor dem ArbG Frank­furt (Ur­teil vom 05.04.2006, 20 Ca 9352/05) und auch in der Be­ru­fungs­in­stanz vor dem Hes­si­schen LAG (Ur­teil vom 05.02.2007, 17 Sa 1224/06).

BAG: Die gewünsch­te Ar­beits­zeit­ver­tei­lung ist in Ord­nung, da die be­ste­hen­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung als sol­che kei­nen Ab­leh­nungs­grund dar­stellt

Das BAG hat die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen, d.h. wie die Vor­in­stan­zen zu­guns­ten des kla­gen­den Flug­ka­pitäns ent­schie­den. Da­bei kommt das BAG zu dem Er­geb­nis, dass dem Be­geh­ren des Klägers kei­ne be­trieb­li­chen Gründe ent­ge­gen stünden.

So­weit aus der bis­her al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mit­tei­lung er­sicht­lich, schließt sich das BAG auch in der Be­gründung den Vor­in­stan­zen an. Die­se hat­ten die Re­ge­lun­gen der BV Teil­zeit nicht als ei­ne recht­lich be­acht­li­che, dem Teil­zeit­ver­lan­gen ent­ge­gen­ste­hen­de be­trieb­li­che Gründe im Sin­ne von § 8 Abs.4 Tz­B­fG an­er­kannt. Da­bei stützt sich das BAG auf fol­gen­de ein­fa­che Über­le­gung:

Von dem ge­setz­li­chen An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf Ver­rin­ge­rung sei­ner Ar­beits­zeit und auf ei­ne be­stimm­te Ver­tei­lung der ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit gemäß § 8 Abs.1 und 4 S.1 Tz­B­fG kann nicht zu Las­ten des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den. Dies er­gibt sich zwin­gend aus § 22 Abs.1 Tz­B­fG.

Möglich sind da­mit zwar Re­ge­lun­gen in Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen, die ne­ben dem ge­setz­li­chen An­spruch ei­nen zusätz­li­chen An­spruch auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung gewähren. Die­ser darf dann auch be­fris­tet sein. An­stel­le des ge­setz­li­chen An­spru­ches, d.h. als des­sen Er­satz, sind sol­che Re­ge­lun­gen je­doch eben­so­we­nig möglich wie ein kom­plet­ter Aus­schluss des ge­setz­li­chen An­spruchs.

Dem­zu­fol­ge hätte sich die be­klag­te Flug­ge­sell­schaft hier nur auf die ge­setz­li­chen Ab­leh­nungs­gründe stützen können. Sie hätte al­so z.B. ar­gu­men­tie­ren können, dass die von dem Pi­lo­ten gewünsch­te Frei­stel­lung von Mit­te De­zem­ber bis Mit­te Ja­nu­ar die Or­ga­ni­sa­ti­on, den Ar­beits­ab­lauf oder die Si­cher­heit im Be­trieb we­sent­lich be­ein­träch­tigt oder un­verhält­nismäßige Kos­ten ver­ur­sacht. Das hat­te die Flug­ge­sell­schaft nicht ge­tan.

Fa­zit: Da das Ge­setz nicht ver­langt, sich bei der Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung auf ei­ne be­stimm­te wöchent­li­che Ver­tei­lung der ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit zu be­schränken, können Ar­beit­neh­mer im Prin­zip auch je­de Form der Block­teil­zeit ver­lan­gen. Wenn der Ar­beit­ge­ber das nicht möch­te, muss er kon­kret ent­ge­gen­ste­hen­de Gründe nen­nen können.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 20. Dezember 2017

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