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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 17.01.2012, 17 Sa 252/11

   
Schlagworte: Verdachtskündigung, Kündigung: Verdachtskündigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 17 Sa 252/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.01.2012
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Solingen - 2 Ca 916/10 lev
   


17 Sa 252/11
2 Ca 916/10 lev
Ar­beits­ge­richt So­lin­gen  

Verkündet am 17. Ja­nu­ar 2012

Will­ms
Re­gie­rungs­beschäftig­te

als Ur­kunds­be­am­tin der

Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

des Herrn N. T., N. aue 30, N.,

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte Hütte­mann u.a., Franz-Kail-Straße 2, 51375 Le­ver­ku­sen,

g e g e n

B. Re­cy­ling und Lo­gis­tik GmbH & Co. KG, ge­setz­lich ver­tre­ten durch die B. Re­cy­cling und Lo­gis­tik Ver­wal­tungs­ge­sell­schaft mbH, die­se wie­der­um ver­tre­ten durch ih­ren Geschäftsführer I.-K. T., C. werth 1-3, F.,

- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte Kümmer­lein u.a., Mes­se­al­lee 2, 45131 Es­sen,

hat die 17. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 17.01.2012 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Jan­sen als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Weihs und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Holz

für R e c h t er­kannt:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts So­lin­gen vom 11.01.2011 – 2 Ca 916/10 lev – wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

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T A T B E S T A N D

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung, hilfs­wei­se frist­ge­rech­ten Kündi­gung mit ei­ner Aus­lauf­frist zum 31.12.2010 we­gen Un­ter­schla­gung bzw. des drin­gen­den Ver­dachts ei­ner Un­ter­schla­gung.

Der am 19.05.1972 ge­bo­re­ne ver­hei­ra­te­te und ei­nem Kind un­ter­halts­pflich­ti­ge Kläger ist seit dem 01.09.1997 bei der Be­klag­ten zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt von zu­letzt 3.239,70 € beschäftigt. Er war Wahl­be­wer­ber bei der im Mai 2010 durch­geführ­ten Be­triebs­rats­wahl.

Der Kläger wur­de am 02.03.1998 zum Kas­senführer er­nannt. Er wur­de als An­nah­me­kon­tol­leur/Sprin­ger so­wohl im Wert­stoff­zen­trum als auch in der sta­ti­onären mo­bi­len Schad­stoff­samm­lung ein­ge­setzt.

Bei der Be­klag­ten be­steht seit dem 01.02.1998 ei­ne Geschäfts­an­wei­sung über den Ver­fah­rens­ab­lauf und die Zuständig­keit bei der Kas­senführung.

In der An­wei­sung heißt es u.a.:

Zif­fer 4. „Vor­ge­hens­wei­se bei Hand­kas­sen und Zahl­stel­len“

1. Das Kas­sen­buch muss täglich geführt wer­den. Bei je­dem Zu- oder Ab­gang in­ner­halb der Kas­se muss ei­ne Ein­tra­gung ins Kas­sen­buch er-
fol­gen.

Zif­fer 4.1 „Kas­sen­be­le­ge“

Für je­den Geld­ein- und aus­gang der Kas­se ist durch den Kas­senführer ei­ne Quit­tung aus­zu­stel­len...“

Bei ei­nem Kas­sen­vor­gang wer­den Da­ten in den PC ein­ge­ge­ben und der Vor-druck „Wie­ge­be­leg“, der aus meh­re­ren Sei­ten be­steht, in den Dru­cker ge­legt. Das obers­te Blatt des Aus­drucks wird ab­ge­ris­sen, dem Kun­den aus­gehändigt und der Rest in ei­nem Ab­la­ge­fach ge­sam­melt. Der Wie­ge­be­leg enthält u.a. ei­ne fort­lau­fen­de Be­leg­num­mer, das Da­tum, den Na­men des ein­ge­logg­ten Ver­wie­gers und den Be­trag. Der Ver­wie­ger hat die An­wei­sung, das Kfz- Zei­chen des

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Fahr­zeu­ges, mit dem Ab­fall an­ge­lie­fert wird, hand­schrift­lich ein­zu­tra­gen. Al­le Zah­lungs­vorgänge, die in die Kas­se ein­ge­ge­ben wer­den, wer­den ar­chi­viert und bei ei­nem Aus­druck im Kas­sen­jour­nal chro­no­lo­gisch auf­geführt.

Am En­de des Ta­ges wird im Kas­sen­buch ein rech­ne­ri­scher Be­stand durch Aus­druck der Zah­lungs­vorgänge er­mit­telt, der mit der Men­ge des in­ner­halb der Kas­se be­find­li­chen Bar­be­stan­des ver­gli­chen wird. Ver­wie­gun­gen, die nicht zu ei­ner Bar­ein­nah­me führen, wer­den im Kas­sen­ab­schluss nicht aus­ge­druckt.

Bei der Be­klag­ten sind zwei Schich­ten (Früh– und Spätschicht) ein­ge­rich­tet. Bei dem Schicht­wech­sel er­folgt kein Kas­sen­ab­schlag.

Am 01.06.2010 war der Kläger mit den Mit­ar­bei­tern C. und L. nach dem Be­trieb­s­ta­ge­buch im Wert­stoff­zen­trum an der Kas­se für die Frühschicht von 8:00 Uhr bis 15:45 Uhr ein­ge­teilt. Der Mit­ar­bei­ter H. hat­te als Kas­senführer mit den Mit­ar­bei­tern T. und Q. von 12:30 Uhr bis 20:00 Uhr die Spätschicht.

Da der Kläger am 01.06.2010 erst ver­spätet um 8:07 Uhr eins­tem­pel­te, logg­te sich der Mit­ar­bei­ter L. bei sei­nem Dienst­be­ginn in das Sys­tem ein. Bei Über­nah­me der Kas­se durch den Kläger logg­te sich der Mit­ar­bei­ter L. nicht aus und der Kläger stell­te das Sys­tem auch nicht auf sei­nen Na­men um. Auf den von der Be­klag­ten ein­ge­reich­ten Be­le­gen (Lie­fer­schei­nen/Wie­ge­be­le­gen) des Wert-stoff­zen­trums (WZ) vom 01.06.2010 ist als Ver­wie­ger von 7:32 Uhr an Herr L. auf­geführt. Die Be­le­ge ab 11:46 Uhr bis 14:49 Uhr wei­sen Herrn M. T. als Ver­wie­ger aus. In den Be­le­gen ab 14:53 Uhr wird Herr H. auf­geführt (An­la­ge B 17 Bl. 197 - 276 d. A.).

Das ein­ge­reich­te schrift­li­che Kas­sen­jour­nal vom 01.06.2010 von 19:57 Uhr enthält den Na­men des Mit­ar­bei­ters L. und ei­nen Kas­sen­be­stand von 952,67 € mit ei­nem vor­han­de­nen Grund­be­trag von 500,00 € und ei­ner Bar­ein­nah­me von 452,67 €, so­wie 57 Kas­sier­vorgänge des Pri­vat-WZ. Dar­un­ter sind auf den Tag ver­teilt 16 Vorgänge mit ei­nem Be­trag von 14,99 €, da­von drei die um 8:16 Uhr, 8:29 Uhr und 8:55 Uhr aus­ge­druckt wur­den.

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Die Be­klag­te wirft dem Kläger vor, zwi­schen 8:45 Uhr und 9:00 Uhr von dem Zeu­gen C., der Holz­vertäfe­lungs­ab­fall ge­la­den hat­te, 14,99 € ent­ge­gen­ge­nom­men, ihm darüber kei­ne Quit­tung er­teilt und sich den Be­trag oh­ne ord­nungs­gemäße Ver­bu­chung zu­ge­eig­net zu ha­ben.

Mit Schrei­ben vom 09.06.2010 lud die Be­klag­te den Kläger zu ei­nem Per­so­nal­gespräch am 10.06.2010 um 15:30 Uhr we­gen auf­ge­tre­te­ner Un­re­gelmäßig­kei­ten von Bar­ein­zah­lun­gen ein. Sie wies dar­auf hin, dass es zu ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung führen kann, wenn sich her­aus­stel­len soll­te, dass der Kläger den vom Kun­den in Emp­fang ge­nom­me­nen Be­trag un­ter­schla­gen ha­ben soll­te. Aus­weis­lich der von der Be­klag­ten über das Gespräch ge­fer­tig­ten Pro­to­koll­no­tiz vom 10.06.2010 ent­geg­ne­te der Kläger auf die Vorwürfe, dass er sich nicht zu den Vorwürfen äußern wer­de und sich schon er­ge­ben wer­de, dass an den Vorwürfen „nichts dran“ sei.

Mit Schrei­ben vom 11.06.2010 hörte die Be­klag­te den Be­triebs­rat zu ei­ner außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Tatkündi­gung, hilfs­wei­sen außer­or­dent­li­chen Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist und zu ei­ner außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Ver­dachtskündi­gung hilfs­wei­se mit so­zia­ler Aus­lauf­frist an. Mit Schrei­ben vom 14.06.2010 er­hob der Be­triebs­rat Be­den­ken ge­gen die be­ab­sich­tig­te Kündi­gung.

Mit Schrei­ben vom 15.06.2010 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich frist­los, hilfs­wei­se außer­or­dent­lich un­ter Ein­hal­tung ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist von sechs Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de zum 31.12.2010.

Am 29.06.2010 er­stat­te­te die Be­klag­te ei­ne wei­te­re Straf­an­zei­ge we­gen Be­trugs ge­gen den Kläger und al­le an­de­ren Mit­ar­bei­ter des Wert­stoff­zen­trums. Be­reits am 19.01.1010 hat­te die Be­klag­te ge­gen den Kläger und an­de­re Mit­ar­bei­ter auf­grund ei­nes an­ony­men Hin­wei­ses ei­ne Straf­an­zei­ge we­gen nicht ord­nungs­gemäßer Ab­rech­nung von an­ge­lie­fer­tem Müll er­stat­tet. Die Ver­fah­ren ge­gen den Kläger wur­den zwi­schen­zeit­lich ein­ge­stellt.
 


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Mit der am 16.06.2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge wen­det sich der Kläger ge­gen die Kündi­gung und be­gehrt die Wei­ter­beschäfti­gung bis zum Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens.

Der Kläger hat vor­ge­tra­gen, dass er stets Quit­tun­gen für die Ent­ge­gen­nah­me von Gel­dern im Rah­men der Ab­fall­ent­sor­gung aus­ge­stellt und die Beträge der Kas­se zu­geführt ha­be. Er ha­be sich nicht an dem Ei­gen­tum der Be­klag­ten auch nicht am 01.06.2010 ver­grif­fen. Der be­haup­te­te Vor­fall sei ihm nicht er­in­ner­lich.

Der Kläger hat be­an­tragt

1. fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung, hilfs­wei­se außer­or­dent­li­che Kündi­gung un­ter Ein­hal­tung ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist vom 15.06.2010 nicht be­en­det wor­den ist oder bis zum 31.12.2010 be­en­det wer­den wird,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens zu den Be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 11.02.1998 vorläufig wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, dass die Kündi­gung we­gen er­wie­se­ner Straf­tat zu­min­dest aber we­gen des drin­gen­den Ver­dachts ei­ner Straf­tat wirk­sam sei. Sie hat be­haup­tet, dass der Zeu­ge C. dem Mit­ar­bei­ter G. der B. GmbH Co KG am 01.06.2010 mit­ge­teilt ha­be, dass er am 01.06.2010 zwi­schen 8:45 und 9:00 Uhr Ab­fall mit sei­nem Fahr­zeug - Kenn­zei­chen LEV-B 119 - Müll ent­sorgt und 14.99 € be­zahlt, aber kei­ne Quit­tung er­hal­ten ha­be. Der Mit­ar­bei­ter G. ha­be den Lo­gis­tik­lei­ter, Herrn L., in­for­miert, der am 04.06.2011 ei­ne Über­prüfung der Ab­rech­nung vom 01.06.2011 ver­an­lasst ha­be. Sie ha­be er­ge­ben, dass die am 01.06.2011 um 19:57 Uhr von Herrn H. durch­geführ­te Ab­rech­nung kei­ne Dif­fe­renz zwi­schen Kas­sen­ab­schluss und Wie­ge­be­le­gen aus­ge­wie­sen ha­be. Der


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Aus­druck ha­be 57 Wie­ge­vorgänge mit Bar­ein­nah­men, da­von 16 mit 14,99 € von de­nen die letz­te­ren drei um 8:16 Uhr, 8:29 Uhr und 8:55 Uhr er­folgt sei­en. Kei­ner die­ser Be­le­ge ha­be das KFZ-Kenn­zei­chen des Zeu­gen C. ent­hal­ten, der den Kläger auf ei­nem Fo­to als den­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter er­kannt ha­be, dem er das Geld ge­ge­ben ha­be. Aus die­sem Grun­de ha­be sich der Ver­dacht ei­ner straf­ba­ren Hand­lung auf­ge­drängt.

Durch Ur­teil vom 11.01.2011 hat das Ar­beits­ge­richt der Kla­ge statt­ge­ge­ben und im We­sent­li­chen aus­geführt, dass der Kläger als Wahl­be­wer­ber den Son­derkündi­gungs­schutz nach § 15 Abs. 3 S. 2 KSchG ge­nieße und des­we­gen nur aus wich­ti­gem Grund gekündigt wer­den könne. Die Be­klag­te ha­be aber die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung nicht dar­le­gen können. Von ei­ner Straf­tat könne nicht aus­ge­gan­gen wer­den, da kei­ner der von ihr be­nann­ten Zeu­gen et­was da­zu sa­gen könne, ob der Kläger das Geld ein­ge­steckt ha­be. Das bloße Un­ter­las­sen der Er­stel­lung oder Her­aus­ga­be ei­ner Zah­lungs­quit­tung sei kein Be­weis für ein Ei­gen­tums­de­likt. Es sei­en auch kei­ne aus­rei­chen­den Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die den drin­gen­den Ver­dacht ei­ner Straf­tat be­gründe­ten. Selbst wenn man den Be­klag­ten­vor­trag in Be­zug auf die Dar­le­gun­gen des Zeu­gen C. als rich­tig un­ter­stel­le, er­ge­be sich kein drin­gen­der Tat­ver­dacht. Aus ei­ner feh­len­den Quit­tung oder ei­nem feh­len­den Zah­lungs­vor­gang könne nicht auf die un­zulässi­ge Ver­ein­nah­mung des kas­sier­ten Be­tra­ges ge­schlos­sen wer­den. Et­was an­de­res er­ge­be sich auch nicht aus dem be­haup­te­ten feh­len­den überschüssi­gen Be­trag i.H.v.14,99 € beim Kas­sen­ab­schluss. Es sei zwi­schen den Schich­ten kei­ne Kas­senüberg­a­be er­folgt, so­dass auch nicht fest­stell­bar sei, ob nicht zu dem Zeit­punkt ein überzähli­ger Be­trag von 14,99 € vor­han­den ge­we­sen sei. Es könne ein an­de­rer Mit­ar­bei­ter den überzähli­gen Be­trag un­be­merkt ent­nom­men ha­ben. Es sei auch nicht dar­ge­legt wor­den, dass der­je­ni­ge, der den Kas­sen­ab­schluss letzt­lich durch­geführt ha­be, ei­ne be­son­de­re Ver­trau­ens­stel­lung ge­habt oder in ge­son­der­ter Wei­se kon­trol­liert wor­den sei. Dies hätte na­he ge­le­gen, da die Be­klag­te, wie sich aus der fünf Mo­na­te zu­vor ge­stell­ten Straf­an­zei­ge er­ge­be, auch al­le Mit­ar­bei­ter der Schicht vom 01.06.2010 verdäch­tig­te, Straf­ta­ten zu ih­rem Nach­teil be­gan­gen zu ha­ben. Der Um­stand, dass sich der Kläger im Anhörungs­ter­min nicht kon­kret ein­ge­las­sen ha­be, führe nicht
 


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zu ei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung. Darüber hin­aus sei die Anhörung des Be­triebs­rats zwei­fel­haft, da die­sem fälsch­li­cher­wei­se mit­ge­teilt wor­den sei, dass in dem an­ge­ge­be­nen Zeit­raum am Mor­gen des 01.06.2010 kein Wie­ge­be­leg von 14,99 € exis­tiert ha­be. Ei­ne frist­lo­se Kündi­gung un­ter Ein­hal­tung ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist sei bei dem nach § 15 KSchG geschütz­ten Per­so­nen­kreis nicht zulässig.

Ge­gen das der Be­klag­ten am 10.02.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil des ers­ten Rechts­zu­ges hat die Be­klag­te mit dem am 18.02.2011 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit dem am 11.04.2011 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, dass die frist­lo­se Kündi­gung ge­recht­fer­tigt sei. Aus dem Sach­vor­trag er­ge­be sich, dass der Kläger ei­ne Un­ter­schla­gung be­gan­gen ha­be. Zu­min­dest sei der drin­gen­de Ver­dacht ei­ner Un­ter­schla­gung ge­ge­ben. Der Zeu­ge C. könne bestäti­gen, dass er an den Kläger am 01.06.2010 zwi­schen 8:45 Uhr und 9:00 Uhr 14,99 € ge­zahlt aber kei­ne Quit­tung er­hal­ten ha­be. Be­reits dar­aus er­ge­be sich, dass der Kläger kei­nen ord­nungs­gemäßen Kas­sier­vor­gang durch­geführt ha­be. Dies wer­de auch da­durch bestätigt, dass kein Wie­ge­be­leg mit dem Kenn­zei­chen des Zeu­gen C. vor­han­den sei. Da die Kas­sier­vorgänge fort­lau­fend auf­ge­zeich­net würden, ha­be ein ent­spre­chen­der Vor­gang in der Zeit zwi­schen 8:45 Uhr und 9:00 Uhr do­ku­men­tiert sein müssen. Der von Herrn H. am 01.06.2010 um 19:57 Uhr durch­geführ­te Kas­sen­ab­schluss ha­be kei­nen Über­schuss i.H.v. 14,99 € er­ge­ben. Da die Höhe der ein­ge­nom­me­nen Bar­beträge mit de­nen der do­ku­men­tier­ten Kas­sier­vorgänge überein­ge­stimmt ha­be, las­se dies nur den Schluss zu, dass sich der Kläger den ein­ge­nom­me­nen Be­trag rechts­wid­rig zu­ge­eig­net ha­be. Zu­min­dest be­ste­he ein da­hin­ge­hen­der drin­gen­der Ver­dacht. Für die Auf­fas­sung spre­che auch das Ver­hal­ten im Rah­men der Anhörung und im Pro­zess. Der Kläger ha­be im Anhörungs­gespräch den Sach­ver­halt nur be­strit­ten und kei­ne Erläute­rung ab­ge­ge­ben. Die­ser hätte ihm aber in Er­in­ne­rung sein müssen. Der Um­stand, dass zwi­schen den Schich­ten kein Kas­sen­ab­schlag ge­macht wer­de, führe nicht zu ei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung ge­nau­so we­nig wie die vom Kläger ver­tre­te­ne Auf­fas­sung,

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dass ein Drit­ter ei­nen Über­schuss aus der Kas­se hätte neh­men können. Dies wi­derspräche der all­ge­mei­nen Le­bens­wirk­lich­keit. Es ha­be kein An­lass be­stan­den, war­um ein Drit­ter den Kas­sen­in­halt hätte über­prüfen sol­len, zu­mal der Mit­ar­bei­ter da­mit rech­nen muss­te, dass die Ein­zah­lung oh­ne Quit­tung veröffent­licht wird. Da­mit hätte ein Ver­dacht auf ihn fal­len können. Im Übri­gen sprächen die tatsächli­chen Umstände ge­gen die Her­aus­nah­me ei­nes Über­schus­ses durch ei­nen Drit­ten. Dies hätte nur durch ei­nen Ver­gleich der Be­le­ge mit der Kas­sen­ein­nah­me er­fol­gen können. An­ge­sichts der Viel­zahl der Kas­sier­vorgänge am 01.06.2010 sei die An­nah­me le­bens­fremd.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts So­lin­gen vom 11.01.2011, Az.: 2 Ca 916/10 lev, zu­ge­stellt am 10.02.2011, ab­zuändern und die Kla­ge ab-zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Be­klag­ten und Be­ru­fungskläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts So­lin­gen vom 11.01.2011, Az.: 2 Ca 916/10 lev, zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ist der Auf­fas­sung, dass die Kündi­gung nicht ge­recht­fer­tigt sei. Er ha­be sei­ne Ver­pflich­tun­gen erfüllt und kei­ne Un­ter­schla­gung be­gan­gen. Das straf­recht­li­che Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen ihn sei ein­ge­stellt wor­den. Die feh­len­de Überg­a­be des Quit­tungs­be­legs an den Zeu­gen C., das Feh­len ei­nes Wie­ge­be­legs, auf dem das Kenn­zei­chen des Fahr­zeu­ges die­ses Zeu­gen auf­geführt sei, und der feh­len­de Über­schuss i.H.v.14, 99 € im Kas­sen­ab­schluss vom 01.06.2010 würden be­strit­ten. Die­se Umstände könn­ten zu­dem we­der ei­ne Tatkündi­gung noch ei­ne Ver­dachtskündi­gung be­gründen. Das Feh­len des Be­legs und des Nach­wei­ses ei­nes nicht ord­nungs­gemäßen Kas­sier­vor­gangs spre­che nur für ei­ne Ver­trags­ver­let­zung, nicht aber für ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­eig­nung ei­nes kas­sier­ten Be­tra­ges. Ei­ne Ver­trags­ver­let­zung könne aber nicht oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung ei­ne Kündi­gung recht­fer­ti­gen. Der Be­trag könne zu­dem auch oh­ne Kas­sier­vor­gang der Kas­se zu­geführt wor­den sei­en. Da­ge­gen spre­che auch nicht der feh­len­de Über­schuss am Abend. Während der Schicht ha­be

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er kei­nen al­lei­ni­gen Zu­gang zur Kas­se ge­habt. Er sei bei sei­ner Ab­we­sen­heit u.a. in der Pau­se von an­de­ren Mit­ar­bei­tern der Schicht ver­tre­ten wor­den. Bei dem Schicht­wech­sel sei auch kein Kas­sen­ab­schlag ge­macht wor­den. Da­mit hätten an­de­re Mit­ar­bei­ter die Möglich­keit ge­habt, ei­nen even­tu­el­len Über­schuss der Kas­se zu ent­neh­men. Der Ver­weis der Be­klag­ten auf die Men­ge der Kas­sier­vorgänge über­zeu­ge nicht, da sie sich am Vor­mit­tag im über­schau­ba­ren Rah­men ge­hal­ten hätten. Bei der Be­ur­tei­lung dürfe auch nicht außer Acht ge­las­sen wer­den, dass die Be­klag­te ge­gen al­le Mit­ar­bei­ter der Schicht und auch an­de­re Mit­ar­bei­ter ei­ne Straf­an­zei­ge we­gen Be­trugs er­ho­ben ha­be. Da­mit ha­be sie deut­lich ge­macht, dass sie al­len Mit­ar­bei­tern nicht ver­traue. Trotz­dem ha­be sie es nicht für not­wen­dig be­fun­den, den Kas­sen­ab­schlag mit­tels Vier-Au­gen-Prin­zip durch­zuführen. Es könne im Übri­gen auch nicht von ei­nem feh­len­den Kas­sier­vor­gang bezüglich des Zeu­gen C. aus­ge­gan­gen wer­den. Der Um­stand, dass ein Wie­ge­be­leg mit dem Fahr­zeug­kenn­zei­chen die­ses Zeu­gen feh­le, ste­he dem nicht ent­ge­gen. Das Kenn­zei­chen wer­de per Hand ein­ge­tra­gen. In­so­fern sei­en auch Feh­ler möglich. Es kom­me hin­zu, dass auch Ein­tra­gun­gen auf nicht über­prüften An­ga­ben der Kun­den be­ruh­ten. Zu­dem würden aus dem Gedächt­nis nachträglich Ein­tra­gun­gen vor­ge­nom­men, was wie­der­um zu Feh­lern führen könne. Darüber hin­aus sei die Kündi­gung we­gen nicht ord­nungs­gemäßer Anhörung des Be­triebs­rats un­wirk­sam. Dem Be­triebs­rat sei feh­ler­haft mit­ge­teilt wor­den, dass zwi­schen 8:45 Uhr und 9:00 Uhr kei­ne Ein­nah­me von 14,99 € er­folgt sei.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­hal­tes so­wie des wi­der­strei­ten­den Sach­vor­trags und der un­ter­schied­li­chen Rechts­auf­fas­sun­gen der Par­tei­en wird ergänzend Be­zug ge­nom­men auf die zu den Ak­ten ge­reich­ten Schriftsätze der Par­tei­en nebst An­la­gen so­wie die Pro­to­kol­le der münd­li­chen Ver­hand­lun­gen und den Tat­be­stand des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils.

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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E


A. Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist an sich statt­haft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des zulässig (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) so­wie in ge­setz­li­cher Form und Frist ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 66 Ab­satz 1 S. 1 und S. 2 i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

B. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist nicht be­gründet.

1. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist we­der durch die frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 15.06.2010 noch durch die hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne frist-lo­se Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist bis zum 31.12.2010 be­en­det wor­den.

2. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, der sich die Kam­mer an­sch­ließt, ist die Wirk­sam­keit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung in zwei Stu­fen zu prüfen. Es ist zunächst zu prüfen, ob der Sach­ver­halt oh­ne sei­ne be­son­de­ren Umstände „an sich“, d.h. ty­pi­scher­wei­se als wich­ti­ger Grund ge­eig­net ist. Als­dann be­darf es der wei­te­ren Prüfung, ob dem Kündi­gen­den die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Umstände des Fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le - je­den­falls bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist - zu­mut­bar ist oder nicht (st. Rspr., BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - AP Nr. 229 zu § 626 BGB; 26.03. 2009 - 2 AZR 953/07 - AP BGB § 626 Nr. 220; 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 - AP Nr. 202 zu § 626 BGB). Der Kündi­gen­de ist für die Tat­sa­chen, die die Kündi­gung be­din­gen, dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig. Das gilt aber auch für die­je­ni­gen Tat­sa­chen, die ei­nen vom Gekündig­ten be­haup­te­ten Recht­fer­ti­gungs­grund aus­sch­ließen (BAG 28.08.2008 - 2 AZR 15/07 - EzA § 626 BGB Nr. 22; 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 - EzA § 626 BGB Nr. 4; 06.08.1987 - 2 AZR 226/87 - EzA § 626 BGB Nr. 109).

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3. Die Be­klag­te stützt die Kündi­gung auf ei­ne Un­ter­schla­gung, hilfs­wei­se den Ver­dacht ei­ner Un­ter­schla­gung.

a) Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Tatkündi­gung lie­gen nicht vor. Die Kam­mer folgt der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts so­wohl im Er­geb­nis als in der Be­gründung.

Die Be­klag­te hat nicht aus­rei­chend dar­ge­legt, dass sich der Kläger am 01.06.2010 ei­nen zwi­schen 8:45 Uhr und 9:00 Uhr kas­sier­ten Be­trag von 14,99 € zu­ge­eig­net hat. Die Be­klag­te konn­te kei­ne Per­son be­nen­nen, die ge­se­hen hat, dass der Kläger ei­nen sol­chen Be­trag ein­ge­steckt hat. Es kann auch da­hin­ste­hen, ob der Zeu­ge den Be­trag an den Kläger ge­zahlt hat, ein Vor­gang über die Ein­nah­me im elek­tro­ni­schen Kas­sen­sys­tem vor­han­den ist und der Kas­sen­ab­schluss am Abend kei­nen Über­schuss in Höhe die­ses Be­tra­ges er­ge­ben hat. Aus die­sen In­di­zi­en al­lei­ne kann nicht der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass der Be­trag nicht der Kas­se zu­geführt wor­den ist. Das Ar­beits­ge­richt weist zu Recht dar­auf hin, dass der An­nah­me be­reits ent­ge­gen­steht, dass der Kläger kei­nen al­lei­ni­gen Zu­gang zur Kas­se hat­te. Da­mit kann die Ent­nah­me des Gel­des durch ei­nen Drit­ten nicht aus­ge­schlos­sen wer­den. Es hat zu­dem über­zeu­gend dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ei­ne Viel­zahl von Möglich­kei­ten be­ste­hen, war­um es nicht zu ei­ner Ver­bu­chung ge­kom­men ist und kein Über­schuss vor­han­den war. Letzt­lich kann auch nicht grundsätz­lich aus­ge­schlos­sen wer­den, dass der vor­han­de­ne Wie­ge­be­leg von 8:55 Uhr dem Vor­gang C. zu­ge­ord­net wer­den kann. Die Ein­tra­gung des Kenn­zei­chens kann feh­ler­haft sein.

b) Die Kündi­gung ist auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Ver­dachtskündi­gung wirk­sam.

aa) Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann nicht nur ei­ne schwe­re, ins­be­son­de­re schuld­haf­te Ver­trags­pflicht­ver­let­zung ei­ne außer­or­dent-

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li­che Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus wich­ti­gem Grund an sich recht­fer­ti­gen (BAG 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 - DB 2011, 880-881; BAG 19.04.2007 - 2 AZR 78/06 - EzTöD 100 § 34 Abs. 2 TVöD-AT Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 8; BAG 02.03.2006 - 2 AZR 53/05 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; BAG 16.08.1991 - 2 AZR 604/90 - EzA KSchG § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 41; BAG 15.01.1986 - 7 AZR 128/83 - EzA BGB § 626 n.F. Nr. 100). Auch der Ver­dacht ei­ner straf­ba­ren Hand­lung stellt ei­nen ei­genständi­gen Kündi­gungs­grund dar. Ei­ne Ver­dachtskündi­gung kann ge­recht­fer­tigt sein, wenn sich star­ke Ver­dachts­mo­men­te auf ob­jek­ti­ve Tat­sa­chen gründen, die Ver­dachts­mo­men­te ge­eig­net sind, das für die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­for­der­li­che Ver­trau­en zu zerstören, und der Ar­beit­ge­ber al­le zu­mut­ba­ren An­stren­gun­gen zur Aufklärung des Sach­ver­halts un­ter­nom­men, ins­be­son­de­re dem Ar­beit­neh­mer Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me ge­ge­ben hat (BAG 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 – aaO; 23.06 2009 - 2 AZR 474/07 - AP BGB § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 47). Der Ver­dacht muss auf kon­kre­te Tat­sa­chen gestützt sein. Für die kündi­gungs­recht­li­che Be­ur­tei­lung der Pflicht­ver­let­zung ist die straf­recht­li­che Be­wer­tung nicht maßge­bend. Ein Vermögens­de­likt zum Nach­teil des Ar­beit­ge­bers ist nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (Ur­teil v. 13.12.2007 - 2 AZR 537/06 - AP BGB § 626 Nr. 210 m.w.N.) re­gelmäßig ge­eig­net, ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund zu recht­fer­ti­gen, selbst wenn es nur um ge­rin­ge Wer­te geht.

bb) Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze hat die Be­klag­te kei­ne aus­rei­chen­den Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die den drin­gen­den Ver­dacht be­gründen, dass sich der Kläger am 01.06.2010 ei­nen Geld­be­trag in Höhe von 14,99 € rechts­wid­rig zu­ge­eig­net hat.

(1) Der Be­klag­ten ist zwar zu fol­gen, dass bei Vor­lie­gen des be­haup­te­ten Ab­laufs, dass der Kun­de C. dem Kläger zwi­schen 8:45 Uhr und 09:00 Uhr ei­nen Be­trag von 14,99 € aus­gehändigt hat, darüber kein Kas­sier­vor­gang vor­han­den ist und der Kas­sen­ab­schluss am Abend kei­nen Über­schuss in Höhe des Be­tra­ges er­ge­ben hat, der Ver­dacht be­steht, dass der Be­trag nicht der Kas­se zu­geführt wor­den ist. Die Ver­dachtskündi­gung setzt je­doch ei­nen drin­gen­den Tat-

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ver­dacht vor­aus. Die Umstände müssen so be­schaf­fen sein, dass sie ei­nen verständi­gen und ge­recht abwägen­den Ar­beit­ge­ber zum Aus­spruch der Kündi­gung ver­an­las­sen können. Es muss ei­ne große Wahr­schein­lich­keit dafür be­ste­hen, dass er zu­trifft (BAG 25.11.2010 aaO.; 12.05.2010 - 2 AZR 587/08 - AP KSchG § 15 Nr. 67).

(2) Die von der Be­klag­ten vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen führen aber nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht zu ei­nem drin­gen­den Tat­ver­dacht bzw. zu ei­ner großen Wahr­schein­lich­keit, dass der Kläger das Geld nicht der Kas­se zu­geführt hat und für sich ver­wandt hat.

Selbst wenn man da­von aus­geht, dass es kei­nen Kas­sier­vor­gang ge­ge­ben hat und dem Zeu­gen C. kei­ne Quit­tung aus­gehändigt wur­de, spricht dies nicht un­mit­tel­bar für Un­ter­schla­gung. Der feh­len­de Kas­sier­vor­gang und das Un­ter­las­sen der Aushändi­gung ei­ner Quit­tung können auf Nachlässig­keit be­ru­hen. Hier­bei über­sieht die Kam­mer nicht, dass das Ver­hal­ten des Kas­senführers in ei­ner Geschäfts­an­wei­sung der Be­klag­ten im Ein­zel­nen auf­geführt ist. Dies schließt aber nicht aus, dass sie vom Ar­beit­neh­mer im Ein­zel­fall mal nicht be­ach­tet wer­den. Nicht je­der Ar­beit­neh­mer ar­bei­tet feh­ler­frei. Der Ver­s­toß ge­gen die Geschäfts­an­wei­sung kann aber nicht die frist­lo­se Kündi­gung recht­fer­ti­gen. Nach dem im Kündi­gungs­schutz­recht gel­ten­den ul­ti­ma-ra­tio-Prin­zip setzt ei­ne Kündi­gung we­gen ei­ner schuld­haf­ten Ver­trags­ver­let­zung ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung vor­aus. Dies liegt aber hier nicht vor.

Es kann be­reits nicht grundsätz­lich aus­ge­schlos­sen wer­den, dass der Be­leg von 8:55 Uhr mit der lau­fen­den NR. 200 103 987 dem Vor­gang C. zu­ge­ord­net wer­den kann. Er enthält zwar ein an­de­res Fahr­zeug­kenn­zei­chen. Der Kläger weist aber nach­voll­zieh­bar dar­auf hin, dass bei der hand­schrift­li­chen Ein­tra­gung des Kenn­zei­chens Feh­ler auf­tre­ten können. Er hat aus­geführt, dass der Kun­de das Kenn­zei­chen teil­wei­se selbst an­ge­be und es teil­wei­se ab­ge­le­sen wer­de. Wenn es zunächst über­se­hen wor­den sei, wer­de der Be­leg nachträglich aus der Er­in­ne­rung ver­vollständigt. Ein Hörfeh­ler er­scheint der Kam­mer zwar im Hin­blick auf die Un­ter­schied­lich­keit der Kenn­zei­chen un­wahr­schein­lich. Wenn

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aber ei­ne Be­fra­gung zum Kenn­zei­chen nicht er­folgt und der Be­leg le­dig­lich im Nach­hin­ein zur Ver­vollständi­gung aus­gefüllt wor­den ist, sind auch sol­che Un­ter­schie­de denk­bar und erklärbar. In­so­weit kann die­ser Vor­trag des Klägers nicht oh­ne Wei­te­res zurück­ge­wie­sen wer­den.

Von be­son­de­rer Be­deu­tung ist aber, dass der Kläger kei­nen aus­sch­ließli­chen Zu­gang zur Kas­se hat­te. Nach dem un­wi­der­spro­che­nen Vor­trag des Klägers wur­de er während der Frühschicht bei sei­ner Ab­we­sen­heit von der Kas­se auch von den an­de­ren Schicht­mit­ar­bei­tern ver­tre­ten. An­de­re Per­so­nen hat­ten da­mit die Möglich­keit, ei­nen Über­schuss von 14,99 € aus der Kas­se zu ent­neh­men. Dies gilt erst recht, wenn man berück­sich­tigt, dass selbst beim Schicht­wech­sel kein Kas­sen­ab­schlag statt­ge­fun­den hat. Der Kas­sen­ab­schlag fand erst um 19:57 Uhr und da­mit über acht St­un­den nach dem Vor­fall statt. Da­mit hat­ten auch Mit­ar­bei­ter der Spätschicht Zu­gang zur Kas­se, oh­ne dass der Kläger an­we­send war und die Kas­sen­vorgänge über­prüfen konn­te. An­ge­sichts die­ser Umstände kann nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass ein Drit­ter ei­nen Über­schuss aus der Kas­se ge­nom­men hat. Dies steht der An­nah­me ei­nes drin­gen­den Tat­ver­dachts ent­ge­gen.

Der Be­ur­tei­lung der Kam­mer kann die Be­klag­te nicht mit Er­folg ent­ge­gen­hal­ten, dass es der Le­bens­wirk­lich­keit wi­der­spre­che, dass ein an­de­rer Mit­ar­bei­ter in der Früh- oder Spätschicht oder so­gar der­je­ni­ge, der den Kas­sen­ab­schluss ge­macht hat­te, ei­nen Kas­senüber­schuss an sich nimmt. Zum Ei­nen sei ein Über­schuss auf­grund der Viel­zahl der Kas­sier­vorgänge bei ei­nem pau­scha­len Kas­senüber­schlag nicht zu er­ken­nen. Zum An­de­ren müsse ein an­de­rer Mit­ar­bei­ter, der ei­nen Über­schuss aus der Kas­se nimmt, da­mit rech­nen, bei der Ent­nah­me ent­deckt zu wer­den. Er könne auch nicht aus­sch­ließen, dass der oh­ne Kas­sier­vor­gang in die Kas­se ge­leg­te Be­trag von dem in­so­weit täti­gen Mit­ar­bei­ter an­ge­zeigt wer­de.

Dem ist je­doch ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass es nach den ein­ge­reich­ten Be­le­gen von 8:06 Uhr bis 10:10 Uhr über­haupt nur 12 Ba­rent­nah­men, da­von fünf mit dem Be­trag von 14,99 € und nach dem Kas­sen­jour­nal am ge­sam­ten Tag nur 57


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Bar­ein­nah­men ge­ge­ben hat. Die Ein­nah­men sind da­mit nicht so um­fang­reich, dass ei­ne zwi­schen­zeit­li­che kurz­fris­ti­ge Kas­senüber­sicht durch ei­ne an­de­re Per­son aus­ge­schlos­sen wer­den kann. Es darf nicht über­se­hen wer­den, dass nach dem un­wi­der­spro­che­nen Kläger­vor­trag die Be­le­ge nach dem Kas­sier­vor­gang in ei­ner Ab­la­ge hin­ter­legt wer­den und da­mit zu ei­nem Ab­gleich mit den tatsächli­chen Ein­nah­men zur Verfügung ste­hen.

So­weit die Be­klag­te dar­auf hin­ge­wie­sen hat, dass die Ar­beit­neh­mer nicht während der gan­zen Ar­beits­zeit über­prüft wer­den könn­ten, sie müsse sich dar­auf ver­las­sen können, dass die ein­ge­setz­ten Kas­senführer die Geschäfts­an­wei­sung ge­nau­es­tens be­ach­ten und von ihr in­so­fern kei­ne wei­te­ren In­di­zi­en zur An­nah­me ei­nes drin­gen­den Tat­ver­dachts ver­langt wer­den könn­ten, führt dies nicht zu ei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung. Dies schließt nicht ge­naue­re Si­che­rungs­sys­te­me aus. Es ist durch­aus möglich, durch wei­te­re An­wei­sun­gen si­cher­zu­stel­len, dass ver­hal­tens­be­ding­te Mängel ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern kon­kret zu-ge­ord­net wer­den können. Dies kann be­reits da­durch si­cher­ge­stellt wer­den, dass ei­ne Ver­tre­tung oder ein Schicht­wech­sel oh­ne ei­nen Kas­sen­ab­schluss un­ter­sagt wird. Im Ein­zel­han­del neh­men die Kas­sie­rer teil­wei­se ih­re Kas­se bei dem Ver­las­sen ih­res Ar­beits­plat­zes mit. Auf­grund des aus­sch­ließli­chen Zu­gangs des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers zur Kas­se kann ei­ne Dif­fe­renz dem je­wei­li­gen In­ha­ber der Kas­se kon­kret zu­ge­ord­net wer­den. Durch die­se Ver­hal­tens­wei­se wird der Ar­beit­neh­mer geschützt, un­be­rech­tigt in den Ver­dacht von Un­re­gelmäßig­kei­ten zu­kom­men. Die Hand­ha­bung im kon­kre­ten Fall lässt aber ei­ne un­mit­tel­ba­re Zu­ord­nung ei­nes Kas­sen­fehl­be­stan­des nicht zu.

Dass sich der Kläger nicht kon­kret zu dem Vor­gang C. geäußert hat, weil er ihn nach sei­ner Ein­las­sung nicht mehr in Er­in­ne­rung hat und nur all­ge­mein dar­auf ver­weist, al­le ein­kas­sier­ten Beträge ab­geführt zu ha­ben, führt nicht da­zu, die all­ge­mei­nen Le­bens­umstände und mögli­chen Ver­hal­tens­al­ter­na­ti­ven bei der Be­ur­tei­lung nicht zu berück­sich­ti­gen. Der Sach­ver­halt lag zum Zeit­punkt der Ein­la­dung zum Anhörungs­gespräch mit Schrei­ben vom 09.06.2010 meh­re­re Ta­ge zurück. Nach dem Kläger­vor­trag hat er je­den Tag in dem Wert­stoff­zent-rum ge­ar­bei­tet. An­ge­sichts der Viel­zahl von Kun­den aus dem pri­va­ten und ge-

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werb­li­chen Be­reich - am 01.06.2010 wa­ren es 57 Vorgänge - ist es nach­voll­zieh­bar, wenn er sich nach meh­re­ren Ta­gen nicht an ei­nen ein­zel­nen Vor­gang oder ei­nen Kun­den er­in­nern kann. Et­was An­de­res könn­te sich zwar er­ge­ben, wenn der Vor­gang mit außer­gewöhn­li­chen Umständen ver­bun­den ge­we­sen wäre. Sol­che Umstände er­ge­ben sich aber nicht aus dem Sach­vor­trag. Da­nach hat der Zeu­ge C. den ge­for­der­ten Be­trag be­zahlt und oh­ne Quit­tung und Rüge das Werk­stoff­zen­trum ver­las­sen hat. Dem von der Be­klag­ten ein­ge­reich­ten Pro­to­koll über die Ver­neh­mung des Her­ren C. vom 23.08.2010 lässt sich auch kein an­de­rer Ab­lauf ent­neh­men.

Ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung er­gibt sich auch nicht des­we­gen, weil sich der Kläger im Rah­men sei­ner Anhörung nicht auf die nun­mehr im Pro­zess vor­ge­tra­ge­nen Umstände, wie das un­rich­ti­ge Ausfüllen ei­nes Be­legs, das Ein­le­gen ei­nes ein-ge­nom­men Be­tra­ges in die Kas­se oh­ne dies in die Kas­se ein­zu­ge­ben bzw. die Möglich­keit der Ent­nah­me durch an­de­re Ar­beit­neh­mer auf­grund des feh­len­den aus­sch­ließli­chen Zu­gangs zur Kas­se, be­ru­fen, son­dern den Vor­hal­tun­gen der Be­klag­ten nur ent­ge­gen­ge­hal­ten hat, dass er sich oh­ne Rechts­bei­stand nicht zu den Vorwürfen äußern wer­de und sich schon er­ge­ben wer­de, dass an dem Sach­ver­halt nichts dran sei. Auf­grund des An­schrei­bens zum Anhörungs­ter­min vom 09.06.2010 wuss­te der Kläger, dass man ihn verdäch­tig­te, ei­ne Un­ter­schla­gung be­gan­gen zu ha­ben. Er wuss­te auch, dass der Sach­ver­halt ins­be­son­de­re sei­ne Ein­las­sun­gen Kon­se­quen­zen für sein Ar­beits­verhält­nis ha­ben konn­ten. In­so­fern ist es nach­voll­zieh­bar und kann ihm nicht zum Nach­teil ge­rei­chen, wenn er die Be­klag­te dar­auf ver­weist, dass er sich oh­ne Rechts­bei­stand nicht zur Sa­che äußern will.

Es lie­gen auch kei­ne sons­ti­gen Umstände in der Per­son oder im Ver­hal­ten des Klägers aus der Ver­gan­gen­heit vor, die im vor­lie­gen­den Fall ei­ne an­de­re Ge­wich­tung der vor­ge­tra­ge­nen und un­ter Be­weis ge­stell­ten Tat­sa­chen er­for­dern. Die auch den Kläger be­tref­fen­de Straf­an­zei­ge vom 19.01.2010 ist da­zu nicht ge­eig­net. Sie wur­de ge­gen neun Mit­ar­bei­ter des Wert­stoff­zen­trums ge­stellt. Al­len Mit­ar­bei­tern wur­de auf­grund ei­nes an­ony­men Hin­wei­ses vor­ge­wor­fen, die Müll­ent­sor­gung von Pri­vat­per­so­nen und Ge­wer­be­trei­ben­den nicht ord­nungs-

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gemäß ab­ge­rech­net zu ha­ben. Ein kon­kre­ter Tat­ver­dacht ge­gen den Kläger hat sich aber nicht er­ge­ben. Das Ver­fah­ren wur­de zwi­schen­zeit­lich von der Staats­an­walt­schaft ein­ge­stellt. Sons­ti­ge wei­te­re er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers in dem bis­he­ri­gen nun­mehr ca. 13 Jah­re an­dau­ern­den Beschäfti­gungs­verhält­nis wur­den von der Be­klag­ten nicht vor­ge­tra­gen.

Nach al­le­dem rei­chen die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen nicht aus, um mit Wahr­schein­lich­keit da­von aus­ge­hen zu können, dass der Kläger den strei­ti­gen Be­trag nicht der Kas­se der Be­klag­ten zu­geführt und sich rechts­wid­rig zu­ge­eig­net hat. Da die Überg­a­be des Gel­des durch den Zeu­gen, das Feh­len ei­nes Kas­sier­vor­gangs und der feh­len­de Über­schuss beim abend­li­chen Kas­sen­ab­schlag für die Be­ur­tei­lung un­ter­stellt wur­de, kam es nicht auf die Ver­neh­mung der von der Be­klag­ten in­so­weit be­nann­ten Zeu­gen an. Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 09.06.2010 er­weist sich da­nach be­reits we­gen Feh­lens ei­nes wich­ti­gen Grun­des im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB als rechts­un­wirk­sam. Ob die Anhörung des Be­triebs­rats nach § 102 Be­trVG wirk­sam ge­we­sen ist, war da­nach nicht mehr ent­schei­dend.

II. Die von der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 15.06.2010 hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit Aus­lauf­frist ist eben­falls un­wirk­sam. Das Ar­beits­verhält­nis hat nicht am 31.12.2010 sein En­de ge­fun­den.

Der Kläger fällt un­ter den Schutz des § 15 KSchG. Der Kläger war bei der Wahl vom 19.05.2010 Wahl­be­wer­ber. Gemäß § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG ist die Kündi­gung ei­nes Wahl­be­wer­bers in­ner­halb von sechs Mo­na­ten nach Be­kannt­ga­be des Wahl­er­geb­nis­ses un­zulässig, es sei denn, dass Tat­sa­chen vor­lie­gen, die den Ar­beit­ge­ber zur Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist be­rech­ti­gen. Die Frist war zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der frist­lo­sen Kündi­gung mit Schrei­ben vom 15.06.2010 noch nicht ab­ge­lau­fen.

Die Be­klag­te kann dem Um­stand, dass kein wich­ti­ger Grund zur frist­lo­sen Kündi­gung ge­ge­ben ist, nicht durch die Gewährung ei­ner der ge­setz­li­chen Kündi­gungs­frist ent­spre­chen­den so­zia­len Aus­lauf­frist Rech­nung tra­gen. Nach der

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Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, der sich die Kam­mer an­sch­ließt, ist ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te or­dent­li­che Kündi­gung mit not­wen­di­ger Aus­lauf­frist ge­genüber dem nach § 15 KSchG geschütz­ten Per­so­nen­kreis un­zulässig (BAG 17.01.2008 - 2 AZR 821/06 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 62; BAG 12.05.2010 - 2 AZR 587/08 - NZA-RR 2011, 15). Die Zu­las­sung ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung mit Aus­lauf­frist aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen würde die kündi­gungs­recht­li­chen Gren­zen zwi­schen dem künd­ba­ren und dem nach § 15 KSchG geschütz­ten Ar­beit­neh­mer ver­wi­schen. Sie führt in Fällen, in de­nen die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der fik­ti­ven Kündi­gungs­frist, nicht aber bis zum Aus­lau­fen des Son­derkündi­gungs­schut­zes zu­mut­bar ist, zur Zulässig­keit ei­ner Kündi­gung, die im Er­geb­nis der - ei­gent­lich aus­ge­schlos­se­nen - or­dent­li­chen Kündi­gung gleich­kommt. Sie stellt da­mit für die­se Fall­grup­pe den unkünd­ba­ren Be­triebs­rat/Wahl­be­wer­ber mit dem künd­ba­ren Ar­beit­neh­mer gleich. Sinn des Ge­set­zes ist es aber, den geschütz­ten Per­so­nen­kreis - ab­ge­se­hen von den Fällen des § 15 Abs. 4, 5 KSchG - von der Be­dro­hung durch or­dent­li­che Kündi­gung ge­ra­de mit Rück­sicht auf sei­ne be­son­de­re Stel­lung aus­zu­neh­men. Bei Zu­las­sung ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung mit Aus­lauf­frist würde sich ex­akt die Ge­fahr rea­li­sie­ren, die der Ge­setz­ge­ber durch die Schaf­fung des § 15 KSchG aus­schal­ten woll­te (BAG 17.01.2008 - 2 AZR 821/06 – m.w.N. a.a.O.).

III. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt auf­grund der un­wirk­sa­men außer­or­dent­li­chen Kündi­gung vom 15.06.2010 auch dem Wei­ter­beschäfti­gungs­be­geh­ren des Klägers statt­ge­ge­ben.

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG 27.02.1985 - GS 1/84 - AP BGB § 611 Beschäfti­gungs­pflicht Nr. 14) hat der gekündig­te Ar­beit­neh­mer ei­nen aus §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG ab­ge­lei­te­ten all­ge­mei­nen Beschäfti­gungs­an­spruch außer im Fal­le ei­ner of­fen­sicht­lich un­wirk­sa­men Kündi­gung min­des­tens dann, wenn der Ar­beit­neh­mer im Kündi­gungs­pro­zess ein ob­sie­gen­des Ur­teil er­strei­tet. Ein über­wie­gen­des In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Nicht­beschäfti­gung des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers ist nur bis zur Ent­schei­dung der ers­ten In­stanz im Kündi­gungs­schutz­pro­zess an­zu­er­ken-

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nen. Die­se In­ter­es­sen­la­ge ändert sich dann, wenn der Ar­beit­neh­mer im Kündi­gungs­schutz­pro­zess ein ob­sie­gen­des Ur­teil er­strei­tet. In die­sem Fall kann die Un­ge­wiss­heit über den endgülti­gen Pro­zess­aus­gang für sich al­lein ein über­wie­gen­des In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Nicht­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers nicht mehr be­gründen. Will der Ar­beit­ge­ber auch für die­sen Fall die Beschäfti­gung ver­wei­gern, so muss er zusätz­li­che Gründe anführen, aus de­nen sich sein über­wie­gen­des In­ter­es­se er­gibt. Der­ar­ti­ge Gründe hat die Be­klag­te auch im Be­ru­fungs­rechts­zug nicht vor­ge­tra­gen.

IV. Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des er­folg­los ge­blie­be­nen Rechts­mit­tels zu tra­gen.

Der Streit­wert hat sich in der Be­ru­fungs­in­stanz nicht geändert, § 63 GKG.

Für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt be­stand nach § 72 Abs. 2 ArbGG kei­ne Ver­an­las­sung.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

We­gen der Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

 

(Jan­sen) 

(Weihs) 

(Holz)

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