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ArbG Stutt­gart, Ur­teil vom 16.03.2011, 30 Ca 1772/10

   
Schlagworte: Kündigung, Diskriminierung, Entschädigung
   
Gericht: Arbeitsgericht Stuttgart
Aktenzeichen: 30 Ca 1772/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.03.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Stutt­gart

Ak­ten­zei­chen: 30 Ca 1772/10

 

Ur­teil vom 16.03.2011

1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 2.500,00 EUR zu be­zah­len.

2. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

3. Der Kläger trägt 81,6 %, die Be­klag­te trägt 18,4 % der Kos­ten des Rechts­streits mit Aus­nah­me der durch die An­ru­fung des un­zuständi­gen Ar­beits­ge­richts Kas­sel ent­stan­de­nen Kos­ten. Die­se hat der Kläger al­lein zu tra­gen.

4. Der Streit­wert wird auf 13.616,73 EUR fest­ge­setzt.

5. Für die Be­klag­te wird die Be­ru­fung zu­ge­las­sen. Für den Kläger wird die Be­ru­fung nicht ge­son­dert zu­ge­las­sen.

 


Tat­be­stand


Der Kläger macht ge­genüber der Be­klag­ten, sei­ner frühe­ren Ar­beit­ge­be­rin, Vergütungs- und Entschädi­gungs­ansprüche gel­tend.

Der am 00.00.1982 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te, ei­nem Kind un­ter­halts­ver­pflich­te­te, in Kas­sel wohn­haf­te Kläger war seit dem 13.10.2009 bei der Be­klag­ten, ei­nem Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men, auf der Grund­la­ge des schrift­li­chen Ar­beits­ver­trags vom 24.09.2009 (Bl. 32 - 40 d.A.) als Gas- und Was­ser­in­stal­la­teur ein­ge­stellt.

Der Kläger er­litt im Jahr 2005 ei­nen Kreuz­band­riss. Sein ver­letz­tes Knie wur­de mit ei­nem Kreuz­ban­dim­plan­tat ver­se­hen. Es ver­blie­ben Ein­schränkun­gen bei ge­wis­sen, in der Ho­cke zu ver­rich­ten­den Tätig­kei­ten, bei de­nen der Kläger ei­ne Knie­pols­te­rung benötig­te und bei de­nen er deut­lich lang­sa­mer als sei­ne Kol­le­gen ar­bei­ten konn­te.

Im Rah­men des Be­wer­bungs­ver­fah­rens schick­te die Be­klag­te dem Kläger, wie an­de­ren Be­wer­bern auch, ei­nen von ihr ver­wen­de­ten for­mu­larmäßigen Be­wer­bungs­bo­gen (Bl. 108 d.A.) zu, den der Kläger un­ter dem Da­tum 24.09.2009 hand­schrift­lich ausfüll­te und der Be­klag­ten über­mit­tel­te. Der aus­gefüll­te Be­wer­bungs­bo­gen lau­tet aus­zugs­wei­se wie folgt:

Ha­ben Sie ei­ne Kur be­an­tragt X Nein Ja von bis
Lei­den Sie an ei­ner chro­ni­schen Krank­heit X Nein Ja
an wel­cher
Wa­ren Sie in den letz­ten 12 Mo­na­ten krank Nein X Ja Schul­ter­band-OP 6 Mo­na­te Schul­ter­band­a­b­riss 3fach
Sind Sie Kriegs-/Schwer-/Un­fall­be­hin­dert X Nein Ja
Sind Sie in der Ausübung ih­rer be­rufl.Tätig­keit in ir­gend­ei­ner Form be­hin­dert X Nein Ja
Be­fin­den Sie sich in ei­nem Er­mitt­lungs­ver­fah­ren X Nein Ja
Sind Sie vor­be­straft (außer Ver­kehrs­de­lik­te) X Nein Ja
Wa­ren Sie schon ein­mal bei uns X Nein Ja

Es ist mir be­kannt, dass un­wah­re An­ga­ben zur Lösung ei­nes mögli­chen späte­ren Ar­beits­verhält­nis­ses führen können. Dies ist kein Ar­beits­ver­trag

Als der Kläger sich am 08.11.2009 auf dem Weg zu sei­ner Ein­satz­stel­le bei der Fa. M. be­fand, rutsch­te er beim Aus­stei­gen aus dem ICE auf dem Bahn­steig aus und fiel hin. Da­bei schlug ei­nes sei­ner Gepäckstücke seit­lich auf das Knie, das er sich im Jahr 2005 ver­letzt hat­te. Der Kläger war we­gen die­ses We­ge­un­falls vom 08.11.2009 bis 29.11.2009 ar­beits­unfähig krank ge­schrie­ben.

Vom 30.11.2009 bis 04.12.2009 setz­te die Be­klag­te den Kläger er­neut bei der Fa. M. und ab 07.12.2009 bei der Fa. F. ein, wo der Kläger am 18.12.2009 -wie re­gelmäßig frei­tags- 5 St­un­den ar­bei­te­te. Am 21.12.2009 muss­te der Kläger sei­ne Ar­beit auf ei­ner Bau­stel­le der Fa. F. im Lau­fe des Ta­ges we­gen Schmer­zen im ope­rier­ten Knie ein­stel­len. So­wohl im Büro der Fa. F. als auch der Per­so­nal­dis­po­nen­tin der Be­klag­ten, Frau L., teil­te der Kläger in Te­le­fo­na­ten am 21.12.2009 mit, dass er we­gen star­ker Knie­schmer­zen ins Kran­ken­haus ge­fah­ren wor­den sei und dass es sich vor­aus­sicht­lich um ei­nen Kreuz­band­riss han­de­le.

Mit Schrei­ben vom 21.12.2009 (Bl. 147 d.A.), dem Kläger am 22.12.2009 per Ein­wur­fein­schrei­ben zu­ge­stellt, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers „mit der ver­ein­bar­ten Kündi­gungs­frist in­ner­halb der Pro­be­zeit laut un­se­rem Ar­beits­ver­trag frist­ge­recht zum 30.12.2009, er­satz­wei­se zum nächstmögli­chen Ter­min“. Mit wei­te­rem Schrei­ben vom 21.12.2009 (Bl. 135 d.A.) bat die Per­so­nal­dis­po­nen­tin L. den Kläger um Un­ter­zeich­nung und Rück­sen­dung ei­nes bei­gefügten, von der Ar­beit­ge­ber­sei­te nicht un­ter­zeich­ne­ten Ar­beits­ver­trags­for­mu­lars (Bl. 136 - 144 d.A.), das ein zum 01.03.2010 zu be­gründen­des Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit im We­sent­li­chen -außer des Weg­falls ei­ner ab dem 7. Beschäfti­gungs-mo­nat zum Tra­gen kom­men­den Erhöhung der Auslösung um 50 Cent pro St­un­de- den bis­he­ri­gen ver­trag­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen zum Ge­gen­stand hat­te.

Die Be­klag­te zahl­te dem Kläger für den Mo­nat De­zem­ber 2009 ei­nen Vor­schuss in Höhe von 600,00 EUR net­to und führ­te für ihn So­zi­al­ver­si­che­rungs­ab­ga­ben in Höhe 276,02 EUR ab. Wei­te­re Zah­lun­gen für den Mo­nat De­zem­ber 2009 er­folg­ten nicht. Der Kläger griff die Kündi­gung vom 21.12.2009 nicht ge­richt­lich an. Er schick­te das ihm über­sand­te Ar­beits­ver­trags­for­mu­lar im Hin­blick auf die bei ihm seit 21.12.2009 bis je­den­falls 16.02.2011 durch­ge­hend be­ste­hen­de Ar­beits­unfähig­keit nicht un­ter­schrie­ben an die Be­klag­te zurück.

Am 15.02.2010 er­hob er ge­gen die Be­klag­te beim Ar­beits­ge­richt Kas­sel Kla­ge zunächst mit dem An­trag, an ihn Vergütung für den Mo­nat De­zem­ber 2009 in Höhe von 1.134,00 EUR net­to nebst Rechtshängig­keits­zin­sen zu be­zah­len. Mit Schrei­ben vom 24.02.2010, der Be-klag­ten am sel­ben Tag per Te­le­fax und am 26.02.2010 per Post zu­ge­gan­gen, mach­te der nun­meh­ri­ge Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Klägers ge­genüber der Be­klag­ten Entschädi­gungs-ansprüche nach dem AGG gel­tend.

Mit Be­schluss vom 04.03.2010 (Bl. 9 d.A.) hat das Ar­beits­ge­richt Kas­sel den Rechts­streit an das Ar­beits­ge­richt Stutt­gart ver­wie­sen. Mit Schrift­satz vom 16.03.2010, bei Ge­richt am 22.03.2010 ein­ge­gan­gen, hat der Kläger sei­ne Kla­ge um ei­nen An­spruch auf bil­li­ge Entschä-di­gung in Geld nach § 15 AGG er­wei­tert und als an­ge­mes­se­ne Entschädi­gungs­sum­me ei­nen Be­trag von 10.000,00 EUR ge­nannt.

Der Kläger trägt vor:
Bei ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 35 St­un­den und ei­nem St­un­den­lohn von 8,00 EUR ste­he ihm für den Mo­nat De­zem­ber 2009 ein Ent­gelt von 1.288,00 EUR zu. Zusätz­lich könne er nach § 7 des Ar­beits­ver­trags Fahrt­geld in Höhe von 171,44 EUR und Auslöse in Höhe von 806,25 EUR ver­lan­gen.

Mit An­trag Zif­fer 1 würden gel­tend ge­macht: 1.079,68 EUR + 171,44 EUR + 806,25 EUR abzüglich des ge­leis­te­ten Vor­schus­ses in Höhe von 600,00 EUR = 1.457,37 EUR brut­to.

Er er­hal­te -wie be­reits dar­ge­legt- mo­nat­lich 1.079,68 EUR. Für die Mo­na­te Ja­nu­ar und Feb-ru­ar 2010 sei ihm auf­grund der ihn we­gen sei­ner Be­hin­de­rung dis­kri­mi­nie­ren­den Kündi­gung ein Lohn­an­spruch in Höhe von 2.159,36 EUR brut­to ent­gan­gen.

Fer­ner ste­he ihm des­halb ei­ne Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Er ha­be be­reits bei sei­ner Ein­stel­lung auf sei­nen Knie­scha­den hin­ge­wie­sen. Sei­ne Knie­ver­let­zung stel­le sich als Be­hin­de­rung im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 und auch des en­ge­ren Be­hin­de­rungs­be­griffs in § 2 Abs. 1 SGB IX dar. Die Be­klag­te ha­be ihn in un­mit­tel­ba­rem zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit ih­rer Kennt­nis­nah­me von der Ope­ra­ti­ons­bedürf­tig­keit und in der An­nah­me, dass die Ver­let­zung nicht nur von kur­zer Dau­er sein wer­de, gekündigt. Die Kündi­gung sei zu­min­dest auch we­gen sei­ner Be­hin­de­rung er­folgt. Der Geschäftsführer der Be­klag­ten sei in der Ver­gan­gen-heit be­reits mehr­fach durch be­hin­der­te Men­schen dis­kri­mi­nie­ren­de und er­nied­ri­gen­de Maßnah­men auf­ge­fal­len. We­gen der Ein­zel­hei­ten des Vor­trags des Klägers wird in­so­weit auf Bl. 83 f und 88 d.A. ver­wie­sen. Im Te­le­fo­nat vom 21.12.2009 ha­be er Frau L. u.a. mit­ge­teilt, dass er am 14.01.2010 ei­nen OP-Ter­min ha­be, bei dem das Knie, das be­reits ein Im­plan­tat ent­hal­te, er­neut ope­riert wer­den müsse. Frau L. ha­be die Krank­mel­dung des Klägers ent­ge­gen ge­nom­men und den Geschäftsführer der Be­klag­ten über den In­halt des Te­le­fo­nats un­ter­rich­tet, wor­auf­hin sich die­ser ihr ge­genüber sinn­gemäß wie folgt geäußert ha­be: „Am Knie hat er´s wie­der? Bei dem dau­ert ei­ne Knie­ge­schich­te be­stimmt lan­ge. Der ist doch frühes­tens im April wie­der ein­satzfähig. So­lan­ge zahl ich den aber nicht. Dem schi­cken wir ei­ne Kündi­gung. Er kann sich im April noch­mal mel­den. Schi­cken Sie ei­nen neu­en Ar­beits­ver­trag mit. Ich re­de gleich noch mit der Buch­hal­tung“.
Der in al­len mögli­chen For­men nach Be­hin­de­run­gen und körper­li­chen und ge­sund­heit­li­chen Ein­schränkun­gen fra­gen­de Be­wer­bungs­bo­gen stel­le ein In­diz für ei­ne Be­nach­tei­li­gung von Be­hin­der­ten dar.

Die 2-Mo­nats­frist des § 15 Abs. 4 AGG sei ge­wahrt. Er ha­be frühes­tens am 25.12.2009 Kennt­nis von der Kündi­gung er­langt. Ein frühe­rer Zu­gang durch Ein­wurf in sei­nen Brief­kas­ten sei un­er­heb­lich, weil die po­si­ti­ve Kennt­nis von der Be­nach­tei­li­gung maßgeb­lich sei. Die Aus­schluss­frist nach § 15 Abs. 4 AGG be­tref­fe im Übri­gen nur Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG, er könne sei­nen An­spruch aber auch auf § 823 Abs. 2 BGB in Ver­bin­dung mit § 7 AGG stützen, da § 7 AGG ein Schutz­ge­setz im Sin­ne des § 823 Abs. 2 BGB sei. Po­si­ti­ve Kennt­nis vom Be­weg­grund für die Kündi­gung ha­be er erst in ei­nem nach Durchführung des Güte­ter-mins im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren geführ­ten Te­le­fo­nat mit Frau L. am 14.04.2010 er­langt, vor­her ha­be al­len­falls ei­ne dies­bezügli­che Ver­mu­tung be­stan­den. Als an­ge­mes­se­ne und ab­schre­cken­de Sank­ti­on sei ei­ne Entschädi­gungs­zah­lung von 10.000,00 EUR an­zu­se­hen.

 

Der Kläger be­an­tragt:

1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 1.457,37 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus seit dem 05.01.2010 zu be­zah­len.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 2.159,36 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus auf 1.079,68 EUR seit dem 04.02.2010 und auf wei­te­re 1.079,68 EUR seit dem 04.03.2010 zu be­zah­len.

3. Die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger ei­ne bil­li­ge Entschädi­gung in Geld zu be­zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie trägt vor:
Der Kläger ha­be an 14 Ta­gen im De­zem­ber 2009 ins­ge­samt 128,75 St­un­den ge­ar­bei­tet. Ihm ste­he ei­ne An­fahrts­pau­scha­le in der gel­tend ge­mach­ten Höhe von 171,44 EUR zu, al­ler­dings kein Auslöse­an­spruch.

Sie ha­be das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger in der Pro­be­zeit kündi­gen müssen, da sie für die­sen über­ra­schend ab Ja­nu­ar 2010 kei­ne Beschäfti­gung mehr ge­habt ha­be. Hätte sich der Kläger nicht mehr in der Pro­be­zeit be­fun­den, wäre ihm aus be­triebs­be­ding­ten Gründen gekündigt wor­den. Die Auf­trags­la­ge der Be­klag­ten ha­be sich zur da­ma­li­gen Zeit er­heb­lich ver­schlech­tert ge­habt. Da sie mit dem Kläger grundsätz­lich zu­frie­den ge­we­sen sei, ha­be man ihm die Wie­der­ein­stel­lung zum 01.03.2010 an­ge­bo­ten. Dies zei­ge, dass die Kündi­gung nicht im Zu­sam­men­hang mit der Per­son des Klägers ge­stan­den ha­be, son­dern le­dig­lich we­gen be­trieb­li­cher Gründe er­folgt sei. An­lass der Kündi­gung sei nicht die Er­kran­kung des Klägers ge­we­sen. Selbst wenn -was wei­ter­hin be­strit­ten wer­de- die Kündi­gung im Zu­sam­men­hang mit der Krank­heit des Klägers ge­stan­den hätte, lie­ge kei­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des AGG vor. Dem Geschäftsführer der Be­klag­ten als ju­ris­ti­schem Lai­en sei im Zeit­punkt des Aus­spruchs der Kündi­gung nicht be­kannt ge­we­sen, dass es sich beim Krank­heits­bild des Klägers um ei­ne Be­hin­de­rung im Sin­ne des AGG han­deln könn­te.

Im Kam­mer­ter­min vom 15.09.2010 hat die Be­klag­te vor­ge­tra­gen:
Die Fa. F. ha­be den Ein­satz des Klägers zum 18.12.2009 be­en­det. Die Fa. F. ha­be sich über die schlech­te Ar­beits­leis­tung des Klägers be­schwert.

Die Vor­schrif­ten des AGG sei­en auf die Kündi­gung vom 21.12.2009 nicht an­wend­bar, viel­mehr hätte der Kläger ge­gen die Kündi­gung Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­he­ben müssen. Es wer­de be­strit­ten, dass der Kläger erst ei­ni­ge Ta­ge nach de­ren Zu­gang von der Kündi­gung Kennt­nis er­langt ha­be.

Aus­weis­lich der Ein­tra­gun­gen im Be­wer­bungs­bo­gen ha­be der Kläger bei der Ein­stel­lung nicht auf sei­ne Knie­be­schwer­den hin­ge­wie­sen. Mo­ti­va­ti­on der Fra­ge­stel­lun­gen im Be­wer­bungs­bo­gen sei le­dig­lich fest­zu­stel­len, ob der po­ten­ti­el­le Mit­ar­bei­ter den An­for­de­run­gen der Ar­beitstätig­keit ge­wach­sen sei. Es ste­he dem Ar­beit­ge­ber frei, Fra­gen al­ler Art in ei­nem Ein­stel­lungs­fra­ge­bo­gen zu for­mu­lie­ren. Ob die­se Fra­gen zulässig sei­en oder nicht, ste­he auf ei­nem an­de­ren Blatt. Bei ein­zel­nen un­zulässi­gen Fra­gen ste­he es dem Ar­beit­neh­mer frei, auf die­se nicht oder un­wahr zu ant­wor­ten, wo­durch der Ar­beit­neh­mer hin­rei­chend geschützt sei. Ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen Be­nach­tei­li­gung hätte der Kläger al­len­falls gel­tend ma­chen können, wenn er auf dem Be­wer­bungs­bo­gen ei­ne Be­hin­de­rung an­ge­ge­ben hätte und die Be­klag­te ihn al­lein auf­grund die­ser der Ar­beitstätig­keit nicht ent­ge­gen­ste­hen­den Be­hin­de­rung nicht ein­ge­stellt hätte. Es sei auch zu berück­sich­ti­gen, dass sie dem Kläger mit der Kündi­gung ein neu­es Ver­trags­an­ge­bot un­ter­brei­tet ha­be.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen und die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten vom 12.04.2010, 15.09.2010 und 16.02.2011 ver­wie­sen.

Das Ge­richt hat Be­weis er­ho­ben durch die un­eid­li­che Ver­neh­mung der Zeu­gin S. L.. We­gen des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me wird auf Bl. 172 d.A. Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

A

Die Kla­ge hat teil­wei­se Er­folg. Sie ist hin­sicht­lich des Kla­ge­an­trags Zif­fer 1 un­zulässig (da­zu un­ter A I. der Ent­schei­dungs­gründe), hin­sicht­lich des Kla­ge­an­trags Zif­fer 2 zulässig, aber un­be­gründet (da­zu un­ter A II. der Ent­schei­dungs­gründe) und hin­sicht­lich des Kla­ge­an­trags Zif­fer 3 zulässig und teil­wei­se be­gründet (da­zu un­ter A III. der Ent­schei­dungs­gründe).

I.

An­trag Zif­fer 1:
Hin­sicht­lich An­trag Zif­fer 1 ist der Streit­ge­gen­stand nicht hin­rei­chend be­stimmt im Sin­ne des § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO, was in­so­weit zur Un­zulässig­keit der Kla­ge führt. Der Kläger hat drei Ein­zel­po­si­tio­nen, die je­weils un­ter­schied­li­che Streit­ge­genstände be­tref­fen, zu­sam­men ge­rech­net, nämlich Fahrt­geld in Höhe von 171,44 EUR, Auslöse in Höhe von 806,25 EUR und 1.079,68 EUR, die wahr­schein­lich als Vergütung für De­zem­ber 2009 ge­zahlt wer­den sol­len, und vom Ge­samt­be­trag den ge­zahl­ten Vor­schuss in Höhe von 600,00 EUR ab­ge­zo­gen. Da­mit ist nicht mehr er­sicht­lich, worüber das Ge­richt ent­schei­den soll. Der Kläger hat nicht vor­ge­tra­gen, wie sich der Be­trag aus 1.079,68 EUR er­rech­net, al­so aus wel­chem Rechts­grund (z.B. ge­leis­te­te Ar­beit, An­nah­me­ver­zug, Fei­er­tags­vergütung, Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall) Zah­lun­gen für wel­chen Zeit­raum in wel­cher Höhe ver­langt wer­den. Der Vor­trag steht auch im Wi­der­spruch zu den sons­ti­gen, al­ler­dings auch nicht näher sub­stan­ti­ier­ten Dar­le­gun­gen des Klägers, wo­nach er für De­zem­ber 2009 Ent­gelt in Höhe von 1.288,00 EUR brut­to be­an­spru­chen könne. Wei­ter­hin schei­nen auch Brut­to- und Net­to­beträge ver­mischt wor­den zu sein. Auf die Man­gel­haf­tig­keit der Dar­le­gun­gen hat das Ge­richt mit Verfügung vom 10.03.2010, 04.05.2010 und 03.01.2011 hin­ge­wie­sen. Die­se hat der Kläger un­be­ach­tet ge­las­sen, wes­halb die Kla­ge als un­zulässig ab­zu­wei­sen war (vgl. BAG, 21.03.1978 -1 AZR 11/76- BA­GE 30, 189; BGH, 27.10.1999 -VIII ZR 184/98- NJW 2000, 958; LAG Ba­den-Würt­tem­berg, 29.06.1995 -6 Sa 27/95- LNR 1995, 28197).

II.

An­trag Zif­fer 2:
Die Kla­ge ist in­so­weit zulässig, aber un­be­gründet.

1. Die Kam­mer hat An­trag Zif­fer 2 so ver­stan­den, dass der Kläger hier­mit ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG gel­tend macht, den er der Höhe nach mit ent­gan­ge­ner Vergütung für die Mo­na­te Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 2010 in Höhe von je­weils 1.079,68 EUR be­zif­fert. Der Kla­ge­ge­gen­stand ist da­mit hin­rei­chend be­stimmt.

2. Die Kla­ge ist in­so­weit aber un­schlüssig und da­mit un­be­gründet.

Grundsätz­lich um­fasst der Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 15 Abs. 1 AGG, für den die §§ 249 ff BGB gel­ten, nach § 252 BGB auch den ent­gan­ge­nen Ge­winn und mit­hin das ent­gan­ge­ne Ar­beits­ent­gelt (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412). Es ist aber nicht er­sicht­lich, aus wel­chem Rechts­grund dem Kläger für den Fall des Fort­be­stands des Ar­beits­verhält­nis­ses für die Mo­na­te Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 2010 Zah­lungs­ansprüche in wel­cher Höhe zu­ge­stan­den hätten. Der Kläger hat trotz des ge­richt­li­chen Hin­wei­ses in der Verfügung vom 03.11.2010, in der auch dar­auf hin­ge­wie­sen wur­de, dass Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall nur bis zum -mit­zu­tei­len­den- En­de des Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­raums ge­schul­det würde, kei­ne wei­te­ren Ausführun­gen zur An­spruchs­be­gründung ge­macht.

III.

An­trag Zif­fer 3:

1. Der An­trag ist zulässig. Der Kläger hat ei­ne bil­li­ge Entschädi­gung in Geld ver­langt und als an­ge­mes­se­nen Be­trag 10.000,00 EUR an­ge­ge­ben. Dies ist für die hin­rei­chen­de Be­stimmt­heit des Kla­ge­an­trags aus­rei­chend, wenn die Be­stim­mung der Höhe des An­spruchs wie hier von bil­li­gem Er­mes­sen oder ei­ner ge­richt­li­chen Schätzung abhängt (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG, Nr. 4; 24.04.2008 -8 AZR 257/07- AP Nr. 2 zu § 33 AGG = EzA 611a BGB 2002, Nr. 6; 15.02.2005 -9 AZR 635/03- BA­GE 113, 361).

2. Der An­trag ist auch teil­wei­se be­gründet. Dem Kläger war gemäß § 15 Abs. 2 AGG ei­ne bil­li­ge Entschädi­gung in Höhe von 2.500,00 EUR zu­zu­spre­chen, weil ihn die Be­klag­te durch ih­re Kündi­gung vom 21.12.2009 un­zulässi­ger­wei­se we­gen sei­ner Be­hin­de­rung be­nach­tei­ligt hat.

a) Der sach­li­che An­wen­dungs­be­reich des Entschädi­gungs­an­spruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist eröff­net. § 2 Abs. 4 AGG, der sei­nem Wort­laut nach be­stimmt, dass für Kündi­gun­gen aus­sch­ließlich die Be­stim­mun­gen zum all­ge­mei­nen und be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz gel­ten, steht dem Entschädi­gungs­an­spruch des Klägers nicht ent­ge­gen, auch wenn die­ser sei­nen An­spruch dar­auf stützt, dass ihn die Kündi­gung der Be­klag-ten vom 21.12.2009 we­gen sei­ner Be­hin­de­rung be­nach­tei­ligt ha­be.

Die Kam­mer folgt der Auf­fas­sung des LAG Bre­men (29.06.2010 -1 Sa 29/10- NZA-RR 2010, 510; zu­stim­mend: Ley BB 2010, 2512), wo­nach im Fal­le ei­ner dis­kri­mi­nie­ren­den Kündi­gung ei­ne Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG auch dann ver­langt wer­den kann, wenn kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben wird. Der Ein­tritt der Fik­ti­ons­wir­kung des § 7 KSchG er­greift nicht den Dis­kri­mi­nie­rungs­vor­wurf als sol­chen (Wencke­bach AuR 2010, 499, 503). Be­reits nach dem Wort­laut des § 2 Abs. 4 AGG ist da­von aus­zu­ge­hen, dass da­mit die Über­prüfung der Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung ge­meint ist, nicht aber auf der Ver­let­zung von Persönlich­keits­rech­ten ba­sie­ren­de Entschädi­gungs­ansprüche. Auch die Ge­set­zes­ge­schich­te und der Zweck des AGG, die eu­ropäischen An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­richt­li­ni­en um­zu­set­zen, spre­chen für die­se Auf­fas­sung (vgl. i.E.: LAG Bre­men, 29.06.2010 -a.a.O.-; zu­stim­mend: Wencke­bach AuR 2010, 499, 502; an­de­rer An­sicht: LAG Köln, 01.09.2009 -7 Ta 184/09- LA­GE Nr. 10 zu § 15 AGG). Auch der 8. Se­nat des BAG scheint die­ser Auf­fas­sung zu­zu­nei­gen. Er hat die Fra­ge bis­her letzt­lich da­hin­ge­stellt sein las­sen können, aber aus­geführt, dass die An­wen­dung des § 15 Abs. 2 AGG in sol­chen Fällen je­den­falls nicht sys­tem­wid­rig er­schei­ne (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4).

b) Gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 AGG kann der Kläger we­gen ei­nes Scha­dens, der nicht Vermögens­scha­den ist, ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld ver­lan­gen.

Tat­be­stands­vor­aus­set­zung für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG ist ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit § 1 AGG. Dies stellt zwar § 15 Abs. 2 AGG nicht aus­drück­lich klar, es er­gibt sich aber aus dem Ge­samt­zu­sam­men­hang der Be­stim­mun­gen in § 15 AGG (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4; 22.01.2009 -8 AZR 906/07, AP Nr. 1 zu § 15 AGG = EzA AGG § 15 Nr. 1).

Gemäß § 7 Abs. 1 Hs. 1 AGG dürfen Beschäftig­te nicht we­gen ei­nes der in § 1 AGG ge­nann­ten Merk­ma­le be­nach­tei­ligt wer­den. § 7 Abs. 1 AGG knüpft an die in § 1 AGG an­geführ­ten Merk­ma­le an. Der Kläger be­ruft sich auf das Merk­mal der Be­hin­de­rung.

Da für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG die we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des er­folgt sein muss, ist ein Kau­sal­zu­sam­men­hang er­for­der­lich. Die­ser ist dann ge­ge­ben, wenn die Be­nach­tei­li­gung an ei­nen in § 1 AGG ge­nann­ten oder meh­re­re der in § 1 AGG auf­geführ­ten Gründe an­knüpft und da­durch mo­ti­viert ist. Aus­rei­chend ist, wenn das ver­bo­te­ne Merk­mal Teil ei­nes Mo­tivbündels ist (BAG, 17.12.2009 -8 AZR 670/08- AP Nr. 2 zu § 7 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 6; 24.04.2008 -8 AZR 257/07- AP Nr. 2 zu § 33 AGG = EzA § 611a BGB 2002 Nr. 6). Auf ein schuld­haf­tes Han­deln oder gar ei­ne Be­nach­tei­li­gungs­ab­sicht kommt es nicht an (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412).

Hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen Nach­teil und dem verpönten Merk­mal ist in § 22 AGG ei­ne Be­weis­last­re­ge­lung ge­trof­fen, die sich auch auf die Dar­le­gungs­last aus­wirkt. Der Beschäftig­te genügt da­nach sei­ner Dar­le­gungs­last, wenn er In­di­zi­en vorträgt, die sei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes ver­bo­te­nen Merk­mals ver­mu­ten las­sen. Dies ist der Fall, wenn die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen aus ob­jek­ti­ver Sicht mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit dar­auf schließen las­sen, dass die Be­nach­tei­li­gung we­gen die­ses Merk­mals er­folgt ist. Durch die Ver­wen­dung der Wörter „In­di­zi­en“ und „ver­mu­ten“ bringt das Ge­setz zum Aus­druck, dass es hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen ei-nem der in § 1 AGG ge­nann­ten Gründe und ei­ner ungüns­ti­ge­ren Be­hand­lung genügt, Hilfs­tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, die zwar nicht zwin­gend den Schluss auf die Kau­sa­lität zu­las­sen, die aber die An­nah­me recht­fer­ti­gen, dass die Kau­sa­lität ge­ge­ben ist (BAG, 20.05.2010 -8 AZR 287/08 (A)- NZA 2010, 1006). Liegt ei­ne Ver­mu­tung für die Be­nach­tei­li­gung vor, trägt nach § 22 AGG die an­de­re Par­tei die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gun­gen vor­ge­le­gen hat (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412; LAG Nie­der­sach­sen, 12.03.2010 -10 Sa 583/09- LA­GE Nr. 11 zu § 15 AGG).

c) Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen ist ein Entschädi­gungs­an­spruch des Klägers ge­ge­ben.

aa) Der Kläger be­ruft sich dar­auf, dass die Be­klag­te ihn we­gen sei­ner Be­hin­de­rung gekündigt ha­be.

Nach der Ge­set­zes­be­gründung ent­spricht der Be­griff der Be­hin­de­rung des AGG den so­zi­al­recht­lich ent­wi­ckel­ten De­fi­ni­tio­nen nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX und § 3 BGG. Da­nach sind Men­schen be­hin­dert, wenn de­ren körper­li­che Funk­ti­on, geis­ti­ge Fähig­keit oder see­li­sche Ge­sund­heit mit ho­her Wahr­schein­lich­keit länger als 6 Mo­na­te von dem für das Le­bens­al­ter ty­pi­schen Zu­stand ab­weicht und da­her ih­re Teil­ha­be am Le­ben in der Ge­sell­schaft be­ein­träch­tigt ist (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG, Nr. 4). Da­bei ist der Be­griff der Be­hin­de­rung im Sin­ne des AGG nicht an ei­nen be­stimm­ten Grad der Be­hin­de­rung ge­knüpft. Der Be­griff er­fasst al­le Funk­ti­onsstörun­gen, die ein Hin­der­nis für die Teil­ha­be der be­tref­fen­den Per­son am Be­rufs­le­ben bil­den (LAG Ba­den-Würt­tem­berg, 06.09.2010 -4 Sa 18/10- ju­ris).

bb) Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob der Kläger zum Zeit­punkt des Kündi­gungs­zu-gangs am 22.12.2009 we­gen sei­ner Kreuz­band­ver­let­zung und der da­durch her-vor­ge­ru­fe­nen Be­ein­träch­ti­gung als be­hin­dert im Sin­ne die­ser De­fi­ni­ti­on an­zu­se­hen war. Es genügt, dass der Geschäftsführer der Be­klag­ten, auf des­sen Ver­an­las-sung die Kündi­gung des Klägers er­folg­te, vom Vor­lie­gen ei­ner Be­hin­de­rung beim Kläger aus­ging. Ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit § 1 AGG liegt auch dann vor, wenn die Per­son, die die Be­nach­tei-li­gung be­geht, das Vor­lie­gen ei­nes Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­mals nur an­nimmt. § 7 Abs. 1 S. 1 AGG ver­bie­tet auch den „Ver­such am un­taug­li­chen Ob­jekt“. Macht sich der Be­nach­tei­li­gen­de Vor­stel­lun­gen über das Vor­lie­gen ei­nes Be­nach­tei­li-gungs­grun­des, kann dies genügen, um den Entschädi­gungs­an­spruch aus­zulösen (BAG, 17.12.2009 -8 AZR 670/08- AP Nr. 2 zu § 7 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 6).

Nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der Geschäftsführer der Be­klag­ten das Vor­lie­gen ei­ner Be­hin­de­rung beim Kläger an­nahm, als er des­sen Kündi­gung an­ord­ne­te. Nach der Aus­sa­ge der Zeu­gin L., an de­ren Wahr­heits­gemäßheit kein An­lass zu Zwei­feln be­steht und auch von der Be­klag­ten nicht gel­tend ge­macht wer­den, gab Frau L. am 21.12.2009 an den Geschäftsführer der Be­klag­ten das wei­ter, was ihr der Kläger te­le­fo­nisch mit­ge­teilt hat­te, nämlich dass er er­neut we­gen des im No­vem­ber 2009 er­lit­te­nen We­ge­un­falls, der wie­der­um auf dem Kreuz­band­riss aus dem Jahr 2005 be­ruh­te, ar­beits­unfähig er­krankt sei und ein OP-Ter­min im Ja­nu­ar 2010 be­vor­ste­he. Der Geschäftsführer der Be­klag­ten äußer­te dann, dass dies beim Kläger si­cher­lich ei­ne lan­ge Ge­schich­te sei und noch drei bis vier Mo­na­te dau­ern wer­de. Der Geschäftsführer wuss­te von Frau L., dass der Kläger im Jahr 2005 an ei­nem Kreuz­band­riss ope­riert wor­den war, we­gen des­sel­ben Lei­dens schon im No­vem­ber 2009 drei Wo­chen ar­beits­unfähig er­krankt war und jetzt wie­der­um für -so sei­ne Pro­gno­se- zu­min­dest drei bis vier Mo­na­te aus­fal­len würde. Tatsächlich ist der Kläger seit De­zem­ber 2009 und so­mit in­zwi­schen über ein Jahr durch­ge­hend ar­beits­unfähig. Da­mit ging der Geschäftsführer der Be­klag­ten da­von aus, dass der Kläger we­gen ei­nes körper­li­chen Lei­dens schon länge­re Zeit aus­ge­fal­len war und nun­mehr wie­der­um länge­re Zeit aus­fal­len würde. Nach na­tio­na­lem wie nach eu­ro­pa­recht­li­chem Verständ­nis muss die ei­nen Krank­heits­wert über­schrei­ten­de Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung samt der da­mit ver­bun­de­nen Teil­ha­be­de­fi­zi­te am Ge­sell­schafts- bzw. Be­rufs­le­ben von ei­ner ge­wis­sen Dau­er sein (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4). Die Kam­mer geht wei­ter­hin da­von aus, dass dem Geschäftsführer be­wusst war, dass die er­heb­li­chen Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten des Klägers und die aus ei­nem Knie­lei­den im Be­rufs­feld des Klägers als Gas- und Was­ser­in­stal­la­teur zwangsläufig re­sul­tie­ren­den Ein­schränkun­gen bei knie­en­den Tätig­kei­ten ge­eig­net wa­ren, die Ver­mitt­lungs­chan­cen des Klägers auf dem Ar­beits­markt, vor al­lem in der Zeit­ar­beits­bran­che, zu ver­min­dern. Un­er­heb­lich ist, ob dem Geschäftsführer die De­fi­ni­ti­on des Be­hin­de­rungs­be­griffs nach dem AGG geläufig war oder nicht. Je­den­falls im Rah­men ei­ner Par­al­lel­wer­tung in der Lai­en­sphäre war für den Geschäftsführer er­kenn­bar, dass der Kläger als be­hin­dert ein­zu­stu­fen ist.

cc) Der Kläger hat zwei In­di­zi­en vor­ge­tra­gen und be­wie­sen, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen sei­ner Be­hin­de­rung ver­mu­ten las­sen.

(a) Sämt­li­che sie­ben im Be­wer­bungs­bo­gen der Be­klag­ten ver­wen­de­ten Fra­gen zum Ge­sund­heits­zu­stand und zum Vor­lie­gen ei­ner Be­hin­de­rung sind un­zulässig. Dem Ar­beit­ge­ber wird ein Fra­ge­recht nur in­so­weit zu­ge­stan­den, als er ein be­rech­tig­tes, bil­li­gens­wer­tes und schutzwürdi­ges In­ter­es­se an der Be­ant­wor­tung sei­ner Fra­ge für das Ar­beits­verhält­nis hat. Die­ses In­ter­es­se muss ob­jek­tiv so stark sein, dass da­hin­ter das In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers am Schutz sei­nes Persönlich­keits­rechts und an der Un­ver­letz­bar­keit sei­ner In­di­vi­du­al­sphäre zurück­tre­ten muss. Dem­ent­spre­chend rich­tet sich der Um­fang des Fra­ge­rechts des Ar­beit­ge­bers hin­sicht­lich be­ste­hen­der Krank­hei­ten da-nach, ob die­se im Zu­sam­men­hang mit dem ein­zu­ge­hen­den Ar­beits­verhält­nis ste­hen (BAG 07.06.1984 - 2 AZR 270/83 - AP Nr. 26 zu § 123 BGB = EzA § 123 BGB Nr. 24). Hier­bei sind stren­ge Maßstäbe an­zu­le­gen. Zulässig sind Fra­gen nach ei­ner schwe­ren oder chro­ni­schen Er­kran­kung, die Ein­fluss auf die vor­ge­se­he­ne Ar­beits­leis­tung ha­ben kann (Kitt­ner/Zwan­zi­ger-Be­cker, Ar-beits­recht 3. Aufl., § 29 Rd­Nr. 46). Da­mit sind die Fra­gen nach ir­gend­ei­ner chro­ni­schen Krank­heit und den Krank­hei­ten der letz­ten 12 Mo­na­te un­zulässig, eben­so die nach ei­ner be­an­trag­ten (al­so mögli­cher­wei­se nicht be­wil­lig-ten) Kur (BAG a.a.O.; Kitt­ner/Zwan­zi­ger-Be­cker a.a.O.; MüArbR/Buch­ner, 3. Aufl., § 30 Rd­Nr. 283 f.). Es liegt auf der Hand, dass der Ar­beit­ge­ber bei­spiels­wei­se kein schützens­wer­tes In­ter­es­se hat zu er­fah­ren, ob und ggfs. wor­an sein Ar­beit­neh­mer in den letz­ten 12 Mo­na­ten er­krankt war. Glei­ches gilt für die Kriegs- oder Un­fall­be­hin­de­rung (vgl. BAG 05.10.1995 - 2 AZR 923/94 - BA­GE 81, 120). Die ein­zi­ge Fra­ge, die in Rich­tung ei­nes schützens­wer­ten Ar­beit­ge­ber­in­ter­es­ses zielt, ist die, ob der Ar­beit­neh­mer in der Ausübung sei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit in ir­gend­ei­ner Form be­hin­dert sei. Auch die­se Fra­ge ist je­doch zu weit ge­fasst, so­weit sie auch vorüber­ge­hen­de und ge­ringfügi­ge Be­ein­träch­ti­gun­gen er­fasst. Auch die ganz pau­schal und da­mit tätig­keits­neu­tral nach dem Vor­lie­gen ei­ner Schwer­be­hin­de­rung ge­stell­te Fra­ge ist we­gen Ver­s­toßes ge­gen § 81 SGB IX un­zulässig (LAG Hes­sen, 24.03.2010 -6/7 Sa 1373/09- ju­ris; Mes­sing­schla­ger, NZA 2003, 301; Düwell, BB 2006, 1741, 1743; Gra­ven­horst, ju­ris­PR-ArbR 4/2011, Anm. 5). Als Ver­mu­tungs­tat­sa­chen für ei­nen Zu­sam­men­hang mit der Be­hin­de­rung kom­men al­le Pflicht­ver­let­zun­gen in Be­tracht, die der Ar­beit­ge­ber be­geht, in­dem er Vor­schrif­ten nicht be­folgt, die zur Förde­rung der Chan­cen der schwer­be­hin­der­ten Men­schen ge­schaf­fen wur­den (BAG, 17.08.2010 -9 AZR 839/08 -NJW 2011, 550); dies ist bezüglich des hier vor­lie­gen­den Ver­s­toßes ge­gen § 81 SGB IX der Fall.

Mit der For­mu­lie­rung im Be­wer­bungs­bo­gen der Be­klag­ten wird auch Druck auf dem Ar­beit­neh­mer auf­ge­baut, um ei­ne wahr­heits­gemäße Be­ant­wor­tung zu er­rei­chen. Es wird nicht et­wa dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es sich um Fra­gen han­de­le, zu de­ren Be­ant­wor­tung der Ar­beit­neh­mer nicht ver­pflich­tet sei, son­dern es er­folgt der Hin­weis, dass un­wah­re An­ga­ben zur Lösung ei­nes mögli­chen späte­ren Ar­beits­verhält­nis­ses führen könn­ten, es wird al­so -recht­lich un­zu­tref­fend- da­mit ge­droht, dass Falsch­an­ga­ben zur Kündi­gung oder An­fech­tung des Ar­beits­ver­trags be­rech­ti­gen könn­ten.

Die mas­si­ve Häufung sol­cher Fra­gen, die in un­zulässi­ger Wei­se auf die Er­lan­gung von de­tail­lier­ten In­for­ma­tio­nen über den Ge­sund­heits­zu­stand und das Vor­lie­gen ei­ner Be­hin­de­rung ab­zie­len, stellt ein In­diz dafür dar, dass die Kündi­gung vom 21.12.2009 durch die Be­hin­de­rung des Klägers, von de­ren Vor­lie­gen der Geschäftsführer am sel­ben Tag er­fah­ren hat­te -der Vor­trag des Klägers, er ha­be schon im Ein­stel­lungs­gespräch auf Knie­pro­ble­me hin-ge­wie­sen, ist un­sub­stan­ti­iert und da­mit un­be­acht­lich und im Hin­blick auf die er­folg­ten schrift­li­chen An­ga­ben im Be­wer­bungs­bo­gen auch eher fern­lie­gend-, je­den­falls mit mo­ti­viert war. Die­se In­dizwir­kung wird durch den un­mit­tel­ba-ren zeit­li­chen Zu­sam­men­hang zwi­schen dem Be­kannt­wer­den der lang­wie­ri­gen Ver­let­zung des Klägers am 21.12.2009 und der post­wen­den­den Re­ak­ti­on des Geschäftsführers der Be­klag­ten, der noch am sel­ben Tag ei­ne Kündi­gung aus­stel­len ließ, die dem Kläger be­reits am Fol­ge­tag zu­ge­stellt wur­de, verstärkt. Zwar knüpft die Kündi­gungs­erklärung als sol­che als ge­stal­ten­de Wil­lens­erklärung nicht an ein Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­mal an. In­so­weit können aber et­wa die Kündi­gungs­mo­ti­va­ti­on oder die der Kündi­gungs­ent­schei­dung zu­grun­de lie­gen­den Über­le­gun­gen durch­aus An­halts­punk­te für ei­ne Re­la­ti­on der Erklärung zu ei­nem Merk­mal nach § 1 AGG sein. Auf sol­che kann aus der Kündi­gungs­be­gründung oder aus an­de­ren äußeren Umständen ge­schlos­sen wer­den (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4).

(b) Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob dies al­lein genügen würde, um ei­ne Glaub­haft­ma­chung ei­ner Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung im Sin­ne des § 22 AGG an­neh­men zu können. Im vor­lie­gen­den Fall kommt nämlich noch hin­zu, dass der Geschäftsführer zu sei­ner Per­so­nal­dis­po­nen­tin L., wie die­se glaub­haft be­kun­det hat, ge­sagt hat, „die Knie­ge­schich­te“ daue­re beim Kläger lang und so lan­ge zah­le er den Kläger nicht. Die Be­klag­te hat selbst vor­ge­tra-gen, dass die Kündi­gung des Klägers nicht krank­heits­be­dingt mo­ti­viert ge­we­sen sei. Da­mit un­ter­schei­det sich der vor­lie­gen­de Fall von der Kon­stel­la­ti­on, die dem BAG in sei­nem Ur­teil vom 22.10.2009 (8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4) zur Ent­schei­dung vor­lag. In dem vom BAG ent­schie­de­nen Fall hat­te der Ar­beit­ge­ber sich auf ei­ne krank­heits­be­ding­te Kündi­gung be­ru­fen und der Kläger konn­te für die Be­haup­tung ei­ner be­hin­de­rungs­be­ding­ten Kündi­gung kei­ne wei­te­ren Hilfs­tat­sa­chen vor­tra­gen. In­so­fern ist dem BAG zu­zu­stim­men, dass al­lein das Vor­lie­gen ei­nes Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­mals für die An­nah­me ei­nes Kau­sal­zu­sam­men­hangs mit ei­ner aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung nicht aus­reicht (eben­so: Löw BB 2010, 643; ju-ris­PR-ArbR 14/2010, Anm.: 4, St­untz). Wenn aber der Geschäftsführer der Be­klag­ten nach ei­ge­nem Be­kun­den gekündigt hat, weil er an­nahm, der Kläger wer­de länge­re Zeit er­kran­ken und er wol­le ihn so­lan­ge nicht zah­len, er da­mit aber nicht we­gen der Krank­heit des Klägers gekündigt hat, liegt na­he, dass die Kündi­gung we­gen der Be­hin­de­rung er­folgt ist.

(c) Ge­gen ei­ne durch die Be­hin­de­rung des Klägers mo­ti­vier­te Kündi­gung spricht nicht, dass dem Kläger zeit­gleich mit der Kündi­gung ein neu­er Ar­beits­ver­trags­ent­wurf über­sandt wur­de. Die­ser war von der Be­klag­ten­sei­te nicht un­ter­zeich­net und da­mit für die Be­klag­te nicht ver­bind­lich. Auch das bei­gefügte An­schrei­ben war nur von der Per­so­nal­dis­po­nen­tin L. un­ter­zeich­net und stellt recht­lich kein bin­den­des An­ge­bot auf Ab­schluss ei­nes neu­en Ar­beits­ver­trags dar. Der Be­klag­ten wäre es da­mit recht­lich im­mer noch oh­ne Wei­te­res mög-lich ge­we­sen, den Ab­schluss ei­nes neu­en Ar­beits­ver­trags zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt zu ver­wei­gern. Außer­dem würde selbst der Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt nicht zwin­gend ge­gen ei­ne Dis­kri­mi­nie­rungs­ab­sicht spre­chen, da Sinn ei­nes sol­chen Vor­ge­hens bei­spiels-wei­se sein könn­te, den Ein­tritt des Son­derkündi­gungs­schut­zes des Klägers im Hin­blick auf § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX hin­aus­zu­schie­ben.

d)
aa) Da der Kläger so­mit In­di­zi­en vor­ge­tra­gen hat, die je­den­falls in ih­rer Ge­samt­schau (zu de­ren Er­for­der­lich­keit vgl. BAG, 24.04.2008 -8 AZR 257/07- AP Nr. 2 zu § 33 AGG = EzA § 611 a BGB 2002, Nr. 6) ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen sei­ner Be­hin­de­rung ver­mu­ten las­sen, wäre es nun­mehr Sa­che der Be­klag­ten ge­we­sen, dar­zu­le­gen und ggfs. zu be­wei­sen, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen hat, sie al­so aus­sch­ließlich aus Gründen gekündigt hat, die nichts mit der Be­hin­de­rung des Klägers zu tun ha­ben (BAG, 17.08.2010 -9 AZR 839/08- NJW 2011, 550). Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten kommt es auf ei­ne Be-nach­tei­li­gungs­ab­sicht nicht an (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412).

bb) Dies ist der Be­klag­ten nicht ge­lun­gen. Ihr Vor­trag, der Kündi­gung des Klägers hätten be­triebs­be­ding­te Gründe zu­grun­de ge­le­gen, ist of­fen­sicht­lich un­wahr. Die Be­klag­te hat in­so­weit vor­ge­tra­gen, dass sie für den Kläger über­ra­schend ab Ja­nu­ar 2010 kei­ne Beschäfti­gung mehr ge­habt ha­be. Der im Kam­mer­ter­min vom 16.02.2011 persönlich an­we­sen­de Kläger hat ge­schil­dert, oh­ne dass die Be­klag­te dem wi­der­spro­chen hätte, dass er am 21.12.2009 noch bei der Fa. F. ein­ge­setzt ge­we­sen sei und sei­ne Ar­beitstätig­keit we­gen der Schmer­zen in sei­nem Knie ein­ge­stellt ha­be, wo­von er die Fa. F. noch am sel­ben Tag in­for­miert ha­be. Von ei­nem Weg­fall der Ein­satzmöglich­keit des Klägers kann je­den­falls zum Zeit­punkt der Kündi­gung kei­ne Re­de sein. Die Be­klag­te hat auch die ge­richt­li­che Auf­for­de­rung vom 03.11.2010, im Ein­zel­nen dar­zu­le­gen, wann und war­um die Ein­satzmöglich­keit des Klägers bei der Fa. F. ge­en­det hat, un­be­ant­wor­tet ge­las­sen. Ei­nen ir­gend­wie ein­leuch­ten­den Grund für die Pro­be­zeitkündi­gung (zu die­sem Er­for­der­nis: BAG, 22.04.2010 -6 AZR 828/08- ZTR 2010, 430; LAG Düssel­dorf, 29.06.2010 -1 Sa 29/10- NZA-RR 2010, 510) hat die Be­klag­te nicht ge­nannt.

e) Der Kläger hat auch die Fris­ten des § 15 Abs. 4 AGG zur schrift­li­chen und des § 61 b Abs. 1 ArbGG zur ge­richt­li­chen Gel­tend­ma­chung sei­nes Entschädi­gungs­an­spruchs ein­ge­hal­ten.

aa) Da die Be­klag­te sich dar­auf be­ruft, Ansprüche des Klägers aus § 15 Abs. 2 AGG sei­en man­gels recht­zei­ti­ger Gel­tend­ma­chung aus­ge­schlos­sen, hätte sie dar­le­gen und ggfs. be­wei­sen müssen, dass und wann die Frist zur Gel­tend­ma­chung in Lauf ge­setzt wor­den ist (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412). Sie hat nur vor­ge­tra­gen, dass das Kündi­gungs­schrei­ben dem Kläger am 22.12.2009 zu­ge­gan­gen ist. Dies ist nicht aus­rei­chend. Ent­schei­dend für den Frist­be­ginn ist nach § 15 Abs. 4 S. 2 AGG die Kennt­nis­er­lan­gung des Ar­beit­neh­mers von der be­haup­te­ten Dis­kri­mi­nie­rung. Ein frühe­rer Frist­be­ginn wäre auch mit dem eu­ro­pa­recht­li­chen Ef­fek­ti­vitäts­grund­satz nicht ver­ein­bar (EuGH, 08.07.2010 -C-246/09- NJW 2010, 2713). Für den Kläger war, wie er auch vor­ge­tra­gen hat, aus dem Kündi­gungs­schrei­ben nicht er-sicht­lich, dass die Kündi­gung durch sei­ne Be­hin­de­rung mo­ti­viert war. Da er ent­spre­chen­de Kennt­nis je­den­falls erst nach den Weih­nachts­fei­er­ta­gen er-langt hat, war die 2-Mo­nats­frist noch nicht ab­ge­lau­fen, als die Be­klag­te das Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben am 24.02.2010 per Te­le­fax und am 26.02.2010 per Post er­hielt.

bb) Die 3-Mo­nats­frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG ist durch die Er­he­bung der Kla­ge auf Entschädi­gung am 22.03.2010 un­pro­ble­ma­tisch ge­wahrt.

f) Bei der Fest­set­zung der Höhe der an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung sind al­le Umstände des Ein­zel­falls zu berück­sich­ti­gen, wie et­wa die Art und Schwe­re der Be­nach­tei­li­gung, die Fol­gen für den Kläger hin­sicht­lich sei­nes Persönlich­keits­rechts, der Grad der Ver­ant­wort­lich­keit der Be­klag­ten, der An­lass und Be­weg­grund des Han­delns der Be­klag-ten, der Sank­ti­ons­zweck und die da­mit ver­bun­de­ne ab­schre­cken­de Wir­kung (BAG, 17.08.2010 -9 AZR 839/08- NJW 2011, 550).

Im Fall des Klägers hat die Kam­mer an­spruchs­min­dernd berück­sich­tigt, dass die­ser bei Aus­spruch der Kündi­gung nur et­was über zwei Mo­na­te beschäftigt war und er seit dem 21.12.2009 durch­ge­hend ar­beits­unfähig er­krankt ist. An­de­rer­seits war zu berück­sich­ti­gen, dass we­gen der vorsätz­lich be­gan­ge­nen Dis­kri­mi­nie­rung und im Hin­blick auf den Sank­ti­ons­cha­rak­ter und die zu er­zie­len­de Ab­schre­ckungs­wir­kung ein fühl­ba­rer Entschädi­gungs­be­trag fest­ge­setzt wer­den muss­te. Da bei Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen frag­lich er­scheint, ob das er­ziel­te Ent­gelt ei­ne an­ge­mes­se­ne Re­chen­größe für ei­ne Entschädi­gung dar­stellt (vgl. Wencke­bach, AuR 2010, 499, 504), die Ober­gren­ze des § 15 Abs. 2 S. 2 AGG im vor­lie­gen­den Fall nicht greift und das Mo­nats­ein­kom­men des Klägers im Hin­blick auf die un­kla­re Re­ge­lung in § 7 sei­nes Ar­beits­ver­trags schwer er­mit­tel­bar ist, hat die Kam­mer kein Viel­fa­ches ei­nes Mo­nats­ein­kom­mens, son­dern den als ab­so­lu­ten Be­trag für an­ge­mes­sen er­ach­te­ten Wert von 2.500,00 EUR fest­ge­setzt.

B

I.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG in Ver­bin­dung mit §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO.

II.

Bei der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Ur­teil vor­zu­neh­men­den Streit­wert­fest­set­zung hat die Kam­mer für An­trag Zif­fer 3 10.000,00 EUR und für die an­de­ren Anträge den je­weils ver­lang­ten For­de­rungs­be­trag oh­ne Zin­sen an­ge­setzt.


III.

Die Zu­las­sung der Be­ru­fung für die Be­klag­te be­ruht auf § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG. Für die Be­ru­fung des Klägers ist kein ge­son­der­ter Zu­las­sungs­grund er­sicht­lich.


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