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BAG, Urteil vom 24.02.2010, 4 AZR 691/08
Schlagworte: | Bezugnahmeklausel:Dynamisch, Tarifvertrag, Betriebsübergang | |
Gericht: | Bundesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 4 AZR 691/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 24.02.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 2.4.2008 - 5 Ca 3139/07 Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.7.2008 - 3 Sa 159/08 |
|
BUNDESARBEITSGERICHT
4 AZR 691/08
3 Sa 159/08
Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
24. Februar 2010
URTEIL
Gaßmann, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,
pp.
Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Bepler, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Treber, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Winter sowie die ehrenamtlichen Richter Vorderwülbecke und Bredendiek für Recht erkannt:
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 17. Juli 2008 - 3 Sa 159/08 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Ansprüche auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel nach einem Betriebsübergang.
Die Klägerin, Mitglied der IG-Metall, ist seit dem 18. Juni 1998 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Maschinenbedienerin mit einer Wochenarbeitszeit von zuletzt 30 Stunden tätig. Das monatliche Bruttoentgelt betrug zuletzt 1.437,43 Euro Grundentgelt zuzüglich einer Prämie von 503,10 Euro brutto.
Zunächst war die Klägerin bei der in der Metallindustrie tarifgebundenen D GmbH beschäftigt. Im Arbeitsvertrag aus dem Monat Juni 1998 heißt es unter Ziffer 7.2 wie folgt:
„Sonstige Regelungen
Im übrigen gelten für das Anstellungsverhältnis die Bestimmungen der gültigen Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein in der jeweils gültigen Fassung und alle betrieblichen Regelungen, Richtlinien, Betriebsvereinbarungen der D GmbH in ihrer jeweils gültigen Fassung, sofern Sie unter deren Geltungsbereich fallen.
...“
Im Jahre 2003 ging das Arbeitsverhältnis auf die N GmbH über, die ebenfalls tarifgebunden war. Mit Wirkung vom 1. November 2005 schloss die Klägerin mit dieser aus Anlass einer Arbeitszeitreduzierung eine „Vereinbarung zum bestehenden und fortgeltenden Arbeitsvertrag“ (im Folgenden „Arbeits-
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vertragsänderung vom 1. November 2005“). Darin heißt es unter anderem: „Die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in
Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung sind Bestandteil dieser Vereinbarung.“
Die Beklagte, die mit Wirkung zum 1. Juli 2006 den Betrieb übernommen hat, ist nicht tarifgebunden.
Für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie in Schleswig-Holstein vereinbarten die Tarifvertragsparteien unter dem 7. Mai 2007 den „Lohntarifvertrag für die Metallindustrie Hamburg und Umgebung, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein“ sowie - für Betriebe nach Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) - den „Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen für die Metallindustrie Bezirk Küste“. Beide Tarifverträge sehen in § 2 eine Erhöhung der Tariflöhne bzw. Monatsgrundentgelte mit Wirkung ab 1. Juni 2007 um 4,1 % vor. Vorgesehen ist zudem die Zahlung eines Erhöhungsbetrags für die Monate April und Mai 2007 mit der Abrechnung für den Monat Mai 2007 in Höhe von 400,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung, basierend auf einer 35-Stunden-Woche, der bei Teilzeitbeschäftigung entsprechend der anteiligen Arbeitszeit zu berechnen ist.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 6. September 2007 für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 16. September 2007 Zahlung des rechnerisch unstreitigen Betrages von 623,96 Euro brutto verlangt. Er setzt sich zusammen aus der prozentualen Entgelterhöhung von 281,11 Euro brutto und der tariflichen Einmalzahlung von anteilig 342,85 Euro brutto bezogen auf eine 30-Stunden-Woche. Die Beklagte hat die Zahlung unter Hinweis auf ihre fehlende Tarifbindung verweigert, woraufhin die Klägerin am 6. Dezember 2007 Klage erhoben hat.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die in ihrem Arbeitsvertrag enthaltene Verweisungsklausel die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein dynamisch in Bezug nehme. Jedenfalls nach Abschluss der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 könne nicht von einer Gleich-stellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung die Rede sein.
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Mit dem Betriebsübergang seien die Rechte aus der arbeitsvertraglichen Verweisung unverändert dynamisch auf die Beklagte übergegangen.
Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 623,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 551,53 Euro ab dem 30. September 2007 sowie auf 42,43 Euro ab 11. Dezember 2007 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Mangels Tarifbindung schulde sie eine nach dem Betriebsübergang vereinbarte Tariflohnerhöhung nicht. Da das Arbeitsverhältnis vor dem letzten Betriebsübergang durch beiderseitige Tarifgebundenheit bestimmt gewesen sei, gelte der Tarifvertrag nach dem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch statisch weiter. Auch aufgrund der individualvertraglichen Inbezugnahme des Tarifvertrags sei sie nicht zur Zahlung verpflichtet. Wegen der damaligen beiderseitigen Tarifgebundenheit seien die im Vertrag genannten Tarifverträge nicht rechtsbegründend in Bezug genommen worden. Auf die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1998 sei im Übrigen aus Gründen des Vertrauensschutzes die Senatsrechtsprechung zur Gleichstellungsabrede anzuwenden. Die Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 enthalte nur eine Wiederholung der alten vertraglichen Klausel und sei kein „Neuvertrag“. Zudem müsse der Vertrauensschutz jedenfalls bis zum Bekanntwerden der beabsichtigten Rechtsprechungsänderung bestehen. Außerdem verstoße es gegen ihr Recht auf negative Koalitionsfreiheit, wenn sie mit Übergang des Arbeitsverhältnisses trotz fehlender Tarifgebundenheit die Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein weiterhin dynamisch anwenden müsse.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin aufgrund dynamischer Verweisung in der Änderungsvereinbarung vom 1. November 2005 auch Rechte aus den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen geltend machen kann, die erst nach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die nicht tarifgebundene Beklagte vereinbart wurden.
1. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht kraft normativer Geltung der Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein, da zwar die Klägerin, jedoch nicht die Beklagte tarifgebunden ist.
2. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus der Fortgeltung der Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein im Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die beiderseitige Tarifgebundenheit vor dem Übergang des Beschäftigungsbetriebes auf die Beklagte führt zwar dazu, dass trotz der Tarifungebundenheit der Beklagten die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein seit diesem Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB im Arbeitsverhältnis der Parteien fortgelten. Aus dieser Fortgeltung kann die Klägerin jedoch ihre Forderung nicht herleiten. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass der Regelungsgehalt der Tarifvertragsnormen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur statisch in das Arbeitsverhältnis übergeht, also mit dem tariflichen Regelungsbestand, den er zur Zeit des Betriebsübergangs hat (BAG 14. November 2007 - 4 AZR 828/06 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 613a Nr. 334 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 81). Vorliegend fand der Betriebsübergang im Juli 2006 statt. Die Forderung der Klägerin bezieht sich jedoch auf die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein vom 7. Mai 2007, die also erst nach dem Betriebsübergang abgeschlossen und deshalb nicht in das Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert worden sind.
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3. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich jedoch aus individualvertraglicher Inbezugnahme. Die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein vom 7. Mai 2007 finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zwar nicht aufgrund der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag aus dem Monat Juni 1998, jedoch aufgrund derjenigen in der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 Anwendung.
a) Die Auslegung von typischen (Formular-)Vertragsklauseln - wie denen des Arbeitsvertrages aus dem Jahre 1998 und der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 - ist der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (st. Rspr., zB BAG 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - mwN, BAGE 105, 284, 286).
b) Die Anwendbarkeit der streitgegenständlichen Vergütungsregelungen folgt allerdings nicht aus der Bezugnahmeklausel in Ziff. 7.2 des Arbeitsvertrages aus dem Jahre 1998. Diese Klausel ist als Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Senats auszulegen, weshalb tarifliche Neuregelungen nach Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite wie die vom 7. Mai 2007 von ihr nicht mit umfasst sind.
aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats waren bei entsprechender Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen (vgl. nur BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68). Dies führt bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt dieses Wegfalls anzuwenden sind. Diese Auslegungsregel wendet der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 mwN, NZA 2010, 170).
bb) Danach ist der im Jahre 1998 geschlossene Arbeitsvertrag nach der früheren Senatsrechtsprechung zu beurteilen. Die Bezugnahmeklausel in
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Ziff. 7.2 dieses Arbeitsvertrages ist als Gleichstellungsabrede zu behandeln, weil sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge verweist und der damalige Arbeitgeber, ein Rechtsvorgänger der Beklagten, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden war.
Dabei kann es dahinstehen, welche Bedeutung dem Wort „Sie“ im Satzteil „sofern Sie unter deren Geltungsbereich fallen“ zukommt, ob also, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, damit über den Vertragswortlaut hinaus nicht nur auf den tariflichen Geltungsbereich, sondern auch auf die Tarifgebundenheit der Klägerin Bezug genommen worden ist. Darauf kommt es nach der früheren, für Arbeitsverträge aus dem Jahre 1998 weiterhin maßgeblichen Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede nicht an.
c) Die Anwendbarkeit der streitgegenständlichen tarifvertraglichen Vergütungsregelungen folgt jedoch aus der Bezugnahmeklausel in der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005, die als „Neuvertrag“ nicht mehr unter die aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterzuführende Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede fällt. Diese Klausel enthält eine konstitutive Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung, die nicht von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers abhängig und für die die Tarifgebundenheit der Klägerin ohne Bedeutung ist.
aa) Die Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung im Änderungsvertrag vom 1. November 2005 unterliegt nicht der widergegebenen, vom Senat nur noch aus Gründen des Vertrauensschutzes angewendeten Auslegungsregel zur Gleichstellungsabrede.
(1) Es handelt sich bei der Vereinbarung vom 1. November 2005 um einen „Neuvertrag“ aus der Zeit ab dem 1. Januar 2002, zu dessen Inhaltsbestimmung die allgemeinen Auslegungsregeln uneingeschränkt Anwendung finden. Es kommt danach in erster Linie auf den Wortlaut der übereinstimmenden Erklärung an. Vom Wortlaut abweichende Regelungsziele oder Motive können nur dann bei der Auslegung berücksichtigt werden, wenn sie im
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Vertrag selbst oder in den Begleitumständen bei Vertragsschluss mit hin-reichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen sind (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 30 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 67 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40). Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Verweisung auf einen bestimmten Tarifvertrag wird jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, durch einen Wegfall der arbeitgeberseitigen Tarifgebundenheit nicht berührt (- „unbedingte zeitdynamische Verweisung“ -, vgl. BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 22 mwN, NZA 2010, 170; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - mwN, BAGE 122, 74). Auch wenn die Arbeitsvertragsparteien der Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers besondere Bedeutung beimessen wollen, muss dies regelmäßig im Vertragstext Niederschlag finden oder auf sonstige Weise Gegenstand der arbeitsvertraglichen Einigung geworden sein.
(2) Der Anwendung der widergegebenen allgemeinen Auslegungsregeln auf die vertragliche Abrede vom 1. November 2005 steht nicht entgegen, dass es sich hier um die Änderung eines „Altvertrages“ aus der Zeit vor dem 1. Januar 2002 handelte, in dem sich ebenfalls eine dynamische Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge fand. Bei einer Änderung eines Altvertrags nach dem 1. Januar 2002 kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgeblich sind, darauf an, ob die Klausel im Änderungsvertrag zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der hieran beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist (BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 23 bis 25, NZA 2010, 170).
Danach ist die von der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der N GmbH, vereinbarte Arbeitsvertragsänderung, was die Bezugnahmeklausel angeht, als Neuvertragsabschluss einzustufen. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt. Mit der Bezugnahme auf die „jeweilige Fassung“ der „einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein“ wird in rechtsgeschäftlicher, vertragsändernder Willensbildung durch
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einen Wortlaut, der sich von der Vorgängerregelung im Altvertrag unterscheidet und ausdrücklich eine Vertragsumstellung weg von der Rechtslage bei der ursprünglichen Arbeitgeberin, der D GmbH, vornimmt, eine eigenständige Neuregelung getroffen und nicht lediglich die ursprünglich getroffene Vereinbarung ohne eigenen Rechtsgestaltungswillen wiederholt.
(3) Entgegen der Auffassung der Revision gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der danach in einem „Neuvertrag“ im Sinne der Senatsrechtsprechung vereinbarten Bezugnahmeklausel im Falle der - tatsächlich gegebenen - Mitgliedschaft der Klägerin in der tarifschließenden Gewerkschaft um eine lediglich deklaratorische, die Rechtslage beschreibende Wissenserklärung handeln sollte. Es fehlt schon an Tatsachenvortrag dazu, dass der an der Vertragsänderung beteiligten Arbeitgeberin die Tarifgebundenheit der Klägerin bekannt war und dass diese zum Thema des Vertragsschlusses gemacht worden ist.
(4) Ebenso wenig kann aus dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel im Änderungsvertrag oder aus vorgetragenen Begleitumständen beim damaligen Vertragsschluss irgendein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass die vereinbarte dynamische Bezugnahme des Tarifrechts der Metallindustrie Schleswig-Holsteins bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite nur noch als statische Verweisung weiter gelten sollte.
Auch für die Annahme der Revision, beide Parteien seien noch im November 2005 vor dem Hintergrund, dass auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ergingen, die die bisherige Auslegung entsprechender Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede bestätigten und die Ankündigung der Rechtsprechungsänderung erst am 14. Dezember 2005 (- 4 AZR 536/04 -) erfolgte, davon ausgegangen, dass die Bezugnahme im Arbeitsvertrag nur der Gleichstellung der organisierten Arbeitnehmer mit den nichtorganisierten Arbeitnehmern diene, gibt es weder im Vertragswortlaut noch in konkret vorgetragenen Umständen bei Vertragsschluss irgendeinen Anhaltspunkt.
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bb) Der Senat hält an seiner neueren Rechtsprechung zur Auslegung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmen auf einschlägige Tarifverträge oder Tarifwerke, die zu dem vorgenannten Ergebnis führt, auch in Anbetracht der von der Revision vorgebrachten Gesichtspunkte fest. Dies hat der Senat bereits in verschiedenen Entscheidungen - in Auseinandersetzung mit der zwischenzeitlich geäußerten Kritik an dieser Rechtsprechung - ausführlich begründet (vgl. ua. 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 42 ff., Rn. 46 bis 58 mwN, BAGE 122, 74, 87 ff.; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 31 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 67 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40).
(1) Es verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip und damit gegen Art. 20 Abs. 3 GG, dass der Senat die Auslegungsregel der Gleichstellungs-abrede nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes auf alle Bezugnahmeklauseln anwendet, die in der Zeit bis zur Ankündigung der Rechtsprechungsänderung in der Entscheidung vom 14. Dezember 2005 (- 4 AZR 536/04 - BAGE 116, 326) vereinbart worden sind.
(a) Entgegen der Revision liegt hierin keine nach dem Vertrauensschutzprinzip verbotene echte Rückwirkung (vgl. hierzu etwa BVerfG 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239, 263 f.). Es wird nicht nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen. Die streitgegenständliche Klausel wurde zwar in der Vergangenheit vereinbart, das Arbeitsverhältnis, auf das sich ihre Wirkung bezieht, ist jedoch weder abgeschlossen noch abgewickelt. In die in der Vergangenheit bereits abgewickelten Teile des Arbeitsverhältnisses greift die auf die allgemeinen Grundsätze zurückgeführte Auslegungsregel nicht ein.
(b) Die Festlegung eines Stichtages, mit dem die Anwendbarkeit einer geänderten Rechtsprechung in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt wird, ist ein geeignetes Mittel, um eventuell bestehendem Vertrauen in eine gefestigte Rechtsprechung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der gegnerischen Partei Rechnung zu tragen (BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - zu B III 2 a der Gründe, NJW 2009, 1469). Die Festlegung des
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Datums des Stichtags ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht willkürlich. Vorrangig von Bedeutung für die Festlegung des Stichtags ist der vom Gesetzgeber mit der Schuldrechtsnovelle deutlich gemachte Wertewandel, wovon auch eine deutlich verstärkte Aufforderung an die Verwender von Formularverträgen ausging, das von ihnen Gewollte auch in der entsprechenden verständlichen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) Form eindeutig zum Ausdruck zu bringen (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 34, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 67 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40).
Durch die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Senats vom 19. März 2003 (- 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284) und vom 1. Dezember 2004 (- 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40) wird der Stichtag nicht in Frage gestellt. Gegenstand der Entscheidung vom 19. März 2003 war ein sog. Altvertrag aus dem Jahr 1997. Für solche Verträge wendet der Senat die Grundsätze der früheren Rechtsprechung nach wie vor an. In der Entscheidung vom 1. Dezember 2004 kam die Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede gar nicht zur Anwendung, da die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Vereinbarung der Bezugnahme auf den Tarifvertrag nicht vorlag. Beiden Entscheidungen kommt aber auch unabhängig davon bei der typisierten Interessenabwägung und bei der Beurteilung der maßgebende Faktoren für die Festlegung des Stichtags (dazu ua. BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 42 ff., Rn. 46 bis 58 mwN, BAGE 122, 74, 87 ff.; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 31 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 67 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40) keine Bedeutung zu. Das trifft auch für die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 22. März 2005 (- 1 ABR 64/03 - BAGE 114, 162) zu.
Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht mehrere von Arbeitgeberseite gegen die neuere Senatsrechtsprechung zur Gleichstellungsabrede erhobene Verfassungsbeschwerden mit dem Ziel einer Ausweitung des Vertrauensschutzes nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorlagen (BVerfG 8. Oktober 2008 - 1 BvR 946/08 und 1 BvR 947/08 -; 21. April 2009 - 1 BvR 769/09 -). Es hat
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ausgeführt, dass ein Gericht grundsätzlich von einer früheren Rechtsprechung abweichen kann und dass darin kein Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu sehen ist, wenn sich die Rechtsprechungsänderung im Rahmen einer vorhersagbaren Entwicklung hält (BVerfG 8. Oktober 2008 - 1 BvR 946/08 und 1 BvR 947/08 -).
(2) Entgegen der Auffassung der Revision führt auch die Regelung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu keinem anderen Ergebnis. Der angeführte Wert des Vertrauens in eine gefestigte Rechtsprechung ist keine „im Arbeitsrecht geltende Besonderheit“, sondern ein allgemeiner Umstand, den der Senat in seiner Rechtsprechung bei seiner Abwägung der beteiligten Interessen - unter Einbeziehung der Situation im Arbeitsrecht - bereits berücksichtigt hat (dazu BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 46 ff., BAGE 122, 74).
cc) Nach alledem ist die von der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der N GmbH, vereinbarte Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005, was die Auslegung der dort vereinbarten Bezugnahme angeht, mit dem Landesarbeitsgericht als „Neuvertrag“ einzustufen, der eine von der Tarifgebundenheit der Vertragsparteien unabhängige unbedingte zeitdynamische Verweisung auf die darin genannten Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung zum Inhalt hat und deshalb auch tarifvertragliche Regelungen zum Gegenstand des Arbeitsvertrages macht, die nach einem Ende der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite getroffen worden sind.
d) Der Betriebsübergang von der N GmbH auf die Beklagte am 1. Juli 2006 hat an dieser vertragsrechtlichen Lage nichts geändert. Die Klausel gilt auch im Arbeitsverhältnis der Parteien dynamisch. Die sich aus dieser Vertragsklausel ergebende Pflicht, die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden, gehört zu den Rechten und Pflichten, in die die Beklagte als Erwerberin des Betriebs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eingetreten ist. Dementsprechend ist sie an die Verweisungsklausel aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin mit ihrem Rechtsvorgänger unter Einbeziehung von deren Dynamik gebunden.
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Der sich von Rechts wegen und unabhängig vom „Gutdünken“ des Veräußerers und Erwerbers (vgl. ua. EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 [Celtec] - ua. Rn. 38 mwN, Slg. 2005, I-4389 und 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - Rn. 26, Slg. 2006, I-2397) nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vollziehende Eintritt des Erwerbers eines Betriebes oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse bezieht sich auf alle arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten und umfasst mithin auch solche aus Verweisungsklauseln auf einen Tarifvertrag.
§ 613a Abs. 1 BGB regelt die Rechtsfolgen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs für die davon betroffenen Arbeitsverhältnisse. Dabei ist in Satz 1 der Vorschrift allgemein geregelt, dass das Arbeitsverhältnis mit demjenigen Inhalt auf den Erwerber übergeht, den es zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs hat. Dazu gehören nicht nur die aktuell realisierten Rechte und Pflichten, sondern alle, auf die sich eine der Vertragsparteien bei unveränderter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses berufen könnte. Dabei tritt der Erwerber an die Stelle des Veräußerers und nimmt dessen Rechtsstellung ohne inhaltliche Veränderung ein (BAG 19. September 2007 - 4 AZR 711/06 - BAGE 124, 123, 127). Hiervon sind auch Rechtspositionen umfasst, die erst in der Zukunft Wirkung entfalten, etwa bereits fest vereinbarte Änderungen der Rechtslage, die zu einem späteren Zeitpunkt eintreten sollen. Soweit arbeitsvertraglich eine Dynamik bei der Anwendung in Bezug genommenen Rechts vereinbart ist, geht auch sie als solche über. Der Erwerber ist an sie gebunden wie der Veräußerer, der sich darüber mit dem Arbeitnehmer geeinigt hat. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stellt ihn bezüglich der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen so, als habe er sie selbst abgeschlossen (BAG 23. September 2009 - 4 AZR 331/08 - ZIP 2010, 748).
Dieses Ergebnis ergibt sich ebenfalls aus der Betriebsübergangsrichtlinie, derzeit in der Fassung der Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 (ABl. 2001, L 82/16), zu deren Umsetzung in das nationale Recht § 613a BGB dient, der richtlinienkonform auszulegen ist. Die Richtlinie soll die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungs-
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verhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren (vgl. ua. EuGH 10. Februar 1988 - C-324/86 [Tellerup oder „Daddy’s Dance Hall“] - Rn. 9, Slg. 1988, I-739; 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - Rn. 25, Slg. 2006, I-2397). Ziel dieser Richtlinie ist es, die am Tag des Übergangs bestehenden Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer zu wahren (EuGH 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - Rn. 29, Slg. 2006, I-2397) und damit sicherzustellen, dass der betroffene Arbeitnehmer in seinen Rechtsbeziehungen zum Erwerber in gleicher Weise geschützt ist, wie er es nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats in seinen Beziehungen zum Veräußerer war (EuGH 6. November 2003 - C-4/01 [Martin ua.] - Rn. 41, Slg. 2003, I-12859). Daraus folgt, dass eine am Tag des Übergangs bestehende individualvertragliche dynamische Inbezugnahme eines Tarifvertrages, die unabhängig von beiderseitiger Tarifgebundenheit ist, als Solche auf den Betriebserwerber übergeht. Anzunehmen, sie wandle ihren Charakter infolge des Übergangs von „dynamisch“ zu „statisch“, wäre eine Minderung der bestehenden Rechte.
e) Entgegen der Auffassung der Revision wurde die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 1. November 2005 weder durch die frühere beider-seitige Tarifgebundenheit verdrängt, noch wird sie durch eine nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierte Tarifnorm verdrängt. Eine ggf. entstehende Regelkollision ist in beiden Fällen nach dem gesetzlichen Kollisionslösungsprinzip des Günstigkeitsvergleichs gemäß § 4 Abs. 3 TVG aufzulösen.
aa) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war vor dem Betriebsübergang auf die Beklagte nicht allein durch kollektivvertragliche Regelungen bestimmt, sondern durch kollektive und individualvertragliche Regelungen. Zu letzteren gehört die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf die „gültigen Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein in der jeweils gültigen Fassung“. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht unter Bezug auf die Senatsrechtsprechung (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - BAGE 124, 34, 37) aus-geführt, dass die Wirkung einer Bezugnahmeklausel nicht dadurch berührt wird,
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dass der in Bezug genommene Tarifvertrag noch aus einem weiteren rechtlichen Grund für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend ist. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, nach § 4 Abs. 1 TVG trete eine vertragliche Inbezugnahme hinter einer normativen Geltung zurück, verkennt sie, dass eine normative Geltung und eine vertragliche Inbezugnahme als zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen nebeneinander bestehen bleiben. Eine ggf. entstandene Regelkollision war vor dem Betriebsübergang nach dem gesetzlichen Kollisionslösungsprinzip des Günstigkeitsvergleichs gemäß § 4 Abs. 3 TVG aufzulösen.
Auch wenn auf diese Weise eine der beiden Regelungen im Arbeitsverhältnis - zeitweise - keine praktische Wirkung entfaltet, so bleibt sie entgegen der Auffassung der Revision, die meint, es könne nur übergehen, was zuvor Wirkung entfaltet habe, jedoch bestehen und ist demgemäß Teil des bei einem Betriebsübergang mit übergehenden Regelungsbestands (vgl. hierzu auch BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - AP BGB § 613a Nr. 371 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110).
bb) Daran, dass die Anwendung eines Tarifvertrags auf zwei Rechtsgründen beruht, ändert sich nichts durch die Feststellung, dass einer von ihnen, nämlich die bisherige kollektive Wirkungsweise, nach dem Betriebsübergang mangels Tarifgebundenheit der Beklagten in nun „statischer“ Form in den Bestand des Arbeitsverhältnisses eingegangen ist. Prinzipiell unterliegt auch eine nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierte Tarifnorm dem Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG. Insbesondere kann den nunmehr als Inhalt des Arbeitsverhältnisses fortwirkenden früheren Tarifnormen keine größere Wirkungstiefe zukommen als unmittelbar wirkenden Tarifnormen (näher BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 27 bis 32, AP BGB § 613a Nr. 371 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110). Deshalb sind auch die nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierten Tarif¬normen nicht in der Lage, günstigere Abmachungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu verdrängen. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine im Hinblick auf § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergänzende, keine konkurrierende Regelung.
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Auch nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierte Tarifnormen treten nach § 4 Abs. 3 TVG gegenüber einzelvertraglichen Vereinbarungen, soweit diese für die jeweiligen Arbeitnehmer günstigere Bedingungen enthalten, zurück (näher BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 27 ff., aaO).
f) Durch die Anordnung des Übergangs einer mit dem Veräußerer des Betriebes arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf einen Tarifvertrag auf die Beklagte als Erwerberin dieses Betriebes wird diese entgegen der Revision nicht in ihrem Grundrecht auf - negative - Koalitionsfreiheit verletzt.
aa) Wie der Senat bereits mehrfach begründet hat, berührt die Auslegung und die Wirksamkeit der individualrechtlichen Inbezugnahme von Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung als Ausdruck privatautonomer Gestaltungsmacht weder die negative Koalitionsfreiheit dessen, der das Arbeitsverhältnis vertraglich der einschlägigen tarifvertraglichen Ordnung unterstellen wollte und dies auch durch die Zustimmung des Arbeitnehmers erreicht hat, noch diejenige der Personen, die aufgrund privatautonomer Entschließung in diese Rechtsposition eingetreten sind (BAG 23. September 2009 - 4 AZR 331/08 - Rn. 21 mwN, ZIP 2010, 748). Die negative Koalitionsfreiheit kann schon begrifflich nicht durch einen Arbeitsvertrag berührt sein (ebenso zum Verhältnis der negativen Koalitionsfreiheit zu einem Sozialplan BVerfG 23. April 1986 - 2 BvR 487/80 - AP GG Art. 2 Nr. 2).
bb) Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Einwände der Revision fest.
Ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit kommt nur dann in Betracht, wenn es um die von arbeitsvertraglichen Vereinbarungen unabhängige kollektiv-rechtliche Wirkungsweise von tariflichen Normen geht. Denn nur in diesem Bereich lässt sich die Verbindlichkeit von Rechten und Pflichten mit der Wahrnehmung von negativer oder positiver Koalitionsfreiheit begründen. Soweit bei der Begründung der Rechte und Pflichten, die bei einem Betriebsübergang auf den Erwerber übergehen, weder die Mitgliedschaft in
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einer tarifschließenden Koalition noch die Position als Tarifvertragspartei, etwa bei einem Firmentarifvertrag, eine Rolle spielen, sondern diese unmittelbar auf der Abgabe einer privatautonomen Willenserklärung gegenüber dem Arbeitsvertragspartner beruhen, kann weder die negative Koalitionsfreiheit des Veräußerers noch diejenige des Erwerbers betroffen sein. Der arbeitsvertragliche Charakter einer dynamischen Verweisung auf ein fremdes Regelwerk wird durch die Herkunft des Bezugsobjekts nicht geändert; das gilt für eine etwaige Einbeziehung des jeweiligen statistischen Lebenshaltungsindexes ebenso wie für die Einbeziehung der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung wie die der jeweiligen Fassung eines Tarifvertrages (vgl. im Einzelnen BAG 23. September 2009 - 4 AZR 331/08 - Rn. 23 bis 27 mwN, ZIP 2010, 748).
Auch in ihren Folgewirkungen bleibt dieser individualvertragliche Charakter erhalten. Anders als nach der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einem kollektivrechtlichen Inhaltsschutz mit zwingender Wirkung für ein Jahr führt, können nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangene Vereinbarungen jederzeit einvernehmlich und privatautonom abgeändert werden. Es herrscht grundsätzlich die gleiche Vertragsfreiheit, wie sie im Veräußererbetrieb bestanden hat (vgl. BAG 7. November 2007 - 5 AZR 1007/06 - BAGE 124, 345, 347). Im Übrigen ist - entgegen den Annahmen der Revision - weder in die Auslegung des Arbeitsvertrags der Parteien noch in die Feststellung der Folgen des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB einzubeziehen, ob aus der Sicht einer Vertragspartei im Einzelfall eine konkrete Möglichkeit der einvernehmlichen Vertragsänderung gesehen wird oder wie die Existenz von dynamisch wirkenden individualvertraglichen Bezugnahmen auf Tarifverträge sich bei Kaufvertragsverhandlungen im Rahmen von Betriebsübergängen auswirkt. Die Überlegung der Revision, eine nur noch statische Fortgeltung von Tarifverträgen sei im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG sachlich gerechtfertigt, da dies in der Regel Gegenstand der Kaufverhandlungen sei und eine dynamische Fortgeltung von Tarifverträgen nicht überschaubar wäre, ist in ihrem rechtlichen Gehalt schwer zu erschließen. Gegenstand von Kaufverhandlungen kann nur die tatsächlich im zu erwerbenden Betrieb bestehende Rechtslage sein, nicht
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eine vom Käufer oder Verkäufer gewünschte. Die hinter dieser Überlegung stehende Auffassung widerspricht § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie bedeutet nichts anderes, als dass sich der Arbeitsvertragsinhalt entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung allein durch den Betriebsübergang ändern soll.
cc) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision auch nicht im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang aus dem Urteil „Werhof“ des EuGH vom 9. März 2006 (- C-499/04 - Slg. 2006, I-2397).
Die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG soll die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren (vgl. ua. EuGH 27. November 2008 - C-396/07 [Juuri] - Rn. 28 mwN, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 97). Aus der Richtlinie ergibt sich nicht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Erwerber durch andere Kollektivverträge als die zum Zeitpunkt des Übergangs geltenden binden und demnach verpflichten wollte, die Arbeitsbedingungen später durch die Anwendung eines neuen, nach dem Übergang geschlossenen Kollektivvertrags zu ändern (EuGH 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - Rn. 29, Slg. 2006, I-2397), was im Übrigen gegen das im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zu beachtende Recht auf negative Vereinigungsfreiheit verstoßen würde (ebenda, Rn. 32 bis 35). Mit der Werhof-Entscheidung schließt es der EuGH aus, eine vertragliche Verweisung auf Tarifverträge im Falle eines Betriebsüberganges nach Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG zwingend, also unabhängig vom übereinstimmend gebildeten Willen der Arbeitsvertragsparteien, stets so zu verstehen, dass der Erwerber an die betreffenden Tarifverträge auch in den Fassungen gebunden ist, die erst nach dem Betriebsübergang vereinbart wurden. Diese Auffassung teilt der Senat (vgl. näher BAG 23. September 2009 - 4 AZR 331/08 - Rn. 35 bis 38 mwN, in Auseinandersetzung mit EuGH 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - aaO). Die gegenteilige Auffassung der Revision, die im Ergebnis dahin geht, dass zwingend und unabhängig vom privatautonom
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zwischen den Arbeitsvertragsparteien Vereinbarten jegliche Bezugnahme auf Tarifverträge in Einzelarbeitsverträgen im Fall des Betriebsüberganges „statisch“ wird, lässt sich nicht mit der Werhof-Entscheidung des EuGH begründen.
4. Insgesamt führt die individualvertragliche Inbezugnahme in der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 zu einer dynamischen Anwendung der Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein und damit zu den streitgegenständlichen Tarifverträgen vom 7. Mai 2007. Diese enthalten im Verhältnis zu der statischen Anwendung der Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein, vorliegend in der Fassung zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zum tarifungebundenen Betriebserwerber, eine finanziell günstigere Regelung im Sinne des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG. Der auf dieser Grundlage von der Klägerin geltend gemachte Betrag ist der Höhe nach unstreitig.
5. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
II. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.
Bepler
Treber
Winter
Vorderwülbecke
Bredendiek
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