HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/355

Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit bei Leih­ar­beit

Ver­lan­gen Leih­ar­beit­neh­mer ei­ne Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung, kann die Zeit­ar­beits­fir­ma das nicht ver­wei­gern un­ter Be­ru­fung auf Ar­beits­zeit­vor­ga­ben des Ent­lei­hers: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 13.11.2012, 9 AZR 259/11
Zeit­ar­beits­fir­men sind beim The­ma Ar­beits­zeit oft we­nig fle­xi­bel

14.11.2012. Ar­beit­neh­mer ha­ben ei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf Ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beits­zeit, wenn sie län­ger als sechs Mo­na­te be­schäf­tigt sind und im Be­trieb ih­res Ar­beit­ge­bers mehr als 15 Ar­beit­neh­mer be­schäf­tigt sind.

Der An­spruch folgt aus § 8 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG). Er be­steht aber nur, falls "be­trieb­li­che Grün­de nicht ent­ge­gen­ste­hen". Auf sol­che Grün­de be­ru­fen sich Ar­beit­ge­ber oft, da ih­nen die Um­wand­lung von Voll­zeit- in Teil­zeit­ar­beits­plät­ze läs­tig ist.

Ein spe­zi­el­les Pro­blem ha­ben an die­ser Stel­le Zeit­ar­beits­fir­men, wenn sie sich ge­gen­über ei­nem Kun­den ver­pflich­tet ha­ben, ei­nen Voll­zeit­ar­beits­platz mit ei­nem ih­rer Leih­ar­beit­neh­mer zu be­set­zen. Falls die­ser nun von sei­nem Ar­beit­ge­ber, d.h. der Zeit­ar­beits­fir­ma, ei­ne Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung ver­langt - kann sich die Zeit­ar­beits­fir­ma dann auf die Vor­ga­ben ih­res Kun­den be­ru­fen, d.h. sind die­se Vor­ga­ben "be­trieb­li­che Grün­de" im Sin­ne von § 8 Tz­B­fG?

Nein, so das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner Ent­schei­dung vom gest­ri­gen Diens­tag: BAG, Ur­teil vom 13.11.2012, 9 AZR 259/11.

Kann die Zeit­ar­beits­fir­ma ei­ne Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit ver­wei­gern, wenn der Ent­lei­her das nicht wünscht?

Es gibt stärke­re Ansprüche als den An­spruch auf Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit gemäß § 8 Tz­B­fG. Denn das Ge­setz selbst bringt klar zum Aus­druck, dass der An­spruch nur dann be­steht, wenn kei­ne "be­trieb­li­chen" Gründe ent­ge­gen­ste­hen.

Das ist nach der Recht­spre­chung des BAG der Fall,

  • wenn die Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen des Ar­beit­ge­bers auf ei­nem "be­trieb­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept" des Ar­beit­ge­bers be­ru­hen,
  • wenn die auf die­sem Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept be­ru­hen­den Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen mit der vom Ar­beit­neh­mer ver­lang­ten Ver­rin­ge­rung sei­ner Ar­beits­zeit wirk­lich un­ver­ein­bar sind, und
  • wenn die­se der Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung ent­ge­gen­ste­hen­den Gründe "ge­wich­tig" sind.

Die­se be­trieb­li­chen Gründe, mit de­nen ein "nor­ma­ler" Ar­beit­ge­ber den Wunsch nach ei­ner Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit zurück­wei­sen kann, pas­sen nicht auf Zeit­ar­beits­fir­men, da die­se ja gar kei­nen ei­ge­nen Be­trieb ha­ben, in dem ih­re Ar­beit­neh­mer ar­bei­ten. Ge­ar­bei­tet wird viel­mehr beim Kun­den. Da­her fragt sich, ob des­sen Ar­beits­zeit­vor­ga­ben "be­trieb­li­che" Gründe sind, auf die die Zeit­ar­beits­fir­ma die Ab­leh­nung ei­ner Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung stützen könn­te.

Der Streit­fall: Luft­ver­kehrs­un­ter­neh­men führt ei­nen ei­ge­nen Be­trieb und ver­leiht ne­ben­her Ar­beit­neh­mer

Im Streit­fall woll­te ein Ar­beit­neh­mer, der seit 1995 bei ei­nem Luft­fahrt­un­ter­neh­men ar­bei­te­te, im Jah­re 2009 ei­ne Ver­rin­ge­rung sei­ner Ar­beits­zeit von 18 auf zehn Wo­chen­stun­den. Da in dem Be­trieb des Ar­beit­ge­bers mehr als 15 Ar­beit­neh­mer beschäftigt wa­ren, hat­te der Ar­beit­neh­mer im Prin­zip ei­nen An­spruch auf die Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit.

Außer­dem konn­te das Un­ter­neh­men nach sei­nem Ar­beits­ver­trag sehr fle­xi­bel ein­ge­setzt wer­den: Je nach Wei­sung des Ar­beit­ge­bers hätte er al­le Ar­bei­ten im sog. „Ba­sic Ser­vice 2“ ausführen müssen. Zu die­sen Ar­bei­ten zähl­te der sog. Be­treu­ungs­dienst, den der Ar­beit­neh­mer zu ver­rich­ten hat­te, aber auch vie­le an­de­re Tätig­kei­ten.

2008 über­trug das Luft­fahrt­un­ter­neh­men den Be­treu­ungs­dienst auf ei­nen ex­ter­nen Dienst­leis­ter. Trotz­dem blieb der Ar­beit­neh­mer wei­ter im Be­treu­ungs­dienst, denn er wur­de an den Dienst­leis­ter auf Ba­sis ei­nes Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­trags aus­ge­lie­hen.

Später ver­pflich­te­te sich das Luft­fahrt­un­ter­neh­men ge­genüber dem Dienst­leis­ter bzw. dem Ent­lei­her, ihm nur Ar­beit­neh­mer mit ei­ner Ar­beits­zeit von min­des­tens 18 St­un­den pro Wo­che zu über­las­sen.

Der Ar­beit­neh­mer ver­langt von dem Luft­fahrt­un­ter­neh­men, sei­ne re­gelmäßige Wo­chen­ar­beits­zeit von 18 auf zehn St­un­den zu re­du­zie­ren. Das Un­ter­neh­men woll­te nicht mit­ma­chen und ar­gu­men­tier­te, die Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen im Über­las­sungs­ver­trag stünden dem Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren ent­ge­gen.

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main gab dem Ar­beit­neh­mer recht (Ur­teil vom 02.03.2010, 10 Ca 8611/09). Das in der Be­ru­fung zuständi­ge Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt ur­teil­te da­ge­gen pro Ar­beit­ge­ber und wies die Kla­ge ab (Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 31.01.2011, 17 Sa 641/10).

BAG: Re­ge­lun­gen zur Ar­beits­zeit, die in ei­nem Über­las­sungs­ver­trag zwi­schen Zeit­ar­beits­fir­ma und Ent­lei­her ent­hal­ten sind, ge­ben der Zeit­ar­beits­fir­ma nicht das Recht, ei­ne Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beit­neh­mer ab­zu­leh­nen

Das BAG hob das LAG-Ur­teil auf und ent­schied zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers. Zur Be­gründung heißt es in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mit­tei­lung des BAG:

Die Ar­beits­zeit­be­stim­mun­gen des Über­las­sungs­ver­tra­ges, so das BAG, be­rech­tig­ten das be­klag­te Luft­fahrt­un­ter­neh­men nicht da­zu, den Wunsch des Ar­beit­neh­mers nach ei­ner Ver­rin­ge­rung sei­ner Ar­beits­zeit ab­zu­leh­nen. Denn hier kommt es nach An­sicht des BAG dar­auf an, ob die Ab­leh­nungs­gründe "bei al­len ver­trag­lich mögli­chen Einsätzen" stich­hal­tig sind.

Das war hier nach An­sicht der Er­fur­ter Rich­ter nicht der Fall. Denn auf­grund der ar­beits­ver­trag­lich fest­ge­leg­ten brei­ten Ein­satzmöglich­kei­ten hätte das Un­ter­neh­men den Ar­beit­neh­mer nicht un­be­dingt als Leih­ar­beit­neh­mer im Be­treu­ungs­dienst ein­set­zen müssen. Nur auf die­sem Ar­beits­platz aber wirk­ten sich die Vor­ga­ben des Ent­lei­hers aus.

Da­her hätte das Un­ter­neh­men nach Auf­fas­sung des BAG prüfen müssen, ob der Ar­beit­neh­mer nicht mögli­cher­wei­se bei nur zehn St­un­den pro Wo­che auf ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz im Luft­fahrt­un­ter­neh­men hätte ein­ge­setzt wer­den können. Hier hätte so­gar ge­prüft wer­den müssen, ob nicht ein "Ring­tausch" möglich wäre, d.h. die Ver­set­zung des Ar­beit­neh­mers auf ei­nen be­setz­ten Ar­beits­platz bei gleich­zei­ti­ger Ver­set­zung bzw. Ver­lei­hung des bis­he­ri­gen Ar­beits­platz­in­ha­bers in den Be­treu­ungs­dienst.

Fa­zit: Leih­ar­beit­neh­mer müssen fle­xi­bel sein, d.h. je nach Wei­sung des Zeit­ar­beits­un­ter­neh­mens heu­te hier und mor­gen dort ar­bei­ten. Dann wäre es aber un­fair, ih­nen ei­ne Ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beits­zeit un­ter Be­ru­fung auf die Wünsche des ge­ra­de ak­tu­el­len Ent­lei­hers zu ver­wei­gern. Dass Zeit­ar­beits­fir­men kei­nen ope­ra­tiv täti­gen Be­trieb be­sit­zen und die in § 8 Tz­B­fG ge­nann­ten Wi­der­spruchs­gründe da­her bei Zeit­ar­beits­fir­men prak­tisch nicht an­wend­bar sind, ist kei­ne Lücke des Ge­set­zes, son­dern ein Pro­blem, mit dem Zeit­ar­beits­fir­men eben zu­recht kom­men müssen.

Darüber hin­aus deu­tet das BAG an, dass es bei den be­trieb­li­chen Ge­gen-Gründen nicht (nur) auf die ak­tu­ell vom Ar­beit­neh­mer aus­geübte Tätig­keit an­kommt, son­dern auch auf an­de­re denk­ba­re, vom Ar­beits­ver­trag zu­ge­las­se­ne Ar­bei­ten. Soll­te das BAG die­se An­sicht auch in den der­zeit noch nicht vor­lie­gen­den Ur­teils­gründen ver­tre­ten, hätten es Ar­beit­ge­ber künf­tig schwe­rer als bis­her, Teil­zeit­anträge ab­zu­wei­sen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de