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LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.01.2009, 5 Sa 101/08
Schlagworte: | Chefarzt, Bezugnahmeklausel, Tarifvertrag: Bezugnahme | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 101/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 20.01.2009 | |
Leitsätze: | Hat der im Bereich der VKA tarifgebundene Arbeitgeber mit einem Chefarzt, der seinerseits Mitglied des Marburger Bundes ist, vereinbart, dass sich dessen Vergütung nach der Verg.Gr. I BAT in der jeweils geltenden Fassung richtet bzw. nach der entsprechenden Vergütungsgruppe eines den BAT ersetzenden neuen Tarifvertrages, so hat der Chefarzt seit Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA, d. h. seit dem 01.08.2006, Anspruch auf Vergütung nach Entg.Gr. IV TV-Ärzte/VKA. Dies folgt vorliegend aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 14.02.2008, 1 Ca 2986 b/07 | |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 5Sa 101/08 1 Ca 2986 b/07 ArbG Lübeck (Bitte bei allen Schreiben angeben!)
Verkündet am 20.01.2009
Gez. ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.02.2008, Az. öD 1 Ca 2986 b/07, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann durch Einreichung einer Revisionsschrift bei dem Bundesarbeitsgericht in 99084 Erfurt, Hugo-Preuß-Platz 1, Telefax: (0361) 26 36 - 20 00 Revision eingelegt werden.´
Die Revisionsschrift muss
binnen einer Notfrist von einem Monat
beim Bundesarbeitsgericht eingegangen sein.
Der Revisionskläger muss die Revision begründen. Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt
zwei Monate.
Die Fristen für die Einlegung und die Begründung der Revision beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss das Urteil bezeichnen, gegen das die Revision gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revision und Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
An seine Stelle kann auch ein Vertreter eines Verbandes (Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen) oder eines Spitzenverbandes (Zusammenschlüsse solcher Verbände) treten, sofern er kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt und die Partei Mitglied des Verbandes oder Spitzenverbandes ist. An die Stelle der vorgenannten Vertreter können auch Angestellte einer juristischen Person, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer dieser Organisationen stehen, treten, sofern die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung der Verbandsmitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und der Verband für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Ist die Partei Mitglied eines Verbandes oder Spitzenverbandes, kann sie sich auch durch einen Vertreter eines anderen Verbandes oder Angestellten einer der oben genannten juristischen Personen mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen. Die Personen, die für diese Organisationen handeln, müssen über die Befähigung zum Richteramt verfügen.
Der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments genügt, wenn es für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Schriftsätze können dazu über eine gesicherte Verbindung in den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesarbeitsgerichts eingelegt werden. Die erforderliche Zugangs- und Übertragungssoftware kann lizenzkostenfrei über die Internetseite des Bundesarbeitsgerichts (www.bundesarbeitsgericht.de) heruntergeladen werden. Das Dokument ist mit einer qualifizierten Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen. Nähere Informationen finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts (s.o.) sowie unter www.egvp.de.
(Rechtsmittelschriften, Rechtsmittelbegründungsschriften und wechselseitige Schriftsätze im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht sind in siebenfacher - für jeden weiteren Beteiligten eine weitere - Ausfertigung einzureichen.)
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Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger vertraglich zugesicherten Chefarzt-Vergütung.
Der 53-jährige Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 01.05.2001 als leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) der chirurgischen Abteilung der Klinik E... beschäftigt. Neben dem Recht der Privatliquidation vereinbarten die Parteien in dem zugrundliegenden Dienstvertrag folgende Regelung (Bl. 6 ff., 14 d. A.):
„§ 8
Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich und Einräumung des Liquidationsrechtes
(1) Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1a zum BAT (VKA), d. h. Grundvergütung nach § 27 BAT, Ortszuschlag nach Maßgabe des § 29 BAT sowie Zulagen, eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend den tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung.
Wird der BAT oder der maßgebende Vergütungstarifvertrag im Bereich der VKA durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt, so tritt an die Stelle der vereinbarten BAT-Vergütungsgruppe die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrages unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen.
Die dem Arzt zuletzt nach BAT (VKA) zustehende Vergütung bleibt der Höhe nach unangetastet.
...“
Die Regelungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) sind durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13.09.2005 (TVöD) ersetzt worden. Gemäß § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA wird die Vergütungsgruppe (§ 22 BAT) nach der Anlage 1 den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet. Nach dieser Anlage entspricht die VergGr. I BAT der EntgGr. 15 Ü TVöD. Im Bereich der kommunalen Krankenhäuser gilt neben dem TVöD der „Besondere Teil Krankenhäuser“ (TVöD-BT-K), der konkrete Regelungen für Ärztinnen und Ärzte enthält. Nach § 44 Abs. 1 TVöD-BT-K beträgt die regelmäßige Wochenarbeitszeit für Ärzte 40 Stunden. Die Eingruppierungsgrundsätze sind in § 51 TVöD-BT-K i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 2 TVÜ-VKA geregelt.
Der TVöD sowie der TVÜ-VKA wurde abgeschlossen zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sowie der Gewerkschaft ver.di sowie der
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dbb Tarifunion. Bei Abschluss des TVöD war die Tarifgemeinschaft mit dem Marburger Bund bereits zerbrochen. Der Marburger Bund vereinbarte mit dem VKA am 17.08.2006 einen eigenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA), der am 01.08.2006 in Kraft trat. Gemäß § 7 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA beträgt die Wochenarbeitszeit durchschnittlich 40 Stunden. Die Eingruppierungsgrundsätze ergeben sich aus § 16 TV-Ärzte/VKA i. V. m. § 4 TVÜ-Ärzte/VKA.
Seit Inkrafttreten des TVöD, d.h. seit dem 01.10.2005, vergütet die Beklagte den Kläger nach der Entgeltgruppe (EntgGr.) 15 TVöD zzgl. einer individuellen Zwischenstufe. Zuletzt zahlte die Beklagte an den Kläger ein Monatsgehalt über € 5.625,00 brutto zzgl. einer individuellen Zwischenstufe in Höhe von € 118,28 brutto. Demgegenüber beträgt die Vergütung nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA € 6.500,00 monatlich.
Mit an alle Ärzte und Ärztinnen gerichteten Schreiben vom 20.11.2006 (Bl. 28 d. A.), welches auch der Kläger erhielt, teilte die Beklagte mit, sie gehe davon aus, dass der TVöD bis zum Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber übergangsweise weiter gelte. Sobald der neue Tarifvertrag vorliege und vom Rechenzentrum eingespielt worden sei, werde sie, die Beklagte, die Zahlungen rückwirkend nach dem Ärztetarifvertrag berichtigen. Dem Schreiben lag ein entsprechender Beschluss des Vorstands der Beklagten zugrunde. Ob dieser auch für den Kläger als Chefarzt gelten sollte, ist streitig.
Mit Schreiben vom 29.06.2007 (Bl. 29 d. A.) beantragte der Kläger rückwirkend eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA.
Am 20.11.2007 hat der Kläger Klage erhoben mit den Anträgen
1. die Beklagte zu verurteilen an den Kläger EUR 11.350,80 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf jeweils EUR 756,72 seit dem 31.08.2006, 30.09.2006, 31.10.2006, 30.11.2006, 31.12.2006, 31.01.2007, 28.02.2007, 31.03.2007, 30.04.2007, 31.05.2007, 30.06.2007, 31.07.2007, 31.08.2007, 30.09.2007 und 31.10.2007 zu zahlen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab November 2007 monatlich fortlaufend jeweils zum Letzten eines jeden Monats eine Bruttovergütung gemäß der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.02.2008 der Klage stattgegeben. Der Kläger habe einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenz zwischen seiner derzeitigen Vergütung und derjenigen nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA. Dieser Anspruch folge aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des § 8 Abs. 1 Unter-abs. 2 seines Arbeitsvertrages. Hierbei handele es sich um eine dynamische Verweisungsklausel, sodass mit Inkrafttreten des TVöD sich die Vergütung des Klägers nach diesem Tarifvertrag gerichtet habe. Indessen enthalte § 8 Abs. 1 Unterabs. 2 des Arbeitsvertrages eine planwidrige Lücke. Die Parteien hätten bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht wissen können, dass die Tarifgemeinschaft zwischen ver.di und Marburger Bund aufgelöst wurde und diese Gewerkschaften mit dem VKA jeweils unterschiedliche Tarifverträge abschließen. Eine interessengerechte Regelung sehe so aus, dass sie bei Kenntnis der Auflösung der Tarifgemeinschaft die Geltung des Tarifvertrages gewählt hätten, der kraft unmittelbarer Tarifbindung Anwendung fände. Da beide Parteien Mitglied der den TV-Ärzte/VKA abschließenden Tarifvertragsparteien seien, liege es nahe, dass sie individualrechtlich die Anwendung gerade dieses Tarifvertrages vereinbart hätten. Gestützt werde das Auslegungsergebnis auch dadurch, dass in § 2 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/VKA ausdrücklich geregelt sei, dass der TV-Ärzte/VKA den TVöD und den TVöD-BT-K ersetze. Zudem wäre es kurios, wenn der Kläger aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Regelung nach dem TVöD bezahlt werden müsste und damit weniger erhalten würde als der ihm unterstellte Oberarzt
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nach einem Jahr Tätigkeit in seinem Beruf, der nach dem TV-Ärzte/VKA vergütet werde. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht verfallen. Da die Beklagte mit Schreiben vom 20.11.2006 ausdrücklich zugesagt habe, die Zahlungen nach dem Ärztetarifvertrag rückwirkend zu berichtigen, könne sie sich nach Treu und Glauben nicht auf die tariflichen Ausschlussfristen berufen.
Gegen dieses ihr am 29.02.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.03.2008 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 29.05.2008 am 17.05.2008 begründet.
Die Beklagte trägt vor,
das Arbeitsgericht habe im Zuge der ergänzenden Vertragsauslegung einseitig nur die Interessen des Klägers berücksichtigt. Es wäre niemals ihr hypothetischer Wille gewesen, den Kläger neben der Einräumung des Liquidationsrechts nach der EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA zu vergüten. Bei der Auslegung komme es auch nicht auf eine irgendwie geartete Nähe zu einem Tarifvertrag an. Der Kläger sei als Chefarzt ein AT-Mitarbeiter, auf dessen Arbeitsverhältnis finde unstreitig überhaupt kein Tarifvertrag Anwendung. Lediglich die Vergütung sollte sich analog nach der VergGr. I BAT richten. Es sei demnach zu prüfen, welche Vergütungsgruppe in welchem Tarifvertrag der VergGr. I BAT am ehesten entspreche. Das sei der TVöD, der die Vergütungsgruppen des BAT fortgeschrieben habe. Der TV-Ärzte/VKA dagegen basiere aufgrund der in diesem Tarifwerk anders geregelten Arbeitsbedingungen auf einem vollkommen anderen Vergütungssystem. Das Arbeitsgericht lasse zudem bei seiner einseitigen Vertragsauslegung unberücksichtigt, dass die Erhöhung der Vergütung einhergehe mit einer erheblichen Abänderung der Arbeitsbedingungen. Während die VergGr. 15 TVöD die VergGr. I BAT fortführe und ebenso eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden vorsehe, berücksichtige die EntgGr. IV des TV-Ärzte/VKA, deren Eingruppierung der Kläger fordere, eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Es wäre angesichts des dem Kläger zuerkannten weitreichenden Liquidationsrechts nicht interessengerecht, wenn dieser an den Vergünstigungen eines neuen Tarifwerkes teilhätte, ohne an die Verschlechterungen, die dieses neue Tarifwerk vorsehe, gebunden zu sein. Gegen die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung spreche zudem § 8 Abs. 7 des Arbeitsvertrages. Durch die Vereinbarung einer Garantievergü-
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tung bestehe ein gebührender Abstand zu dem Gehalt eines Oberarztes. In dem Schreiben vom 20.11.2006 habe sie dem Kläger auch keine Zusage erteilt, Zahlungen nach dem TV-Ärzte/VKA rückwirkend vorzunehmen. Zudem weist der Kläger darauf hin, dass der BAT ab dem 01.10.2005 ausschließlich durch den TVöD abgelöst worden sei und nicht durch den TV-Ärzte/VKA.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.02.2008, Az. ö.D. 1 Ca 2986/07, abzuändern und die Klage abzuweisen,
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt
das angefochtene Urteil. Unter Berücksichtigung der ergänzenden Vertragsauslegung sei es fernliegend, § 8 des Arbeitsvertrages dahingehend auszulegen, dass es den Interessen und hypothetischen Willen der Parteien entsprochen hätte, dem Kläger nach einem fremden Tarifwerk zu vergüten. Dass sich die Vergütung durch das Inkrafttreten eines neuen Tarifvertrages verändere, sei das typische Risiko einer dynamischen Verweisung. Hiergegen spreche auch nicht der Umstand, dass der TVöD die Vergütungsgruppen des BAT in der Anlage 1 übernommen habe. Denn erst sei nach § 8 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags der den BAT ersetzende Tarifvertrag zu bestimmen und erst danach die entsprechende Vergütungsgruppe innerhalb dieses Tarifvertrages. Für die Auslegung sei auch irrelevant, dass die Vergütung nach dem TV-Ärzte/VKA höher sei als diejenige nach dem TVöD. Aufgrund der dynamischen Verweisung sei von Vornherein eine Änderung der Vergütungshöhe möglich gewesen. Auch die unterschiedlichen Arbeitszeiten in den den BAT ersetzenden Tarifverträgen und das ihm vertraglich eingeräumte Liquidationsrecht führten hier nicht weiter.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 20.01.2009 verwiesen.
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Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.
In der Sache selbst hat die Berufung indessen keinen Erfolg, sie ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Seit Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA, d.h. seit dem 01.08.2006, hat der Kläger Anspruch auf ein Gehalt in Höhe der Vergütung nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA.
I. Der Zahlungsanspruch ist begründet. Der Kläger hat seit dem 01.08.2006 Anspruch auf Vergütung nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA. Mit der Zahlungsklage begehrt der Kläger für die Zeit von August 2006 bis Oktober 2007 den der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrag zwischen der ihm nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA zustehenden und der ihm seitens der Beklagten gezahlten Vergütung.
1. Bei dem Zahlungsanspruch handelt es sich nicht um einen tariflichen, sondern um einen einzelvertraglichen Vergütungsanspruch des Klägers. Obgleich beide Parteien unstreitig durch deren Mitgliedschaft im Marburger Bund bzw. kommunalen Arbeitgeberverband tarifgebunden sind, unterliegt der Kläger als Chefarzt unstreitig nicht dem persönlichen Geltungsbereich des TVöD. Nach § 1 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA gilt dieser Tarifvertrag nicht für Chefärzte, wenn deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind. Dies ist hier unstreitig der Fall. Ein tariflicher Anspruch gemäß § 16 d) TV-Ärzte/VKA kraft beiderseitiger Tarifbindung scheidet mithin aus.
2. Indessen richtet sich das Gehalt des Klägers aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA. Die Parteien haben in § 8 Abs. 1 des zugrunde liegenden Arbeitsvertrags die Vergütung nicht durch Vereinbarung eines festen Betrages, sondern durch eine Anknüpfung an die jeweilige Vergütung nach VergGr. I BAT geregelt. Hierbei handelt es sich um eine konstitutive Bezugnahme-
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klausel auf ein Tarifwerk, unter dessen persönlichen Geltungsbereich der Kläger nicht fiel. Die Auslegung dieser Vertragsklausel führt dazu, dass sich die Höhe der Vergütung seit dem 01.08.2006 nach dem den BAT ersetzenden TV-Ärzte/VKA richtet.
a) Nach den §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind aber auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Dies gilt auch für arbeitsvertragliche Verweisungsklauseln (BAG Urt. v. 19.09.2007 – 4 AZR 710/06 -, AP Nr. 54 zu § 133 BGB).
Bei der vorliegenden Verweisungsklausel handelt es sich um eine sogenannte dynamische Verweisung. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut von § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages. Es ist keine nach Datum bestimmte Fassung des BAT in Bezug genommen worden, sondern die „in der jeweils gültigen Fassung“. Zudem haben die Parteien vorausschauend für den Fall, dass der BAT durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt wird, die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrages unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsvorschriften arbeitsvertraglich in Bezug genommen.
b) Obgleich der BAT mit Wirkung ab dem 01.10.2005 durch den TVöD ersetzt worden ist (§ 2 Abs. 1 TVÜ-VKA), richtet sich die vertragliche Vergütung des Klägers seit dem 01.08.2006 nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA.
(1) Dies folgt aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf es immer dann, wenn zu einem bestimmten, regelungsbedürftigen Punkt eine Vereinbarung der Parteien von vornherein fehlt oder wenn sich später durch bei Vertragsschluss nicht erkennbare Umstände aufgrund der weiteren Entwicklung der Rechtsbeziehungen der Vertragspartner eine Regelungslücke ergibt (BAG Urt. v. 26.06.1996 - 7 AZR 674/95 -, NZA 1997, 200; BAG Urt. v. 08.11.1972 - 4 AZR 15/72 -, AP Nr. 3 zu § 157 BGB).
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Im vorliegenden Fall ist die Vergütungsabrede in § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages lückenhaft geworden. Denn der BAT wurde nicht nur durch den von ver.di mit dem VKA abgeschlossenen TVöD, sondern auch durch den vom Marburger Bund mit dem VKA abgeschlossenen TV-Ärzte/VKA ersetzt. Dass auch der TV-Ärzte/VKA den BAT ersetzt hat, folgt aus § 2 Abs. 1 Spiegelstrich 2 TVÜ-Ärzte/VKA. Durch die Entwicklung der Tarifverträge im Bereich des VKA hat sich eine regelungsbedürftige Lücke im Arbeitsvertrag aufgetan. § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages lässt sich gerade nicht entnehmen, welcher dieser beiden Tarifverträge, die beide den BAT ersetzt haben, gelten soll. Es handelt sich insoweit auch um eine planwidrige Regelungslücke. Bei Abschluss des Dienstvertrages konnten die Parteien weder wissen noch erahnen, dass die Tarifgemeinschaft der Gewerkschaft ver.di, dbb und Marburger Bund im Bereich der Ärzte zerbrechen würde. Vielmehr sind beide Parteien übereinstimmend von dem im öffentlichen Dienst einheitlich geltenden Tarifwerk, dem BAT, ausgegangen. Aufgrund der Tatsache, dass eine Neuregelung des BAT seit geraumer Zeit in der politischen Diskussion war, haben die Parteien zwar vorausschauend geregelt, dass sich die Vergütung im Falle der Ersetzung des BAT durch einen anderen Tarifvertrag nach der entsprechenden Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrages richte. Dabei sind die Parteien jedoch erkennbar davon ausgegangen, dass der BAT im Bereich der VKA einheitlich auf einen neuen Tarifvertrag übergeht. Insbesondere war bei Vertragsschluss nicht erkennbar, dass der Marburger Bund mit dem VKA für die in kommunalen Krankenhäusern tätigen, im Marburger Bund organisierten Ärzte in Konkurrenz zu dem TVöD einen eigenständigen Tarifvertrag abschließen wird. Da die Höhe des Gehaltes indessen ohne die Bezugnahme auf einen konkreten, den BAT ersetzenden Tarifvertrag nicht bestimmt werden kann, bedarf es der ergänzenden Vertragsauslegung.
Grundlage der ergänzenden Vertragsauslegung ist der hypothetische Parteiwille. Es ist darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist zunächst auf den Vertrag selbst abzustellen. Die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen sind Ausgangspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung. Zugleich sind mit Treu und
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Glauben sowie der Verkehrssitte auch objektive Maßstäbe zu berücksichtigen. In die ergänzende Vertragsauslegung sind daher neben individuellen auch objektive Kriterien einzubeziehen (Palandt, 68. Aufl., Rn. 7 zu § 157 BGB). Zur Ermittlung des maßgeblichen wirklichen Willens der Parteien ist somit zwar vom Wortlaut des Vertrages auszugehen; allerdings sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BAG Urt. v.13.11.2007 – 3 AZR 636/06 -, AP Nr. 50 zu § 1 BetrAVG). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht auf die Zeit der Feststellung der Vertragslücke.
(2) Hieran gemessen führt die ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass sich das Gehalt des Klägers seit dem 01.08.2006 nach dem Eingruppierungssystem des § 16 TV-Ärzte/VKA richtet.
(a) Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass der TVöD sowie der TVöD-BT-K für die im Geltungsbereich des VKA beschäftigten Ärzte eigenständige Vergütungssysteme enthalten und dass diese Tarifwerke den BAT bereits mit Wirkung ab dem 01.10.2005 abgelöst haben. Damit enthält nicht nur der mit dem Marburger Bund eigens für Ärzte abgeschlossene TV-Ärzte/VKA spezielle Regelungen für Ärzte, sondern auch der mit ver.di vereinbarte TVöD.
(b) Entscheidend für die Feststellung des hypothetischen Willens ist jedoch, dass der Kläger bei Abschluss des Dienstvertrages Mitglied des Marburger Bundes und die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin Mitglied des VKA war und diese Tarifgebundenheit heute noch besteht. Hätten die Parteien bereits bei Vertragsschluss bedacht, dass ver.di und der Marburger Bund für die im Bereich des VKA tätigen Ärzte jeweils eigenständige Tarifverträge mit dem VKA abschließen, so wäre es interessengerecht gewesen, den den BAT ersetzenden, zwischen dem Marburger Bund und dem VKA abzuschließenden, Ärztetarifvertrag in die Bezugnahmeklausel mit aufzunehmen. Aus Sicht des Klägers hätte angesichts seiner Mitgliedschaft im Marburger Bund kein Anlass bestanden, einen aus seiner Sicht „fremden“ Tarifvertrag in Bezug zu nehmen. Die Beklagte ihrerseits ist sowohl Mitglied der den TVöD als auch der den TV-Ärzte/VKA abschließenden Tarifvertragspartei. Der VKA hat für die kommu-
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nalen Arbeitgeber sowohl den TVöD als auch den TV-Ärzte/VKA abgeschlossen. Mithin wäre es aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung auch aus Sicht der Beklagten sach- und interessengerecht gewesen, für die Vergütungsregelung den den BAT ersetzenden TV-Ärzte/VKA arbeitsvertraglich in Bezug zu nehmen. Hierfür spricht insbesondere auch der Umstand, dass die in den von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin betriebenen Krankenhäusern beschäftigten Ärzte und Oberärzte mit einer einzigen Ausnahme nach dem TV-Ärzte/VKA vergütet werden. Dies spricht dafür, dass die bei der Beklagten beschäftigten Ärzte ganz überwiegend im Marburger Bund organisiert waren und sind. Die Beklagte selbst ist erkennbar davon ausgegangen, dass nach Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA dieser auf die Arbeitsverhältnisse der Ärzte Anwendung findet. Dies ergibt sich aus dem Rundschreiben vom 20.11.2006. Zwar ist bei der ergänzenden Vertragsauslegung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, indessen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte im Falle der Kenntnis des Auseinanderfallens eines einheitlichen Tarifwerkes für den öffentlichen Dienst nur im Falle des Klägers bei der Vergütung auf einen sowohl für diesen als auch den überwiegenden Teil der übrigen Ärzte „fremden“ Tarifvertrag abgestellt hätte. Vielmehr ist ersichtlich, dass der Kläger die höchste BAT-Vergütung für Ärzte, d.h. ein Gehalt nach VergGr. I BAT, erhalten sollte. Dies entspricht nach dem BAT-Vergütungssystem derjenigen Vergütung eines ihm unterstellten Oberarztes, also dem Arzt, der als ständiger Vertreter des leitenden Arztes durch ausdrückliche Anordnung bestellt war. Der Kläger sollte mithin als Chefarzt wie sein ihm unterstellter Oberarzt bezahlt werden und zusätzlich weitere Vergütungen insbesondere über das ihm zugestandene Liquidationsrecht erhalten (LAG Niedersachsen Urt. v. 12.12.2008 – 16 Sa 901/08 E -).
(c) Demgegenüber ist der Umstand, dass der TVöD die Vergütungsgruppen des BAT in sein Entgeltgruppensystem über die Anlage 1 (§ 4 Abs. 1 TVÜ-VKA) transferiert hat, während der TV-Ärzte/VKA ein vom BAT losgelöstes Entgeltsystem enthält (§ 16 TV-Ärzte/VKA), für die ergänzende Vertragsauslegung eher irrelevant. Nach der Bezugnahmeklausel in § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages gilt im Falle der Ersetzung des BAT durch einen neuen Tarifvertrag dann die „entsprechende“ Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrags. Damit ist lediglich gesagt, dass das wertungsmäßig der Vergütung nach VergGr. I BAT entsprechende neue Tarifentgelt als Bemessungs-
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grundlage gelten soll. Die VergGr. I BAT entsprach der höchsten Vergütungsgruppe für Ärzte. Die höchste Entgeltgruppe für Ärzte ist nach dem TVöD EntgGr. 15 (§ 15 TVöD i. V. m. § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA) bzw. EntgGr. II zzgl. Funktionszulage (§§ 51 Abs. 1; 52 Abs. 2 TVöD-BT-K) und nach dem TV-Ärzte/VKA die EntgGr. IV (§ 16 TV-Ärzte/VKA). Allein aus dem Umstand, dass das Entgeltgruppensystem des TVöD-AT weitestgehend demjenigen des BAT entspricht, lässt sich nicht folgern, dass als Bezugnahme i. S. v. § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages nur der TVöD in Betracht kommt. Zudem verkennt die Beklagte auch, dass vorliegend das Entgeltsystem nach dem TVöD-AT ohnedies nicht gelten würde, da aufgrund der größeren Sachnähe (Beschäftigung in Krankenhäusern) die Tarifvorschriften des TVöD-BT-K hier zur Anwendung kämen. Diese enthalten in §§ 51 Abs. 1; 52 TVöD-BT-K indessen ein nur zweistufiges Entgeltsystem mit Funktionszulagen.
(d) Gegen das hier gefundene Auslegungsergebnis spricht auch nicht, dass der TVöD für die ihm unterstellten Arbeitnehmer andere Arbeitsbedingungen aufweist als der TV-Ärzte/VKA. Die Beklagte rügt an dieser Stelle zu Unrecht, dass das Arbeitsgericht im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht berücksichtigt habe, dass nach dem TV-Ärzte/VKA als Gegenleistung für das Tarifentgelt nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden geschuldet sei, während die Vergütung nach EntgGr. 15 TVöD mit einer Wochenarbeitszeit von nur 38,5 Stunden korreliere. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bezieht sich indessen ausdrücklich nur auf das Gehalt, sodass sich hier die Frage der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung, d.h. zwischen Gehalt und zeitlich geschuldeter Arbeitsleistung, nicht stellt. Der Arbeitsvertrag enthält gar keine geregelte Arbeitszeit, weder eine ausdrücklich vereinbarte noch eine in Bezug genommene tarifliche Arbeitszeit. Die Bezugnahme auf das Tarifentgelt erfolgte ersichtlich zur Vermeidung der ansonsten turnusmäßig anfallenden Gehaltsanpassungsverhandlungen. Der Kläger sollte in gleichem Maße wie die tarifgebundenen Ärzte Gehaltssteigerungen erhalten. Die Relation des Gehalts des Klägers zu den Gehältern der übrigen Ärzte sollte gleich bleiben. Eine Relation des klägerischen Gehalts zu einer tariflichen Arbeitszeit war weder ausdrücklich vereinbart noch sonst ersichtlich. Zudem verkennt die Beklagte, dass die unter den TVöD fallenden Ärzte, die im Bereich des VKA in Krankenhäusern
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tätig sind, abweichend zu § 6 Abs. 1 b) TVöD ebenfalls eine tarifliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden haben, § 44 Abs: 1 TVöD-BT-K.
(e) Ebenfalls für die ergänzende Vertragsauslegung unergiebig ist der Hinweis der Beklagten auf § 8 Abs. 7 des Dienstvertrages. Zwar ist es richtig, dass durch diese Garantie auch gewährleistet wird, dass der Kläger letztlich durch das eingeräumte Liquidationsrecht und den Einkünften aus der erlaubten Nebentätigkeit ein höheres Gehalt erzielen kann als der ihm unterstellte leitende Oberarzt. Es ist indessen selbstverständlich, dass dem leitenden Abteilungsarzt bzw. Chefarzt, der die medizinische Letztverantwortung der ihm übertragenen Klinik bzw. Abteilung trägt, ein höheres Gehalt zugestanden wird als dem ihm unterstellten leitenden Oberarzt. Zudem ist das Liquidationsrecht des Klägers in einem eigenständigen Absatz des § 8 des Arbeitsvertrages geregelt und damit völlig losgelöst von der für die Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich getroffenen Gehaltsabsprache. Die Dienstaufgaben, für die das Gehalt nach § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages gezahlt wird, ergeben sich aus §§ 4, 5 und 6 des Arbeitsvertrages. Die Einräumung des Privatliquidationsrechts steht in keiner Wechselbeziehung zu der vereinbarten Grundvergütung. Das Liquidationsrecht des Klägers ist gerade nicht gleichzusetzen mit der Vergütungsverpflichtung der Beklagten für die vom Kläger der Beklagten gegenüber geschuldeten ärztlichen Dienstleistung. Ob der Kläger Einnahmen aufgrund des eingeräumten Liquidationsrechts realisieren kann, hängt von der Inanspruchnahme von Wahlleistungen der Privatpatienten ab. Die Möglichkeit der Privatliquidation hängt mithin maßgeblich von den Fähigkeiten und dem Einsatz des Klägers selbst ab. Zudem werden in das Garantiegehalt ebenfalls etwaige Einnahmen aus erlaubten Nebentätigkeiten eingerechnet, die der Kläger für überobligatorische zusätzliche Leistungen gegenüber Dritten von Dritten erhalten hat. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entwicklungsklausel des § 19 des Dienstvertrages hinzuweisen. Dort hat sich die Beklagte organisatorische Änderungen im Klinikbereich vorbehalten, die auch Auswirkungen auf das Einkommen aus dem Liquidationsrecht und der erlaubten Nebentätigkeit des Klägers haben können. Es ist ausdrücklich vereinbart worden, dass in einem solchen Falle der Kläger keine Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten hat, nur unter bestimmten Voraussetzungen Verhandlungen über eine Entschädigungsleistung aufzunehmen sind. Dies bedeutet aber, dass Einnahmen aus dem Liquidations-
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recht gerade nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zur vertraglich geschuldeten Leistung stehen. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung der Bezugnahmeklausel dürfen angesichts der von den Parteien ersichtlich angestrebten gehaltsmäßigen Gleichstellung des Klägers mit einem leitenden Oberarzt mithin nicht etwaige zusätzliche Einnahmen aus dem Liquidationsrecht und der Nebentätigkeit zum Grundgehalt hinzugerechnet werden. Die erstrebte Gleichstellung kann nur dadurch erreicht werden, wenn der Kläger – ebenso wie die ihm unterstellten leitenden Oberärzte – nach der EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA vergütet wird.
(f) Es bleibt letztlich dabei, dass die Parteien bei Kenntnis der Tarifentwicklung im Bereich der VKA mit einer Verweisung demjenigen Tarifvertrag den Vorrang eingeräumt hätten, der auf ihr Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der beiderseitigen Mitgliedschaft im Marburger Bund bzw. dem VKA und der konkreten Verhältnisse im Betrieb am ehesten gepasst hätte. Dies ist vorliegend der TV-Ärzte/VKA. Nur wenn sich die Vergütung nach diesem Tarifvertrag richtet, steht die vertraglich vereinbarte Vergütung des Klägers in einem ausgewogenen und angemessenen Verhältnis zu der Vergütung der übrigen Ärzte, die ganz überwiegend nach dem TV-Ärzte vergütet werden. Es ist dementsprechend sowohl sach- als auch interessengerecht, hinsichtlich der vertraglichen Vergütung des Klägers ebenfalls die der VergGr. I BAT entsprechende EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA in Bezug zu nehmen.
(g) Ebenso wie das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urt. v. 12.12.2008 – 16 Sa 901/08 E -) teilt auch die hiesige Kammer die in einem parallel gelagerten Fall vom Landesarbeitsgericht Hessen (Urt. v. 15.08.2008 – 3 Sa 1798/07 –, zit. n. Juris) vertretene Auffassung nicht. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte gemeint, dass eine ergänzende Vertragsauslegung im Falle einer im Wesentlichen wortgleichen Verweisungsklausel in einem Chefarztvertrag ausscheide, weil die Regelungslücke auf verschiedene Weise geschlossen werden könnte und keine Anhaltspunkte bestünden, für welche Alternative sich die Parteien entschieden hätte. Wie ausgeführt gibt es ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach der Maßstab der Vergütung der der Oberärzte sein sollte. Die leitenden Oberärzte wurden damals nach VergGr. I Bat vergütet und heute bei der Beklagten ganz überwiegend nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA. Die Parteien haben bei Vertragsschluss
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auch ganz bewusst davon Abstand genommen, die Vergütung des Klägers in Gänze individuell auszuhandeln. Vielmehr sollte der Kläger an der prozentualen Gehaltsentwicklung der ihm unterstellten Oberärzte im gleichen Maße partizipieren, ohne dass es ständig individuell auszuhandelnder Gehaltsanpassungen bedurfte. Sowohl die Gleichstellung der klägerischen Grundvergütung mit derjenigen des leitenden Oberarztes als auch der Gesichtspunkt zukünftiger Gehaltsanpassungen war ersichtlich maßgeblich für die Vereinbarung der strittigen Bezugnahmeklausel. Angesichts dessen wollten die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber gerade keine Abkopplung von der zukünftigen Tarifentwicklung. Dies gilt umso mehr angesichts der vereinbarten umfassenden Bezugnahme auch auf etwaig den BAT ersetzender Tarifverträge. Die Parteien haben mithin bei Vertragsschluss bereits im Auge gehabt, dass sich die Tarifentwicklung möglicherweise in Gänze ändern wird.
3. Die geltend gemachten, der Höhe nach unstreitigen Gehaltsdifferenzen seit August 2006 sind ungeachtet der erst mit Schreiben vom 29.06.2007 erfolgten Geltendmachung auch nicht aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen. Vorliegend findet auf das Dienstverhältnis des Klägers unstreitig kein Tarifvertrag Anwendung. Lediglich in Bezug auf die Bestimmung der Gehaltshöhe haben die Parteien auf den BAT bzw. dessen Nachfolgetarifvertrag Bezug genommen. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren auch nicht mehr den Einwand tariflicher Ausschlussfristen erhoben.
II. Der Feststellungsantrag war zulässig und auch begründet. Das Feststellungsinteresse folgt daraus, dass die Beklagte in der Berufungsverhandlung ausdrücklich zugestanden hat, sich einem rechtskräftigen Feststellungsantrag ohne weiteren Zahlungsprozess beugen zu wollen. Die Begründetheit des Feststellungsantrags folgt aus den unter Ziff. I dieser Entscheidungsgründe ausgeführten Gründe.
III. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Da die hier strittige Bezugnahmeklausel in zahlreichen Chefarztverträgen Anwendung fand, war die Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung sowie wegen
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Divergenz zur der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 15.08.2008, Az. 3 Sa 1798/07, zuzulassen, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 ArbGG.
gez. ... gez. ... gez. ...
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