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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/220

Gleich­be­hand­lung bei Be­triebs­ren­ten

Be­triebs­ren­ten kön­nen für Ar­bei­ter an­ders be­rech­net wer­den als für An­ge­stell­te: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.06.2014, 3 AZR 757/12
Ein Schuh für Büro und Business und ein Arbeitsstiefel

19.06.2014. Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung von Ar­bei­tern und An­ge­stell­ten bei Kün­di­gungs­fris­ten oder fi­nan­zi­el­len Son­der­leis­tun­gen ge­hört der Ver­gan­gen­heit an.

Und ge­ra­de bei der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung soll­te ei­ne Schlech­ter­stel­lung von Ar­bei­tern ge­gen­über An­ge­stell­ten heu­te kei­ne The­ma mehr sein, eben­so we­nig wie ei­ne Schlech­ter­stel­lung von Frau­en beim The­ma Be­triebs­ren­te.

Trotz­dem muss die Be­triebs­ren­te für Ar­bei­ter und An­ge­stell­te nicht in der­sel­ben Wei­se be­rech­net wer­den, wenn die Be­rech­nungs­grund­la­gen, näm­lich die der Ren­te zu­grun­de­lie­gen­den Ver­gü­tungs­be­stand­tei­le, bei Ar­bei­tern und An­ge­stell­ten un­ter­schied­lich sind: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.06.2014, 3 AZR 757/12.

Ver­schie­de­ne Be­rech­nungs­we­ge für die Er­rech­nung der Be­triebs­ren­ten bei Ar­bei­tern und An­ge­stell­ten - geht das?

Dass Ar­bei­ter kei­ne kürze­ren Kündi­gungs­fris­ten, kein ge­rin­ge­res Weih­nachts­geld oder gar ei­ne klei­ne­re Be­triebs­ren­te als An­ge­stell­te er­hal­ten dürfen, ver­steht sich heut­zu­ta­ge von selbst. So et­was wäre ein Ver­s­toß ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz.

Denn ob ein Ar­beit­neh­mer als ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer ("Ar­bei­ter") oder als An­ge­stell­ter geführt wird, und ob er im Blau­mann oder mit Schlips und Kra­gen sei­ne Ar­beit ver­rich­tet, ist im All­ge­mei­nen kein Grund dafür, Un­ter­schie­de bei Kündi­gungs­fris­ten, Gra­ti­fi­ka­tio­nen oder Be­triebs­ren­ten zu ma­chen.

Al­ler­dings wer­den Löhne für Ar­bei­ter und Gehälter für An­ge­stell­te in vie­len Ta­rif­verträgen tra­di­tio­nell ver­schie­den be­rech­net. Ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer müssen oft Schicht­dienst ver­rich­ten und er­hal­ten dafür Zu­la­gen, oder sie ar­bei­ten nachts oder an Sonn­ta­gen oder Fei­er­ta­gen, und auch dafür gibt es Zu­schläge. Die­se Ge­halts­kom­po­nen­ten be­kom­men An­ge­stell­te meis­tens nicht, denn sie ar­bei­ten ty­pi­scher­wei­se "von neun bis fünf". Dafür ha­ben sie oft ein höhe­res ta­rif­li­ches Grund­ge­halt als Ar­bei­ter.

Beim The­ma Be­triebs­ren­te können die­se Un­ter­schie­de bei der Ge­halts­be­rech­nung zu Strei­tig­kei­ten führen, wenn sie zur Fol­ge ha­ben, dass die Be­triebs­ren­ten für Ar­bei­ter und An­ge­stell­te auf ver­schie­de­ne Wei­se fest­ge­setzt bzw. be­rech­net wer­den.

Der Streit­fall: Aa­che­ner Bus­fah­rer möch­te, dass bei der Be­rech­nung sei­ner Be­triebs­ren­te ein Be­rech­nungs­fak­tor in der­sel­ben Höhe an­ge­wandt wird wie bei An­ge­stell­ten

Im Streit­fall war ein Aa­che­ner Bus­fah­rer seit 1988 als ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer, d.h. als Ar­bei­ter beschäftigt. Die ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen über die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung sa­hen für die Ar­beit­neh­mer, die vor dem Jahr 2000 im Un­ter­neh­men ein­ge­tre­ten wa­ren, ei­ne Ge­samt­ver­sor­gung vor. Die­se (heu­te ab­ge­schaff­te) Ren­ten­zu­sa­ge war dar­auf ge­rich­tet, den Ar­beit­neh­mern je nach ih­rer Beschäfti­gungs­dau­er ei­nen be­stimm­ten An­teil ih­rer zu­letzt be­zo­ge­nen Vergütung zu ga­ran­tie­ren, al­ler­dings un­ter An­rech­nung der ge­setz­li­chen Ren­te.

Die Ver­sor­gungs­re­ge­lung sah da­bei ver­schie­de­ne Brut­to- und Net­too­ber­gren­zen der Ge­samt­ver­sor­gung vor und be­stimm­te außer­dem, dass die Be­triebs­ren­te den Be­trag nicht über­schrei­ten durf­te, der sich aus der Mul­ti­pli­ka­ti­on der ru­he­geldfähi­gen Beschäfti­gungs­jah­re mit ei­nem sog. Grund­be­trag er­gab.

Die­ser Grund­be­trag war der Auslöser des Streits, denn die Grund­beträge für An­ge­stell­te wa­ren höher als die Grund­beträge für Ar­bei­ter der­sel­ben Vergütungs­grup­pe. Da­her gal­ten für die An­ge­stell­ten an die­ser Stel­le höhe­re Ober­gren­zen für die Be­triebs­ren­te.

Der Bus­fah­rer war da­mit nicht ein­ver­stan­den und klag­te vor dem Ar­beits­ge­richt mit dem Ziel, den Ar­beit­ge­ber zu ver­pflich­ten, bei der Be­rech­nung der Be­triebs­ren­te den An­ge­stell­ten-Grund­be­trag an­zu­wen­den. Das Ar­beits­ge­richt Aa­chen gab der Kla­ge statt (Ur­teil vom 27.01.2011, 2 Ca 1130/09), während das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln dem Ar­beit­ge­ber Recht gab (LAG Köln, Ur­teil vom 22.03.2012, 13 Sa 254/11).

BAG: Be­triebs­ren­ten können bei Ar­bei­tern und An­ge­stell­ten ver­schie­den be­rech­net wer­den, um ei­ne Gleich­be­hand­lung bei der Ge­samt­ver­sor­gung zu er­rei­chen

Auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schied ge­gen den Bus­fah­rer. Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung von ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mern und An­ge­stell­ten bei den Grund­beträgen ist recht­lich in Ord­nung, so die Er­fur­ter Rich­ter. So­weit aus der der­zeit al­lein be­kann­ten Pres­se­mel­dung des BAG her­vor­geht, stützt sich das Ge­richt auf fol­gen­de Über­le­gun­gen:

Im be­klag­ten Un­ter­neh­men er­hiel­ten Ar­bei­ter vie­le Zu­la­gen und Zu­schläge, die An­ge­stell­ten der­sel­ben Vergütungs­grup­pe nicht oder nur in we­sent­lich ge­rin­ge­rem Um­fang be­ka­men. Da­her er­hiel­ten Ar­bei­ter kurz vor ih­rer Ren­te ein deut­lich höhe­res pen­si­onsfähi­ges Ge­halt und hat­ten ei­ne höhe­re ge­setz­li­che Ren­te als An­ge­stell­te der­sel­ben Vergütungs­grup­pe.

Kon­kret be­zo­gen die Ar­bei­ter der Vergütungs­grup­pe 8, zu de­nen auch der Bus­fah­rer gehörte, nach den Be­rech­nun­gen des LAG Köln auf­grund der vie­len Zu­schläge ein Jah­res­ein­kom­men, das im Durch­schnitt un­gefähr 10.000 DM höher war als das Jah­res­ge­halt der An­ge­stell­ten der Vergütungs­grup­pe 8.

Fa­zit: Da die Ver­sor­gungs­ord­nung hier im Streit­fall durch ei­nen Ta­rif­ver­trag ge­re­gelt war, konn­te sich der Bus­fah­rer oh­ne­hin nicht auf den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz be­ru­fen, weil die­ser auf Ta­rif­verträge nicht an­zu­wen­den ist. Recht­lich muss­te das BAG da­her nur prüfen, ob die Ta­rif­par­tei­en das Willkürver­bot (Art.3 Grund­ge­setz - GG) miss­ach­tet hat­ten, d.h. die Über­prüfung der hier strei­ti­gen Be­rech­nungs­fak­to­ren war von vorn­her­ein weit­ma­schi­ger als sie bei ei­ner nicht-ta­rif­li­chen Ver­sor­gungs­ord­nung ge­we­sen wäre.

Und dass die Ta­rif­par­tei­en durch die "Be­vor­zu­gung" der An­ge­stell­ten beim Grund­be­trag willkürlich ge­han­delt hätten, wäre ein ziem­lich ab­we­gi­ger Vor­wurf. Um­ge­kehrt dien­te die un­glei­che Fest­le­gung des Grund­be­trags dem Ziel, im Er­geb­nis ei­ne un­gefähr glei­che Ge­samt­ver­sor­gung von Ar­bei­tern und An­ge­stell­ten zu er­rei­chen (die auch so noch für die Ar­bei­ter bes­ser war als für die An­ge­stell­ten). Hätte der Kläger mit sei­ner Kla­ge Er­folg ge­habt, hätte er sei­ne fi­nan­zi­el­le Bes­ser­stel­lung bei der Ge­samt­ver­sor­gung noch wei­ter aus­bau­en können.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. Oktober 2016

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