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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/142

Gleich­heits­wid­ri­ger Aus­schluss von der Er­hö­hung des Weih­nachts­gel­des

BAG: Ver­stoß ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz bei Son­der­zah­lun­gen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 01.04.2009, 10 AZR 353/08
Gleich­be­hand­lung bei Son­der­zah­lung

11.08.2009. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat­te kürz­lich zu ent­schei­den, ob es ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­stößt, wenn der Ar­beit­ge­ber Ar­beit­neh­mern zum Aus­gleich für ei­ne frei­wil­li­ge un­be­zahl­te Ar­beits­zeit­ver­län­ge­rung ei­ne Er­hö­hung des Weih­nachts­gel­des be­wil­ligt und sie den­je­ni­gen vor­ent­hält, die der Ar­beits­zeit­ver­län­ge­rung nicht zu­ge­stimmt hat­ten.

Das Ge­richt prüf­te da­bei vor al­lem, ob die Zweck­set­zung für die Auf­sto­ckung ei­ner Ein­mal­zah­lung vom Ar­beit­ge­ber kon­se­quent durch­ge­hal­ten und um­ge­setzt wur­de: BAG, Ur­teil vom 01.04.2009, 10 AZR 353/08.

Son­der­zah­lun­gen mit ei­nem Zweck ver­bin­den

Gewährt der Ar­beit­ge­ber Gra­ti­fi­ka­tio­nen, Loh­nerhöhun­gen oder an­de­re fi­nan­zi­el­le Vergüns­ti­gun­gen, fällt dies im All­ge­mei­nen un­ter sei­ne Ver­trags­frei­heit und die des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers. Der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz spielt hier zunächst ein­mal kei­ne Rol­le, d.h. die De­vi­se „glei­cher Lohn für glei­che Ar­beit!“ ist ei­ne ge­werk­schaft­li­che For­de­rung, aber kein Recht­s­prin­zip. Der Ar­beit­ge­ber kann von Rechts we­gen oh­ne wei­te­res glei­che Tätig­kei­ten ver­schie­den be­zah­len, al­so „nach Na­se“ ver­fah­ren.

Nur dann, wenn der Ar­beit­ge­ber Son­der­zah­lun­gen, Loh­nerhöhun­gen oder dgl. nach ei­nem ein­heit­li­chen Prin­zip ver­teilt, d.h. al­le Ar­beit­neh­mer des Be­triebs oder ei­ner be­stimm­ten Ab­tei­lung oder Grup­pe begüns­ti­gen will, darf er nicht oh­ne sach­li­chen Grund ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer schlech­ter stel­len, d.h. von der Vergüns­ti­gung aus­neh­men. Un­ter sol­chen Umständen greift der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz.

Ent­schei­dend für die Fra­ge, ob ei­ne be­stimm­te Aus­ge­stal­tung von Zah­lun­gen der Ver­trags­frei­heit un­terfällt und oder aber dem Gleich­be­hand­lungs­grund­satz und so­mit in gleichförmi­ger Wei­se durch­geführt wer­den muss, ist da­her die Zweck­set­zung, die der Ar­beit­ge­ber mit der Zah­lung ver­bin­det. Ist die­se ein­heit­lich auf Ar­beit­neh­mer­grup­pen be­zo­gen und in­so­fern nicht in­di­vi­du­ell, ist der Ar­beit­ge­ber an den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bun­den.

Aber auch dann kann er im­mer noch zwi­schen ver­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer­grup­pen un­ter­schei­den, d.h. er muss nicht al­le Ar­beit­neh­mer „über ei­nen Kamm sche­ren“. Vor­aus­set­zung dafür, auch bei Gel­tung des Gleich­be­hand­lungs­grund­satzes bei der Gewährung von Gra­ti­fi­ka­tio­nen ver­schie­de­ne Ar­beit­neh­mer­grup­pen in ver­schie­de­nem Um­fang zu begüns­ti­gen, ist auch hier ei­ne kla­re Zweck­set­zung.

Um recht­li­che Un­klar­hei­ten bzw. Ri­si­ken der Mehr­be­las­tung zu ver­mei­den, emp­fiehlt es sich aus Ar­beit­ge­ber­sicht in der Re­gel, ei­ne Son­der­zah­lung möglichst nur mit ei­nem Zweck zu ver­bin­den, vor al­lem dann, wenn die­se Zweck­set­zung zu­gleich auch der Grund dafür sein soll, be­stimm­te Ar­beit­neh­mer(grup­pen) von der Vergüns­ti­gung aus­zu­neh­men. Ei­ne Viel­zahl von gleich­zei­tig ver­folg­ten Zwe­cken kann der Rechtmäßig­keit der Grup­pen­bil­dung ent­ge­gen­ste­hen, wo­mit im Er­geb­nis al­le Ar­beit­neh­mer die Son­der­zah­lung be­an­spru­chen können. Wie schnell das pas­sie­ren kann, zeigt ein Fall, den das BAG mit Ur­teil vom 01.04.2009, 10 AZR 353/08 zu ent­schei­den hat­te.

Der Fall: Kein Weih­nachts­geld für "Nein-Sa­ger"

Der Ar­beit­ge­ber hat­te für das Jahr 2006 für die Mit­ar­bei­ter ei­ne Auf­sto­ckung des Weih­nachts­gel­des per Aus­hang am schwar­zen Brett an­gekündigt. Dar­in brach­te der Ar­beit­ge­ber zum Aus­druck, die Zah­lung sei als „Dan­keschön“ für ei­ne ei­ni­ge Jah­re zu­vor ein­geführ­te un­be­zahl­te Ar­beits­zeit­verlänge­rung zu ver­ste­hen; die­ser hat­ten die meis­ten Ar­beit­neh­mer „frei­wil­lig“ im We­ge der Ar­beits­ver­tragsände­rung zu­ge­stimmt.

Al­ler­dings muss­ten die in die­ser Wei­se „ho­no­rier­ten“ Ar­beit­neh­mer noch wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen erfüllen, um in den Ge­nuss der Son­der­zah­lung zu ge­lan­gen. So war es von Be­deu­tung, wie lan­ge man schon beschäftigt war und ob das Ar­beits­verhält­nis über den Jah­res­wech­sel hin­aus be­ste­hen würde. Im übri­gen nahm die Ankündi­gung des Ar­beit­ge­bers auch auf ta­rif­li­che Weih­nachts­geld­re­ge­lun­gen Be­zug.

Ei­ner der Ar­beit­neh­mer des Be­triebs, der der Ar­beits­ver­tragsände­rung bzw. der Ar­beits­zeit­verlänge­rung nicht zu­ge­stimmt hat­te und da­her vom Ar­beit­ge­ber auch kei­ne Auf­sto­ckung des Weih­nachts­gel­des er­hielt, ging da­ge­gen ge­richt­lich vor und klag­te die Zah­lung ein.

Der in der ers­ten In­stanz zuständi­ge Ar­beits­ge­richt so­wie das Be­ru­fungs­ge­richt, das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg (Ur­teil vom 22.01.2008, 8 Sa 29/07), ga­ben dem Kläger recht. Da­ge­gen wand­te sich der in zwei In­stan­zen un­ter­le­ge­ne Ar­beit­ge­ber in der Re­vi­si­on vor dem BAG.

BAG: Ar­beit­ge­ber müssen die Zwe­cke ei­ner Son­der­leis­tung kon­se­quent re­geln

Das BAG wies die Re­vi­si­on zurück und bestätig­te da­mit die Vor­in­stan­zen.

Denn wenn der Ar­beit­ge­ber nach ei­nem ein­heit­li­chen Sche­ma Son­der­zah­lun­gen gewährt und da­bei be­stimm­te Zwe­cke ver­folgt, so muss er al­len Ar­beit­neh­mern, auf die die Zwe­cke zu­tref­fen, die Zah­lung gewähren.

In der Be­stim­mung die­ses Zwecks ist der Ar­beit­ge­ber zwar im Prin­zip frei, doch muss er sich hüten, mehr als ei­nen Zweck mit­zu­tei­len, wenn er nur an ei­nen (ein­zi­gen) ge­bun­den sein möch­te. An­ders ge­sagt: Will der Ar­beit­ge­ber nur ei­nen Zweck ver­fol­gen, so darf er auch nur die­sen ei­nen bei der Ankündi­gung der Son­der­zah­lung nen­nen. Nennt er da­ge­gen wei­te­re Zwe­cke, er­wei­tert sich der Kreis der begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer ent­spre­chend im Rah­men des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes.

Im vor­lie­gen­den Fall hat­te der Ar­beit­ge­ber zwar mit­ge­teilt, dass er mit der Erhöhung des Weih­nachts­gel­des die Ar­beits­zeit­verlänge­rung ho­no­rie­ren wol­le. Al­ler­dings wa­ren in der Ankündi­gung An­knüpfungs­punk­te für die Zah­lung auch die Be­triebs­treue und Beschäfti­gungs­dau­er. Auch die tatsächli­che Um­set­zung der Gra­ti­fi­ka­ti­on er­gab, dass auch an­de­re Ar­beit­neh­mer „be­lohnt“ wer­den sol­len.

Fa­zit: Will der Ar­beit­ge­ber die Be­reit­schaft zu ei­ner Ar­beits­zeit­erhöhung bzw. Lohnkürzung durch Auf­sto­ckung ei­ner Ein­mal­zah­lung be­loh­nen, muss er die­se Zweck­set­zung kon­se­quent durch­hal­ten bzw. um­set­zen. Knüpft er die Zah­lung da­ge­gen an wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen, er­wei­tert sich der Um­kreis der An­spruchs­be­rech­tig­ten ent­spre­chend dem Gleich­heits­grund­satz.

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Letzte Überarbeitung: 12. März 2018

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