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BAG, Ur­teil vom 08.12.2010, 10 AZR 671/09

   
Schlagworte: Betriebliche Übung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 671/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 08.12.2010
   
Leitsätze: Bei einer Verknüpfung von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag wird für den Arbeitnehmer nicht hinreichend deutlich, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgender Sonderzahlungen ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 6.04.2009, 5 Ca 3995/08
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 29.07.2009, 2 Sa 470/09
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

10 AZR 671/09

2 Sa 470/09

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

8. De­zem­ber 2010

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 8. De­zem­ber 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Mi­kosch, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt


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Dr. Ey­lert und Rein­fel­der so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Si­mon und Ohl für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 29. Ju­li 2009 - 2 Sa 470/09 - auf­ge­ho­ben.

2. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mönchen­glad­bach vom 6. April 2009 - 5 Ca 3995/08 - wird zurück­ge­wie­sen.

3. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des für das

Jahr 2008.

Der Kläger ist seit dem 1. Fe­bru­ar 1996 bei der Be­klag­ten, die ein Pla-

nungs- und Tech­no­lo­giebüro be­treibt, als Di­plom­in­ge­nieur ge­gen ein mo­nat­li­ches Brut­to­ent­gelt in Höhe von zu­letzt 3.350,00 Eu­ro beschäftigt. Ziff. 6 des schrift­li­chen Ar­beits­ver­trags vom 3. Ja­nu­ar 1996 enthält fol­gen­de Re­ge­lung: „Gra­ti­fi­ka­tio­nen:

So­weit der Ar­beit­ge­ber ge­setz­lich oder durch Ta­rif­ver­trag nicht vor­ge­schrie­be­ne Leis­tun­gen, wie Prämi­en, Zu­la­gen, Ur­laubs­geld, Gra­ti­fi­ka­tio­nen, Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­tio­nen gewährt, er­fol­gen sie frei­wil­lig und oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung. Sie sind da­her je­der­zeit oh­ne Wah­rung ei­ner be­son­de­ren Frist wi­der­ruf­bar.“

Die Be­klag­te zahl­te seit Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses je­weils im

No­vem­ber ein Weih­nachts­geld an den Kläger. In den Ge­halts­ab­rech­nun­gen für No­vem­ber der Jah­re 2005 bis 2007 wur­de ein Mo­nats­ge­halt als „Weih­nachts­geld“ oh­ne Vor­be­halt aus­ge­wie­sen. Für das Jahr 2008 leis­te­te die Be­klag­te an


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den Kläger und die an­de­ren Mit­ar­bei­ter un­ter Hin­weis auf die Wirt­schafts­kri­se kei­ne Zah­lung.

Der Kläger hat das Weih­nachts­geld in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ver-

diens­tes ge­richt­lich gel­tend ge­macht und die Auf­fas­sung ver­tre­ten, auf­grund der jah­re­lan­gen vor­be­halt­lo­sen Zah­lung ste­he ihm die­ses auch für das Jahr 2008 zu. Der im Ar­beits­ver­trag nie­der­ge­leg­te Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt sei un­be-acht­lich. Er sei nicht ein­deu­tig und we­gen sei­ner Ver­knüpfung mit dem Wi­der-rufs­vor­be­halt in­trans­pa­rent und un­wirk­sam.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 3.350,00 Eu­ro brut­to

nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. De­zem­ber 2008 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die An­sicht

ver­tre­ten, der ver­ein­bar­te Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ha­be das Ent­ste­hen ei­ner be­trieb­li­chen Übung und ei­nes An­spruchs auf Weih­nachts­geld für 2008 ver­hin­dert. Der Hin­weis auf die Wi­der­ruf­bar­keit in der Ver­trags­klau­sel ha­be kei­ne ei­genständi­ge Be­deu­tung, son­dern stütze nur den Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt. Das Weih­nachts­geld sei we­gen der wirt­schaft­li­chen Kri­se nicht ge­zahlt wor­den.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge-

richt hat sie ab­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt der Kläger die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Klägers ist be­gründet.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Der

Kläger hat ei­nen An­spruch auf Zah­lung des Weih­nachts­gel­des für das Jahr 2008 in Höhe ei­nes Mo­nats­ge­halts nebst Zin­sen in dem zu­er­kann­ten Um­fang.


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I. Die Be­klag­te hat seit Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses je­weils im No-

vem­ber ein Weih­nachts­geld in Höhe ei­nes Mo­nats­ge­halts an die Be­leg­schaft und den Kläger ge­zahlt. Da­durch ist ei­ne be­trieb­li­che Übung be­gründet wor­den und ein ver­trag­li­cher An­spruch des Klägers auf die­se Leis­tung ent­stan­den. Dem steht der in Ziff. 6 des Ar­beits­ver­trags ent­hal­te­ne Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt nicht ent­ge­gen.

1. Bei Zah­lung ei­ner über das ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ge­halt hin-

aus­ge­hen­den Vergütung ist durch Aus­le­gung (§§ 133, 157 BGB) zu er­mit­teln, ob sich der Ar­beit­ge­ber nur zu der kon­kre­ten Leis­tung (bspw. Gra­ti­fi­ka­ti­on im Ka­len­der­jahr) oder darüber hin­aus auch für die Zu­kunft ver­pflich­tet hat. Ei­ne dau­er­haf­te Ver­pflich­tung kann sich ins­be­son­de­re aus ei­nem Ver­hal­ten mit Erklärungs­wert wie ei­ner be­trieb­li­chen Übung er­ge­ben. Un­ter ei­ner be­trieb­li­chen Übung ver­steht man die re­gelmäßige Wie­der­ho­lung be­stimm­ter Ver­hal­tens­wei­sen des Ar­beit­ge­bers, aus de­nen die Ar­beit­neh­mer schließen können, ih­nen sol­le ei­ne Leis­tung oder Vergüns­ti­gung auf Dau­er gewährt wer­den. Aus die­sem als Ver­trags­an­ge­bot zu wer­ten­den Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers, das von den Ar­beit­neh­mern re­gelmäßig still­schwei­gend an­ge­nom­men wird (§ 151 BGB), er­wach­sen ver­trag­li­che Ansprüche auf die üblich ge­wor­de­nen Leis­tun­gen für die Zu­kunft. Ent­schei­dend ist da­bei nicht, ob der Erklären­de ei­nen Ver­pflich­tungs­wil­len hat­te, son­dern ob der Erklärungs­empfänger die Erklärung oder das Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers nach Treu und Glau­ben un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Be­gleit­umstände (§§ 133, 157 BGB) da­hin ver­ste­hen konn­te und durf­te, der Ar­beit­ge­ber wol­le sich zu ei­ner über sei­ne ge­setz­li­chen, ta­rif­ver­trag­li­chen und ver­trag­li­chen Pflich­ten hin­aus­ge­hen­den Leis­tung ver­pflich­ten (st. Rspr., bspw. Se­nat 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 90 = EzA BGB 2002 § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 13; 30. Ju­li 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 27, BA­GE 127, 185; BAG 13. Ju­ni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 78; Se­nat 28. Ju­ni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 35, BA­GE 118, 360; 28. Ju­li 2004 - 10 AZR 19/04 - zu II 1 a der Gründe, AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 257 = EzA BGB 2002 § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 2; sie­he auch BAG 16. Ja­nu­ar 2002 - 5 AZR 715/00 - zu I 1 der Gründe, AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4


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Ta­rif­loh­nerhöhung Nr. 37). Dies ist im We­ge der Aus­le­gung des Ver­hal­tens des Ar­beit­ge­bers zu er­mit­teln. Die An­for­de­run­gen an den Erklärungs­wert be­stim­men sich nach der Art des Ver­hal­tens des Ver­trags­part­ners, das ei­ne be­trieb­li­che Übung be­gründen soll. Ei­ne ver­trag­li­che Bin­dung wird re­gelmäßig an­zu­neh­men sein, wenn be­son­de­re Umstände ein schutzwürdi­ges Ver­trau­en der Ar­beit­neh­mer be­gründen (BAG 13. Ju­ni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, aaO). Da­bei kommt dem kon­kre­ten Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers, ins­be­son­de­re des­sen In­ten­sität und Re­gelmäßig­keit, ent­schei­den­des Ge­wicht zu. Zwar hat der Se­nat bis­her kei­ne all­ge­mein­ver­bind­li­che Re­gel auf­ge­stellt, ab wel­cher Zahl von Leis­tun­gen der Ar­beit­neh­mer dar­auf ver­trau­en darf, er wer­de die Leis­tung auch zukünf­tig er­hal­ten. Al­ler­dings ist für jähr­lich an die ge­sam­te Be­leg­schaft ge­leis­te­te Gra­ti­fi­ka­tio­nen die Re­gel auf­ge­stellt wor­den, nach der ei­ne zu­min­dest drei­ma­li­ge vor­be­halt­lo­se Gewährung zur Ver­bind­lich­keit er­starkt, falls nicht be­son­de­re Umstände hier­ge­gen spre­chen oder der Ar­beit­ge­ber bei der Zah­lung ei­nen Bin­dungs­wil­len für die Zu­kunft aus­ge­schlos­sen hat (Se­nat 21. Ja­nu­ar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 13, BA­GE 129, 164; 28. Ju­ni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 36, aaO).

2. Die Be­klag­te hat seit Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses im Jahr 1996

je­weils im No­vem­ber ei­ne in den Ge­halts­ab­rech­nun­gen als Weih­nachts­geld be­zeich­ne­te Zu­wen­dung in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ent­gelts oh­ne wei­te­re Ein­schränkun­gen oder auf Ziff. 6 des Ar­beits­ver­trags be­zo­ge­ne Zusätze an den Kläger ge­zahlt. Die­se re­gelmäßigen Zah­lun­gen konn­ten des­halb bei ihm die be­rech­tig­te Er­war­tung we­cken, auch in den Fol­ge­jah­ren ein Weih­nachts­geld von der Be­klag­ten zu er­hal­ten. Aus sei­ner Sicht konn­te und durf­te der Kläger die mehr­fa­chen Zah­lun­gen als ein An­ge­bot ver­ste­hen, mit dem sich die Be­klag­te dau­er­haft und auch für die Zu­kunft zur Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des ver­pflich­ten woll­te. Die­ses An­ge­bot hat er oh­ne Wei­te­res nach § 151 BGB an­ge­nom­men.

a) Die durchgängi­ge und dau­er­haf­te, ein­mal jähr­lich im No­vem­ber er­folg­te

Zah­lung des Weih­nachts­gel­des konn­te der Kläger un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Ein­zel­fal­l­umstände, wie der Häufig­keit der Leis­tung, der Art der


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kom­men­tar­lo­sen Aus­zah­lung und der Höhe der Son­der­zah­lung (ein Mo­nats­ge­halt), und un­ter Be­ach­tung von Treu und Glau­ben nur so auf­fas­sen, dass die Be­klag­te sich auch zur zukünf­ti­gen Zah­lung die­ses Weih­nachts­gel­des ver­pflich­ten woll­te (vgl. zur Aus­le­gung der Erklärun­gen in­so­weit: Preis/Ge­nen­ger Jahr­buch des Ar­beits­rechts Bd. 47, 93, 112). Da die Be­klag­te bei den Zah­lun­gen we­der ei­nen aus­drück­li­chen „Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt“ erklärt noch auf ei­nen ver­trag­lich for­mu­lier­ten Vor­be­halt Be­zug ge­nom­men hat­te, muss­te er auch nicht an­neh­men, die Son­der­zah­lung er­fol­ge le­dig­lich für das kon­kre­te Jahr und oh­ne Rechts­bin­dungs­wil­len für die Zu­kunft. Er durf­te viel­mehr be­rech­tig­ter­wei­se auf ei­ne fort­dau­ern­de Leis­tungs­gewährung für die Fol­ge­jah­re ver­trau­en (zu die­sem Ver­trau­en­s­as­pekt vgl. Ge­org An­nuß FS Pi­cker S. 861, 865).

b) Dem steht der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt aus Ziff. 6 des Ar­beits­ver­trags

nicht ent­ge­gen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts schließt die­se Klau­sel mit ih­rer For­mu­lie­rung, die Gewährung von Gra­ti­fi­ka­tio­nen er­fol­ge „frei­wil­lig und oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung“, das Ent­ste­hen ei­nes zukünf­ti­gen An­spruchs auf Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des nicht aus. Sie ist nicht ge­eig­net, den Wert der späte­ren Erklärun­gen der Be­klag­ten im Zu­sam­men­hang mit den mehr­fach ge­leis­te­ten Weih­nachts­geld­zah­lun­gen hin­rei­chend zu ent­wer­ten. Die Klau­sel enthält kei­nen kla­ren und un­miss­verständ­li­chen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt iSd. Recht­spre­chung des Se­nats.

aa) Bei der von der Be­klag­ten in Ziff. 6 des Ar­beits­ver­trags vor­for­mu­lier­ten

Ver­trags­be­din­gung han­delt es sich um ei­ne All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Aus­le­gung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen durch das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter­liegt ei­ner vol­len re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prüfung (Se­nat 20. Ja­nu­ar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BA­GE 124, 259). All­ge­mei­ne Ver­trags­be­din­gun­gen sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den, wo­bei nicht


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die Verständ­nismöglich­kei­ten des kon­kre­ten, son­dern die des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen sind. An­satz­punkt für die nicht am Wil­len der je­wei­li­gen Ver­trags­part­ner zu ori­en­tie­ren­de Aus­le­gung All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen ist in ers­ter Li­nie der Ver­trags­wort­laut. Ist die­ser nicht ein­deu­tig, kommt es für die Aus­le­gung ent­schei­dend dar­auf an, wie der Ver­trags­text aus Sicht der ty­pi­scher­wei­se an Geschäften die­ser Art be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se zu ver­ste­hen ist, wo­bei der Ver­trags­wil­le verständi­ger und red­li­cher Ver­trags­part­ner be­ach­tet wer­den muss. So­weit auch der mit dem Ver­trag ver­folg­te Zweck ein­zu­be­zie­hen ist, kann das nur in Be­zug auf ty­pi­sche und von red­li­chen Geschäfts­part­nern ver­folg­te Zie­le gel­ten (Se­nat

20. Ja­nu­ar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, aaO; 10. De­zem­ber 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 13, aaO).

bb) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist zunächst zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen,

dass ein Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt nach der Recht­spre­chung des Se­nats re­gelmäßig das Ent­ste­hen ei­nes Rechts­an­spruchs auf ei­ne künf­ti­ge Son­der­zah­lung wirk­sam ver­hin­dern kann (Se­nat 20. Ja­nu­ar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 30. Ju­li 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 12, BA­GE 127, 185; 12. Ja­nu­ar 2000 - 10 AZR 840/98 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 223 = EzA BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 158; 5. Ju­ni 1996 - 10 AZR 883/95 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 141). Der Ar­beit­ge­ber kann - außer bei lau­fen­dem Ar­beits­ent­gelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BA­GE 122, 182) - ei­nen Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers grundsätz­lich aus­sch­ließen und sich ei­ne Ent­schei­dung vor­be­hal­ten, ob und in wel­cher Höhe er zukünf­tig Son­der­zah­lun­gen gewährt (st. Rspr. des Se­nats

21. Ja­nu­ar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14, BA­GE 129, 164; 30. Ju­li 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 17, aaO; 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BA­GE 124, 259). Er bleibt grundsätz­lich in sei­ner Ent­schei­dung frei, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen er zum lau­fen­den Ar­beits­ent­gelt ei­ne zusätz­li­che Leis­tung er­brin­gen will. Al­ler­dings muss ein sol­cher Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt klar und verständ­lich iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB for­mu­liert wor­den sein, um


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den Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ei­ne Son­der­zah­lung ein­deu­tig aus­zu­sch­ließen (Se­nat 20. Ja­nu­ar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn.14, aaO; 21. Ja­nu­ar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14, aaO; 10. De­zem­ber 2008 - 10 AZR 1/08 - AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 30. Ju­li 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 12, aaO; 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, aaO).

cc) Ein Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt darf nicht mehr­deu­tig sein. Er darf ins­be-

son­de­re nicht in Wi­der­spruch zu an­de­ren Ver­ein­ba­run­gen der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ste­hen (Se­nat 30. Ju­li 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BA­GE 127, 185; 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 18, BA­GE 124, 259; Preis NZA 2009, 281, 285). Gibt es ei­nen sol­chen klar und verständ­lich for­mu­lier­ten Frei­wil­lig-keits­vor­be­halt, der je­den Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ei­ne Son­der­zah­lung aus­sch­ließt, fehlt es an ei­ner ver­spro­che­nen Leis­tung iSd. § 308 Nr. 4 BGB (Se­nat 20. Ja­nu­ar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 21. Ja­nu­ar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 15, BA­GE 129, 164 und - 10 AZR 221/08 - Rn. 15; 10. De­zem­ber 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). In die­sen Fällen wird ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Leis­tung der Son­der­zah­lung un­abhängig von dem mit der Son­der­zu­wen­dung ver­folg­ten Zweck von vorn­her­ein nicht be­gründet. Der Ar­beit­neh­mer, der den Hin­weis im Ar­beits­ver­trag ernst neh­men muss, darf das späte­re kon­klu­den­te Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers ent­ge­gen sei­nem gewöhn­li­chen Erklärungs­wert nicht als An­ge­bot zur dau­er­haf­ten Leis­tungs­er­brin­gung ver­ste­hen. Es man­gelt dann an ei­nem An­ge­bot des Ar­beit­ge­bers, das der Ar­beit­neh­mer an­neh­men könn­te (Se­nat 10. De­zem­ber 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, aaO; 30. Ju­li 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 17, aaO). Ei­ne be­son­de­re Ein­deu­tig­keit und Klar­heit des Vor­be­halts ist aber schon des­halb er­for­der­lich, weil die Be­deu­tung ei­ner (et­wai­gen) späte­ren Erklärung vor­ab ver­bind­lich fest­ge­schrie­ben wer­den soll. Der Vor­be­halt darf nur die Aus­le­gung des künf­ti­gen Erklärungs­ver­hal­tens be­tref­fen und nicht zu die­sem in Wi­der­spruch ste­hen.

dd) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts fehlt es im Streit-

fall an ei­nem klar und verständ­lich for­mu­lier­ten Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt.


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(1) Die Klau­sel in Ziff. 6 des Ar­beits­ver­trags enthält le­dig­lich den Hin­weis,
dass es sich bei den von ihr er­fass­ten „Gra­ti­fi­ka­tio­nen“ um nicht durch Ge­setz oder Ta­rif­ver­trag vor­ge­schrie­be­ne Leis­tun­gen han­de­le, de­ren Leis­tung „frei­wil­lig“ er­fol­ge. Ei­nen wei­ter­ge­hen­den Hin­weis, bspw. dass auch bei ei­ner wie­der­hol­ten Zah­lung kein Rechts­an­spruch für die Zu­kunft be­gründet wer­de, enthält die Klau­sel nicht. Al­lein ein sol­cher Vor­be­halt könn­te aber ei­nen Rechts­an­spruch auf zukünf­ti­ge Zah­lung des be­gehr­ten Weih­nachts­gel­des aus­sch­ließen (vgl. Se­nat 21. Ja­nu­ar 2009 - 10 AZR 219/08 - BA­GE 129, 164; 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., BA­GE 117, 155). So­weit ei­ne Ver­trags­klau­sel ei­nen der­ar­ti­gen Vor­be­halt nicht aus­drück­lich vor­sieht, wird ei­ne Be­stim­mung, nach der die Son­der­zah­lung „frei­wil­lig“ und „oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung“ er­folgt, von ei­nem um Verständ­nis bemühten Ar­beit­neh­mer im Zwei­fel nur als Hin­weis zu ver­ste­hen sein, dass sich der Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung ei­ner Gra­ti­fi­ka­ti­on be­reit erklärt, oh­ne da­zu durch an­de­re Re­ge­lun­gen ge­zwun­gen zu sein (vgl. Se­nat 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BA­GE 124, 259; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., aaO; 23. Ok­to­ber 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BA­GE 103, 151; sie­he auch BAG 11. April 2000 - 9 AZR 255/99 - zu I 1 d der Gründe, BA­GE 94, 204). Ins­be­son­de­re kommt dem Nach­satz („oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung“) kei­ne ei­genständi­ge Be­deu­tung für ei­nen zukünf­ti­gen Aus­schluss ei­ner ver­trag­li­chen Bin­dung durch späte­re Erklärun­gen der Be­klag­ten zu. Die Klau­sel verstärkt nur die Aus­sa­ge der Frei­wil­lig­keit und be­tont die feh­len­de recht­li­che Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zu ei­ner ent­spre­chen­den Zah­lung.

(2) Die Klau­sel in Ziff. 6 des Ar­beits­ver­trags ist auch des­halb un­klar und
miss­verständ­lich, weil Satz 2 ei­ne Wi­der­rufsmöglich­keit vor­sieht. Die Be­klag­te hat ei­ne frei­wil­li­ge Leis­tung un­ter ei­nen Wi­der­rufs­vor­be­halt ge­stellt. Bei ei­nem Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ent­steht aber schon gar kein An­spruch auf die Leis­tung, bei ei­nem Wi­der­rufs­vor­be­halt hin­ge­gen hat der Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch, der Ar­beit­ge­ber behält sich aber vor, die ver­spro­che­ne Leis­tung ein­sei­tig zu ändern (vgl. bspw. BAG 12. Ja­nu­ar 2005 - 5 AZR 364/04 - BA­GE 113, 140). Ob in ei­ner sol­chen Kom­bi­na­ti­on von Frei­wil­lig­keits- und Wi­der­rufs­vor­be­halt re­gel-


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mäßig ein zur Un­wirk­sam­keit der ge­sam­ten Klau­sel führen­der Ver­s­toß ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt (so LAG Hamm 27. Ju­li 2005 - 6 Sa 29/05 - zu II 1.2.4 der Gründe, NZA-RR 2006, 125; LAG Bran­den­burg 13. Ok­to­ber 2005 - 9 Sa 141/05 - zu A II 2 b der Gründe, LA­GE BGB 2002 § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 5; LAG Ber­lin 19. Au­gust 2005 - 6 Sa 1106/05 - NZA-RR 2006, 68; LAG Hamm 5. No­vem­ber 2009 - 15 Sa 794/09 - Rn. 47, ju­ris; Hes­si­sches LAG 26. Ju­li 2010 - 7 Sa 1881/09 - Rn. 26, ju­ris; ArbG Frei­burg 9. Sep­tem­ber 2008 - 10 Ca 3/08 - LA­GE BGB 2002 § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 12; aA LAG Düssel­dorf 31. Ja­nu­ar 2006 - 6 Sa 1441/05 - zu II 2 c der Gründe, LA­GE BGB 2002 § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 7), kann da­hin­ge­stellt blei­ben. Je­den­falls führt die Kom­bi­na­ti­on von Frei­wil­lig­keits- und Wi­der­rufs­vor­be­halt da­zu, dass für ei­nen um Verständ­nis bemühten Ver­trags­part­ner nicht deut­lich wird, dass auch bei mehr­fa­chen, oh­ne wei­te­re Vor­be­hal­te er­folg­ten Zah­lun­gen des Weih­nachts­gel­des ein Rechts­bin­dungs­wil­le für die Zu­kunft wei­ter­hin aus­ge­schlos­sen blei­ben soll (so auch LAG Hamm 27. Ju­li 2005 - 6 Sa 29/05 - zu II 1.2.4 der Gründe, aaO; LAG Köln 2. No­vem­ber 2007 - 11 Sa 550/07 - Rn. 57, ju­ris; Preis Der Ar­beits­ver­trag 2. Aufl. II V 70 Rn. 113). Für den Ver­trags­part­ner er­sch­ließt sich nicht hin­rei­chend, ob nun jeg­li­che zukünf­ti­ge Bin­dung aus­ge­schlos­sen oder le­dig­lich ei­ne Möglich­keit eröff­net wer­den soll, sich später wie­der von ei­ner ver­trag­li­chen Bin­dung los­zu­sa­gen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten liegt dem­ent­spre­chend im Wi­der­rufs­vor­be­halt auch nicht nur ei­ne „Verstärkung“ des Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts.

(3) Die ver­trag­li­che For­mu­lie­rung in Ziff. 6 des Ar­beits­ver­trags ist so­mit

nicht deut­lich ge­nug, um die mit der Zah­lung des Weih­nachts­gel­des ver­bun­de­nen Erklärun­gen zu re­la­ti­vie­ren und zu ent­wer­ten. Sie ist nicht klar und un­miss­verständ­lich und des­halb nicht ge­eig­net, das Ent­ste­hen künf­ti­ger Ansprüche ein­deu­tig aus­zu­sch­ließen.

II. Der An­spruch ist nicht durch ei­ne wirk­sa­me Erklärung der Be­klag­ten

ein­ge­schränkt oder be­sei­tigt wor­den. Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Par­tei­en ei­nen wirk­sa­men Wi­der­rufs­vor­be­halt ver­ein­bart ha­ben (vgl. BAG 12. Ja­nu­ar 2005 - 5 AZR 364/04 - BA­GE 113, 140). Je­den­falls hat die Be­klag­te


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nicht dar­ge­legt, dass sie ei­nen Wi­der­ruf wirk­sam aus­geübt hat und die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen wirk­sa­men Wi­der­ruf vor­ge­le­gen ha­ben. Ei­ne ggf. not­wen­di­ge Ände­rungskündi­gung hat die Be­klag­te nicht erklärt.

III. Der An­spruch auf die Zin­sen er­gibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288
Abs. 1 BGB.

IV. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

Mi­kosch W. Rein­fel­der Ey­lert

Si­mon Kay Ohl

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