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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/227

Ent­fris­tungs­an­spruch für den Be­triebs­rat?

Be­fris­tet be­schäf­tig­te Be­triebs­rä­te ha­ben im All­ge­mei­nen kei­nen An­spruch auf ei­nen un­be­fris­te­ten Fol­ge­ver­trag: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 25.06.2014, 7 AZR 847/12
Betriebsratsanhörung

26.06.2014. En­de 2012 be­rich­te­ten wir über ein Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Nie­der­sach­sen, mit dem das LAG ent­schie­den hat, dass Ar­beits­ver­trä­ge auch dann wirk­sam be­fris­tet wer­den kön­nen, wenn der Ar­beit­neh­mer wäh­rend der Ver­trags­lauf­zeit in den Be­triebs­rat ge­wählt wird (Ar­beits­recht ak­tu­ell: 12/351 Be­triebs­rat und be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag).

Nur aus­nahms­wei­se steht dem Be­triebs­rats­mit­glied ein An­spruch auf Ent­fris­tung zu, näm­lich dann, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ne un­be­fris­te­te Ver­trags­ver­län­ge­rung we­gen der Be­triebs­rat­s­tä­tig­keit ver­wei­gert hat.

Da die Klä­ge­rin das in dem vom LAG ent­schie­de­nen Fall nicht be­wei­sen konn­te, hat­te ih­re Ent­fris­tungs­kla­ge vor dem LAG kei­nen Er­folg. Ges­tern hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) die Klag­ab­wei­sung ab­ge­seg­net: BAG, Ur­teil vom 25.06.2014, 7 AZR 847/12.

Schützt die Wahl zum Be­triebs­rat vor dem Aus­lau­fen ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags?

Gemäß § 78 Satz 2 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) dürfen Mit­glie­der des Be­triebs­ra­tes nicht "we­gen ih­rer Tätig­keit" be­nach­tei­ligt wer­den. Ei­ne ver­bo­te­ne Be­nach­tei­li­gung liegt vor, wenn Be­triebs­rats­mit­glie­der im Ver­gleich zu an­de­ren Ar­beit­neh­mern schlech­ter ge­stellt wer­den, weil sie im Be­triebs­rat ak­tiv sind.

Das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ist ei­ne wich­ti­ge Ge­set­zes­vor­schrift. Denn da­hin­ter steht Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG. Die­se Vor­schrift lau­tet:

„Die Mit­glied­staa­ten tra­gen dafür Sor­ge, dass die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter bei der Ausübung ih­rer Funk­ti­on ei­nen aus­rei­chen­den Schutz und aus­rei­chen­de Si­cher­hei­ten ge­nießen, die es ih­nen ermögli­chen, die ih­nen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben in an­ge­mes­se­ner Wei­se wahr­zu­neh­men.“

Mögli­cher­wei­se folgt aus § 78 Satz 2 Be­trVG in Ver­bin­dung mit Art.7 der Richt­li­nie 2002/14/EG ein An­spruch auf Über­nah­me von be­fris­tet beschäftig­ten Be­triebsräten in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis.

Im­mer­hin sieht das Be­trVG ei­nen sol­chen Über­nah­me­an­spruch für Mit­glie­der der Ju­gend- und Aus­zu­bil­den­den­ver­tre­tung (JAV) vor: JAV-Mit­glie­der können gemäß § 78a Be­trVG vom Aus­bil­der ver­lan­gen, in ein Ar­beits­verhält­nis über­nom­men zu wer­den, und wenn sie das tun, wird kraft Ge­set­zes ein Ar­beits­verhält­nis be­gründet. Dann liegt der Ball beim Ar­beit­ge­ber: Wenn er meint, ihm sei ein Ar­beits­verhält­nis mit dem Ex-JAV-Mit­glied nicht zu­zu­mu­ten, muss er vor Ge­richt zie­hen und ver­su­chen, den ihm auf­ge­zwun­ge­nen Ar­beit­neh­mer her­aus­zu­kla­gen.

Vor die­sem Hin­ter­grund kann man ar­gu­men­tie­ren, dass be­fris­tet beschäftig­ten Be­triebs­rats­mit­glie­dern eben­falls ein Über­nah­me­an­spruch zu­ge­stan­den wer­den muss, um die Schutz­ver­pflich­tung aus Art.7 der Richt­li­nie 2002/14/EG in deut­sches Recht um­zu­set­zen.

Der Fall des BAG: Be­fris­tet beschäftig­te Che­mie­la­bo­ran­tin wird zur Be­triebsrätin gewählt und klagt auf Fest­an­stel­lung

Im Streit­fall ging es um ei­ne Che­mie­la­bo­ran­tin, die zu­erst vom 12.10.2009 bis zum 11.10.2010 be­fris­tet ein­ge­stellt wur­de und de­ren Ver­trag im Sep­tem­ber 2010 um ein wei­te­res Jahr, d.h. bis zum 11.10.2011 verlängert wor­den war.

Da die La­bo­ran­tin 2009 neu ein­ge­stellt wor­den war, war im Ar­beits­ver­trag ei­ne Be­fris­tung oh­ne Sach­grund ver­ein­bart, d.h. die Be­fris­tung wur­de auf § 14 Abs.2 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) gestützt. Da­nach können neu ein­ge­stell­te Ar­beit­neh­mer oh­ne ei­nen Sach­grund bis zu ma­xi­mal zwei Jah­ren be­fris­tet ein­ge­setzt wer­den.

Be­reits im Mai 2010, d.h. noch vor der einjähri­gen Ver­trags­verlänge­rung war die La­bo­ran­tin in den Be­triebs­rat gewählt wor­den. Nach­dem die zwei Jah­re her­um wa­ren, klag­te sie auf Fest­an­stel­lung, hilfs­wei­se auf Ent­fris­tung des Zeit­ver­trags.

Das Ar­beits­ge­richt Braun­schweig wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 02.11 2011, 3 Ca 366/11), und auch in der Be­ru­fung vor dem LAG Nie­der­sach­sen hat­te die Ar­beit­neh­me­rin kein Glück (Ur­teil vom 08.08.2012, 2 Sa 1733/11, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 12/351 Be­triebs­rat und be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag).

BAG: Be­fris­tet beschäftig­te Be­triebs­rats­mit­glie­der können im All­ge­mei­nen kei­ne Ent­fris­tung ih­res Ar­beits­ver­trags ver­lan­gen

Ges­tern ent­schied auch das BAG ge­gen die ehe­ma­li­ge Be­triebsrätin. Zur Be­gründung heißt es in der der­zeit al­lein Pres­se­mel­dung des BAG:

§ 14 Abs.2 Tz­B­fG er­laubt die sach­grund­lo­se Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags bei Neu­ein­stel­lun­gen auch dann, wenn der Ar­beit­neh­mer später zum Be­triebs­rat gewählt wird. Die Wahl zum Be­triebs­rat ändert al­so nichts an der Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Be­fris­tung.

Al­ler­dings können (wirk­sam) be­fris­tet täti­ge Be­triebs­rats­mit­glie­der ei­nen An­spruch auf Ab­schluss ei­nes un­be­fris­te­ten Fol­ge­ver­trags ha­ben,

  • wenn sie ei­nen sol­chen Ver­trag vom Ar­beit­ge­ber ver­langt ha­ben und
  • wenn die Ab­leh­nung ei­nes un­be­fris­te­ten Ver­trags durch den Ar­beit­ge­ber "we­gen der Be­triebs­ratstätig­keit er­folgt".

Das al­ler­dings muss der Be­triebs­rat be­wei­sen, wenn auf Fest­an­stel­lung klagt. Da­bei gilt laut BAG vor Ge­richt ei­ne ab­ge­stuf­te Dar­le­gungs- und Be­weis­last: Legt das Be­triebs­rats­mit­glied

"In­di­zi­en dar, die für ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Be­triebs­ratstätig­keit spre­chen, muss sich der Ar­beit­ge­ber hier­auf kon­kret ein­las­sen und die In­di­zi­en ggf. ent­kräften."

Hier im Streit­fall wa­ren sol­che In­di­zi­en für ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Be­triebs­rats­ar­beit nicht er­kenn­bar, so das LAG Nie­der­sach­sen, dem das BAG in die­ser Be­wer­tung folgt. Denn der Ar­beit­ge­ber hat­te ei­ne ziem­lich weiße Wes­te, weil er ei­ner (ein­ma­li­gen bzw. auf ein Jahr be­fris­te­ten) Ver­trags­verlänge­rung im Sep­tem­ber 2010 zu­ge­stimmt hat­te, d.h. nach­dem die Kläge­rin (im Mai 2010) in den Be­triebs­rat gewählt wor­den war.

Fa­zit: Ei­ne Ver­bes­se­rung des Ar­beits­platz­schut­zes be­fris­tet beschäftig­ter Be­triebs­rats­mit­glie­der müss­te der Ge­setz­ge­ber einführen. Auf der Grund­la­ge des gest­ri­gen BAG-Ur­teils wer­den Kla­gen auf Fest­an­stel­lung nur dann Er­folg ha­ben, wenn die kla­gen­den Be­triebsräte hand­fes­te An­halts­punk­te dafür präsen­tie­ren, dass ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer über­nom­men wur­den, sie aber nicht.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 5. Oktober 2018

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