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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/267

Frist­lo­ser Wi­der­ruf der Dienst­wa­gen­über­las­sung?

Ein ver­trag­li­cher Wi­der­rufs­vor­be­halt muss zwar kei­ne Aus­lauf­frist vor­se­hen, doch darf ein Wi­der­ruf meist nur zum Mo­nats­en­de aus­ge­spro­chen wer­den: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 21.03.2012, 5 AZR 651/10
Autoschlüssel Den Dienst­wa­gen gibt nie­mand gern zu­rück, schon gar nicht so­fort

02.08.2012. Vie­le Ar­beit­neh­mer, vor al­lem Füh­rungs­kräf­te und Au­ßen­dienst­mit­ar­bei­ter, ha­ben ei­nen Dienst­wa­gen, der ih­nen auf Dau­er über­las­sen wird und den sie auch pri­va­ten nut­zen kön­nen. Die Mög­lich­keit der Pri­vat­nut­zung des Dienst­wa­gens ist ei­ne Sach­leis­tung des Ar­beit­ge­bers und ge­hört da­mit zum Ar­beits­lohn, den der Ar­beit­neh­mer ver­steu­ern muss.

Der ein­sei­ti­ge En­zug der Dienst­wa­gen­über­las­sung ist da­her im­mer wie­der ein Streit­punkt zwi­schen Ar­beit­ge­bern und Ar­beit­neh­mern, vor al­lem dann, wenn der Ar­beit­neh­mer den Dienst­wa­gen so­fort, d.h. oh­ne An­kün­di­gungs- oder Aus­lauf­frist her­aus­ge­ben soll. Denn ei­ne frist­lo­se Be­en­di­gung der Dienst­wa­gen­ge­stel­lung ist für den Ar­beit­neh­mer be­son­ders be­las­tend und wird da­her meist als Stra­fe emp­fun­den.

In ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass ein ar­beits­ver­trag­li­cher Wi­der­rufs­vor­be­halt zwar kei­ne An­kün­di­gungs­frist für den Fall des Wi­der­rufs der Dienst­wa­gen­über­las­sung ent­hal­ten muss. Trotz­dem kann die Aus­übung ei­nes sol­chen Wi­der­rufs­vor­be­halts im Ein­zel­fall un­an­ge­mes­sen und da­her rechts­wid­rig sein, wenn der Ar­beit­neh­mer den Wa­gen so­fort her­aus­ge­ben muss und wenn der Ar­beit­ge­ber für ein sol­ches "ra­bia­tes" Vor­ge­hen kei­ne gu­ten Grün­de hat: BAG, Ur­teil vom 21.03.2012, 5 AZR 651/10.

Müssen Ar­beit­neh­mer ih­ren Dienst­wa­gen so­fort zurück­ge­ben, wenn der Ar­beit­ge­ber die Über­las­sung wi­der­ruft?

Stellt der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer ei­nen Dienst­wa­gen zur Verfügung und er­laubt des­sen Pri­vat­nut­zung, so ist die­se Nut­zungsmöglich­keit ei­ne Sach­leis­tung und da­mit Be­stand­teil des Ge­halts bzw. Ar­beits­lohns.

Der Ar­beit­ge­ber kann dem Ar­beit­neh­mer da­her ei­nen pri­vat nutz­ba­ren Dienst­wa­gen nur dann ein­sei­tig ent­zie­hen, wenn ein sol­ches Wi­der­rufs­recht vor­ab ar­beits­ver­trag­lich klar ge­re­gelt ist. Denn der Ent­zug der Dienst­wa­gen­be­rech­ti­gung ist ei­ne ein­sei­ti­ge Kürzung der Vergütung durch den Ar­beit­ge­ber, und das weicht von der Re­gel ab, dass der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer während des Ar­beits­verhält­nis­ses die ge­sam­te ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ge­gen­leis­tung zu­kom­men las­sen muss (§ 611 Abs. 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB).

Ar­beits­ver­trag­li­che Wi­der­rufs­vor­be­hal­te sind prak­tisch im­mer vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­liert und auch da­her All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB), auch wenn sie nur ein­mal ver­wen­det wer­den sol­len (§§ 310 Abs.3 BGB, 305 Abs.1 BGB). Als AGB sind Wi­der­rufs­vor­be­hal­te nur wirk­sam, wenn sie füre den Ar­beit­neh­mer verständ­lich sind und ihn nicht un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen.

Das BAG ak­zep­tiert in AGB ent­hal­te­ne Wi­der­rufs­vor­be­hal­te nur in en­gen Gren­zen. Ein Wi­der­ruf ist nur aus sach­li­chen Gründen möglich, und die­se Sach­gründe müssen in der Vor­be­halts­klau­sel vor­ab klar be­nannt wer­den, da­mit der Ar­beit­neh­mer weiß, was auf ihn zu­kom­men kann.

Im Prin­zip kann ein sol­cher Sach­grund für den Wi­der­ruf ei­ner Dienst­wa­gen­be­rech­ti­gung in der Frei­stel­lung des Ar­beit­neh­mers von der Ar­beit lie­gen, ins­be­son­de­re dann, wenn ei­ne sol­che Frei­stel­lung nach ei­ner Kündi­gungs­erklärung hin an­ge­ord­net wird.

Ein sol­cher plötz­li­che Ent­zug der pri­va­ten Pkw-Nut­zung kann den Ar­beit­neh­mer al­ler­dings hart tref­fen. Da­her stellt sich die Fra­ge, ob in der Wi­der­rufs­klau­sel ei­ne Ankündi­gungs­frist ent­hal­ten sein muss.

Zu die­ser Fra­ge hat­te sich vor knapp zwei Jah­ren be­reits das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nie­der­sach­sen geäußert (Ur­teil vom 14.09.2010, 13 Sa 462/10 - wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/118 Nut­zungs­aus­fall­entschädi­gung für Ent­zug des Dienst­wa­gens). In­zwi­schen hat auch das BAG über die­sen Fall ent­schie­den und die Aus­sa­gen des LAG Nie­der­sach­sen kor­ri­giert: BAG, Ur­teil vom 21.03.2012, 5 AZR 651/10.

Der Streit­fall: Auf die Kündi­gung des Ar­beit­neh­mers fol­gen Frei­stel­lung und Rück­ga­be des Dienst­wa­gens

Im Streit­fall hat­te sich der Ar­beit­ge­ber mit ei­ner von ihm vor­for­mu­lier­ten Ver­trags­klau­sel das Recht vor­be­hal­ten, ei­nen auch pri­vat nutz­ba­ren Dienst­wa­gen oh­ne Entschädi­gung zurück­zu­ver­lan­gen, falls die Ar­beit­neh­me­rin nach Aus­spruch ei­ner Kündi­gung frei­ge­stellt wer­den soll­te. Nach­dem die Ar­beit­neh­me­rin frist­ge­recht per En­de Ju­ni 2009 gekündigt hat­te, re­agier­te der Ar­beit­ge­ber An­fang Ju­ni mit ei­ner Frei­stel­lung und mit ei­nem Wi­der­ruf der Dienst­wa­gen­ge­stel­lung. 

Die Ar­beit­neh­me­rin gab den Dienst­wa­gen dar­auf­hin am 09. Ju­ni zurück. Al­ler­dings ver­lang­te sie dafür Entschädi­gung für den Nut­zungs­aus­fall, und da der Ar­beit­ge­ber die­se Entschädi­gung nicht frei­wil­lig zahl­te, zog die Ar­beit­neh­me­rin vor Ge­richt.

An­ders als das Ar­beits­ge­richt Ol­den­burg (Ur­teil vom 16.02.2010, 1 Ca 474/09) gab das LAG Nie­der­sach­sen der Ar­beit­neh­me­rin Recht, weil in der Wi­der­rufs­klau­sel kei­ne Ankündi­gungs­frist für den Wi­der­ruf vor­ge­se­hen war.

Denn nach An­sicht des LAG ist der Ent­zug ei­nes Dienst­wa­gens im Fal­le ei­ner kündi­gungs­be­ding­ten Frei­stel­lung nur dann rech­tens, wenn in der Wi­der­rufs­klau­sel zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers klar­ge­stellt wird, dass der Ar­beit­ge­ber im Fal­le ei­nes Wi­der­rufs ei­ne Ankündi­gungs­frist von min­des­tens vier Wo­chen ein­zu­hal­ten hat (LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 14.09.2010, 13 Sa 462/10 - wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/118 Nut­zungs­aus­fall­entschädi­gung für Ent­zug des Dienst­wa­gens).

BAG: Dienst­wa­gen-Wi­der­rufs­klau­seln müssen kei­ne Ankündi­gungs­frist für die Ausübung des Wi­der­rufs­rechts ent­hal­ten

An die­ser Stel­le hat das BAG nicht mit­ge­macht und klar­ge­stellt, dass es für die vom LAG ge­for­der­te vierwöchi­ge Ankündi­gungs­frist „kei­nen An­satz im Ge­setz“ gibt. Der Vor­be­halt des Wi­der­rufs ei­ner Dienst­wa­gen­be­rech­ti­gung ist da­her nicht be­reits dann un­wirk­sam, weil die Wi­der­rufs­klau­sel kei­ne Ankündi­gungs­frist enthält.

Al­ler­dings ging die Ar­beit­neh­me­rin auch beim BAG als Sie­ge­rin vom Platz, denn das BAG hielt die Ent­schei­dung des LAG aus an­de­ren Gründen letzt­lich für rich­tig. Der Ar­beit­ge­ber konn­te nämlich kei­ne Gründe dafür nen­nen, dass er die Ar­beit­neh­me­rin für we­ni­gen Wo­chen bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist En­de Ju­ni 2009 den Wa­gen nicht mehr über­las­sen woll­te.

Die Ar­beit­neh­me­rin war aber in­fol­ge des Wi­der­rufs steu­er­lich ge­se­hen die Dum­me, da sie den Wa­gen nur zu An­fang des Mo­nats ei­ni­ge Ta­ge lang be­saß, aber steu­er­lich so be­han­delt wur­de, als hätte sie den Wa­gen während des gan­zen Mo­nats nut­zen können. Da­her war die Ausübung des (an sich gülti­gen) Wi­der­rufs­rechts durch den Ar­beit­ge­ber ein­sei­tig bzw. „un­bil­lig“ und da­her nicht rech­tens.

Fa­zit: Behält sich der Ar­beit­ge­ber ver­trag­lich vor, ei­ne Dienst­wa­gen­be­rech­ti­gung ein­sei­tig zu wi­der­ru­fen, braucht ei­ne sol­che Wi­der­rufs­klau­sel kei­ne all­ge­mei­ne Ankündi­gungs­frist zu ent­hal­ten, die der Ar­beit­ge­ber im Fal­le ei­nes Wi­der­rufs be­ach­ten müss­te. Trotz­dem soll­te der Ar­beit­ge­ber gu­te Gründe vor­wei­sen können, wenn er sein Wi­der­rufs­recht so ausübt, dass der Ar­beit­neh­mer den Wa­gen "knall auf Fall" zurück­ge­ben soll.

Und er soll­te auch darüber nach­den­ken, dem Ar­beit­neh­mer bei der Ausübung des Wi­der­rufs im Ein­zel­fall ei­ne mehr oder we­ni­ger lan­ge Frist zu be­las­sen, um den Ar­beit­neh­mer nicht mehr als nötig zu be­las­ten. Schon aus steu­er­li­chen Gründen wird im Nor­mal­fall ei­ne Ankündi­gungs- bzw. Aus­lau­f­rist bis zum Mo­nats­en­de nötig sein. Be­ach­tet der Ar­beit­ge­ber das nicht, kann der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer ei­ne Nut­zungs­aus­fall­entschädi­gung ver­lan­gen.

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Letzte Überarbeitung: 19. Juni 2017

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