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Rechtswidrige Arbeitszeiten (nicht nur) in nordrhein-westfälischen Krankenhäusern
- Zwingende Arbeitszeitvorgaben durch Richtlinien und Gesetze
- Krankenhäuser im Teufelskreislauf
- Ein Beispiel unter vielen: Nordrhein-Westfälische Krankenhäuser
- Fazit
Zwingende Arbeitszeitvorgaben durch Richtlinien und Gesetze
Die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 ("Arbeitszeitrichtlinie") enthält unter anderem umfangreiche Vorgaben für die durchschnittliche Arbeitszeit, die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten. Spätestens seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahr 2000 ist in diesem Zusammenhang auch allgemein anerkannt, dass Bereitschaftsdienst Arbeitszeit im Sinne dieser Richtlinie ist (EuGH, Urteil vom 03.10.2000, Rs. C-303/98 - SIMAP). Diese Entscheidung führte zur bisher letzten großen Änderung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), die am 01.01.2004 in Kraft trat. Seither sind Bereitschaftsdienste in vollem Umfang bei Berechnung der wöchentlichen und täglichen Höchstarbeitszeit zu berücksichtigen.
Neben Feuerwehrleuten, Polizisten und Kraftfahrern sind hiervon insbesondere Ärzte betroffen. Grundsätzlich gilt für diese wie für alle anderen Arbeitnehmer auch, dass die werktägliche Arbeitszeit grundsätzlich 8 Stunden nicht überschreiten darf. Auf bis zu 10 Stunden kann sie nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG).
In Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) kann jedoch zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich auf über 8 Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in "erheblichem Umfang" Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird (§ 7 Abs. 2a ArbZG). Die Verlängerung ist allerdings nur möglich, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat (§ 7 Abs. 7 S. 1 ArbZG). Der Arbeitgeber darf, so heißt es jedenfalls in § 7 Abs. 7 Satz 3 ArbZG, einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat. Im übrigen gilt auch hier, dass die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten darf (§ 7 Abs. 8 ArbZG) und bei einer Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit über 12 Stunden hinaus im unmittelbaren Anschluss an das Ende der Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens 11 Stunden gewährt werden muss (§ 7 Abs. 9 ArbZG).
Davon unabhängig gilt auch grundsätzlich, dass Arbeitnehmer nach Ende der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben müssen (§ 5 Abs. 1 ArbZG). In Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen kann diese jedoch um bis zu eine Stunde verkürzt werden, wenn jede Verkürzung innerhalb von maximal einem Monat durch die Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens 12 Stunden ausgeglichen wird (§ 5 Abs. 2 ArbZG). Hinzu kommt, dass in diesen Einrichtungen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden können (§ 5 Abs. 3 ArbZG).
Durch die kombinierte Anwendung dieser Vorschriften ist es beispielsweise möglich, die tägliche Arbeitszeit von Ärzten - jedenfalls zeitweise - auf bis zu 24 Stunden ohne Ausgleich in die Höhe zu treiben, wenn mindestens die 8 Stunden überschreitende Zeit als Bereitschaftsdienst abgeleistet wird.
Krankenhäuser im Teufelskreislauf
Diese Regelungen dienen dabei nicht nur dem Schutz der betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch der Wahrung öffentlicher Interessen. Niemandem ist damit gedient, wenn ein Arzt im übermüdeten Zustand Operationen durchführen oder andere wichtige Entscheidungen treffen muss. Gleichwohl besteht seit Jahren das Problem, dass die gesetzlichen Vorgaben in großem Maßstab missachtet werden. In vertraulichen Gesprächen und anonymen Umfragen berichten Ärzte immer wieder davon, wie sie beispielsweise von ihren Vorgesetzten angehalten werden, ab einem bestimmten Pensum Überstunden nicht mehr aufzuschreiben. Es herrscht, so kann man hören und lesen, ein "Klima der Angst". Befürchtet werden u.a. bei Assistenzärzten Nachteile im beruflichen Fortkommen.
Dass der Druck auf die Ärzteschaft allgemein hoch ist, überrascht angesichts leerer Kassen und eines immer gravierender werdenden Personalmangels nicht.
Der Ärztemangel wiederum ist ironischerweise nicht zuletzt den schlechten Arbeitszeiten geschuldet. Viele Mediziner ziehen es vor, nach ihrem Studium im Ausland zu arbeiten. Dort sind in aller Regel nicht nur die Arbeitsbedingungen und der Stundenlohn deutlich attraktiver, sondern es sind auch Privat- und Berufsleben besser vereinbar.
Ein Beispiel unter vielen: Nordrhein-Westfälische Krankenhäuser
Wie massiv schon allein die dokumentierten Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz sind, zeigt eine aktuelle Antwort der Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Romberg (FDP).
Berichtet wird dort über eine zum Stichtag 30.06.2010 durchgeführte Schwerpunktprüfung der Arbeitsschutzbehörden in 40 der etwa 400 Krankenhäuser Nordrhein-Westfalens, die auf Initiative der FDP durchgeführt worden war. Dabei wurden in 37 Krankenhäusern insbesondere 22 Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit von 10 bzw. 12 Stunden, 15 Überschreitungen einer Schichtlänge von 24 Stunden, 12 Überschreitungen der zulässigen Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst sowie in insgesamt 34 Fällen eine fehlende oder unzureichende Belastungsanalyse aufgedeckt. Gleichwohl wurden lediglich in sieben Fällen Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Aus Datenschutzgründen gab die Regierung keine Auskunft darüber, welche Krankenhäuser hiervon betroffen waren.
Die FDP nahm dieses Ergebnis zum Anlass, einen "Sturm im Wasserglas" zu veranstalten. Sie gab Pressemitteilungen heraus und beantragte eine aktuelle Stunde, damit sich der Landtag "mit den massiven Arbeitszeitverstößen und den daraus zu ziehenden Konsequenzen" befassen könne. Das Ergebnis dieses Streitgesprächs fiel erwartungsgemäß wenig konstruktiv aus. Die FDP forderte im Wesentlichen stärkere Kontrollen und musste sich im Gegenzug vorhalten lassen, dass unter ihrer Regierung die entsprechenden Stellen im Arbeitsschutz abgebaut worden waren. Der Landesminister für Arbeit, Integration und Soziales, Guntram Schneider, versuchte die Verstöße zu relativieren und die Landesministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Barbara Steffens, verwies auf den bestehenden Sparzwang ohne Sparmöglichkeiten bei gleichzeitigem Ärztemangel.
Fazit
Die in Nordrhein-Westfalen festgestellten Verhältnisse dürften repräsentativ und nur die Spitze des Eisbergs sein. Sie zeigen beispielhaft die Arbeitsbedingungen an deutschen Krankenhäusern und die Schutzlücken bei der praktischen Umsetzung des Arbeitsrechts.
Betroffene Ärzte haben nur wenige sinnvolle Möglichkeiten, um gegen Arbeitszeitverstöße vorzugehen. Stets drohen "inoffizielle" Sanktionen wie der Entzug von Operationsterminen und Patientenkontakten. Vor diesem Hintergrund ist die Kontaktaufnahme mit einer betrieblichen Interessenvertretung (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung) letztlich ebensowenig eine brauchbare Option wie das Gespräch mit dem Vorgesetzten oder gar eine arbeitsgerichtliche Klage. Am sinnvollsten dürfte noch sein, Arbeitszeitverstöße den zuständigen Behörden anonym mitzuteilen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Arbeitsrecht aktuell: 11/190 Personalgewinnungszuschlag und andere Goodies: Gesetz zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Überstundenregelung
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Überstunden, Mehrarbeit
- Drucksache 15/513 vom 04.11.2010: "Antwort der Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf die Kleine Anfrage 93 vom 30.09.2010 des Abgeordneten Dr. Stefan Romberg (FDP), Drucksache 15/263"
- Plenarprotokoll der 15.Plenarsitzung des Nordhein-Westfälischen Landtages vom 12.11.2010: "Massive Verstöße gegen Arbeitszeitvorgaben an nordrhein-westfälischen Krankenhäusern endlich beenden"
- Der Westen, Artikel vom 05.12.2010: "15-Stunden-Schichten bei Ärzten nicht selten"
Letzte Überarbeitung: 21. Juni 2019
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