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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/135

Kein Zu­rück nach frist­lo­ser Kün­di­gung

Ein Ar­beit­neh­mer kann sich nicht auf die Un­wirk­sam­keit ei­ner von ihm selbst er­klär­ten frist­lo­sen Kün­di­gung be­ru­fen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 12.03.2009, 2 AZR 894/07
Stempelabdruck auf Papier WIDERRUFEN, Holzstempel Kein WI­der­ruf ei­ner selbst er­klär­ten Kün­di­gung

31.07.2009. Im April be­rich­te­ten wir über ein Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) vom 12.03.2009 (2 AZR 894/07), das da­mals nur in Form ei­ner ge­richt­li­chen Pres­se­mel­dung be­kannt war (Ar­beits­recht ak­tu­ell 09/059: Kein Reue­recht bei frist­lo­ser Ei­gen­kün­di­gung)

In die­sem Ur­teil stell­te das BAG klar, dass ein Ar­beit­neh­mer von ei­ner ein­mal aus­ge­spro­che­nen au­ßer­or­dent­li­chen Kün­di­gung nicht mehr weg­kommt, in­dem er sich spä­ter auf den Stand­punkt stellt, sei­ne Kün­di­gung sei un­wirk­sam, da es für sie kei­nen wich­ti­gen Grund ge­be.

In­zwi­schen hat das BAG die Ur­teils­grün­de ver­öf­fent­licht, die die­ser Ent­schei­dung zu­grun­de la­gen. Sie wer­den im Fol­gen­den kurz be­spro­chen.

Der Streit­fall: Ar­beit­neh­mer kündigt frist­los we­gen ho­her Lohnrückstände und möch­te später von sei­ner Kündi­gung wie­der weg­kom­men, da der Be­trieb fort­geführt wird

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer hat­te auf­grund ei­nes außer­gewöhn­lich ho­hen Lohnrück­stan­des von rund 54.000 EUR, der von Au­gust 2002 bis Mai 2003 auf­ge­lau­fen war, Mit­te Au­gust 2003 schrift­lich gekündigt, und zwar aus wich­ti­gem Grun­de oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Frist. Da er zu­vor kei­ne Ab­mah­nung aus­ge­spro­chen hat­te, war die Kündi­gung un­wirk­sam. Nach all­ge­mei­nen Re­geln ist in sol­chen Fällen zunächst ei­ne Ab­mah­nung aus­zu­spre­chen, da sie im Ver­gleich zur Kündi­gung das mil­de­re bzw. we­ni­ger ein­schnei­den­de Mit­tel ist.

We­ni­ge Mo­na­te später wur­de der Be­trieb von ei­nem zah­lungs­kräfti­gen Be­triebsüber­neh­mer über­nom­men, so dass den Ar­beit­neh­mer sei­ne Kündi­gung reu­te. Er stell­te sich da­her auf den Stand­punkt, sei­ne Kündi­gung sei man­gels wich­ti­gen Grun­des un­wirk­sam. Da­her sei sein Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­det wor­den und folg­lich we­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs gemäß § 613a Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) auf den Er­wer­ber über­g­an­gen. Die­ser müsse da­her für die Ge­haltsrückstände haf­ten. Kla­res Ziel die­ser ju­ris­ti­schen Ar­gu­men­ta­ti­on war es, ei­nen zah­lungs­kräfti­gen Schuld­ner zur Be­glei­chung der im­men­sen Lohnrückstände zu fin­den.

Die auf Zah­lung ge­rich­te­ten Kla­ge des Ar­beit­neh­mers blieb vor dem Ar­beits­ge­richt Würz­burg (Ur­teil vom 19.12.2005, 7 Ca 698/04) und auch vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg oh­ne Er­folg (LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 13.02.2007, 7 Sa 294/06). Auch das BAG wies sei­ne da­ge­gen ein­ge­leg­te Re­vi­si­on zurück.

Die ent­schei­den­de Fra­ge in Fällen die­ser Art ist, ob sich Ar­beit­neh­mer auf die Un­wirk­sam­keit ih­rer ei­ge­nen Kündi­gung be­ru­fen können. Dafür spricht, dass § 626 Abs.1 BGB ei­nen „wich­ti­gen Grund“ für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ver­langt. Fehlt ein sol­cher Grund, ist die außer­or­dent­li­che Kündi­gung un­wirk­sam.

Ge­gen ei­ne sol­che Möglich­keit des Zurück­ru­derns spricht aber, dass sich der Ar­beit­neh­mer da­mit - je­den­falls aus Sicht des Ar­beit­ge­bers - wi­dersprüchlich und da­mit „treu­wid­rig“ ver­hal­ten würde, da er ja selbst die wei­te­re Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses ernst­haft und endgültig ver­wei­gert hat.

BAG: Die Be­ru­fung des Ar­beit­neh­mers auf (un­wirk­sa­me) Ei­genkündi­gung ist treu­wid­rig

Eben­so wie das LAG hielt auch das BAG dem Ar­beit­neh­mer wi­dersprüchli­ches und da­mit ge­gen „Treu und Glau­ben“ ver­s­toßen­des Ver­hal­ten vor und wies mit die­ser Be­gründung sei­ne An­sicht zurück, die Kündi­gung sei un­wirk­sam ge­we­sen. Da­bei lässt das Ge­richt es aus­drück­lich of­fen, ob die strei­ti­ge Kündi­gung - ob­jek­tiv ge­se­hen - wirk­sam war oder mögli­cher­wei­se we­gen Feh­lens ei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung un­wirk­sam. In bei­den Fällen nämlich könn­te der Ar­beit­neh­mer mit sei­ner An­sicht (Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung) kei­nen Er­folg ha­ben.

Zur Be­gründung be­ruft sich das BAG auf den Sinn des § 626 Abs.1 BGB. Wenn die­se Vor­schrift die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Kündi­gung vom Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des abhängig macht, so ge­sche­he das nicht,

„um dem Kündi­gen­den die Möglich­keit zu eröff­nen, sei­ne ein­mal be­kun­de­te Lösungs­ab­sicht im Lich­te später ge­won­ne­ner Er­kennt­nis­se nach Gutdünken rückgängig ma­chen zu können und da­mit den Ver­trags­part­ner ge­wis­ser­maßen zum Spiel­ball sei­ner Ent­schlüsse zu ma­chen. Viel­mehr soll - ge­ra­de im Ge­gen­teil - der Ver­trags­part­ner vor ei­nem ihn plötz­lich tref­fen­den un­be­rech­tig­ten Ver­trags­bruch geschützt wer­den. Er soll dar­auf ver­trau­en dürfen, dass sein Kon­tra­hent den Ver­trag einhält und sich im Dau­er­schuld­verhält­nis nur nach Maßga­be der ge­setz­li­chen Fris­ten da­von löst, so­lan­ge ein wich­ti­ger Grund nicht vor­liegt.“ (Rn.19)

Vor die­sem Hin­ter­grund stellt das BAG sein Ur­teil un­ter fol­gen­den Leit­satz:

„Die Gel­tend­ma­chung der Un­wirk­sam­keit ei­ner schrift­lich erklärten frist­lo­sen Ei­genkündi­gung durch den Ar­beit­neh­mer ist re­gelmäßig treu­wid­rig.

Mit der Ein­schränkung „re­gelmäßig“ sind zwei Din­ge ge­meint:

Ers­tens muss der Kündi­gungs­erklärung des Ar­beit­neh­mers ei­ne er­kenn­bar ernst­haf­te und endgülti­ge Lösungs­ab­sicht zu­grun­de lie­gen, was in der Ver­gan­gen­heit vor al­lem bei spon­tan erklärten münd­li­chen Kündi­gun­gen in Be­tracht kam. Da seit dem 01.05.2000 al­ler­dings münd­li­che Kündi­gun­gen oh­ne Aus­nah­me un­wirk­sam sind (§ 623 BGB), hat ein sol­cher Übe­rei­lungs­schutz sei­ne Be­deu­tung ver­lo­ren, je­den­falls dann, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung schrift­lich erklärt. Dann wird sein Wil­le zur Ver­trags­be­en­di­gung in al­ler Re­gel ernst­haft und endgültig sein.

Zwei­tens ist die Rück­nah­me ei­ner vom Ar­beit­neh­mer aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung an­ders zu be­ur­tei­len, wenn der Ar­beit­ge­ber sie nicht hin­ge­nom­men, son­dern ge­richt­lich an­ge­grif­fen hat. Ei­ne sol­che, auf Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung ge­rich­te­te Kla­ge ist dem Ar­beit­ge­ber eben­so möglich wie dem Ar­beit­neh­mer. Erklärt der be­klag­te Ar­beit­neh­mer in ei­nem sol­chen Pro­zess die „Rück­nah­me“ sei­ner Kündi­gung, ist dies nicht (mehr) wi­dersprüchlich, da ja der Ar­beit­ge­ber sei­ner­seits de­ren Un­wirk­sam­keit ge­richt­lich fest­ge­stellt se­hen möch­te und da­her mit der Rück­nah­me der Kündi­gung sein Kla­ge­ziel er­reicht.

Vor­aus­set­zung für die im Re­gel­fall an­zu­neh­men­de Treu­wid­rig­keit ei­nes Abrückens von der ei­ge­nen Kündi­gungs­erklärung ist da­he ne­ben der Ernst­haf­tig­keit des Be­en­di­gungs­wil­lens auf sei­ten des Ar­beit­neh­mers, dass der Ar­beit­ge­ber als Kündi­gungs­empfänger die Kündi­gung hin­nimmt. Re­gelmäßig ist es da­her, so das BAG,

„al­lein dem Kündi­gungs­empfänger zu über­las­sen, ob er die un­be­rech­tig­te frist­lo­se Kündi­gung sei­nes Ver­trags­part­ners hin­nimmt oder ob er ih­re Un­wirk­sam­keit - ggf. ge­richt­lich - gel­tend macht. Ent­schließt er sich, ei­ne mit ernst­haf­tem Lösungs­wil­len aus­ge­spro­che­ne frist­lo­se Kündi­gung ge­gen sich gel­ten zu las­sen, so liegt dar­in grundsätz­lich ei­ne hin­zu­neh­men­de schutz­wer­te Dis­po­si­ti­on.“

Fa­zit: Außer­or­dent­li­che Ei­genkündi­gun­gen soll­ten sorgfältig vor­be­rei­tet wer­den

Die Ur­teils­gründe ma­chen deut­lich, dass es al­lein der Ar­beit­ge­ber in der Hand hat, aus ei­ner mögli­cher­wei­se un­wirk­sa­men außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ei­ne endgülti­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses wer­den zu las­sen. Da für den Scha­dens­er­satz­an­spruch des Ar­beit­neh­mers aus § 628 BGB, der in sol­chen Fällen oft ei­ne Rol­le spielt, ein wich­ti­ger Grund gemäß § 626 BGB ob­jek­tiv vor­lie­gen muss, hat der Ar­beit­neh­mer in­so­weit kei­nen Vor­teil, wenn der Ar­beit­ge­ber die ihm erklärte außer­or­dent­li­che Kündi­gung hin­nimmt bzw. nicht kom­men­tiert.

In der Re­gel ist es aus Ar­beit­ge­ber­sicht da­her emp­feh­lens­wert, sich zu ei­ner außer­or­dent­li­chen Ei­genkündi­gung des Ar­beit­neh­mers nicht zu erklären, son­dern le­dig­lich ei­ne um­ge­hen­de so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Ab­mel­dung vor­zu­neh­men.

We­nig sinn­voll wäre es da­ge­gen, die Wirk­sam­keit der Kündi­gung in Zwei­fel zu zie­hen und sich et­wa ge­gen den Vor­wurf, ei­nen wich­ti­gen Grund für die Kündi­gung ge­lie­fert zu ha­ben, zu ver­wah­ren. Der­ar­ti­ge Erklärun­gen eröff­nen nämlich dem Ar­beit­neh­mer wie­der­um die Möglich­keit, von der Wirk­sam­keit sei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ab­zurücken und da­mit den dies­bezügli­chen Be­den­ken des Ar­beit­ge­bers Rech­nung zu tra­gen. Wi­dersprüchlich wäre ein Abrücken des Ar­beit­neh­mers von sei­ner Kündi­gung dann nicht mehr.

Ar­beit­neh­mer soll­ten hin­ge­gen, was sich von selbst ver­steht, äußerst vor­sich­tig mit dem schar­fen Schwert der frist­lo­sen Kündi­gung um­ge­hen. Oh­ne fach­kun­di­ge Be­ra­tung dro­hen ka­ta­stro­pha­le Feh­ler, wie ins­be­son­de­re der, ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung des Ar­beit­ge­bers zu un­ter­las­sen und da­her ei­ne un­wirk­sa­me Kündi­gung aus­zu­spre­chen (mit der wei­te­ren Fol­ge des Weg­falls des An­spruchs aus § 628 BGB). Ein ähn­lich schwe­rer Feh­ler wäre es auch, zu früh zu kündi­gen an­statt erst ein­mal vom Zurück­be­hal­tungs­recht Ge­brauch zu ma­chen (denn auch die Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts be­rech­tigt zum Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld und zur Auf­nah­me ei­ner an­de­ren Beschäfti­gung, lässt aber das Ar­beits­verhält­nis fort­be­ste­hen).

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Letzte Überarbeitung: 21. Juni 2018

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