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Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch beim Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag?

In der Ar­beit­ge­ber-In­sol­venz be­steht kein Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 19.03.2010, 9 Sa 1138/09
Ausgestülpte leere Hosentasche mit Hand Vor­sicht beim Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges
06.07.2010. Auf­he­bungs­ver­trä­ge kön­nen ei­ne gro­ße Chan­ce, aber auch ein gro­ßes Ri­si­ko sein. Für Ar­beit­ge­ber sind sie ein sinn­vol­les Mit­tel, um Pro­zes­se und die da­mit ver­bun­de­nen fi­nan­zi­el­len Ri­si­ken zu ver­mei­den. Ar­beit­neh­mer er­hal­ten mehr Kon­trol­le über das En­de ih­res Ar­beits­ver­hält­nis­ses und die Mög­lich­keit, bei ge­schick­ter Ver­hand­lungs­wei­se ei­ne ver­gleichs­wei­se ho­he Ab­fin­dung her­aus­zu­han­deln.

Doch ist der Ver­trag erst ein­mal ge­schlos­sen und das Ar­beits­ver­hält­nis be­en­det, kommt nicht sel­ten das bö­se Er­wa­chen. Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten des Ar­beit­ge­bers oder der Wunsch nach ei­ner Rück­kehr an den al­ten Ar­beits­platz kön­nen da­zu füh­ren, dass der Wunsch ent­steht, den Auf­he­bungs­ver­trag rück­gän­gig zu ma­chen.

Die Mög­lich­kei­ten hier­für sind je­doch be­grenzt. Ein ak­tu­el­les Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Düs­sel­dorf gibt An­laß zur Vor­sicht: LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 19.03.2010, 9 Sa 1138/09.

Kann man Auf­he­bungs­verträge „be­sei­ti­gen“ und muss dann wie­der ein­ge­stellt wer­den?

Auf­he­bungs­verträge sind Verträge, durch die Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber ge­mein­sam ihr Ar­beits­verhält­nis be­en­den. Sie sind ei­ne im­mer wie­der gewähl­te Al­ter­na­ti­ve zu ein­sei­tig vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­nen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen.

Für Ar­beit­ge­ber sind Auf­he­bungs­verträge in­ter­es­sant, weil durch sie Rechts­strei­tig­kei­ten ver­mie­den wer­den können. Spe­zi­ell in wirt­schaft­li­chen Not­la­gen kann so mit über­schau­ba­rem Ri­si­ko Per­so­nal ab­ge­baut wer­den. Geködert wer­den Ar­beit­neh­mer des­halb häufig mit ei­ner Ab­fin­dung. Bei ge­schickt geführ­ten Ver­trags­ver­hand­lun­gen können hier deut­lich höhe­re Sum­men er­reicht wer­den als bei ge­richt­li­chen Ver­glei­chen im Rah­men von Kündi­gungs­schutz­pro­zes­sen. Doch der schöne Schein trügt häufig. Zum Ei­nen führen Auf­he­bungs­verträge fast im­mer zu ei­ner Sperr­zeit beim Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld. Zum An­de­ren ist das Ar­beits­verhält­nis nach Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges im Re­gel­fall un­wie­der­bring­lich ver­lo­ren. Selbst wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ne Ent­schei­dung be­reut oder sich der Ar­beit­ge­ber wirt­schaft­lich er­holt, ist ei­ne Rück­kehr an den al­ten Ar­beits­platz oh­ne Ein­verständ­nis des Ex-Ar­beit­ge­bers so gut wie nie möglich.

Nur in sel­te­nen Aus­nah­mefällen kann der Auf­he­bungs­ver­trag „aus der Welt ge­schafft“ und das al­te Ar­beits­verhält­nis „wie­der­be­lebt“ wer­den. So kann bei­spiels­wei­se in den Auf­he­bungs­ver­trag ein Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch oder ei­ne auflösen­de Be­din­gung (§ 187 BGB) auf­ge­nom­men wer­den. Schreibt der Ar­beit­ge­ber wie­der schwar­ze Zah­len, wäre er dann je nach For­mu­lie­rung der Be­din­gung zur Wei­ter­beschäfti­gung ver­pflich­tet. Oh­ne Not wer­den Ar­beit­ge­ber sich zu sol­chen Ab­ma­chun­gen aber nicht über­re­den las­sen. Nach der Recht­spre­chung be­steht außer­dem in sel­te­nen Aus­nah­mefällen ein An­spruch auf „Ver­trags­an­pas­sung“ nach § 313 Abs. 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), wenn sich nachträglich her­aus­stellt, dass ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung möglich ist. Ist der Ar­beit­neh­mer bei Ab­schluss des Auf­he­bungs­ver­tra­ges getäuscht wor­den, so kann er ihn auch an­fech­ten (§ 123 Abs.1 BGB). Recht­lich ge­se­hen gab es dann nie ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag und das Ar­beits­verhält­nis be­steht wei­ter. Ei­ne Täuschung nach­zu­wei­sen ist je­doch sehr schwer.

Verstößt der Ar­beit­ge­ber le­dig­lich ge­gen sei­ne Pflich­ten aus dem Auf­he­bungs­ver­trag, zahlt er et­wa die Ab­fin­dung nicht, so kann der Ar­beit­neh­mer nach­dem er er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Zah­lung ge­setzt hat, nur den Rück­tritt erklären (§ 323 Abs. 1 BGB). Wel­che Fol­gen die Rück­tritts­erklärung hat, ist weit­ge­hend un­geklärt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf hat jetzt in ei­nem sei­ner Ur­tei­le et­was Licht in das Dun­kel ge­bracht (LAG Düssel­dorf, vom 19.03.2010, 9 Sa 1138/09).

Der Fall: Ar­beit­ge­ber geht nach ab­ge­schlos­se­nem Auf­he­bungs­ver­trag und vor Ab­fin­dungs­zah­lung in In­sol­venz; Ar­beit­neh­mer erklärt Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag

Der Kläger, ein Ar­beit­neh­mer, war seit 1995 bei der Be­klag­ten beschäftigt. 2008 schlos­sen die Par­tei­en ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag, der ein En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses En­de März 2009 vor­sah. Die Be­klag­te ver­pflich­te­te sich im Ge­gen­zug für die Zu­stim­mung des Klägers, ei­ne Ab­fin­dung von et­wa 24.000 € brut­to zu zah­len. Der Ab­fin­dungs­an­spruch soll­te zu­sam­men mit der let­zen Ent­gelt­zah­lung aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­zahlt wer­den.

Al­ler­dings wur­de be­reits An­fang März das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der Be­klag­ten eröff­net. Der In­sol­venz­ver­wal­ter zahl­te die Ab­fin­dung nicht aus. Dar­auf­hin setz­te der Kläger ei­ne er­folg­lo­se Zah­lungs­frist und erklärte den Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag. Zu­dem for­der­te er den In­sol­venz­ver­wal­ter auf, ihm zu bestäti­gen, dass das Ar­beits­verhält­nis „un­gekündigt“ fort­be­ste­he. Al­ter­na­tiv woll­te er wie­der ein­ge­stellt wer­den.

Sei­ne ent­spre­chen­de Fest­stel­lungs­kla­ge blieb vor dem Ar­beits­ge­richt So­lin­gen er­folg­los, so dass er ge­zwun­gen war, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Be­ru­fung ein­zu­le­gen.

Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf: Nach Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag be­steht (nur) außer­halb der In­sol­venz ein Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch

Das LAG bestätig­te die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­rich­tes.

Zwar sei der Kläger be­rech­tigt vom Auf­he­bungs­ver­trag zurück­ge­tre­ten, weil der Ar­beit­ge­ber die Ab­fin­dung nach Frist­set­zung nicht ge­zahlt hat­te. Der Rück­tritt führt aber im Ge­gen­satz zur An­fech­tung nicht da­zu, dass das Ar­beits­verhält­nis un­be­en­det wei­ter be­steht. Durch ei­nen Rück­tritt wer­den der Auf­he­bungs­ver­trag und sei­ne Wir­kun­gen nämlich nicht un­mit­tel­bar be­sei­tigt. Er ver­wan­delt sich statt­des­sen in ein „Rück­ab­wick­lungs­verhält­nis“. Die Par­tei­en sind dann le­dig­lich ver­pflich­tet, den Auf­he­bungs­ver­trag rückgängig zu ma­chen.

Dem­ent­spre­chend hätte der Kläger, so das Ge­richt, ei­gent­lich ei­nen Wie­der­ein­stel­lungs­ein­spruch ge­habt.

Nach Auf­fas­sung des LAG gel­ten in der In­sol­venz aber spe­zi­el­le­re Re­ge­lun­gen der In­sol­venz­ord­nung (In­sO). Das Ge­richt meint, dass der Ar­beit­neh­mer dann nur noch wie al­le an­de­ren Gläubi­ger ei­nen An­spruch auf Zah­lung aus der In­sol­venz­mas­se hat. Da Geld in ei­ner In­sol­venz be­kannt­lich Man­gel­wa­re ist, wird der Ar­beit­neh­mer da­mit wahr­schein­lich „leer aus­ge­hen“.

Zwar hat das Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf sei­ne Rechts­auf­fas­sung, nämlich ei­ne ent­spre­chen­de (ana­lo­ge) An­wen­dung des § 105 Satz 2 In­sO, ausführ­lich be­gründet. Es ist aber zwei­fel­haft, ob sei­ne Ar­gu­men­ta­ti­on wirk­lich für den Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag passt.

Die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) wur­de von dem LAG zu­ge­las­sen und ist un­ter dem Ak­ten­zei­chen 6 AZR 342/10 anhängig.

Fa­zit: Nach dem Rück­tritt von ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag be­steht nach Auf­fas­sung des LAG Düssel­dorf grundsätz­lich An­spruch auf Wie­der­ein­stel­lung, der in der In­sol­venz je­doch wegfällt. Ei­ne Stel­lung­nah­me des BAG zu die­ser Mei­nung wäre durch­aus wünschens­wert, denn die teil­wei­se doch sehr knapp ge­hal­te­ne Be­gründung des LAG lässt ei­ni­ge Fra­gen of­fen. Des­halb bleibt es wei­ter­hin da­bei, dass ein Auf­he­bungs­ver­trag sehr gut über­legt und nie­mals oh­ne an­walt­li­chen Bei­stand ab­ge­schlos­sen wer­den soll­te. Die mit ihm ver­bun­de­nen Fall­stri­cke können sonst die Freu­de über die er­hal­te­ne Ab­fin­dung schnell in Ärger oder Enttäuschung ver­wan­deln.

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Letzte Überarbeitung: 21. Oktober 2016

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