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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 30.08.2016, 17 Sa 761/11

   
Schlagworte: Massenentlassungsanzeige, Kündigung
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 17 Sa 761/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 30.08.2016
   
Leitsätze:

Bei dem Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des griechischen Gesetzes Nr. 3429/2005 handelt es sich um ein Insolvenzverfahren nach Art. 16 Abs. 1 EulnsVO (wie LAG Baden-Württemberg 21. Dezember 2010 - 21 Sa 91/09; LAG München 12. April 2011 - 9 Sa 1234/10).

Fehlerhafte Massenentlassungsanzeige führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn durch bestandkräftigen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige bestätigt wurde. Hieran ist auch nach der durch die Rspr. Des EuGH (27. Januar 2001 - C-188/03 [Junk]) hervorgerufenen Rechtsprechungsänderung festzuhalten. Das unionsrechtliche und grundrechtliche Effektivitätsprinzip hindert nicht die Bindung der Arbeitsgerichte an eine inzidente Feststellung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch die Arbeitsverwaltung (gegen LAG Düsseldorf 15. September 2010 - 12 Sa 627/10 und LAG Düsseldorf 10. November 2010 - 12 Sa 1321/10 )

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 06.04.2011, 2 Ca 2422/10
   

Te­nor:

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 06. April 2011, 2 Ca 2422/10 wird auf ih­re Kos­ten und mit der Maßga­be zurück­ge­wie­sen, dass die Kündi­gungs­schutz­kla­ge nachträglich zu­ge­las­sen wird.
Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten auch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung, hier­bei auch darüber, ob die Kündi­gungs­schutz­kla­ge nachträglich zu­zu­las­sen ist, so­wie darüber, ob das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin in­fol­ge Be­triebsüber­gangs auf die Be­klag­te zu 2) über­ge­gan­gen ist.

We­gen des erst­in­stanz­lich un­strei­ti­gen Sach­ver­halts, des Vor­trags der Par­tei­en im ers­ten Rechts­zug und der dort zu­letzt ge­stell­ten Anträge wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils Be­zug ge­nom­men (Bl. 588 bis 593 d.A.).

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main hat die Kla­ge durch am 06. April 2011 verkünde­tes Ur­teil, 2 Ca 2422/10, ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1) vom 10. März 2010 gel­te gemäß § 7 KSchG als wirk­sam, da die Kläge­rin ih­re Un­wirk­sam­keit nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht ha­be. Die Kündi­gungs­schutz­kla­ge sei nicht nachträglich zu­zu­las­sen. Es könne da­hin­ste­hen, ob der von der Kläge­rin ge­schil­der­te Ge­sche­hens­ab­lauf glaub­haft sei. Die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen sei­en je­den­falls nicht ge­eig­net, ei­ne genügen­de Ent­schul­di­gung zu bil­den. Es müsse viel­mehr von ei­nem Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den des frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin aus­ge­gan­gen wer­den, weil man­gels ent­spre­chen­der Dar­le­gun­gen da­von aus­zu­ge­hen sei, dass er kei­ne Vor­keh­run­gen dafür ge­trof­fen ha­be, dass Schriftstücke nicht oh­ne Un­ter­zeich­nung an das Ge­richt über­mit­telt wer­den. Da das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin zum 30. Ju­ni 2010 ge­en­det ha­be, könne es schon aus die­sem Grund auch nicht mit der Be­klag­ten zu 2) über die­sen Zeit­punkt hin­aus fort­be­stan­den ha­ben. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen (Bl. 593 bis 597 d.A.).

Ge­gen die­ses ihr am 28. April 2011 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin am Mon­tag, den 30. Mai 2011 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach auf­grund An­trags vom 24. Ju­ni 2011 er­folg­ter Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis 12. Ju­li 2011 am 12. Ju­li 2011 be­gründet.

Sie ver­tritt die Auf­fas­sung, die Kündi­gungs­schutz­kla­ge sei nachträglich zu­zu­las­sen. Sie trägt un­ter Vor­la­ge ei­ner Erklärung ih­res frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 11. Ju­li 2011 (Bl. 649 f d.A.) und ei­nes Ein­lie­fe­rungs­scheins vom 01. April 2010 (Bl. 651 d.A.) vor, das Ori­gi­nal der Kündi­gungs­schutz­kla­ge sei am 01. April 2010 (= Gründon­ners­tag) auf den Post­weg ge­bracht wor­den. Un­ter Berück­sich­ti­gung der übli­chen Post­lauf­zei­ten zwi­schen A und B ha­be da­mit ge­rech­net wer­den können, dass das Ori­gi­nal der Kündi­gungs­schutz­kla­ge spätes­tens am 06. April 2010 (= Diens­tag nach Os­tern) und da­mit recht­zei­tig beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main ein­ge­hen wer­de. Sie meint, da­mit hätte sich die Fra­ge der Faxüber­mitt­lung ei­ner nicht un­ter­schrie­be­nen Kla­ge­schrift am 06. April 2010 erübrigt, da die recht­zei­ti­ge Ab­sen­dung der Ori­gi­nal­kla­ge für die nachträgli­che Zu­las­sung be­reits aus­rei­che. Aber auch in­so­weit lie­ge kein der Kläge­rin zu­zu­rech­nen­des Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den ih­res frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vor. Des­sen Bit­te an die Mit­ar­bei­te­rin C sei kon­kret da­hin ge­gan­gen, die von ihm ge­fer­tig­te Kla­ge­schrift vor­ab per Fax an das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main zu über­mit­teln, wo­bei ei­ne ge­son­der­te Kon­trollan­wei­sung nicht er­for­der­lich ge­we­sen sei. Im Übri­gen wie­der­holt die Kläge­rin ih­ren Vor­trag zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung und ver­tieft ih­re Ar­gu­men­ta­ti­on zur Fra­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs auf die Be­klag­te zu 2).

Sie be­an­tragt zu­letzt, in­so­weit nach Hin­weis des Ge­richts zum Teil in Ab­wei­chung zu den mit der Be­ru­fungs­be­gründung an­gekündig­ten Anträgen,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 06. April 2011, 2 Ca 2422/10

1. die Kla­ge vom 01. April 2010 nachträglich zu­zu­las­sen;

2. fest­zu­stel­len, dass ihr Ar­beits­verhält­nis über den 30. Ju­ni 2010 hin­aus mit der Be­klag­ten zu 2) fort­be­steht;

3. fest­zu­stel­len, dass ihr Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung vom 10. März 2010 nicht auf­gelöst wor­den ist, son­dern über den 30. Ju­ni 2010 hin­aus un­verändert fort­be­steht;
hilfs­wei­se zum Kla­ge­an­trag zu 3., fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te zu 1) nicht zur Kündi­gung be­rech­tigt war;

4.fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­gründe auf­gelöst wor­den ist und über den 30. Ju­ni 2010 hin­aus un­gekündigt fort­be­steht.

Die Be­klag­te zu 1) be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te zu 2) be­an­tragt,

die Be­ru­fung zu ver­wer­fen, hilfs­wei­se sie zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te zu 2) meint, die ge­gen sie ge­rich­te­te Be­ru­fung sei un­zulässig, da sie sich in der
Be­ru­fungs­be­gründung nicht mit der Fra­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs auf sie aus­ein­an­der­set­ze. Sie
meint, ein Be­triebsüber­gang lie­ge auch nicht vor. Im Übri­gen ver­tei­di­gen die Be­klag­ten die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streit­stan­des wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze und de­ren An­la­gen so­wie die im Ver­hand­lungs­ter­min vom 31. Ok­to­ber 2011 pro­to­kol­lier­ten Erklärun­gen (Bl. 715 d.A.) ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

A. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 06. April 2011, 2 Ca 2422/10, ist gemäß §§ 8 Abs. 2 , 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statt­haft. Sie ist auch im Übri­gen zulässig, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1 , 64 Abs. 6 ArbGG , 519 , 520 Abs. 1 und 3 ZPO .

I. Die Be­ru­fungs­be­gründung genügt auch im Verhält­nis zur Be­klag­ten zu 2) den An­for­de­run­gen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO . Hier­zu ist er­for­der­lich, dass sie er­ken­nen lässt, in wel­chen Punk­ten tatsäch­li­cher oder recht­li­cher Art das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nach An­sicht des Be­ru­fungsklägers un­rich­tig ist und auf wel­chen Gründen die­se An­sicht im Ein­zel­nen be­ruht. Ei­ne schlüssi­ge, recht­li­che halt­ba­re Be­gründung kann hier­bei zwar nicht ver­langt wer­den. Die Be­ru­fungs­be­gründung muss sich je­doch mit den recht­li­chen oder tatsächli­chen Ar­gu­men­ten des an­ge­foch­te­nen Ur­teils be­fas­sen, wenn sie die­se bekämp­fen will ( BAG 08. Ok­to­ber 2008 – 5 AZR 526/07 – AP ZPO § 520 Nr. 1). Für die hier­nach er­for­der­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den Ur­teils­gründen der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung reicht es auch grundsätz­lich nicht aus, die tatsächli­che oder recht­li­che Würdi­gung durch das Ar­beits­ge­richt mit for­mel­haf­ten Wen­dun­gen zu rügen oder le­dig­lich auf das erst­in­stanz­li­che Vor­brin­gen zu ver­wei­sen und die­ses zu wie­der­ho­len ( BAG 25. April 2007 – 6 AZR 436/05 – AP ZPO § 580 Nr. 15; BAG 08. Mai 2008 – 6 AZR 517/07 – AP BGB § 620 Auf­he­bungs­ver­trag Nr. 40; BAG 19. Ok­to­ber 2010 – 6 AZR 118/10 – EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 8 ). In der Be­ru­fungs­be­gründung muss für je­den der Streit­ge­genstände ei­ne den An­for­de­run­gen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügen­de Be­gründung ge­ge­ben wer­den. Fehlt sie zu ei­nem Streit­ge­gen­stand, ist das Rechts­mit­tel in­so­weit un­zulässig (BAG 08. Mai 2008 – 5 AZR 517/07 – aaO). Ei­ne pau­scha­le Be­zug­nah­me auf Sach­vor­trag oder Rechts­ausführun­gen ers­ter In­stanz kann al­ler­dings aus­nahms­wei­se und hin­sicht­lich sol­chen Vor­brin­gens zulässig sein, das in ers­ter In­stanz aus Rechts­gründen nicht be­han­delt wur­de, als recht­lich un­er­heb­lich oder un­sub­stan­ti­iert be­han­delt oder gänz­lich über­g­an­gen wur­de ( BGH 29. Sep­tem­ber 2003 – II ZR 59/02 – NJW 2004, 66), wo­bei ei­ne sol­che Be­zug­nah­me auch in­zi­dent er­fol­gen kann ( BGH 26. Ju­li 2007 – VII ZR 197/06 – NJW 2007, 3070). Vom Rechts­mitt­elführer kann hier­bei nicht mehr an Be­gründung ver­langt wer­den, als vom Ge­richt in die­sem Punkt selbst auf­ge­wandt wor­den ist ( BAG 14. De­zem­ber 2004 – 1 AZR 504/03 – AP BGB § 611 Haf­tung des Ar­beit­neh­mers Nr. 32; BAG 28. Mai 2009 – 2 AZR 223/08 – AP ZPO § 520 Nr. 2). Von da­her genügt es, wenn sich die Be­ru­fungs­be­gründung mit ei­nem ein­zel­nen, den gan­zen Streit­ge­gen­stand be­tref­fen­den Streit­punkt be­fasst und ihn in aus­rei­chen­dem Maß be­han­delt.

II. Nach die­sen Grundsätzen liegt ei­ne ord­nungs­gemäße Be­ru­fungs­be­gründung auch im Verhält­nis zur Be­klag­ten zu 2) vor.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge­ab­wei­sung ge­genüber der Be­klag­ten zu 2) dar­auf gestützt, das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin ha­be mit Wir­kung zum 30. Ju­ni 2010 ge­en­det und könne schon aus die­sem Grund nicht über die­sen Zeit­punkt hin­aus mit der Be­klag­ten zu 2) fort­be­stan­den ha­ben. Die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30. Ju­ni 2010 wie­der­um hat das Ar­beits­ge­richt da­mit be­gründet, die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1) vom 10. März 2010 gel­te gemäß § 7 KSchG als von An­fang an rechts­wirk­sam, da die Kündi­gungs­schutz­kla­ge nicht frist­gemäß iSd. § 4 Satz 1 und 4 KSchG er­ho­ben und sie auch nicht nachträglich zu­zu­las­sen sei. Von da­her ist nach der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung tra­gen­der Grund der Kla­ge­ab­wei­sung auch ge­genüber der Be­klag­ten zu 2) die ver­späte­te und nicht nachträglich zu­zu­las­sen­de Kla­ge­er­he­bung ge­genüber der Be­klag­ten zu 1) und nicht et­wa ver­nein­ter Be­triebsüber­gang. Da­mit genügt es auch im Verhält­nis zur Be­klag­ten zu 2) für ei­ne ord­nungs­gemäße Be­ru­fungs­be­gründung, wenn sich die­se ar­gu­men­ta­tiv mit der vom Ar­beits­ge­richt ab­ge­lehn­ten nachträgli­chen Zu­las­sung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge aus­ein­an­der­setzt.

B. Die Be­ru­fung ist un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ge­genüber bei­den Be­klag­ten zu Recht ab­ge­wie­sen.

I. Die Kla­ge ist mit den jetzt auch im Be­ru­fungs­rechts­zug ge­stell­ten Anträgen auch ge­genüber der Be­klag­ten zu 1) zulässig.

1. Be­den­ken ge­genüber der Zulässig­keit der Kla­ge ge­genüber der Be­klag­ten zu 1) mit den in der Be­ru­fungs­be­gründung vom 12. Ju­li 2011 an­gekündig­ten Anträgen be­ste­hen des­halb, weil die Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten zu 1) den Kündi­gungs­schutz­an­trag dort und im Ge­gen­satz zur ers­ten In­stanz nur noch als Hilfs­an­trag und sonst ge­genüber die­ser Be­klag­ten kei­ne wei­te­ren Haupt­anträge ver­folgt hat. In­so­weit mag aus­ge­hend von den mit der Be­ru­fungs­be­gründung an­gekündig­ten Anträgen ei­ne un­zulässig be­ding­te Kla­ge ge­genüber der Be­klag­ten zu 1) vor­ge­le­gen ha­ben (vgl. ähn­lich LAG Düssel­dorf 19. De­zem­ber 2002 – 7 Sa 1181/02 – nv., ju­ris). Ei­ne even­tu­el­le sub­jek­ti­ve Kla­gehäufung ist un­zulässig ( BAG 31. März 1993 – 2 AZR 467/92 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 27). Der Man­gel konn­te im Be­ru­fungs­ver­fah­ren aber noch durch Über­gang (zurück) zum Haupt­an­trag ge­heilt wer­den (of­fen ge­las­sen in LAG Düssel­dorf 19. De­zem­ber 2002 – 7 Sa 11/81/02 – aaO).

2. Der Über­gang vom Hilfs­an­trag zum Haupt­an­trag stellt ei­ne Kla­geände­rung iSd. § 263 ZPO dar (BGH 06. De­zem­ber 2006 – XII ZR 190/06 – NJW 2007, 913), die nach § 533 ZPO dann zulässig ist, wenn der Geg­ner in sie ein­wil­ligt oder das Ge­richt sie für sach­dien­lich hält und sie auf Tat­sa­chen gestützt wer­den kann, die das Be­ru­fungs­ge­richt sei­ner Ver­hand­lung und Ent­schei­dung oh­ne­hin zu­grun­de zu le­gen hat, im ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren al­so auf in der Vor­in­stanz be­reits fest­ge­stell­te oder nach § 67 ArbGG zu berück­sich­ti­gen­de Tat­sa­chen ( LAG Köln 12. Au­gust 2010 – 6 Sa 789/10 – nv., ju­ris; LAG Ba­den-Würt­tem­berg 03. Ju­li 2009 – 9 Sa 56/08 – DÖD, 2010, 56).

a) Auf nach § 67 ArbGG aus­ge­schlos­se­nen Tat­sa­chen­vor­trag wird die Kla­geände­rung nicht gestützt. Die Be­klag­te zu 1) hat ihr nicht wi­der­spro­chen. Die Kla­geände­rung ist auch sach­dien­lich. Bei der Be­ur­tei­lung der Sach­dien­lich­keit steht der Ge­sichts­punkt der Pro­zess­wirt­schaft­lich­keit im Vor­der­grund und hier­bei die Fra­ge, in­wie­weit die Zu­las­sung ge­eig­net ist, den Streitstoff im anhängi­gen Rechts­streit zu er­le­di­gen und ei­nen künf­ti­gen Rechts­streit zu ver­hin­dern. Sach­dien­lich­keit ist da­her im All­ge­mei­nen nur dann zu ver­nei­nen, wenn in der Be­ru­fungs­in­stanz ein völlig neu­er Streitstoff in den Rechts­streit ein­geführt wird, bei des­sen Be­ur­tei­lung das Er­geb­nis der bis­he­ri­gen Pro­zessführung nicht ver­wer­tet wer­den kann ( BAG 06. De­zem­ber 2001 – 2 AZR 733/00 – AP ZPO § 263 Nr. 3). Dies ist beim Über­gang vom Hilfs- zum Haupt­an­trag bei Bei­be­hal­tung des bis­he­ri­gen Streitstof­fes nicht der Fall.

b) Der Um­stand, dass die Kläge­rin sich zur Be­gründung ih­res Fest­stel­lungs­an­trags ge­genüber der Be­klag­ten zu 2) auf ei­nen be­reits zum 29. Sep­tem­ber 2009 oder auch 01. Ok­to­ber 2009 er­folg­ten Be­triebsüber­gang auf die Be­klag­te zu 2) be­ruft und sich nur hilfs­wei­se den Vor­trag der Be­klag­ten zu Ei­gen macht, ein Be­triebsüber­gang ha­be nicht statt­ge­fun­den, führt im Rah­men der jetzt ge­stell­ten Anträge nicht zu ei­ner un­zulässi­gen Even­tual­kla­ge ( BAG 24. Ju­ni 2004 – 2 AZR 215/03 – AP BGB § 613a Nr. 278).

II. Die Kla­ge ist ge­genüber bei­den Be­klag­ten un­be­gründet.

1. Die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1) vom 10. März 2010 ist wirk­sam und hat das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin zum 30. Ju­ni 2010 be­en­det,

a) Die Kündi­gung gilt al­ler­dings nicht be­reits gemäß § 7 KSchG als von An­fang an rechts­wirk­sam. Denn die ver­spätet er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist nachträglich zu­zu­las­sen, da die Kläge­rin trotz An­wen­dung al­ler ihr nach La­ge der Umstände zu­zu­mu­ten­den Sorg­falt ver­hin­dert war, die Kla­ge in­ner­halb von drei Wo­chen nach Zu­gang der schrift­li­chen Kündi­gung bzw. der zeit­gleich er­folg­ten Be­kannt­ga­be der Zu­stim­mung des Re­gie­rungs­präsi­di­ums D vom 02. März 2010 zu er­he­ben. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer ist hin­rei­chend glaub­haft ge­macht, dass die Kläge­rin an der ver­späte­ten Kla­ge­er­he­bung we­der ein ei­ge­nes Ver­schul­den trifft noch dass ein ihr zu­zu­rech­nen­des ( BAG 11. De­zem­ber 2008 – 2 AZR 472/08 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 69; BAG 28. Mai 2009 – 2 AZR 548/08 – AP KSchG 1969 § 5 Nr. 15) Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den ih­res frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vor­liegt. Ein Ver­schul­den der Mit­ar­bei­te­rin ih­res frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten wie­der­um ist ihr nicht zu­zu­rech­nen.

aa) Dies folgt al­ler­dings ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin nicht be­reits dar­aus, dass ihr Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter dar­auf ver­traut hat und ver­trau­en durf­te, ei­ne am 01. April 2009 bei der Post auf­ge­ge­be­ne Sen­dung wer­de das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main spätes­tens am 06. April 2009 er­rei­chen. Es kann da­hin­ste­hen, ob an­ge­sichts der übli­chen und zu er­war­ten­den Post­lauf­zeit von A nach B und an­ge­sichts der an­ste­hen­den Os­ter­fei­er­ta­ge dar­auf ver­traut wer­den durf­te, ei­ne am 01. April 2009 zur Post ge­ge­be­ne Ori­gi­nal­kla­ge wer­de noch frist­ge­recht und da­mit spätes­tens am 06. April 2009 ein­ge­hen. Denn der frühe­re Pro­zess­be­vollmäch­tig­te hat hier­auf nicht ver­traut. Dies zeigt sei­ne Erklärung vom 11. Ju­li 2011, wo­nach er be­reits am 01. April 2009 und in Kennt­nis der bis da­hin fehl­ge­schla­ge­nen Ver­su­che ei­ner Te­le­fax­ver­sen­dung die An­wei­sung er­teil­te, auf al­le Fälle am 06. April 2009 beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main te­le­fo­nisch zu er­fra­gen, ob die Ori­gi­nal­kla­ge ein­ge­gan­gen sei. Er hat da­mit nicht auf frist­ge­rech­ten Ein­gang am 06. April 2009 ver­traut, son­dern be­reits am 01. April 2009 in Erwägung ge­zo­gen, dass die Ori­gi­nal­kla­ge nicht frist­ge­recht ein­ge­hen würde.

bb) Aus dem Vor­trag der Kläge­rin, der in der Be­ru­fungs­in­stanz in Ein­zel­hei­ten vom erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gen ab­weicht, aus der vor­ge­leg­ten Erklärung ih­res frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 11. Ju­li 2011 und auch aus der erst­in­stanz­lich vor­ge­leg­ten ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung der Kanz­lei­mit­ar­bei­te­rin E C vom 02. Ju­li 2010 lässt sich nicht ent­neh­men, dass der frühe­re Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin sei­ner Mit­ar­bei­tern C ei­ne An­wei­sung er­teilt hätte, wie sie vor­zu­ge­hen hätte, falls das Ar­beits­ge­richt am 06. April 2009 auf Nach­fra­ge mit­tei­len soll­te, die Ori­gi­nal­kla­ge sei noch nicht ein­ge­gan­gen. Hier­in mag ein Ver­schul­den des frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin ge­se­hen wer­den. Die­ses war dann aber für die Frist­versäum­ung wie­der­um nicht ursächlich. Denn sei­ne Mit­ar­bei­te­rin C hat dann, auch falls sie nicht an­ge­wie­sen ge­we­sen wäre, prin­zi­pi­ell das rich­ti­ge ge­tan, nämlich am 06. April 2009 die Kla­ge­schrift an das Ar­beits­ge­richt ge­faxt.

cc) Dass sie hier­bei als Faxvor­la­ge ein nicht un­ter­zeich­ne­tes Ex­em­plar der Kla­ge­schrift ver­wen­de­te, be­ruht nicht auf ei­nem der Kläge­rin zu­zu­rech­nen­dem Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den ih­res frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten, son­dern auf ei­nem nicht zu­zu­rech­nen­den Ver­schul­den des­sen Hilfs­per­son, der Mit­ar­bei­te­rin C. Dies ist in aus­rei­chen­dem Maße glaub­haft ge­macht.

(1) Hin­rei­chend glaub­haft ge­macht ist zunächst der Tat­sa­chen­vor­trag, wo­nach tatsächlich am 01. April 2009 die Ori­gi­nal­kla­ge zur Post ge­ge­ben wur­de. Dies folgt nach Auf­fas­sung der Kam­mer be­reits aus der erst­in­stanz­lich vor­ge­leg­ten ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung der Mit­ar­bei­te­rin C. Hier­nach ist glaub­haft ge­macht, dass die­se tatsächlich am 06. April 2009 beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main an­rief um sich nach dem Ein­gang der Ori­gi­nal­kla­ge zu er­kun­di­gen. Hier­zu hätte kein An­lass be­stan­den, wenn die Ori­gi­nal­kla­ge nicht be­reits zur Post ge­ge­ben war und – wie die Be­klag­ten als möglich an­se­hen – über­haupt erst am 06. April 2009 ab­ge­sandt wur­de. An­ruf am 06. April 2009 ist nur plau­si­bel, wenn die Ori­gi­nal­kla­ge be­reits auf dem Post­weg war. Dass der An­ruf am 06. April 2009 statt­fand, ist aber durch die ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung glaub­haft ge­macht.

(2) Die Glaub­haft­ma­chung wird nicht da­durch erschüttert, dass die Ori­gi­nal­kla­ge, wenn sie am 01. April 2009 ab­ge­sandt wur­de, am 06. April 2009 nicht mehr als Faxvor­la­ge zur Verfügung stand. Die­ser ver­meint­li­che Wi­der­spruch klärt sich dann auf, wenn auch nach Ver­sen­dung der Ori­gi­nal­kla­ge ein wei­te­res un­ter­schrie­be­nes Ex­em­plar als Faxvor­la­ge in der Hand­ak­te des frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten ver­blieb. Nur so kann aber der Vor­trag der Kläge­rin ver­stan­den wer­den.

(3) Es ist hin­rei­chend glaub­haft ge­macht, dass die­ses Ver­se­hen der Mit­ar­bei­tern C nicht auf ei­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den des frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin be­ruht.

Ein Rechts­an­walt darf ein­fa­che Ver­rich­tun­gen, die kei­ne ju­ris­ti­sche Schu­lung ver­lan­gen, zur selbständi­gen Er­le­di­gung sei­nem ge­schul­ten und zu­verlässi­gen Büro­per­so­nal über­tra­gen. Ver­se­hen die­ses Per­so­nals, die nicht auf ei­ge­nes Ver­schul­den des An­walts zurück­zuführen sind, hat die Par­tei nicht zu ver­tre­ten. Ei­ne solch ein­fa­che Tätig­keit ist auch die Über­prüfung be­stim­men­der Schriftsätze auf die er­for­der­li­che Un­ter­schrift. Der An­walt muss al­ler­dings durch ei­ne all­ge­mei­ne An­wei­sung Vor­sor­ge dafür ge­trof­fen ha­ben, dass bei nor­ma­lem Lauf der Din­ge Frist­versäum­nis­se we­gen feh­len­der Un­ter­schrift ver­mie­den wer­den ( BVerfG 27. Sep­tem­ber 1995 – 1 BvR 414/95 – AP ZPO 1977 § 233 Nr. 45; BVerfG 14. De­zem­ber 2001 – 1 BvR 1009/01 – NZA 2002, 922).

Dass es sich bei der Mit­ar­bei­te­rin C um ei­ne zu­verlässi­ge Mit­ar­bei­te­rin han­delt, ist noch hin­rei­chend glaub­haft ge­macht durch die Erklärung des frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin vom 11. Ju­li 2011, in der er sei­ne An­ga­ben an­walt­lich ver­si­chert und auch die Ab­ga­be ei­ner ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung an­bie­tet. Das glei­che gilt für die all­ge­mei­ne An­wei­sung, bei Ver­sen­dung von Schriftsätzen in Fällen von Not­fris­ten stets dar­auf zu ach­ten, dass die Schriftsätze mit Un­ter­schrift ver­se­hen sind, wo­bei die Kam­mer die­se Ausführun­gen da­hin ver­steht, dass der Be­griff „Not­fris­ten“ un­tech­nisch ver­wen­det wur­de und auch Schriftsätze um­fasst, die zwar kei­ne Wie­der­ein­set­zungsmöglich­keit eröff­nen, wohl aber die Möglich­keit nachträgli­cher Zu­las­sung.

(4) Das Vor­brin­gen in der Be­ru­fungs­in­stanz war in­so­weit noch zu berück­sich­ti­gen. Zwar müssen al­le Tat­sa­chen, die für die nachträgli­che Zu­las­sung von Be­deu­tung sind, grundsätz­lich in­ner­halb der An­trags­frist des § 5 Abs. 3 ArbGG vor­ge­tra­gen wer­den. Un­kla­rer bzw. er­kenn­bar ergänzungs­bedürf­ti­ger Sach­vor­trag kann aber auch noch nach Frist­ab­lauf erläutert oder ver­vollständigt wer­den (vgl. BGH 07. März 2002 – IX ZR 235/01 – NJW 2002, 2107; BGH 13. Ju­ni 2007 – XII ZB 232/06 – NJW 2007, 3212; BGH 21. Ok­to­ber 2010 – IX ZB 73/10 – NJW 2011, 458).

b) Die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1) vom 10. März 2010 ist nicht gemäß § 613a Abs. 4 BGB un­wirk­sam.

aa) Die Kläge­rin be­haup­tet ei­nen Be­triebsüber­gang auf die Be­klag­te zu 2) zum 29. Sep­tem­ber 2009 oder 01. Ok­to­ber 2009 und da­mit vor Aus­spruch der Kündi­gung. Die An­nah­me der Kläge­rin ei­nes Be­triebsüber­gangs zum 29. Sep­tem­ber 2009 oder 01. Ok­to­ber 2009 un­ter­stellt wäre der An­trag zu 3. als ge­gen die Be­klag­te zu 1) ge­rich­te­ter Kündi­gungs­schutz­an­trag be­reits aus die­sem Grund als un­schlüssig ab­zu­wei­sen, weil dann im Kündi­gungs­zeit­punkt kein Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten zu 1) als Son­der­li­qui­da­to­rin der F G H be­stan­den hätte.

Streit­ge­gen­stand ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist die Fra­ge, ob ein Ar­beits­verhält­nis aus An­lass ei­ner ganz be­stimm­ten Kündi­gung zu dem be­ab­sich­tig­ten Ter­min auf­gelöst wor­den ist. Mit der Rechts­kraft ei­nes der Kla­ge statt­ge­ben­den Ur­teils ist fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die an­ge­grif­fe­ne Kündi­gung zu dem be­stimm­ten Ter­min nicht auf­gelöst wor­den ist. Außer­dem steht in al­ler Re­gel je­den­falls fest, dass im Zeit­punkt der Kündi­gung ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en be­stan­den hat. Die Kla­ge nach § 4 KSchG kann da­her dann kei­nen Er­folg ha­ben, wenn fest­steht, dass bei Zu­gang der Kündi­gung ein Ar­beits­verhält­nis über­haupt nicht be­stan­den hat (BAG 18. April 2002 – 8 AZR 346/01 – AP BGB § 613a Nr. 232; BAG 27. Ok­to­ber 2005 – 8 AZR 568/04 – AP BGB § 613a Nr. 292; BAG 27. April 2006 – 2 AZR 360/05 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 55). Be­stand kein Ar­beits­verhält­nis, ist die Kla­ge be­reits des­halb als un­be­gründet ab­zu­wei­sen, oh­ne dass es auf die Prüfung der Wirk­sam­keit der Kündi­gung noch ankäme (BAG 20. Sep­tem­ber 2000 – 5 AZR 271/99 – AP ArbGG 1979 § 2 Zuständig­keitsprüfung Nr. 8; BAG 14. Ju­ni 2006 – 5 AZR 592/05 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 62).

bb) Zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu 1) in ih­rer Ei­gen­schaft als Son­der­li­qui­da­to­rin ih­rer Ar­beit­ge­be­rin be­stand im Kündi­gungs­zeit­punkt in­des ein Ar­beits­verhält­nis. Ein Über­gang ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses auf die Be­klag­te zu 2) ist nicht er­folgt. Ein Be­triebsüber­gang iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Be­klag­te zu 2) ist nicht dar­ge­legt, we­der für den 29. Sep­tem­ber/01. Ok­to­ber 2009 noch für ei­nen späte­ren Zeit­punkt. Da­mit kann die Kündi­gung auch nicht ge­gen § 613a Abs. 4 BGB ver­s­toßen.

(1) Die Be­klag­te zu 1) be­gründet die Kündi­gung mit Be­triebs­still­le­gung. Be­triebs­still­le­gung und Be­triebsüber­gang schließen sich ge­gen­sei­tig sys­te­ma­tisch aus, da ei­ne Still­le­gung den ernst­li­chen und endgülti­gen Ent­schluss des Un­ter­neh­mers vor­aus­setzt, die Be­triebs- und Pro­duk­ti­ons­ge­mein­schaft zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mern auf­zu­he­ben und die Ver­fol­gung des bis­he­ri­gen Be­triebs­zwecks dau­ernd oder für ei­ne ih­rer Dau­er nach un­be­stimm­te, wirt­schaft­lich nicht un­er­heb­li­che Zeit­span­ne nicht wei­ter zu ver­fol­gen. Bei der Ab­sicht der Be­triebs­veräußerung liegt ein sol­cher Still­le­gungs­ent­schluss ge­ra­de nicht vor, weil die Iden­tität des Be­triebs ge­wahrt blei­ben und ein Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel statt­fin­den soll. Be­ruft sich der Ar­beit­neh­mer im Kündi­gungs­schutz­pro­zess nach § 4 KSchG dar­auf, der Be­trieb sei vom bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber nicht still­ge­legt, son­dern auf ei­nen neu­en In­ha­ber über­tra­gen und es sei aus die­sem Grund gekündigt wor­den, so hat zwar der Ar­beit­ge­ber die Tat­sa­chen dar­zu­le­gen und nach­zu­wei­sen, die die Kündi­gung be­din­gen ( BAG 05. De­zem­ber 1985 – 2 AZR 3/85 – AP BGB § 613a Nr. 47; BAG 09. Fe­bru­ar 1994 – 2 AZR 666/93 – AP BGB § 613a Nr. 105; BAG 26. April 2007 – 8 AZR 695/05 – AP In­sO § 125 Nr. 4). In die­ser Si­tua­ti­on und da­mit an­ders als bei ei­ner aus­sch­ließlich auf § 613a Abs. 4 BGB gestütz­ten Fest­stel­lungs­kla­ge ist es da­her dann auch Auf­ga­be des Ar­beit­ge­bers, dar­zu­le­gen und nach­zu­wei­sen, dass kein Be­triebsüber­gang vor­liegt ( BAG 13. No­vem­ber 1997 – 8 AZR 82/95 – nv., ju­ris). Vor­aus­set­zung ist al­ler­dings, dass der Vor­trag des Ar­beit­neh­mers über­haupt die An­nah­me ei­nes Be­triebsüber­gangs recht­fer­tigt.

(2) Dies ist nicht der Fall. Der Vor­trag der Kläge­rin recht­fer­tigt nicht die An­nah­me ei­nes Be­triebsüber­gangs auf die Be­klag­te zu 2).

(i) Ein Be­triebsüber­gang iSd. § 613a BGB liegt vor, wenn ein neu­er Recht­sträger die wirt­schaft­li­che Ein­heit un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität fortführt. Der Be-griff wirt­schaft­li­che Ein­heit be­zieht sich hier­bei auf ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ge­samt­heit von Per­so­nen und/oder Sa­chen zur auf Dau­er an­ge­leg­ten Ausübung ei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit mit ei­ge­ner Ziel­set­zung. Bei der Prüfung, ob ei­ne sol­che Ein­heit über­ge­gan­gen ist, müssen sämt­li­che den be­tref­fen­den Vor­gang kenn­zeich­nen­den Tat­sa­chen berück­sich­tigt wer­den. Da­zu gehören als Teil­as­pek­te ins­be­son­de­re die Art des be­tref­fen­den Un­ter­neh­mens oder Be­triebs, der et­wai­ge Über­gang der ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel wie Gebäude oder be­weg­li­che Güter, der Wert der im­ma­te­ri­el­len Ak­ti­va im Zeit­punkt des Über­gangs, die et­wai­ge Über­nah­me der Haupt­be­leg­schaft, der et­wai­ge Über­gang der Kund­schaft so­wie der Grad der Ähn­lich­keit zwi­schen den vor und nach dem Über­gang ver­rich­te­ten Tätig­kei­ten und die Dau­er ei­ner even­tu­el­len Un­ter­bre­chung die­ser Tätig­keit. Die Iden­tität der Ein­heit kann sich auch aus an­de­ren Merk­ma­len, wie zB. ih­rem Per­so­nal, ih­ren Führungs­kräften, ih­rer Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on, ih­ren Be­triebs­me­tho­den oder den ihr zur Verfügung ste­hen­den Be­triebs­mit­teln er­ge­ben. Den für das Vor­lie­gen ei­nes Über­gangs maßgeb­li­chen Kri­te­ri­en kommt je nach der aus­geübten Tätig­keit und je nach den Pro­duk­ti­ons- und Be­triebs­me­tho­den un­ter­schied­li­ches Ge­wicht zu ( BAG 16. Fe­bru­ar 2006 – 8 AZR 211/05 – AP BGB § 613a Nr. 301).

Der Über­gang ei­nes Be­triebs­teils steht für des­sen Ar­beit­neh­mer ei­nem Be­triebsüber­gang gleich. Auch bei dem Er­werb ei­nes Be­triebs­teils ist es er­for­der­lich, dass die wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt. Be­triebs­tei­le sind Teil­ein­hei­ten (Teil­or­ga­ni­sa­tio­nen) des Be­triebs. Bei Über­tra­gung von sächli­chen und im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­teln muss es sich um ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Un­ter­glie­de­rung han­deln, mit der in­ner­halb des be­triebs­tech­ni­schen Ge­samt­zwecks ein Teil­zweck ver­folgt wird, auch wenn es sich nur um ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Hilfs­funk­ti­on han­delt. § 613a BGB setzt für den Teil­be­triebsüber­gang vor­aus, dass die über­nom­me­nen Be­triebs­mit­tel be­reits bei dem frühe­ren Be­triebs­in­ha­ber die Qua­lität ei­nes Be­triebs­teils hat­ten. Es reicht nicht aus, wenn der Er­wer­ber mit ein­zel­nen bis­lang nicht be­trieb­lich or­ga­ni­sier­ten Be­triebs­mit­teln ei­nen Be­trieb oder Be­triebs­teil gründet. Außer­dem ist er­for­der­lich, dass der Er­wer­ber ge­ra­de die we­sent­li­chen Be­triebs­mit­tel des Teil­be­triebs über­nimmt ( BAG 16. Fe­bru­ar 2006 – 8 AZR 211/05 – aaO). Der Ar­beit­neh­mer muss die­sem Be­triebs­teil zu­zu­ord­nen sein. Im Rah­men der Ge­samt­be­trach­tung können we­sent­li­che Ände­run­gen in Or­ga­ni­sa­ti­on, Struk­tur und Kon­zept ei­ner Iden­titäts­wah­rung ent­ge­gen­ste­hen. Al­ler­dings muss der über­tra­ge­ne Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­teil sei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit beim Be­triebs­er­wer­ber nicht vollständig be­wah­ren, es genügt, dass die­ser die funk­tio­nel­le Ver­knüpfung zwi­schen den über­tra­ge­nen Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren bei­behält und es ihm der­art ermöglicht wird, die­se Fak­to­ren zu nut­zen, um der­sel­ben oder ei­ner gleich­ar­ti­gen wirt­schaft­li­chen Tätig­keit nach­zu­ge­hen ( BAG 17. De­zem­ber 2009 – 8 AZR 1019/08 – AP BGB § 613a Nr. 383; BAG 27. Ja­nu­ar 2011 – 8 AZR 326/09 – NZA 2011, 1162; BAG 07. April 2011 – 8 AZR 730/09 – NZA 2011, 1231; je­weils in An­schluss an EuGH 12. Fe­bru­ar 2009 – C-466/07 – AP Richt­li­nie 2001/23/EG Nr. 4 [Kla­ren­berg]).

(ii) Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze ist ein Be­triebsüber­gang iSd. § 613a BGB , be­zo­gen auf die wirt­schaft­li­che Ein­heit, der die Kläge­rin zu­ge­ord­net ist, nicht er­sicht­lich.

Un­abhängig von der Be­zeich­nung des Stand­orts B als Be­trieb, Be­triebs­teil oder Un­ter­neh­mens­teil stell­te die­ser je­den­falls bei der Ar­beit­ge­be­rin ei­ne ab­grenz­ba­re or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ein­heit dar, mit der ein Teil­zweck im Sin­ne ei­ner Hilfs­funk­ti­on ge­genüber dem Zweck des Luft­trans­ports von Gütern und Per­so­nen ver­folgt wur­de. Die­se wirt­schaft­li­che Ein­heit ist nicht un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität von der Be­klag­ten zu 2) über­nom­men wor­den, und zwar auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt der Bei­be­hal­tung ei­ner funk­tio­nel­len Ver­knüpfung über­tra­ge­ner Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren. Die Be­klag­te zu 2) hat auch nach Dar­stel­lung der Kläge­rin kei­ne Be­triebs­mit­tel der Ar­beit­ge­be­rin in I oder auch in B er­wor­ben. Sie hat kei­ne ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel des Be­triebs B über­nom­men. Sie hat kei­ne Räume die­ses Be­triebs über­nom­men. Sie ist in kei­ne den Be­trieb B be­tref­fen­den Miet­verträge oder sons­ti­ge Dau­er­schuld­verhält­nis­se ein­ge­tre­ten. Sie hat kein Per­so­nal die­ses Be­triebs über­nom­men. Die von der Kläge­rin ge­nann­ten Mit­ar­bei­ter sind, so­weit es sich um Bo­den­per­so­nal han­delt, Ar­beit­neh­mer, die in der Ver­gan­gen­heit in Be­trie­ben außer­halb Is beschäftigt wa­ren, und, so­weit es sich um Pi­lo­ten han­delt, Ar­beit­neh­mer, die nach ei­ge­nem Vor­brin­gen der Kläge­rin der Zen­tra­le der Ar­beit­ge­be­rin zu­zu­ord­nen wa­ren. Dass Pas­sa­gie­re, die früher bei der Ar­beit­ge­be­rin Flüge buch­ten, nun­mehr mit der Be­klag­ten zu 2) flie­gen, mag sein; dies dann aber nicht auf Flügen von und nach I. Selbst wenn Über­nah­me der Kund­schaft vor­lie­gen soll­te, ist nicht er­kenn­bar, dass Kun­den­be­zie­hun­gen ein die Iden­tität der in B be­ste­hen­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit prägen­des Merk­mal dar­stel­len. Das­sel­be gilt für im­ma­te­ri­el­le Ak­ti­va des Un­ter­neh­mens wie Lo­go und für Slots. Die letzt­ge­nann­ten Ge­sichts­punk­te mögen In­di­zi­en sein, die ne­ben an­de­ren, wie bei­spiels­wei­se Über­nah­me von Flug­zeu­gen, Über­nah­me von Flug­rou­ten, Über­nah­me von Pi­lo­ten für die Über­nah­me ei­nes in J un­ter­hal­te­nen Flug­be­triebs spre­chen könn­ten; ein Be­zug zu ei­nem in der K I un­ter­hal­te­nen Be­trieb ist hier­aus je­den­falls nicht er­kenn­bar. Die in B von der Ar­beit­ge­be­rin durch­geführ­ten Tätig­kei­ten wur­den ein­ge­stellt. Sie wur­den von der Be­klag­ten zu 2) we­der in B noch sonst ir­gend­wo in I auf­ge­nom­men. Sie sind da­mit nach wie vor be­en­det. Dass die Be­klag­te zu 2) die­se Tätig­kei­ten ir­gend­wo an­ders ausführt, wird von der Kläge­rin nicht dar­ge­legt. Wäre dies dar­ge­legt, läge man­gels über­tra­ge­ner Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren je­den­falls nicht de­ren fort­dau­ern­de Nut­zung un­ter Bei­be­hal­tung ei­ner funk­tio­nel­len Ver­knüpfung vor. Die Ausführun­gen der Kläge­rin zur Be­auf­tra­gung der L über­zeu­gen nicht. Ob die Be­klag­te zu 2) Ver­kaufs-, Mar­ke­ting- oder sons­ti­ge Tätig­kei­ten in der K I und/oder an­de­ren Staa­ten der L über­tra­gen hat ist un­er­heb­lich und gibt al­len­falls Auf­schluss darüber, dass ei­ne Funk­ti­ons­nach­fol­ge von der Be­klag­ten zu 2) auf die L vor­lie­gen könn­te, nicht aber über ei­nen (Teil-) Be­triebsüber­gang von der Ar­beit­ge­be­rin auf die Be­klag­te zu 2). Die Be­zeich­nung der L als Platz- oder Statt­hal­ter er­setzt kei­nen Vor­trag zur Über­tra­gung von Be­triebs­mit­teln oder sons­ti­gen iden­titätsprägen­den Merk­ma­len auf die Be­klag­te zu 2) oder auch auf die L, was dann al­ler­dings im letzt­ge­nann­ten Fall al­len­falls zu ei­nem (Teil-) Be­triebsüber­gang auf die L führen würde. Die Ausführun­gen der Kläge­rin zur Rol­le der M und der be­haup­te­ten Fu­si­ons­ab­sicht über­zeu­gen eben­falls nicht und zei­gen al­len­falls auf, dass die M der­zeit und oh­ne Be­triebsüber­gang in der La­ge ist, die von der Ar­beit­ge­be­rin im Flug­markt von und nach I hin­ter­las­se­ne Lücke zu schließen. Aus wel­chen Gründen dies für ei­nen Be­triebsüber­gang auf die den Luft­ver­kehr nach I nicht be­die­nen­de Be­klag­te zu 2) spre­chen soll, er­sch­ließt sich nicht. Ei­ne Fu­si­on hat nach wir vor nicht statt­ge­fun­den, so dass sich Erörte­run­gen erübri­gen, ob ei­ne Fu­si­on mit der M ei­nen Über­gang ei­nes in I ge­le­ge­nen Be­triebs (oder auch: Un­ter­neh­mens­teils) be­gründen würde, ob­wohl dann im­mer noch kei­ne Be­triebs­mit­tel oder sons­ti­ge die Iden­tität der in B ge­le­ge­nen wirt­schaft­li­che Ein­heit prägen­den Merk­ma­le über­nom­men wären. Die Kam­mer schließt sich fer­ner nicht der Auf­fas­sung an, dass die Ver­mei­dung oder Ver­hin­de­rung ei­nes Be­triebsüber­gangs ei­ne Um­ge­hung des § 613a BGB dar­stellt, und zwar un­abhängig da­von, ob zwi­schen Be­klag­ter zu 2) und der M ei­ne un­zulässi­ge Kar­tell­ab­spra­che vor­liegt oder nicht. Liegt kein Be­triebsüber­gang vor, ist § 613a BGB nicht um­gan­gen. Sie schließt sich fer­ner nicht der Auf­fas­sung an, dass die Vor­aus­set­zun­gen des § 613a BGB be­reits auf­grund ein­heit­li­chen welt­wei­ten Un­ter­neh­mensüber­gangs erfüllt sei­en. Ab­zu­stel­len ist viel­mehr auf den Über­gang der kon­kre­ten wirt­schaft­li­chen Ein­heit. Die­se ist ge­ra­de nicht über­ge­gan­gen. Da­mit ist die Prämis­se un­rich­tig, es ha­be ein vollständi­ger welt­wei­ter Be­triebs- oder auch Un­ter­neh­mensüber­gang statt­ge­fun­den. Viel­mehr ist nach wie vor nicht dar­ge­legt, wel­che Geschäftstätig­keit des frühe­ren B Bo­den­be­triebs der Ar­beit­ge­be­rin die Be­klag­te zu 2) un­ter Wah­rung der bis­he­ri­gen Iden­tität wel­cher über­nom­me­nen wirt­schaft­li­chen Ein­heit wie­der auf­ge­nom­men oder wei­ter­geführt ha­ben und wel­che ma­te­ri­el­len oder im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel sie hier­bei über­nom­men ha­ben soll­te.

Selbst wenn man zu­guns­ten der Kläge­rin un­ter­stellt, dass die Be­klag­te zu 2) die Geschäfte der Ar­beit­ge­be­rin welt­weit fortführt, er­gibt sich dar­aus kein Über­gang des Be­triebs in B. Für die Fra­ge des Weg­falls des Ar­beits­plat­zes der Kläge­rin kommt es al­lein dar­auf an, ob der Beschäfti­gungs­be­trieb auf die Be­klag­te zu 2) über­ge­gan­gen ist. Der Über­gang ir­gend­wel­cher an­de­rer Be­trie­be welt­weit löst die Rechts­fol­gen des § 613a BGB für die Kläge­rin nicht aus und steht auch ei­ner Be­triebs­still­le­gung nicht ent­ge­gen (so zu­tref­fend LAG München – 12. April 2011 – 9 Sa 1234/10 – nv. in ei­nem Par­al­lel­rechts­streit).

c) Die Kündi­gung ist nicht gemäß § 1 KSchG un­wirk­sam. Sie ist nicht so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, son­dern durch der Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin ent­ge­gen­ste­hen­de drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG be­dingt.

aa) Zu den drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen gehört die Still­le­gung des ge­sam­ten Be­triebs durch den Ar­beit­ge­ber (st. Rspr., vgl. BAG 12. Ju­li 2007 – 2 AZR 722/05 – AP KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 168 mwN.).

Maßgeb­li­cher Zeit­punkt zur Be­ur­tei­lung der Rechtmäßig­keit ei­ner Kündi­gung ist zwar der des Kündi­gungs­zu­gangs, so dass grundsätz­lich zu die­sem Zeit­punkt der Kündi­gungs­grund vor­lie­gen muss. Dies be­deu­tet je­doch nicht, dass im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung der Ar­beits­platz be­reits weg­ge­fal­len sein muss. We­gen der Zu­kunfts­be­zo­gen­heit der Kündi­gung und aus Prak­ti­ka­bi­litäts­gründen ist viel­mehr auch ei­ne Kündi­gung we­gen be­ab­sich­tig­ter Be­triebs­still­le­gung möglich, wenn im Zeit­punkt ih­res Aus­spruchs die auf Tat­sa­chen gestütz­te, vernünf­ti­ge be­triebs­wirt­schaft­li­che Pro­gno­se ge­recht­fer­tigt ist, dass zum Kündi­gungs­ter­min mit ei­ni­ger Si­cher­heit der Ein­tritt des die Ent­las­sung er­for­der­lich ma­chen­den be­trieb­li­chen Grun­des vor­lie­gen wird (st. Rspr., vgl. BAG 13. Fe­bru­ar 2008 – 2 AZR 543/06 – AP KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 175 mwN.).

bb) Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind erfüllt. Seit En­de Sep­tem­ber 2009 hat­te die Ar­beit­ge­be­rin ih­ren Flug­be­trieb von und nach I ein­ge­stellt. Die endgülti­ge und ernst­haf­te Ab­sicht der Be­klag­ten zu 1), den Be­trieb in B still­zu­le­gen, ma­ni­fes­tiert sich in den mit dem Ge­samt­be­triebs­rat geführ­ten In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen, in ih­rem Schrei­ben an den Ge­samt­be­triebs­rat vom 01. De­zem­ber 2009, dem Um­stand, dass für sämt­li­che Ar­beit­neh­mer die Anhörungs­ver­fah­ren nach § 102 Abs. 1 Be­trVG ein­ge­lei­tet wur­den, ge­genüber sämt­li­chen Ar­beit­neh­mern noch im De­zem­ber 2009, so­fern nicht we­gen be­ste­hen­den Son­derkündi­gungs­schut­zes Zu­stim­mun­gen ein­ge­holt wer­den muss­ten, be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen aus­ge­spro­chen wur­den, sämt­li­che in der K I un­ter­hal­te­nen Miet-, Lea­sing- und War­tungs­verträge gekündigt wur­den und Mo­bi­li­ar veräußert bzw. ent­sorgt wur­de. Hier­ge­gen wen­det sich die Kläge­rin auch nur mit dem Ar­gu­ment, in Wirk­lich­keit lie­ge kei­ne Be­triebs­still­le­gung vor, son­dern ein Be­triebsüber­gang. Dies ist wie dar­ge­legt un­zu­tref­fend. Wei­te­re kon­kre­te An­grif­fe ge­gen die An­nah­me ei­ner Be­triebs­still­le­gung wer­den nicht vor­ge­bracht.

d) Die Kündi­gung ist nicht gemäß § 180 Satz 1 BGB un­wirk­sam.

aa) Die Kündi­gung wur­de vom Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten zu 1) in de­ren Na­men und un­ter Beifügung ei­ner vom Ver­wal­tungs­rats­mit­glied N un­ter­zeich­ne­ten Voll­macht aus­ge­spro­chen.

bb) Die Be­klag­te zu 1) ist als Son­der­li­qui­da­to­rin der Ar­beit­ge­be­rin kündi­gungs­be­rech­tigt. Sie ist da­mit auch be­rech­tigt, Drit­te mit dem Aus­spruch ei­ner Kündi­gung zu be­vollmäch­ti­gen.

(1) Die Be­klag­te zu 1) ist kündi­gungs­be­rech­tigt, da in­fol­ge der Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens das Recht des Schuld­ners, das zur In­sol­venz­mas­se gehören­de Vermögen zu ver­wal­ten und über es zu verfügen, auf sie über­ge­gan­gen ist, denn das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren O Rechts nach Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 ist ein nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Eu­Ins­VO auch in der K I an­er­kann­tes In­sol­venz­ver­fah­ren.

(2) Nach Art. 18 Abs. 1 Eu­Ins­VO darf der durch ein nach Art. 3 Abs. 1 Eu­Ins­VO zuständi­ges Ge­richt be­stell­te Ver­wal­ter im Ge­biet ei­nes an­de­ren Mit­glieds­staats grundsätz­lich al­le Be­fug­nis­se ausüben, die ihm nach dem Recht des Staats der Ver­fah­ren­seröff­nung zu­ste­hen. Die Aus­nah­me der Eröff­nung ei­nes wei­te­ren In­sol­venz­ver­fah­ren in dem an­de­ren Staat liegt für die K I nicht vor.

(3) Nach Art. 14 A Abs. 4 des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 führt der Li­qui­da­tor die Geschäfte des Un­ter­neh­mens, ver­wal­tet und ver­tritt es und ist er be­rech­tigt, mit dem Un­ter­neh­men be­ste­hen­de Verträge jed­we­der Art zu kündi­gen.

(4) Bei dem Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 han­delt es sich um ein In­sol­venz­ver­fah­ren nach Art. 16 Abs. 1 Eu­Ins­VO han­delt. Die hier­ge­gen von der Kläge­rin vor­ge­brach­ten Ar­gu­men­te über­zeu­gen nicht.

(i) Aus Art. 1 Abs. 1 Eu­Ins­VO folgt, dass die In­sol­venz­ver­fah­ren, auf die die Ver­ord­nung an­wend­bar ist, vier Merk­ma­le auf­wei­sen müssen. Es muss sich um ein Ge­samt­ver­fah­ren han­deln, das die In­sol­venz des Schuld­ners vor­aus­setzt und den zu­min­dest teil­wei­sen Vermögens­be­schlag ge­gen den Schuld­ner so­wie die Be­stel­lung ei­nes Ver­wal­ters zur Fol­ge hat ( EuGH 02. Mai 2006 – C-341/04 – BB 2006, 1762 [Eu­ro­food]; EuGH 21. Ja­nu­ar 2010 – C-444/07 – NZI 2010, 156 [MG Pro­bud]).

(ii) Die ge­nann­ten Ver­fah­ren sind im An­hang A der Eu­Ins­VO , die Ver­wal­ter im An­hang C der Eu­Ins­VO auf­geführt (EuGH 02. Mai 23006 – C-341/04 – aaO [Eu­ro­food]). In An­hang B sind die Li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren auf­geführt, die nach der De­fi­ni­ti­on in Art. 2 lit. b Eu­Ins­VO In­sol­venz­ver­fah­ren iSd. Art. 2 lit. a Eu­Ins­VO sind, die zur Li­qui­da­ti­on des Schuld­ner­vermögens führen. Die Anhänge A und B sol­len ab­sch­ließend und ver­bind­lich die ein­zel­nen Ver­fah­ren aufzählen, die In­sol­venz­ver­fah­ren und Li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren iSd. Eu­Ins­VO sind (FK-In­sO/Wen­ner/Schus­ter, 6. Aufl., Eu­Ins­VO, Art. 1 Rd­nr. 2; Braun/Liersch, In­sO, 4. Aufl., § 343 Rd­nr. 3). Für J ist die Son­der­li­qui­da­ti­on in den Anhängen A und B, der Son­der­li­qui­da­tor in An­hang C auf­geführt.

(iii) Die ab­sch­ließen­de Aufzählung der In­sol­venz­ver­fah­ren in An­hang A und der Ver­wal­ter in An­hang C mag als un­prak­ti­ka­bel an­ge­se­hen wer­den (FK-In­sO/Wen­ner/Schus­ter, 6. Aufl., Eu­Ins­VO, Art. 2 Rd­nr. 3 und 4). Dies ändert nichts dar­an, dass Art. 2 Eu­Ins­VO be­stimm­te Grund­be­grif­fe für die Mit­glieds­staa­ten ver­bind­lich fest­legt, um ei­ne möglichst ein­heit­li­che In­ter­pre­ta­ti­on der Grund­be­grif­fe in den Mit­glieds­staa­ten her­bei­zuführen und zu gewähr­leis­ten (FK-In­sO/Wen­ner/Schus­ter, aaO, Rd­nr. 1).

(iv) An­hang A der Eu­Ins­VO er­fasst das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach Art. 14 A Abs. 1 des Ge­set­zes 3429/2005, An­hang C den Son­der­li­qui­da­tor (zwei­felnd, aber of­fen ge­las­sen: LAG Düssel­dorf 14. Ju­li 2011 – 15 Sa 786/10 – nv., ju­ris).

Der Um­stand, dass die O Re­ge­lung über die Son­der­li­qui­da­ti­on für öffent­li­che Un­ter­neh­men erst mit Wir­kung zum 23. Ok­to­ber 2008 und da­mit nach In­kraft­tre­ten der Eu­Ins­VO ein­gefügt wur­de, führt zu kei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung. Die Eu­Ins­VO und ih­re Anhänge wur­den nach In­kraft­tre­ten von Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 wie­der­holt geändert, die Anhänge letzt­mals mit Durchführungs­ver­ord­nung (EU) Nr. 210/2010 des Ra­tes vom 25. Fe­bru­ar zur Ände­rung der Lis­ten von In­sol­venz­ver­fah­ren, Li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren und Ver­wal­tern in den Anhängen A , B und C der Ver­ord­nung (EG) Nr. 1346/2000 über In­sol­venz­ver­fah­ren und zur Ko­di­fi­zie­rung der Anhänge A, B und C der ge­nann­ten Ver­ord­nung. We­der der P noch der O Ge­setz­ge­ber sa­hen sich hier­bei zur Ände­rung des Ge­set­zes bzw. der Ver­ord­nung ver­an­lasst. Viel­mehr hat der O Ge­setz­ge­ber da­durch, dass er das be­ste­hen­de Ge­setz Nr. 3429/2005 um ei­nen Art. 14 A ergänzt hat, zum Aus­druck ge­bracht, dass er dies als Ergänzung des Sys­tems des bis­he­ri­gen Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­rens an­sieht, nimmt er in Art. 14 A Abs. 14 des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 auf Re­ge­lun­gen der Eu­Ins­VO Be­zug und hat der P Ge­setz­ge­ber durch ein­schränkungs­lo­se Nen­nung der Son­der­li­qui­da­ti­on und des Son­der­li­qui­da­tors in den Anhängen A und C der Eu­Ins­VO auch nach der letz­ten Ände­rung und in Kennt­nis des neu ein­gefügten Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 zum Aus­druck ge­bracht, dass die Anhänge kei­nen sta­ti­schen Ver­weis auf aus­sch­ließlich im Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens der Eu­Ins­VO be­reits be­ste­hen­de In­sol­venz­ver­fah­ren dar­stel­len (vgl. LAG Ba­den-Würt­tem­berg 21. De­zem­ber 2010 – 21 Sa 91/09 – nv.; LAG Ba­den-Würt­tem­berg 11. März 2011 – 7 Sa 109/10 – ArbR 2011, 283, Voll­text: ju­ris; LAG München 12. April 2011 – 9 Sa 1234/10 – nv.).

(v) Dass kein Ver­fah­ren zur Ände­rung der Anträge gemäß Art. 45 Eu­Ins­VO durch­geführt wur­de, ist un­er­heb­lich. Da die Son­der­li­qui­da­ti­on oh­ne­hin in An­hang A er­fasst ist, hätte hierfür nur An­lass be­stan­den, wenn die Son­der­li­qui­da­ti­on staat­li­cher Bei­hil­fen be­zie­hen­der öffent­li­cher Un­ter­neh­men hier­von hätte aus­ge­nom­men wer­den sol­len. Un­abhängig da­von, ob ein (ur-)al­tes Ver­fah­ren der Son­der­li­qui­da­ti­on gemäß Ge­setz Nr. 3562/1956 an­ge­passt wur­de, be­ste­hen­de in­sol­venz­recht­li­che Be­stim­mun­gen ei­ne bloße Mo­di­fi­ka­ti­on er­fah­ren ha­ben oder ein auf Be­son­der­hei­ten öffent­li­cher Un­ter­neh­men zu­ge­schnit­te­nes neu­es und be­son­de­res Li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren le­dig­lich un­ter Ver­wen­dung ei­ner al­ten Be­zeich­nung ge­schaf­fen wur­de, ist die Son­der­li­qui­da­ti­on O Rechts be­reits im An­hang A auf­geführt. Für ih­re Auf­nah­me in den An­hang hätte es da­mit kei­nes nach Art. 45 Eu­Ins­VO ein­zu­lei­ten­den Ver­fah­rens be­durft (so wohl LAG Düssel­dorf 14. Ju­li 2011 – 15 Sa 786/10 – nv., ju­ris), viel­mehr hätte bei den nach In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes 3710/2008 er­folg­ten Ände­run­gen der Anhänge das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 vom An­hang A aus­ge­nom­men wer­den müssen.

(vi) Ei­ne Kon­trol­le im an­er­ken­nen­den Staat, ob das im An­hang A der Eu­Ins­VO auf­geführ­te Ver­fah­ren tatsächlich der De­fi­ni­ti­on in Art. 1 Abs. 1 Eu­Ins­VO genügt, fin­det nicht statt (FK-In­sO/Wen­ner/Schus­ter, 6. Aufl., Eu­Ins­VO, Art. 1 Rd­nr. 2). Im Übri­gen erfüllt das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 die De­fi­ni­ti­on.

(vi.i) Ein Ge­samt­ver­fah­ren liegt vor. Das Ver­fah­ren dient ua. der ge­mein­sa­men und gleichmäßigen Gläubi­ger­be­frie­di­gung. Hier­bei wird ein In­sol­ven­zer­eig­nis vor­aus­ge­setzt. Das Ver­fah­ren setzt ne­ben in der Ver­gan­gen­heit be­zo­ge­nen staat­li­chen Bei­hil­fen und Ver­s­toß ge­gen das Ge­mein­schafts­recht bei Gewährung wei­te­rer Bei­hil­fen al­ter­na­tiv vor­aus, dass schwe­re wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten oder Pro­ble­me bei der Struk­tu­rie­rung des Ei­gen­ka­pi­tals oder das öffent­li­che Un­ter­neh­men of­fen­sicht­lich nicht in der La­ge ist, ge­setz­te Zah­lungs­fris­ten ein­zu­hal­ten. Nach Art. 4 Abs. 2 lit. j Eu­Ins­VO re­gelt das Recht des Staa­tes der Ver­fah­ren­seröff­nung ua. die Vor­aus­set­zun­gen des In­sol­venz­ver­fah­rens. Wenn der O Ge­setz­ge­ber in Ab­wei­chung von an­de­ren von ihm ge­setz­ten Re­geln die Eröff­nung ei­nes Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­rens für den Fall zulässt, dass sich ein öffent­li­ches Un­ter­neh­men in den in Art. 14 A Abs. 1 des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 ge­nann­ten qua­li­fi­zier­ten wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten be­fin­det und nach Ge­mein­schafts­recht nicht wei­ter aus öffent­li­chen Mit­teln gestützt wer­den kann, so be­wegt er sich im Rah­men sei­ner Norm­set­zungs­ho­heit, die das Ge­mein­schafts­recht mit Art. 4 Abs. 2 lit. j Eu­Ins­VO aus­drück­lich ak­zep­tiert (LAG München 12. April 2001 – 9 Sa 1234/10 – nv.).

(vi.ii) Das Ver­fah­ren hat die Be­stel­lung ei­nes Ver­wal­ters iSd. Art. 1 Abs. 1 , Art 2 lit. b Eu­Ins­VO zur Fol­ge, nämlich die der Be­klag­ten zu 1).

(v.iii) Das Ver­fah­ren hat fer­ner vollständi­gen oder teil­wei­sen Vermögens­be­schlag zur Fol­ge. Dass zu­min­dest teil­wei­ser Vermögens­be­schlag iSd. Art. 1 Abs. 1 Eu­Ins­VO und Erwägungs­grund 10 vor­liegt, folgt be­reits aus der auf den Son­der­li­qui­da­tor über­ge­hen­den Ver­wal­tungs­be­fug­nis, Art. 14 a Abs. 4 des Ge­set­zes Nr. 3429/2005. Vermögens­be­schlag be­deu­tet, dass der Schuld­ner die Be­fug­nis­se zur Ver­wal­tung sei­nes Vermögens ver­liert ( EuGH 02. Mai 2006 – C-341/04 – aaO [Eu­ro­food]). In wel­chem Um­fang der Son­der­li­qui­da­tor von der auf ihn über­ge­gan­ge­nen Ver­wal­tungs­be­fug­nis Ge­brauch macht und in­wie­weit er ggf. be­stimm­ter Nie­der­las­sen au­to­nom agie­ren lässt, ist in die­sem Zu­sam­men­hang oh­ne Be­deu­tung. Ent­schei­dend ist, dass er auf­grund ihm zu­ste­hen­der Ver­wal­tungs­be­fug­nis bei­spiels­wei­se auch ge­genüber den von der Kläge­rin ge­nann­ten Büros in Q, R und S Wei­sun­gen er­tei­len kann und über de­ren Vermögens­ge­genstände verfügen darf.

(5) Die wei­te­ren von der Kläge­rin ge­gen ei­ne An­er­ken­nung der Eröff­nung des Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­rens vor­ge­brach­ten Ar­gu­men­te über­zeu­gen nicht.

(i) Die Eröff­nung er­folg­te durch das T Be­ru­fungs­ge­richt, das sei­ne Zuständig­keit gemäß Art. 3 Abs.1 Eu­Ins­VO an­ge­nom­men hat. Die Ge­rich­te der Mit­glieds­staa­ten ha­ben die Eröff­nung an­zu­er­ken­nen, oh­ne dass sie be­fugt wären, die vom ers­ten Ge­richt hin­sicht­lich sei­ner Zuständig­keit an­ge­stell­te Be­ur­tei­lung zu über­prüfen ( EuGH 02. Mai 2006 – C-341/04 – aaO [Eu­ro­food]). Der Um­stand, dass das Eröff­nungs­ge­richt sei­ne Zuständig­keit nach Art. 3 Eu­Ins­VO an­ge­nom­men hat, wird un­ter Berück­sich­ti­gung von Erwägungs­grund 22 viel­mehr oh­ne Wei­te­res ak­zep­tiert (FK-In­sO/Wen­ner/Schus­ter, 6. Aufl., Eu­Ins­VO, Art. 16 Rd­nr. 7).

(ii) Dass sich das O Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 vom O In­sol­venz­ver­fah­ren un­ter­schei­det, ist na­he­lie­gend. Sonst würden nicht zwei ver­schie­de­ne Ver­fah­ren exis­tie­ren. Dies ist je­doch nicht ent­schei­dend. Ent­schei­dend ist viel­mehr, dass bei­de Ver­fah­ren im An­hang A der Eu­Ins­VO auf­geführt sind. Aus die­sem Grund ist es für die Fra­ge der An­er­ken­nung der Eröff­nung nach Art. 16 Abs. 1 Eu­Ins­VO ir­re­le­vant, dass die Ver­fah­ren in Eröff­nungs­vor­aus­set­zun­gen, Be­stel­lung des Li­qui­da­tors, An­trags­be­fug­nis, Eröff­nungs­zuständig­keit, Fris­ten, Möglich­kei­ten der In­ter­ven­ti­on, Rechts­mit­teln, Be­fug­nis­sen des Ver­wal­ters, In­sol­venz­an­fech­tung, Auf­sichts­or­gan, Wi­der­spruchs­rech­ten ge­gen Veräußerungs­geschäfte, Haf­tung, Straf­vor­schrif­ten, Gläubi­ge­r­au­to­no­mie nicht übe­rein­stim­men.

(iii) Ob das Ge­setz Nr. 3710/2008 nach O Recht for­mell ord­nungs­gemäß zu­stan­de ge­kom­men ist, wird von den Ge­rich­ten der Mit­glieds­staa­ten eben­so we­nig ge­prüft wie die Fra­ge, ob die­ses Ge­setz ge­gen die O Ver­fas­sung verstößt. Die­se Prüfung ob­liegt den be­ru­fe­nen O Ge­rich­ten. Das T Be­ru­fungs­ge­richt hat mit sei­ner Ent­schei­dung vom 02. Ok­to­ber 2009 je­den­falls Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 in der durch Ge­setz Nr. 3710/2008 ein­geführ­ten Fas­sung als in J gel­ten­des Recht an­ge­wandt.

(iv) Ob das T Be­ru­fungs­ge­richt O Recht zu­tref­fend an­ge­wandt hat, ob­liegt nicht der Über­prüfung der Ge­rich­te der an­de­ren Mit­glieds­staa­ten und ist nicht im Rah­men der An­er­ken­nung nach Art. 16 Abs. 1 Eu­Ins­VO zu prüfen, vgl. auch Erwägungs­grund 22 Satz 6. Dem­ent­spre­chend wird nicht über­prüft, ob nach O Recht die Eröff­nungs­vor­aus­set­zun­gen vor­la­gen bzw. in­zwi­schen wie­der ent­fal­len sind.

(6) Die An­er­ken­nung der Eröff­nung des Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­rens ist nicht gemäß Art. 26 Eu­Ins­VO we­gen Ver­s­toßes ge­gen den ord­re pu­plic zu ver­wei­gern.

(i) Die An­wen­dung der Ord­re-Pu­blic-Klau­sel ist auf Aus­nah­mefälle be­schränkt ( EuGH 21. Ja­nu­ar 2010 – C-444/07 – aaO [MG Pro­bud]). Er­for­der­lich ist ein of­fen­sicht­li­cher Ver­s­toß ge­gen we­sent­li­che Grundsätze U Rechts. Bloße Ab­wei­chun­gen vom U Recht rei­chen nicht aus
(FK-In­sO/Wen­ner/Schus­ter, 6. Aufl., In­sO; 343 Rd­nr. 20, 21 und Eu­Ins­VO, Art. 26 Rd­nr. 4).

Maßgeb­lich ist, ob das Er­geb­nis der An­wen­dung des ausländi­schen Rechts zu den Grund­ge­dan­ken der U Re­ge­lun­gen und den in ih­nen ent­hal­te­nen Ge­rech­tig­keits­vor­stel­lun­gen in so star­kem Wi­der­spruch steht, dass es nach inländi­scher Vor­stel­lung un­trag­bar er­scheint ( BGH 16. Sep­tem­ber 1993 – IX ZB 82/90 – BGHZ 123, 268 ). In ers­ter Li­nie ist dar­auf ab­zu­stel­len, ob be­reits die Eröff­nung selbst auf­grund ver­fah­rens­recht­li­cher Mängel ge­gen den U ord­re pu­blic verstößt (an­er­ken­nungs­recht­li­cher bzw. ver­fah­rens­recht­li­cher ord­re pu­blic). Dies führt grundsätz­lich zur Nicht­an­er­ken­nung des Ver­fah­ren­seröff­nungs­akts. Ein Ver­s­toß ge­gen den U ord­re pu­blic kann fer­ner da­durch be­gründet sein, dass die An­wen­dung ausländi­schen Rechts auf­grund von Kol­li­si­ons­nor­men nach­ge­ord­ne­te Fol­ge­wir­kun­gen er­zeugt (ma­te­ri­ell-recht­li­cher ord­re pu­blic). Dies ent­zieht der An­er­ken­nung der Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens nicht ins­ge­samt die Grund­la­ge, son­dern führt da­zu, dass die ent­spre­chen­den ausländi­schen Rechts­nor­men nicht an­ge­wandt wer­den ( BGH 13. Ok­to­ber 2009 – X ZR 79/06 – ZIP 2009, 2217; FK-In­sO/Wen­ner/Schus­ter, In­sO, § 343 Rd­nr. 20, 26 und Eu­Ins­VO, Art. 26 Rd­nr. 11).

(ii) Ein sol­cher Ver­s­toß liegt nicht dar­in be­gründet, dass es sich bei dem Ge­setz Nr. 3710/2008 und dem hier­durch ein­geführ­ten Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 um ein un­zulässi­ges Ein­zel­fall­ge­setz han­deln würde.

Ein Ein­zel­fall­ge­setz liegt nicht vor. Die Re­ge­lung ist abs­trakt und ge­ne­rell for­mu­liert. Die An­for­de­rung, dass das Ge­setz all­ge­mein zu sein hat, ist dann erfüllt, wenn sich we­gen der abs­trak­ten Fas­sung der ge­setz­li­chen Tat­bestände nicht ab­se­hen lässt, auf wie vie­le und wel­che Fälle das Ge­setz An­wen­dung fin­det, wenn al­so nicht nur ein ein­ma­li­ger Ein­tritt der vor­ge­se­he­nen Rechts­fol­gen möglich ist. Dass der Ge­setz­ge­ber kon­kre­te Fälle vor Au­gen hat, die er zum An­lass sei­ner Re­ge­lung nimmt, ver­leiht die­ser nicht den Cha­rak­ter ei­nes Ein­zel­fall­ge­set­zes, wenn sie nach der Art der in Be­tracht kom­men­den Sach­ver­hal­te ge­eig­net ist, un­be­stimmt vie­le wei­te­re Fälle zu re­geln. Die abs­trakt-ge­ne­rel­le For­mu­lie­rung darf nicht zur Ver­schleie­rung ei­ner ein­zel­fall­be­zo­ge­nen Re­ge­lung die­nen ( BVerfG 02. März 1999 – 1 BvL 2/91 – BVerfGE 99, 367).

Hier­nach mag ein An­lass­ge­setz vor­lie­gen. Die Re­ge­lung ist aber abs­trakt for­mu­liert und be­zieht sich auf ei­ne nicht ab­sch­ließend be­stimm­te Zahl von Un­ter­neh­men. Dies zeigt im Übri­gen be­reits die von der Kläge­rin selbst zi­tier­te Par­la­ments­de­bat­te über die Gel­tung für an­de­re sog. „V“. Der Um­stand, dass die Re­ge­lung auf die­se zur­zeit kei­ne An­wen­dung fin­det, sagt nichts darüber aus, dass künf­ti­ge An­wen­dungsfälle auf­grund geänder­ter wirt­schaft­li­cher Si­tua­ti­on von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen sind. Hier­bei kommt es nicht dar­auf an, ob die­se be­reits ab­seh­bar sind, son­dern dar­auf, ob sol­che künf­ti­gen An­wen­dungsfälle bei geänder­ter wirt­schaft­li­cher Si­tua­ti­on un­denk­bar sind. Nur dann wäre die An­nah­me ei­nes ver­deck­ten Ein­zel­fall­ge­set­zes trotz abs­trakt-ge­ne­rel­ler For­mu­lie­rung ge­recht­fer­tigt ( BVerfG 02. März 1999 – 1 BvL 2/91 – aaO).

(iii) Ein­ge­schränk­ter Kreis der An­trags­be­rech­tig­ten führt nicht zu ei­nem Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic. Ein­ge­schränk­ter Kreis der An­trags­be­rech­tig­ten führt noch nicht zu Un­gleich­be­hand­lung der Gläubi­ger im Rah­men der Gläubi­ger­be­frie­di­gung, son­dern be­trifft nur das Eröff­nungs­ver­fah­ren. Wenn der O Ge­setz­ge­ber die Eröff­nung ei­nes be­stimm­ten In­sol­venz­ver­fah­rens für öffent­li­che Un­ter­neh­men quan­ti­ta­tiv von ei­nem be­stimm­ten Quo­rum an Gläubi­gern und qua­li­ta­tiv von ei­ner be­stimm­ten Be­tei­li­gung der hier­in ver­tre­te­nen öffent­li­chen Hand abhängig macht, be­wegt er sich noch im Rah­men der nach Art. 4 Abs. 2 Eu­Ins­VO zu­kom­men­den Norm­set­zungs­be­fug­nis. Pri­va­te Gläubi­ger sind vom An­trags­ver­fah­ren nicht aus­ge­schlos­sen, müssen nur mit der öffent­li­chen Hand ins­ge­samt min­des­tens 51 % der For­de­run­gen re­präsen­tie­ren, wo­bei die öffent­li­che Hand hier­von wie­der­um min­des­tens die Hälfe re­präsen­tie­ren muss. Un­zulässi­ge Gläubi­ger­dis­kri­mi­nie­rung liegt hier­in nicht. Aus­wir­kun­gen auf das Ver­tei­lungs­ver­fah­ren sind nicht er­sicht­lich.

(iv) Die Kürze der für das Eröff­nungs­ver­fah­ren vor­ge­se­hen Fris­ten stellt kei­nen Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic dar. Die Vor­aus­set­zun­gen und Förm­lich­kei­ten für die Eröff­nung ei­nes In­sol­venz­ver­fah­rens un­ter­lie­gen dem na­tio­na­len Recht und können sich von Mit­glieds­staat zu Mit­glieds­staat er­heb­lich un­ter­schei­den. In man­chen Mit­glieds­staa­ten wird das Ver­fah­ren sehr kurz nach der An­trag­stel­lung eröff­net, und die er­for­der­li­chen Nach­prüfun­gen wer­den erst später vor­ge­nom­men. In an­de­ren Mit­glieds­staa­ten müssen be­stimm­te we­sent­li­chen und mögli­cher­wei­se sehr zeit­auf­wen­di­ge Fest­stel­lun­gen vor Ver­fah­ren­seröff­nung ge­trof­fen wer­den, wo­bei ei­ni­ge na­tio­na­le Rechts­ord­nun­gen wie­der­um vorüber­ge­hen­de vorläufi­ge Eröff­nun­gen zu­las­sen ( EuGH 02. Mai 2006 – C-341/04 – aaO [Eu­ro­food]). Die in den je­wei­li­gen na­tio­na­len Rechts­ord­nun­gen vor­ge­se­he­nen Fris­ten sind hier­bei zu ak­zep­tie­ren. Schon gar nicht kann die nach O Recht vor­ge­se­he­ne Frist we­gen Er­schwe­rung ei­ner In­ter­ven­ti­on ei­nen Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic be­gründen. Das U In­sol­venz­recht sieht ei­ne In­ter­ven­ti­on im Eröff­nungs­ver­fah­ren nicht vor. Eben­so we­nig kann un­ter­blie­be­nes recht­li­ches Gehör ein­zel­ner Gläubi­ger im Eröff­nungs­ver­fah­ren ei­nen Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic dar­stel­len (FK-In­sO/Wen­ner/Schus­ter, 6. Aufl., Eu­Ins­VO, Art. 26 Rd­nr. 7).

(v) Ob ein Ver­s­toß ge­gen den Grund­satz der Un­abhängig­keit des Ver­wal­ters ei­nen Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic dar­stel­len kann, ist um­strit­ten. So­weit ein Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic an­ge­nom­men wur­de ( AG Nürn­berg 15. Au­gust 2006 – 8004 IN 1326/06 ua. – ZIP 2007, 81) wird dies mit der Ge­fahr der Ver­let­zung von Gläubi­ger­rech­ten ei­nes vom Schuld­ner abhängi­gen Ver­wal­ters be­gründet. Vor­lie­gend sieht Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 oh­ne­hin nur ei­nen be­schränk­ten Kreis an­trags­be­rech­tig­ter Per­so­nen vor. Hier­bei muss es sich um Gläubi­ger han­deln oder um Ge­sell­schaf­ter bzw. Ak­ti­onäre des Un­ter­neh­mens, dies al­ler­dings un­ter der Vor­aus­set­zung ei­nes qua­li­fi­zier­ten Quo­rums der öffent­li­chen Hand. Vor die­sem Hin­ter­grund re­la­ti­viert sich je­den­falls die Ge­fahr der Ver­let­zung we­sent­li­cher Vermögens- oder Ver­fah­rens­rech­te der Gläubi­ger, wo­bei (Art. 14 A Punkt 19) bei Pflicht­ver­let­zun­gen auf An­trag die Ab­set­zung des Li­qui­da­tors und Be­stel­lung ei­nes neu­en Li­qui­da­tors vor­ge­se­hen ist. Ins­be­son­de­re un­ter Berück­sich­ti­gung der Ein­flussmöglich­kei­ten des O Staa­tes, ju­ris­ti­scher Per­so­nen des öffent­li­chen Rechts bzw. der So­zi­al­ver­si­che­rungs­träger liegt da­mit auch bei An­nah­me ei­ner Abhängig­keit des Son­der­li­qui­da­tors oh­ne wei­te­re kon­kre­te An­halts­punk­te noch kei­ne Si­tua­ti­on vor, die of­fen­sicht­lich mit we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken des U Rechts un­ver­ein­bar ist. Im Übri­gen kann Abhängig­keit des Ver­wal­ters noch nicht al­lein dar­aus ge­schlos­sen wer­den, dass sei­ne Be­stel­lung auf­grund Vor­schlags be­stimm­ter Gläubi­ger oder ggf. auch des Schuld­ners er­folgt, so­lan­ge kei­ne kon­kre­ten An­halts­punk­te dafür vor­lie­gen, der Ver­wal­ter han­de­le le­dig­lich in de­ren In­ter­es­se. Sol­che Ge­sichts­punk­te sind nicht er­sicht­lich.

(vi) Un­an­fecht­bar­keit des Eröff­nungs­be­schlus­ses verstößt nicht ge­gen den ord­re pu­blic. Auch nach U Recht ha­ben Gläubi­ger kein Rechts­mit­tel ge­gen den Eröffungs­be­schluss, § 34 Abs. 2 In­sO ( BGH 21. Fe­bru­ar 2008 – IX ZB 96/07 – nv., ju­ris). Die Schuld­ne­rin, der nach U Recht ein Rechts­mit­tel zu­ste­hen würde, ist nicht be­schwert, da sie sich aus­weis­lich der Ent­schei­dungs­gründe des T Be­ru­fungs­ge­richts mit ih­rer In­ter­ven­ti­on dem An­trag an­ge­schlos­sen hat. Von da­her be­darf es kei­ner wei­te­ren Erörte­run­gen, ob in an­de­ren Fällen feh­len­der In­stan­zen­zug (dann aber aus­sch­ließlich: für den Schuld­ner) zum Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic führen könn­te.

(vii) Die be­an­stan­de­ten Be­fug­nis­se des Son­der­li­qui­da­tors führen zu kei­nem Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic, son­dern sind die Kon­se­quenz des auch U In­sol­venz­recht ent­spre­chen­dem Über­gangs der Verfügungs- und Ver­wal­tungs­be­fug­nis.

(viii) Feh­len­de An­fech­tungsmöglich­kei­ten stel­len noch kei­nen Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic dar. Dies zeigt schon die U Kol­li­si­ons­norm des § 339 In­sO . Hier­nach be­stimmt das Recht des Staa­tes, der das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net hab, ob In­sol­venz­an­fech­tungs­gründe be­ste­hen und wel­che Rechts­fol­ge sie ha­ben. Dies ent­spricht der Re­ge­lung in § 4 lit. m Eu­Ins­VO . Das U Recht ak­zep­tiert da­mit ggf. feh­len­de An­fech­tungsmöglich­keit. Im Übri­gen be­trifft die Fra­ge den sog. ma­te­ri­ell-recht­li­chen ord­re pu­blic. Ein Ver­s­toß würde da­mit nicht zur Nicht­an­er­ken­nung der Eröff­nung führen, son­dern al­len­falls da­zu, dass die O Vor­schrift, die die An­fech­tung aus­sch­ließt, nicht an­zu­wen­den wäre.

(ix) Ver­fas­sungs­wid­rig­keit nach O Recht wird nicht ge­prüft und stellt kei­nen Ver­s­toß ge­gen den ord­re pu­blic dar. Maßstab hierfür ist viel­mehr wie dar­ge­legt das U Recht ( BGH 16. Sep­tem­ber 1993 – IX ZB 82/90 – aaO).

cc) Ob die da­mit kündi­gungs­be­rech­tig­te Be­klag­te zu 1) bei der Be­vollmäch­ti­gung ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten zum Aus­spruch der Kündi­gung durch N als al­lein­ver­tre­tungs­be­rech­tig­tes Ver­wal­tungs­rats­mit­glied han­deln konn­te oder ein Han­deln al­ler Ver­wal­tungs­rats­mit­glie­der er­for­der­lich war, kann da­hin­ste­hen. Der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­te zu 1) hat je­den­falls bei Aus­spruch der Kündi­gung als de­ren Ver­tre­ter ge­han­delt. War er hier­zu nicht ord­nungs­gemäß be­vollmäch­tigt, hat die Be­klag­te zu 1) die Kündi­gung je­den­falls ge­neh­migt.

(1) Dass der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten zu 1) bei Aus­spruch der Kündi­gung als ihr Ver­tre­ter han­del­te, folgt aus dem In­halt des Kündi­gungs­schrei­bens und der bei­gefügten Voll­macht.

(2) Ob N im Kündi­gungs­zeit­punkt al­lein­ver­tre­tungs­be­rech­tig­tes Ver­wal­tungs­rats­mit­glied war und dem­ent­spre­chend den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten zu 1) wirk­sam be­vollmäch­ti­gen konn­te, kann da­hin­ste­hen. Da­mit kann auch da­hin­ste­hen, ob die Kläge­rin hin­rei­chend sub­stan­ti­iert dar­ge­legt hat, dass und aus wel­chen Gründen nach Veröffent­li­chung der veränder­ten per­so­nel­len Zu­sam­men­set­zung des Ver­wal­tungs­rats nach O Recht er­neut ein Be­schluss über die Al­lein­ver­tre­tungs­be­fug­nis N’ hätte pu­bli­ziert wer­den müssen und dass die feh­len­de Pu­bli­zie­rung nach O Recht da­zu führt, dass für die Be­klag­te zu 1) der Grund­satz der kol­lek­ti­ven Ver­tre­tung durch den Ver­wal­tungs­rat gilt. Die Kam­mer kann dies in der Fol­ge zu Guns­ten der Kläge­rin un­ter­stel­len, so dass sich je­den­falls die Ein­ho­lung ei­nes Sach­verständi­gen­gut­ach­tens zur Er­mitt­lung des O Rechts nach § 293 ZPO erübrigt.

(3) Selbst wenn für N nur Ge­samt­ver­tre­tungs­be­rech­ti­gung be­stan­den hätte, wäre die Kündi­gungs­erklärung des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten zu 1) von die­ser ge­neh­migt, §§ 180 Satz 2 , 177 Abs. 1 BGB , dies spätes­tens mit dem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag.

(i) Lag kei­ne Al­lein­ver­tre­tungs­be­fug­nis vor, han­del­te N bei Voll­machts­er­tei­lung an den Be­klag­ten zu 1) als Nicht­be­rech­tig­ter. Da­mit hätte kei­ne wirk­sa­me Voll­machts­vor­la­ge vor­ge­le­gen und wäre die Kündi­gung durch den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten zu 1) eben­falls durch ei­nen Nicht­be­rech­tig­ten er­folgt.

Dies führt vor­lie­gend den­noch nicht zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung gemäß § 180 Satz 1 BGB iVm. § 134 BGB , da die­se noch ge­neh­mi­gungsfähig war.

(ii) Die Fra­ge der Ge­neh­mi­gungsfähig­keit be­stimmt sich nach § 180 BGB . Nach § 180 Satz 2 BGB fin­den die Vor­schrif­ten über Verträge und da­mit die Ge­neh­mi­gungsfähig­keit An­wen­dung, wenn der­je­ni­ge, dem ge­genüber das Rechts­geschäft vor­zu­neh­men war, die vom Ver­tre­ter be­haup­te­te
Ver­tre­tungs­macht bei der Vor­nah­me nicht be­an­stan­det hat oder er da­mit ein­ver­stan­den war.

(iii) Ob nach O Recht Kündi­gungs­erklärun­gen ge­neh­mi­gungsfähig sind oder die Vor­schrif­ten der Artt. 233, 238 ZGB nach der Recht­spre­chung des W auf Kündi­gun­gen als Ge­stal­tungs­rech­te un­an­wend­bar sind, ist nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin un­ter­liegt nicht O Recht, son­dern U Recht. Da­mit be­stim­men sich die Wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 10. März 2010 und da­mit auch die Fra­ge der Ge­neh­mi­gung der Kündi­gung nach U Recht. Nach U Recht ist die Kündi­gung ge­neh­mi­gungsfähig.

(iv) Auch die Kündi­gungs­erklärung als ein­sei­ti­ge, emp­fangs­bedürf­ti­ge rechts­ge­stal­ten­de Wil­lens­erklärung ist ge­neh­mi­gungsfähig (BAG 02. Mai 1957 – 2 AZR 469/55 – AP BGB § 180 Nr. 1; BAG 11. De­zem­ber 1997 – 8 AZR 699/96 – AuR 1998, 202, Voll­text: ju­ris; Kam­mer­ur­teil vom 10. Ja­nu­ar 2011 – 17 Sa 1338/10 – nv., ju­ris; KR-Fried­rich, 9. Aufl., KSchG, § 13 Rn 357 mwN; aA LAG Köln 16. No­vem­ber 2005 – 8 Sa 832/05 – LA­GE BGB 2002 § 180 Nr. 1 ; LAG Köln 20. Ju­ni 2007 – 8 Sa 1287/06 – nv., ju­ris; of­fen ge­las­sen in BAG 10. Fe­bru­ar 2005 – 2 AZR 584/03 – aaO; vgl. aber auch BAG 26. März 2009 – 2 AZR 403/07 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 70).

(v) Ei­ne Ge­neh­mi­gung nach §§ 180 Satz 2 , 177 BGB ist nicht aus­ge­schlos­sen, da die Kläge­rin den Man­gel der Ver­tre­tungs­macht nicht bei der Vor­nah­me des Rechts­geschäfts be­an­stan­det hat. Die Be­an­stan­dung iSd. § 180 Satz 2 BGB ist wie nach §§ 111 , 174 BGB im Sin­ne ei­ner Zurück­wei­sung zu ver­ste­hen, hier im Hin­blick auf die Ver­tre­tungs­macht. Im Fall ei­ner Erklärung un­ter Ab­we­sen­den hat sie ent­spre­chend § 174 BGB un­verzüglich zu er­fol­gen (Stau­din­ger/Schil­ken, Stand Ju­li 2009,BGB, § 180 Rn. 7 mwN.). Die Kläge­rin hat kei­ne Be­an­stan­dung oder Zurück­wei­sung erklärt.

(vi) Die da­mit mögli­che Ge­neh­mi­gung der Kündi­gung durch die Be­klag­te zu 1) kann kon­klu­dent er­fol­gen ( BAG 11. De­zem­ber 1997 – 8 AZR 699/96 – aaO) und liegt spätes­tens im Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag im vor­lie­gen­den Rechts­streit ( LAG Düssel­dorf 17. Ja­nu­ar 2008 – 13 Sa 1988/07 – nv., ju­ris).

e) Die Kündi­gung ist nicht gemäß § 17 KSchG iVm. § 134 BGB un­wirk­sam.

aa) Die Be­klag­te zu 1) hat vor Aus­spruch der Kündi­gung ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei der X er­stat­tet.

bb) Das Ver­fah­ren im Rah­men der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge war nach dem zu­grun­de zu le­gen­den Par­tei­vor­trag feh­ler­haft. Dies führt je­doch nicht zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung, denn die Wirk­sam­keit der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge wird auf­grund des Be­scheids der X vom 18. De­zem­ber 2009 im vor­lie­gen­den Rechts­streit nicht über­prüft.

(1) Die Be­klag­te zu 1) hat den Be­triebs­rat vor Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge je­den­falls for­mal nach § 17 Abs. 2 KSchG be­tei­ligt. Sie hat die Be­triebs­rats­anhörung zur Kündi­gung auch als „Mit­tei­lung im Sin­ne von § 17 Abs. 2 KSchG“ be­zeich­net. Da­mit war dem Be­triebs­rat er­kenn­bar, dass die Be­klag­te zu 1) je­den­falls den Ver­such un­ter­neh­men woll­te, ih­rer Pflicht zur Un­ter­rich­tung des Be­triebs­rats nach die­ser Vor­schrift nach­zu­kom­men.

(2) Dies ist al­ler­dings nicht vollständig ge­lun­gen. Das Anhörungs­schrei­ben vom 17. De­zem­ber 2009 enthält nicht die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 KSchG ge­for­der­ten An­ga­ben. In­wie­weit dem Be­triebs­rat die­se An­ga­ben auf an­de­re Wei­se mit­ge­teilt wor­den sein soll­ten, ist nicht dar­ge­legt. Be­ra­tun­gen iSd. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit dem ört­li­chen Be­triebs­rat ha­ben nicht statt­ge­fun­den. Sol­che Be­ra­tun­gen sind je­den­falls nicht dar­ge­legt.

(3) Die Be­klag­te zu 1) hat auch nicht iSd. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ge­genüber der X glaub­haft ge­macht, dass sie den ört­li­chen Be­triebs­rat zwei Wo­chen vor Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG un­ter­rich­tet hätte und den Stand der Be­ra­tun­gen dar­ge­legt. Vor­trag hier­zu liegt nicht vor. Im Übri­gen kann die Be­klag­te zu 1) Ver­strei­chen der Zwei­wo­chen­frist nicht glaub­haft ge­macht ha­ben, wenn das Ver­fah­ren nach § 17 Abs. 2 KSchG ge­genüber dem ört­li­chen Be­triebs­rat erst ge­mein­sam mit der we­ni­ger als zwei Wo­chen vor der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge er­folg­ten Be­triebs­rats­anhörung zur Kündi­gung durch­geführt wur­de.

cc) Die Rechts­fol­gen feh­ler­haf­ter Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­gen auf die Wirk­sam­keit der Kündi­gung sind nach der durch die Recht­spre­chung des EuGH ( EuGH 27. Ja­nu­ar 2005 – C-188/03 – NZA 2005, 213 [Junk]) vor­ge­ge­be­ne Ände­rung der Recht­spre­chung des BAG noch nicht ab­sch­ließend geklärt (vgl. BVerfG 25. Fe­bru­ar 2010 – 1 BvR 230/09 – EzA KSchG § 17 Nr. 21 ).

Dies gilt auch für die Fra­ge, ob Feh­ler in der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge auch dann zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung führen, wenn die X durch be­stands­kräfti­gen Ver­wal­tungs­akt bestätigt, dass ei­ne wirk­sa­me Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge vor­lag.

dd) Nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BAG ( BAG 24. Ok­to­ber 1996 – 2 AZR 895/95 – AP KSchG 1969 § 17 Nr. 8; vgl. auch BAG 11. März 1998 – 2 AZR 414/97 – AP Be­trVG 1972 § 111 Nr. 43; BAG 13. April 2000 – 2 AZR 215/99 – AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13) konn­ten Feh­ler der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge durch be­stands­kräfti­gen Ver­wal­tungs­akt der Ar­beits­ver­wal­tung ge­heilt wer­den, in dem die Wirk­sam­keit der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bestätigt wur­de. Hier­nach wa­ren die Ar­beits­ge­rich­te grundsätz­lich ver­pflich­tet, ei­nen Ver­wal­tungs­akt, der nicht nich­tig ist, als gültig an­zu­er­ken­nen, so­lan­ge er nicht von Amts we­gen oder auf ei­nen Rechts­be­helf in dem dafür vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren auf­ge­ho­ben wor­den ist.

ee) Um­strit­ten ist, ob hier­an auch im An­schluss an die durch die Ent­schei­dung des EuGH vom 27. Ja­nu­ar 2005 her­vor­ge­ru­fe­ne Recht­spre­chungsände­rung fest­zu­hal­ten ist (be­ja­hend – je­den­falls bei Ein­hal­tung der Zwei­wo­chen­frist – LAG Rhein­land-Pfalz 15. Ja­nu­ar 2008 – 3 Sa 634/07 – Zin­sO 2008, 1392; Voll­text ju­ris; be­ja­hend auch: APS/Moll, 3. Aufl., KSchG, § 17 Rn 136; SPV/Vos­sen, 10. Aufl., Rn 1654; Kütt­ner/Kreit­ner, Per­so­nal­buch 2011, 300 „Mas­sen­ent­las­sung“, Rn 24; wohl auch Krie­ger/Lud­wig, NZA 2010, 919 [921]; ein­schränkend ErfK/Kiel, 11. Aufl., KSchG, § 20 Rn 6; KR/Wei­gand, 9 Aufl., KSchG; § 20 Rn 72 und 73; v.Ho­y­nin­gen-Hue­ne/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 18 Rn 17 und § 20 Rn 26; ver­nei­nend LAG Düssel­dorf 15. Sep­tem­ber 2010 – 12 Sa 627/10 – Zin­sO 2011, 1167; LAG Düssel­dorf 10. No­vem­ber 2010 – 12 Sa 1321/10 – Zin­sO 2011, 871; Rein­hard, RdA 2007, 207 [214]; Ni­k­las/Ko­eh­ler, NZA 2010, 913 [918]).

ff) Die Kam­mer folgt nicht der Auf­fas­sung, wo­nach das uni­ons­recht­li­che und grund­recht­li­che Ef­fek­ti­vitätsprin­zip die Bin­dung der Ar­beits­ge­rich­te an ei­ne in­zi­den­te Fest­stel­lung der Wirk­sam­keit der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge durch die Ar­beits­ver­wal­tung hin­dert (so LAG Düssel­dorf 15. Sep­tem­ber 2010 – 12 Sa 627/10 – aaO; LAG Düssel­dorf 10. No­vem­ber 2010 – 12 Sa 1321/10 – aaO). Of­fen blei­ben kann in die­sem Zu­sam­men­hang, ob die Ar­beits­ge­rich­te auch an die Auf­fas­sung der Ar­beits­ver­wal­tung ge­bun­den sind, die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Pflicht zur Er­stat­tung ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge lägen nicht vor (hier­zu ErfK/Kiel, aaO; KR/Wei­gand, aaO; Rn 72; v.Ho­y­nin­gen-Hue­ne/Linck, aaO, § 20 Rn 26). Auch wenn man der Auf­fas­sung folgt, dass die §§ 17 f KSchG auch der Verstärkung und Aus­ge­stal­tung des in­di­vi­du­el­len Kündi­gungs­schut­zes die­nen (LAG Sach­sen-An­halt 18. No­vem­ber 2009 – 5 Sa 179/09 – nv., ju­ris), be­zweckt die An­zei­ge­pflicht nach wie vor nicht primär ei­nen Schutz der Ar­beit­neh­mer vor Ent­las­sung, son­dern dient dem Ziel ei­ner ef­fek­ti­ven Ver­wal­tung der Mas­sen­ent­las­sung und -ar­beits­lo­sig­keit und da­mit vor al­lem ar­beits­markt­po­li­ti­schen Zwe­cken ( BAG 23. März 2006 – 2 AZR 343/05 – AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21). Die X soll in die La­ge ver­setzt wer­den, vor­aus­schau­end Ar­beits­ver­mitt­lungs- und an­de­re Maßnah­men ein­zu­lei­ten, um Fol­gen der Mas­sen­ent­las­sun­gen von den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern möglichst ab­zu­wen­den. Dies ent­spricht auch Art. 4 Abs. 2 der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen (Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie, MERL), wo­nach der Zweck der An­zei­ge dar­in be­steht, es der zuständi­gen Behörde zu ermögli­chen, nach Lösun­gen für die durch die be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen auf­ge­wor­fe­nen Pro­ble­me zu su­chen. Nach die­sem Ge­set­zes­zweck hat dann aber ein Feh­ler im Zu­sam­men­hang mit der Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge im Zu­sam­men­hang mit den Be­ra­tun­gen mit dem Be­triebs­rat je­den­falls dann kei­nen Ein­fluss auf die Wirk­sam­keit der An­zei­ge, wenn die X nachträglich zu er­ken­nen gibt, dass sie auf­grund der vom Ar­beit­ge­ber ge­mach­ten An­ga­ben und der von ihm mit­ge­teil­ten Un­ter­rich­tung des Be­trie­brats in der La­ge war, sich ein aus­rei­chen­des Bild von den ge­plan­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen zu ma­chen, um er­for­der­li­che ar­beits­markt­po­li­ti­sche Maßnah­men zu er­grei­fen bzw. Ent­schei­dun­gen nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG zu tref­fen. Nach § 20 Abs. 3 KSchG hat der Ent­schei­dungs­träger der X vor sei­ner Ent­schei­dung Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat an­zuhören und sind die­se ver­pflich­tet, die für die Be­ur­tei­lung des Fal­les er­for­der­lich ge­hal­te­nen Auskünf­te zu er­tei­len, wo­durch die X sich selbst, wenn sie dies für er­for­der­lich hält, ein Bild von dem Stand der Be­ra­tun­gen ver­schaf­fen kann. Wenn die ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen an die An­zei­ge in ers­ter Li­nie da­zu die­nen, der Behörde ei­ne ord­nungs­gemäße Er­le­di­gung ih­rer Auf­ga­ben zu ermögli­chen oder die­se zu­min­dest zu er­leich­tern und sie sich auf­grund der vom Ar­beit­ge­ber mit der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge er­teil­ten In­for­ma­tio­nen in der La­ge sieht, die An­zei­ge sach­lich zu prüfen, die im Zu­sam­men­hang mit der be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sung auf­ge­wor­fe­nen Pro­ble­me zu be­ur­tei­len und dem Ar­beit­ge­ber die Wirk­sam­keit der ein­ge­gan­ge­nen Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge zu bestäti­gen an­statt ergänzen­de In­for­ma­tio­nen zu for­dern, be­steht vom Ge­set­zes­zweck kein An­lass, von ei­ner un­wirk­sa­men Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge aus­zu­ge­hen, dies wie­der­um mit der Fol­ge der Un­wirk­sam­keit der dar­auf erklärten Kündi­gun­gen ( BAG 28. Mai 2009 – 8 AZR 273/08 – AP BGB § 613a Nr. 370). Dies gilt auch dann, wenn die Ar­beits­ver­wal­tung mögli­cher­wei­se feh­ler­haft die Dar­le­gung be­en­de­ter wenn auch ge­schei­ter­ter In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen mit dem Ge­samt­be­triebs­rat als hin­rei­chen­de Dar­le­gung ei­nes mit dem ört­li­chen Be­triebs­rat durch­geführ­ten Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens ge­wer­tet hat. Es geht da­mit auch um die Fra­ge der Über­prüfung der Wirk­sam­keit der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge trotz po­ten­ti­el­len Feh­lers als sol­cher und nicht um die Fra­ge der Ver­tei­lung der Dar­le­gungs- und Be­weis­last für Feh­ler­haf­tig­keit bzw. Feh­ler­frei­heit der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge nach Vor­lie­gen ei­ner Ent­schei­dung durch die X (so Rein­hard, RdA 2007, 207 [214]).

f) Die Kündi­gung ist nicht des­halb un­wirk­sam, weil ent­ge­gen Art. 14 A Abs. 4 des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 kei­ne so­zia­len Schutz­maßnah­men zu­guns­ten der in I beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer ein­ge­lei­tet wur­den.

Es kann da­hin­ste­hen, ob Art. 14 A Abs. 4 des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 bei Un­ter­blei­ben so­zia­ler Schutz­maßnah­men ei­nen Un­wirk­sam­keits­grund für aus­ge­spro­che­ne Kündi­gun­gen dar­stel­len könn­te. Art. 14 A Abs. 4 des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 fin­det auf das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin je­den­falls be­reits des­halb kei­ne An­wen­dung, weil die­ses U Recht un­ter­liegt.

g) Die ein­zu­hal­ten­de Kündi­gungs­frist folgt aus § 113 Satz 2 In­sO und ist ge­wahrt.

aa) Dass das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach Art. 14 A des Ge­set­zes Nr. 3429/2005 ein nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Eu­Ins­VO an­er­kann­tes In­sol­venz­ver­fah­ren dar­stellt, wur­de be­reits dar­ge­legt.

bb) Für die Wir­kun­gen des In­sol­venz­ver­fah­rens auf ei­nen Ar­beits­ver­trag gilt U Recht als das auf den Ar­beits­ver­trag an­zu­wen­den­de Recht, Art. 10 Eu­Ins­VO . § 113 In­sO hat ar­beits­recht­li­chen Re­ge­lungs­cha­rak­ter und fin­det da­mit auch im Fall der Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens in ei­nem an­de­ren Mit­glieds­staat auf­grund des Ver­trags­sta­tuts An­wen­dung (Göpfert/Müller, NZA 2009, 1059 [1060, 1061] mwN). In­fol­ge der Re­ge­lung in § 113 In­sO kommt es da­mit auf in den Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen des sog. „Blue Book“ vor­ge­se­he­ne länge­re Kündi­gungs­fris­ten nicht an.

2. Der Hilfs­an­trag zum An­trag zu 3. ist be­reits un­zulässig, da er nicht auf Fest­stel­lung ei­nes Rechts­verhält­nis­ses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO ge­rich­tet ist, son­dern auf die Be­ant­wor­tung ei­ner Rechts­fra­ge. Wäre der An­trag zulässig, wäre er un­be­gründet. Denn wie dar­ge­legt ist die Be­klag­te zu 1) kündi­gungs­be­rech­tigt. Ob sie hier­bei durch N al­lein ver­tre­ten wer­den kann, ist nicht Ge­gen­stand des Hilfs­an­trags.

3. Die ge­gen die Be­klag­te zu 2) ge­rich­te­ten Anträge zu 2. und 4. sind un­be­gründet, da das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin nicht in­fol­ge Be­triebsüber­gangs auf die­se über­ge­gan­gen ist. Wie be­reits aus­geführt, ist ein Be­triebsüber­gang auf die Be­klag­te zu 2) nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt.

C. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Re­vi­si­on we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung zu­zu­las­sen.

Außer­dem weicht die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung in­so­weit in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se von den Ent­schei­dun­gen des LAG Düssel­dorf vom 15. Sep­tem­ber 2010 (12 Sa 627/10) und 10. No­vem­ber 2010 (12 Sa 1321/10) ab, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG .

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